Als ich das Haus fand - oder das Haus fand mich - war ich seit ein paar Jahren verheiratet. Mein Sohn, Tobi, war zu der Zeit etwa 2 1/2 Jahre alt. Da wir schon seit einiger Zeit unterwegs waren, fing der Kleine zu nörgeln an. Hunger, Durst, keine Lust mehr....
Weil ich annahm, dass ich eine Abkürzung gefunden hätte, schlug ich also einen anderen Weg ein, den ich bis dahin nicht kannte.
Und dann stand ich plötzlich vor diesem Haus! Es war inmitten eines riesigen Bauerngartens, der zwar etwas verwildert war, aber trotzdem wunderschön.
Das Haus war wie aus einem Traum von mir entsprungen. Diese alten Häuser liebte ich schon immer über alles. Auch heute noch! Es sah aus, als wenn es mich willkommen heißen wollte. Und! Es stand offensichtlich leer!
Obwohl ich zu dieser Zeit noch sehr schüchtern war, lief ich die etwa 300 Meter zum nächsten Haus, um Näheres in Erfahrung zu bringen. Die Nachbarin war sehr freundlich und gab mir die Adresse der Frau, die zuletzt in diesen Haus gewohnt hatte."Sie kann Ihnen auch die Anschrift des Hausbesitzers geben", meinte sie.
Mein Sohn hatte zwar inzwischen zu weinen angefangen, aber ich machte mich trotzdem auf den Weg in das Zentrum der kleinen Stadt um Frau Merk aufzusuchen. Diese schien mich schon zu erwarten. Wahrscheinlich hatte die Nachbarin mich schon angekündigt. Sie lächelte mich freundlich an. Nahm erst mal meinen inzwischen schreienden Sohn aus dem Buggy und schaute dann auf meinen Babybauch. "Wir hatten auch drei Kinder als wir in dem alten Jagdhäusle wohnten", erzählte sie mir. Früher wurde das Haus von den Herrschaften nur zur Jagdzeit und manchmal in den Ferien bewohnt.
Bei einem Glas Saftschorle und einem Stück Kuchen besprachen wir dann, dass sie sich bei Herrn Wenz, so hieß der Hausbesitzer, für uns einsetzen wollte.
Bereits am nächsten Morgen rief sie mich an, um mir mitzuteilen, dass wir das Haus besichtigen, und bei Gefallen mieten konnten. - Ich hätte es auch unbesehen genommen -.
Zum Glück "verliebte" sich mein Mann, genauso wie ich, sofort in dieses Haus und einen Monat später schon zogen wir ein.
Da mein Mann Handwerker ist, war es kein Problem alles wieder ein bißchen instand zu setzen. Unser Vermieter zahlte die Materialkosten.
Wir verbrachten einige sehr schöne Jahre in diesem Haus. Unser zweiter Sohn kam bald nach unserem Einzug zur Welt und knapp vier Jahre später kam noch unsere Tochter.
Natürlich gab es auch Schattenseiten. Da das Haus recht alt war, ließ die Isolierung zu wünschen übrig. Im Winter 1983, der extrem kalt war, schien es unmöglich, das Haus warm zu bekommen. Selbst ein paar Meter von dem riesigen Kachelofen im Wohnzimmer wurde es nicht wärmer als 16 Grad. Wir liefen die ganze Zeit mit dicken Unterhosen und Rollkragenpullover herum. Unser Grog und Tee-mit- Rum-Konsum war in dieser Zeit besorgniserregend. Aber auch dieser Winter ging vorbei und die anderen Winter waren glücklicherweise nicht so kalt.
Umso schöner war dann der Frühling, wenn der Garten regelrecht explodierte und der Sommer, wenn es trotz größter Hitze immer noch angenehm frisch bei uns war.
Manche unserer Besucher fanden es zwar irgendwie gruselig in diesem Haus, aber wir selber fühlten uns einfach nur wohl dort.
Wir würden heute noch dort wohnen aber unser Hausherr hatte andere Ideen. Er wollte das Haus verkaufen. Wenn es ein akzeptabler Preis gewesen wäre, hätten wir es natürlich sofort gekauft. Er wollte aber 600.000 DM und das war uns einfach zu viel. - Er hat später dann gerade mal 180.000DM dafür bekommen. - Das hätten wir auch bezahlen können.
Zu der Zeit wurde uns das Haus vom dem Großvater meines Mannes angeboten. Riesengroß, uralt und auch nicht besonders schön. Meine Schwiegermutter und ihre Schwestern hatten dieses Haus zusammen geerbt und kamen nicht klar damit. Also verließen wir unser geliebtes Jagdhäusle im Schwarzwald.
Nachdem etwa zwei Jahre nach unserem Umzug vergangen waren, fing das mit meinem Traum an. Ich stand wieder vor unserem Jagdhäusle. Die Tür war unverschlossen und ich ging einfach hinein. Zwar waren Leute im Haus aber sie beachteten mich nicht. So ging ich von Zimmer zu Zimmer und schaute mir alles an. Dieser Traum wiederholte sich immer wieder. Manchmal zogen wir auch einfach wieder ein.
Über 20 Jahre ist es jetzt her,das wir das Haus verlassen haben.
Vor einiger Zeit habe ich es wahr gemacht. Bin mit dem Auto rüber ins Tal gefahren. Eine Zeit lang stand ich vor dem Haus. Es hatte sich schon sehr verändert. Es gab einen neuen Anbau. Andere Fenster waren eingebaut worden und der Garten war völlig umgestaltet.
Schließlich nahm ich allen Mut zusammen und klingelte. Zwar wußte ich nicht recht, was ich sagen sollte, aber das würde sich schon ergeben.
Eine junge Frau machte die Tür auf. Sie schaute mich sehr seltsam an. Als wenn sie erschrocken war, mich aber auch irgendwie erkannte.
So standen wir uns eine kleine Ewigkeit schweigend gegenüber.
"Sie sind das!", sagte sie schließlich, zögerte und bat mich herein.
Auch das Innere des Hauses erinnerte nicht mehr an früher.
Die junge Frau druckste eine Weile verlegen rum und sagte dann zu mir: "Wissen Sie, dass Sie schon seit Jahren in unserem Haus herumspuken?" Mir lief es kalt den Rücken herunter."Wie, das denn?", fragte ich fassungslos. "Von Zeit zu Zeit laufen Sie bei uns von Zimmer zu Zimmer und plötzlich sind Sie dann wieder verschwunden."
So wie es aussah, suchte ich immer, wenn ich von diesem Haus träumte, die armen Leute als "Gespenst" heim.
Seit meinem "richtigen" Besuch im Jagdhäusle habe ich diesen Traum nicht mehr gehabt.
Tag der Veröffentlichung: 15.01.2011
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