Am 24. Mai 1882 wurde Wilhelm Hoffmann in Haltern als dritter Sohn seiner Eltern geboren. Dass seine Mutter bei seiner Geburt verstarb, war eine Tragödie, wie sie damals viele Familien traf, denn die Geburten fanden üblicherweise zu Hause statt und die ärztliche Versorgung war – gelinde gesagt – noch sehr mangelhaft. Was sollte Wilhelms Vater tun? Als Witwer mit drei kleinen Kindern, von denen eines sogar erst ein neu geborenes Kind war? Hilfe des Staates oder der Gemeinde gab es damals so gut wie überhaupt nicht. Hilf dir selbst und sie zu, wie du klar kommst. Fast logischerweise heiratete Wilhelms Vater nach Ablauf des Trauerjahres noch einmal. Musste er ja auch, ihm blieb doch überhaupt nichts anderes übrig, wie hätte er denn sonst seine drei kleinen Kinder versorgen sollen? Deshalb war seine zweite Heirat auch keine Liebesheirat, sie war eine reine Versorgungsehe. Er brauchte jemand, der seine Kinder aufzog, sie versorgte, wenn er arbeitete. Gleichzeitig hatte seine zweite Frau nun jemand, der ihr in finanzieller Hinsicht eine – möglicherweise – trügerische Sicherheit geben konnte.
Liebe und Geborgenheit erlebte Wilhelm in dieser Familie mit seiner Stiefmutter nicht. Schon gar nicht, als Wilhelms Vater mit seiner zweiten Frau weitere Kinder bekam und prompt kam es, wie es kommen musste: Die Familie von Wilhelms Vater war nunmehr eine „Zwei-Klassen-Familie“. Wilhelms Stiefmutter behandelte ihre drei Stiefkinder anders als ihre eigenen. Sie unterschied ihre Stiefkinder – die fremden Bälger – konsequent von ihren eigenen Kindern. Unter dieser „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ hatte Wilhelm von nun an fürchterlich zu leiden.
Die Zeiten damals waren sehr schlecht und viele Menschen litten Hunger. Es gab ungezählte Arbeitslose, und Männer, Frauen und Kinder waren oft froh, wenigstens einmal am Tag etwas zu essen zu haben. Es war die Zeit der großen Auswanderungen nach Amerika, in die „Neue Welt“.
Einige Jahre vor Wilhelms Geburt hütete ein Junge im Muttental in der Nähe von Witten tagsüber Schweine in Wäldern und an Wegrändern. Dort gab es Futter für sie, welches nichts kostete, Gras und Laub und Eicheln. Im Herbst und im frühen Winter, wenn es bereits spätnachmittags kalt wurde, sammelte der Junge trockene Reiser und entzündete ein kleines Feuer, um sich zu wärmen, während er auf die Schweine achtete. Wenn es Abend wurde, trat er sorgfältig das Feuer aus, weil er sich der Gefahren eines Waldbrandes durchaus bewusst war. Dann legte er Steine auf die ausgetretene Glut, rein vorsorglich, falls sich doch noch ein Funke zu einem offenen Feuer entwickeln sollte.
An einem frühen Abend, die Sonne stand schon tief am Himmel und färbte tiefe Wolken am Horizont blutrot, wollte er wie üblich möglichst schnell heim. Es langweilte ihn fürchterlich, stundenlang die Schweine hüten zu müssen, außerdem hatte er Hunger, er hoffte mindestens auf ein karges Abendessen, und ihm war kalt. Er fror in seiner Kleidung, die aus einer mehrfach geflickten Hose und einem groben, ebenfalls mehrfach geflickten Hemd bestand, er zitterte vor Kälte und seine Zähne klapperten. Seine Füße steckten barfuß in Holzschuhen, die auch schon bessere Tage hinter sich hatten. Ein heftiger und böiger Wind wehte trocken und kalt von Osten her und färbte seine Nase rot und seine Finger blau. Er beeilte sich, er wollte heim, vermutlich war die Stube daheim beheizt. So trat er das Feuer nicht ganz so sorgfältig aus, wie man es ihn gelehrt hatte. Dann legte er wie immer Steine auf die Asche und ging hungrig und rechtschaffend müde mit den Schweinen heim, kam rechtzeitig zu Hause an zum kargen Abendbrot, das ihn kaum sättigen konnte, und ging anschließend frühzeitig schlafen.
