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Vor kurzem schaute ich mir eine Diskussion im Fernsehen an, in der "sogenannte" Karierrefrauen ihre Geschlechtsgenossinen, die zugunsten ihrer Kinder zuhause bleiben, als <feige, schwach und zu bequem> bezeichneten.
Eigentlich habe ich nichts gegen ehrgeizige Frauen.
Aber mal ehrlich, wieviele Frauen und auch Männer machen denn wirklich Karierre?
Ein jahrelanger Job an einer Supermarktkasse, Regale einräumen, an einem Fliessband zu stehen oder die meisten anderen Jobs, bieten ja nicht wirklich Aufstiegschancen.
Und ich wehre mich dagegen, mich als feige, schwach und zu bequem, beschimpfen zu lassen.

Mit 16 Jahren begann ich meine Ausbildung als "Gehilfe in steuerberatenden Berufen", so nannte sich das damals.
Schon nach drei Monaten war mir klar, dass ich dies nicht den Rest meines Lebens machen würde. Es war ganz einfach nur langweilig. Zu der Zeit gab es noch keine PCs und ich mußte stundenlang Daten auf einen Lochstreifen eingeben. Wehe, wenn sich ein Fehler eingesschlichen hatte, dann ging alles noch mal von vorne los.
Drei Jahre später hatte ich nur noch den Wunsch, so schnell wie möglich etwas anderes anzufangen.
Die regionale Tageszeitung suchte zu der Zeit eine "Anwärterin auf Redaktionssekretärin". Zwar rechnete ich mir nicht viel Chancen aus, bewarb mich aber trotzdem und bekam tatsächlich einen Termin für ein Vorstellungsgespräch. Obwohl ich sechs Mitbewerberinnen hatte, bekam ich - als jüngste - die Zusage.
Diese Arbeit machte mir sehr viel Spaß. Sie war sehr abwechslungsreich und ich lernte etliche interessante Menschen kennen. Auch einige VIPS.
Das Schreiben mit einer riesigen mechanischen Schreibmaschine war recht anstrengend aber nachdem ich mir eine heftige Sehnenscheidentzündung zugezogen hatte, spendierte mir mein Chef eine der ersten elektrischen Kugelkopfmaschinen. Natürlich hatte ich immer eine Packung Tip-Ex neben meiner Maschine liegen. - Wie herrlich ist doch heute das Arbeiten am PC!
In meinem dritten Jahr beim "Offenburger Tageblatt" heiratete ich und etwa zehn Monate später wurde ich schwanger.
Mein Chefredakteur bot mir zwar eine Halbtagsarbeit an aber wir waren inzwischen 60 Kilometer weggezogen, weil mein Mann eine neue Arbeit angenommen hatte. In der Kleinstadt in der wir wohnten gab es zu der Zeit keinen Kinderhort - das wäre für mich aber sowieso keine Option gewesen.
Es widerstrebte mir total, mein ein paar Wochen altes Baby in fremde Hände abzugeben.
Meine Mutter konnte nur bedingt babysitten, da sie zu der Zeit schon schwer gehbehindert war. Eine Tagesmutter war für mich gar kein Thema.
Also blieb ich daheim!
Stundenweise ging ich dann schon jobben. Frühstücksservice in einem Hotel. Regale einräumen bei Schlecker. Verkauf in einem Tante-Emma-Laden und ähnliches.
Drei Jahre später kam mein zweiter Sohn.
Wir bewohnten inzwischen ein Haus in einem sehr großen Garten. Also jede Menge Arbeit. Von wegen bequem! Im Büro hatte ich es da weitaus ruhiger und weniger anstrengend.
Abgesehen davon hatten ich und meine inzwischen drei Kinder, eine Tochter war noch dazugekommen, auch sehr viel Spaß miteinander.
Wenn ich dann so Slogans höre wie: Die Sehnsucht nach einem Baby sei ein "Kümmersyndrom" fange ich zu rottieren an.
Was ist so verkehrt an dem Wunsch ein Kind oder Kinder haben zu wollen?
Mal angenommen, alle Frauen wollten nur noch arbeiten und keine Kinder mehr, dann gäbe es doch irgendwann nur noch alte Menschen. Nicht sehr lustig - oder?!
Die Gesellschaft krankt auch daran, dass die Kinder heute einfach "abgestellt" oder sich allein überlassen werden. Warum sind heute so viele Jugendliche verroht und gefühllos? Weil ihre Erziehung dem Personal im Hort oder Kindergarten, später den Schullehrern aufgebürdet wird, die damit natürlich völlig überfordert sind.
Meine Kinder - der Älteste ist inzwischen 35 Jahre alt, die Jüngste 28 - sagen heute noch, dass sie eine wunderbare Kindheit hatten. Auch ohne Designerklamotten und den ganzen - heute anscheinend unverzichtbaren Dingen. Mein Mann verdiente genug, wenn wir auch nicht im Überfluß schwelgten.

Natürlich hatte ich durch die vielen Jahre daheim den Anschluß verpasst. Gerade zu der Zeit als ich bei der Zeitung aufhörte, wurde auf Computer umgestellt.
Na ja, vielleicht war ich dann doch zu bequem. Wahrscheinlich hätte ich Kurse und Weiterbildungen machen sollen. Karierre hätte ich damit aber wohl trotzdem nicht gemacht.
So arbeitete ich dann ein paar Jahre als Haushaltshilfe bei einem sehr lieben alten Ehepaar.
Bei der Stadtverwaltung und Kriminalpolzei als "Reinigungsfachkraft" - hört sich besser als Putzfrau an.
Und jetzt mit fast 58 Jahren eine gute Arbeit zu finden, stellt sich als fast unmöglich dar.

Unsere Tochter bekommt in etwa drei Wochen ihr erstes Kind. Sie will genau, wie ich, daheim bei ihrem Kind bleiben und mindestens noch ein zweites vielleicht sogar drittes Kind. "Sie sollen eine so schöne Kindheit wie wir haben", ist ihre Rede.

Unser Ältester hat keine Kinder. Er und seine Frau sind beide voll berufstätig und haben einen Beruf,
der ihnen Spaß macht. Sie machen jedes Jahr große Reisen und sind schon viel in der Welt herumgekommen.

Der mittlere Sohn hat zwei Töchter. Da er selbstständig ist - er führt Postagenturen - können er und seine Frau sich die Kinderbetreuung teilen Auch eine optimale Lösung. So fällt unserer Schwiegertochter nicht die Decke auf den Kopf und unser Sohn hat eine enge Bindung zu seinen Kindern.

Mein Fazit ist:
Man sollte nach dem Motto gehen "leben und leben lassen" und nicht alles verteufeln was andere tun.

Für mich war die "Karierre als Mutter" die denkbar beste und ich bereue nicht, dass ich es so gemacht habe!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Meinen Kindern, die meine erfolgreiche "Karierre" sind

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