Am nächsten Morgen – nach einer kurzen Katzenwäsche und einem wiederum kargen Frühstück – zog er erneut mit den Schweinen los. Es dämmerte, denn es war noch früh und die Sonne ging gerade fahl und blass über einem dunkelroten wolkigen Horizont auf. Er wählte denselben Platz wie gestern, weil es dort reichlich Laub und Eicheln für die Tiere gab und er deshalb nicht viel umherziehen musste. Bass erstaunt war er, als er die Feuerstelle von gestern sah! Die Steine, mit denen er die heiße Asche abgedeckt hatte, waren verbrannt! Verbrannte Steine? Das gibt es doch gar nicht! Schnell erkannte er, dass die Asche selbst jetzt, nach der langen Nacht, noch heiß war; einige Steine glühten sogar noch! Glühende Steine? Er legte weitere Steine auf die Glut und bald brannten diese lichterloh! Und sie erzeugten eine viel bessere Wärme als die dürren Reiser!
Es waren keine Steine gewesen, die der Junge auf das Feuer gelegt hatte, sondern dicke Kohlebrocken. Der Junge war auf ein Kohleflöz gestoßen, welches an jener Stelle an der Ruhr offen zutage trat.
Nach dieser Entdeckung begann zunächst langsam, bald aber schon mit zunehmender Intensität, die Ausbeutung der Kohle als ein neuer Energierohstoff, der immer wichtiger werden sollte. Zunächst begannen Männer der näheren Umgebung im Tagebau und später im noch flachen Untertagebau, die Kohle abzubauen. Folgten sie dem Flöz gen Norden, so mussten sie immer tiefere Schächte und Gruben bauen. Die Nachfrage nach der Kohle stieg mit der beginnenden Industrialisierung sprunghaft an und nach und nach gab es für alle Männer in der Gegend Arbeit. Schon bald fehlten sogar Arbeitskräfte in den Bergwerken, in den Kohlezechen, es fehlten Bergleute. Bis dahin herrschte in ganz Deutschland eine schlimme Arbeitslosigkeit. Viele Männer, Familienväter, wussten oft nicht, wie sie ihre Kinder, ihre Familien, ernähren sollten. Viele junge Leute bekamen von ihren Landesherren nicht die Erlaubnis zu heiraten, weil es für sie keine Möglichkeiten gab, Geld zu verdienen. Wie sollten sie ohne Arbeit, ohne Einkommen, Frau und Kinder ernähren? Deshalb gab es zu jener Zeit die großen Auswanderungswellen in die Neue Welt – nach Amerika.
Jetzt aber, nach der Entdeckung der Kohle, gab es an der Ruhr plötzlich Arbeit. Wie viele Tausend andere zog Wilhelm Hoffmanns Familie ins Ruhrgebiet, wo Wilhelms Vater sich als Bergmann verdingen konnte. Zunächst verschlug es sie nach Börnig und später in den Ort Wanne.
Je älter Wilhelm Hoffmann wurde, umso mehr hatte er unter seiner Stiefmutter zu leiden, die ihre eigenen Kinder den Stiefkindern nicht nur vorzog, sondern die „fremden Bälger“ deutlich und konsequent als Fremde behandelte, als Konkurrenten für ihre eigenen Kinder.
Zum Besuch der Schule mussten die Kinder einen Zulauf zur Emscher überqueren, die damals ein kleiner und noch nicht kanalisierter Fluss war. Dort, wo sie den Fluss überqueren mussten, gab es aber keine Brücke. Deshalb hatte man einen großen Baum gefällt und nutzte den Stamm als Steg über den Fluss. Im Winter 1890, als Wilhelm fast neun Jahre alt war, ging er zusammen mit seinem kleinen Bruder Bernhard von der Schule heim. Es war bitterkalt und es lag Schnee. Am Vortag hatte es leicht getaut und in der Nacht wurde es wieder klirrend kalt. Trotz der Kälte balgten und tobten die beiden Buben übermütig im Schnee, bewarfen sich mit Schneebällen, legten sich in den Schnee und machten „Adler“.
Als sie an dem Baumstamm ankamen, war dieser völlig vereist. Wilhelm nahm den kleinen Bernhard zum Überqueren des Flusses sicherheitshalber an die Hand. Vorsichtig balancierten sie gemeinsam über den Baumstamm, ein kurzer Schritt nach dem anderen. Vorsicht, Vorsicht! Und doch waren sie nicht vorsichtig genug, denn plötzlich rutschte Bernhard aus, er entglitt Wilhelms Hand und stürzte in den eiskalten Fluss.
Willi, wie Wilhelm meistens gerufen wurde, erschrak fürchterlich und schrie laut auf. Er wedelte mit seinen Armen, um das Gleichgewicht zu behalten und nicht auch abzurutschen und in den Fluss zu stürzen. Dann ging er vorsichtig und doch so schnell, wie es nur eben ging, über den glatten Baumstamm zum Ufer. Willi rannte dem im eiskalten Wasser davontreibenden Jungen nach, stolperte über eine Baumwurzel, die aus dem Schnee ragte, und schlug der Länge nach hin. Schnell rappelte er sich wieder auf und rannte weiter, seinen kleinen Bruder immer im Blick, der im Wasser wild um sich schlug. Gott sei Dank war die Strömung nicht allzu stark. An einer Biegung trieb der Fluss Bernhard bis in die Nähe des Ufers. Willi sprang ins eisige Wasser, das ihm hier bis zum Bauch ging, und versuchte verzweifelt, den Kleinen zu fassen und zu halten. Endlich hatte er ihn. Er krallte sich in den nassen Mantel seines Bruders fest. Mit den gestrickten Fausthandschuhen, die er wegen der bitteren Kälte trug, konnte er den Kleinen aber nicht festhalten, die Strömung riss ihn los und zog ihn fort. Schnell riss Willi sich die Fäustlinge von den Händen, ließ sie in den Fluss fallen und rannte in seiner nassen und eisigen Kleidung seinem Bruder am Flussufer hinterher. Ununterbrochen schrie er gellend um Hilfe, panisch und verzweifelt – doch niemand hörte ihn.
Wieder hatte er den Kleinen, konnte ihn fassen, greifen, und doch riss der Fluss ihn wieder fort, denn der neunjährige Willi hatte jetzt kaum noch Kraft und seine blaugefrorenen Finger waren beinahe steif geworden. Willi war jetzt völlig ausgelaugt und kam kaum noch voran am vereisten Flussufer. Er war gerannt, wie er noch nie in seinem jungen Leben gerannt ist, mit heißem Atem, doch jetzt stolperte er kraftlos nur noch am Ufer entlang. Die Entfernung zu dem Kleinen vergrößerte sich mehr und mehr. Mit panischem Schrecken erreichte Willi eine Flussbiegung und sah voller Verzweiflung, dass Bernhard zum anderen Ufer getrieben worden war – wo sein Körper an das Ufer stieß, wieder freikam und weitergetrieben wurde. Bernhard schlug nicht mehr mit Armen und Beinen um sich, er lag jetzt ganz still im Wasser und trieb weiter flussabwärts. Willi hätte zurück laufen müssen zum Baumstamm, den Fluss wieder überqueren und am anderen Flussufer zu Bernhard rennen müssen. Es gelang Willi nicht mehr, er konnte nicht mehr, erschöpft und völlig ausgelaugt sank er zu Boden, zutiefst verzweifelt.
Noch einmal raffte er sich mit letzter Kraft auf, denn er wusste, weit und breit gab es keine Hilfe, er war ganz allein für seinen Bruder Bernhard verantwortlich, und so stolperte er schluchzend an seiner Uferseite weiter, lange noch wankte er dem kleinen Bernhard am Ufer hinterher, hilflos, geschockt und völlig ratlos und verzweifelt, Bäumen und Sträuchern ausweichend, so gut es eben ging. Er war doch selbst noch ein Kind, jetzt völlig allein, hilflos und verzagt, er fühlte sich sterbenselend und mutlos. Dicke Tränen rannen über sein eiskaltes Gesicht. Sein kleiner Bruder, dem er nicht helfen konnte, den er nicht retten konnte, sein kleiner Bruder, für den er verantwortlich war, der wurde vom Fluss fortgespült. Willi taumelte ihm noch hinterher, als er kaum noch laufen konnte, er stolperte am Ufer entlang, bis er völlig ermattet in den Schnee sank und jämmerlich schluchzte. Eine blasse, fahle Wintersonne schien vom grauen Himmel herab auf das trügerische Winteridyll und langsam setzte Schneefall ein.
Als man später den kleinen Jungen fand, war er bereits tot.
Die ganz besondere Tragik für Wilhelm bei diesem Unglück war es, dass Bernhard ein Halbbruder von ihm war und seine Stiefmutter ihm die Schuld an seinem Tod gab.
Schon früh musste Wilhelm zu dem kargen Familieneinkommen beitragen, damit alle durchgebracht werden konnten. Das Gefühl „Hunger“ kannten sie dennoch alle. Als Junge verdingte Wilhelm sich bereits bei Bauern, bei Handwerkern und Händlern als Tagelöhner. Im Alter von dreizehn Jahren ging er zum Bergbau, ging er „auf Zeche“. Ab sofort konnte er spürbar zum Familieneinkommen beitragen. Als er fünfzehn Jahre alt war, sah sein Vater ihn einmal aus einer Kneipe kommen. Willi hatte mit Kumpels Karten gespielt und ein Glas Bier getrunken, für das er fünf Reichspfennige gezahlt hatte. Auf offener Straße bekam er von seinem Vater ein paar Ohrfeigen. Seitdem rührte er für den Rest seines Lebens, das immerhin fünfundneunzig Jahre währen sollte, nie wieder Karten oder Bier an. Das Bier hatte ihm sowieso nicht besonders geschmeckt. Aber er hatte zu rauchen begonnen und dieses Laster behielt er bis an sein Lebensende bei.
Christina (Stina) Naumann wurde am 28. November 1882 als Tochter eines nicht unvermögenden Holzschuhfabrikanten geboren. Stina war zeitlebens eine unzufriedene und zänkische Frau. Als sie fünfundzwanzig Jahre alt war, heiratete sie Wilhelm Hoffmann, mit dem sie entfernt verwandt war.
Stina hielt es nirgendwo lange aus, unzufrieden, launisch und zänkisch wie sie war. Jedes Mal, wenn sie und Wilhelm eine neue Wohnung bezogen hatten, hatte sie kurz darauf wieder Streit mit ihren Nachbarn. Deshalb zogen sie mehrfach um. Eines Tages hatte ihr Vater, der Holzschuhfabrikant, die Nase voll von ihrer Umzieherei und kaufte ihr ein Haus an der Westerholter Straße in der Bauernschaft Langenbochum. Damit war es vorbei mit ihrer Umzieherei und sie war gezwungen, sesshaft zu werden. Ihre launische Unzufriedenheit besserte sich dadurch allerdings nicht.
Obwohl Stina Hoffmann zänkisch war, müssen sich die beiden, Stina und Wilhelm, aber geliebt haben. Wie ist es sonst zu erklären, dass sie fünf Kinder miteinander hatten? 1908 wurde ihr erstes Kind geboren, Heinrich, und 1909 Wilhelm, ihr zweiter Sohn. 1914 wurde Franz geboren, der später in Stalingrad blieb, und 1917 Hermann, der in Afrika gefallen ist. 1919 wurde die Tochter Brunhilde Hoffmann geboren, deren Leben eine eigene Geschichte wert ist.
In Herten begann die Industrialisierung 1872 mit dem ersten Spatenstich zur Abteufung des Schachtes I der Zechenanlage „Schlägel und Eisen“ im späteren Hertener Stadtteil Disteln. Herten war damals noch keine Stadt, sondern eine Bauernschaft. Bis etwa 1870 war Herten ländlich geprägt, Herten war ein Dorf. Mit dem Steinkohlebergbau ab dem Jahr 1872 begann eine rasante Entwicklung und die Bevölkerungszahl stieg sprunghaft an. Nach dem Abteufen des zweiten Schachtes im Jahre 1890, ebenfalls in Disteln, setzte ein gewaltiger wirtschaftlicher Aufschwung ein, so dass in den Nachbarorten Langenbochum und Scherlebeck weitere Schächte abgeteuft wurden.
Die ersten Zechenarbeiter, Bergleute, kamen aus diesen Orten und der näheren Umgebung. Doch schon bald reichte das Arbeitskräfteangebot der Umgebung nicht mehr aus, zumal jetzt Zechen im ganzen Ruhrgebiet entstanden, und es wurden Männer aus entfernten Gegenden Deutschlands angeworben. Auch Wilhelm Hoffmann begann als Bergmann auf der Zeche Schlägel und Eisen in Langenbochum zu arbeiten.
So wie Wilhelms Familie zog es Tausende von Männern und später von Familien dahin, wo es Arbeit gab: An die Ruhr, ins Ruhrgebiet, in den Kohlenpott. Die boomende Wirtschaft brauchte bald mehr Arbeitskräfte, als in den deutschen Landen vorhanden waren. Deshalb holte man Arbeitskräfte von Ländern außerhalb Deutschlands, von Polen, Russland, der Slowakei, der Tschechei, aus Österreich und sonst wo her. Interessanterweise wurden diese fremden Arbeiter an der Ruhr von den Einheimischen schon bald alle pauschal und abwertend „Polacken“ genannt, egal, woher sie stammten. Diese Männer, Arbeiter aus halb Europa, und ihre Familien integrierten sich erstaunlich schnell, innerhalb von einer oder zwei Generationen, in die Gesellschaft an der Ruhr. Dies war möglich, weil es im Wesentlichen derselbe Kulturkreis war, alle waren Christen, weit überwiegend katholische und evangelische Christen.
Um ausreichenden Wohnraum für die vielen Zuwanderer zu schaffen, boomte die Wohnungsbautätigkeit um die Jahrhundertwende 1900 in Herten geradezu. Die sanitären Verhältnisse waren noch äußerst primitiv. Bis 1896 gab es keine Kanalisation und keine Trinkwasser-Versorgung. Zum Abfließen der Abwässer dienten offene Gräben. Zum 1. April 1926 wurden die Bauernschaften Ebbelich, Disteln, Langenbochum und Scherlebeck Herten angegliedert. Nach dem Zusammenschluss mit Westerholt im Jahre 1975 wurde Herten die größte Bergbaustadt Europas.
Die lebenslängliche Leidenszeit des ältesten Sohnes von Stina und Wilhelm Hoffmann, Heinrich, begann mit seiner Geburt am 3. September 1908. Seine zänkische und geradezu streitsüchtige Mutter Stina hatte eine ihr selbst unerklärliche Abneigung gegen Jungen und zwar grundsätzlich gegen alle Jungen, die sie ihr ganzes Leben lang nicht überwinden konnte. Schon während der Schwangerschaft hatte sie sich derart massiv in die Idee verrannt, sie würde ein Mädchen bekommen, dass die Alternative für sie einfach nicht denkbar war, dass die Alternative für sie unvorstellbar war. Fast folglich akzeptierte sie deshalb ihren Sohn nach der Geburt nicht als ihr Kind! Es kann ja nicht sein, was nicht sein darf. Hysterisch tobte und schrie sie immer wieder:
„Das ist nicht mein Kind! Das ist ein fremdes Kind! Ihr habt mir mein Kind genommen! Ihr habt es vertauscht!“
Sie ließ ihrer maßlosen Enttäuschung über die Geburt ihres Sohnes in den wildesten Tiraden ihren Lauf. Sie war durch nichts zu beruhigen, durch nichts von ihrer idiotischen Meinung abzubringen. Sie war so versessen in ihrer wahnsinnigen Wut, dass sie sogar in psychiatrische Behandlung musste, was für die damalige Zeit schon ein erheblicher Einschnitt in das Leben eines Menschen bedeutete.
Viel später hat sie ihre Wut aufgegeben und ihren Sohn dann doch noch akzeptiert – zumindest äußerlich, scheinbar. Ob sie jemals für ihn Liebe empfunden hat? Die Liebe einer Mutter für ihr Kind? Nie gab sie Heinrich das Gefühl, geliebt zu werden. Die drei Söhne, die sie - in unmittelbarer Folge - nach Heinrich gebar, traf ihre grausame Wut nicht mehr. Es war so, als habe sie mit hilflosem Zorn begriffen, dass sie auch Jungen würde bekommen können, und sie hatte diese ärgerliche Tatsache ganz auf ihren Erstgeborenen konzentriert. So kam es, dass Heinrich genauso unter seiner Mutter zu leiden hatte, wie bereits sein Vater Wilhelm unter seiner Stiefmutter leiden musste. Wilhelms Vater konnte ihm in seiner Not kaum helfen, denn er hatte bereits früh vor seiner zänkischen Frau resigniert.
1914 brach der erste Weltkrieg aus und Heinrich, der meistens Heinz gerufen wurde, musste nun, schon im zarten Alter von sechs Jahren, viele Pflichten seines Vaters übernehmen, der in Frankreich „im Feld“ war. Damals hatten viele Familien etwas Vieh zur Ergänzung der Lebensmittelversorgung. Um nicht Hunger leiden zu müssen, wurden Schweine, Schafe, Ziegen – die Kühe der Bergleute – zur Milchversorgung, Hühner, der Eier wegen und natürlich auch wegen der Suppe, oder Kaninchen gehalten. Es war eine harte Zeit und viele Menschen konnten sich nicht satt essen. Stina Hoffmann hatte Schweine und Hühner, Ziegen und ein Schaf.
Eines Tages in der Mitte des ersten Weltkrieges, Heinz war inzwischen acht Jahre alt geworden, wurde Stinas Schaf krank. Es war natürlich kein Geld vorhanden, einen Tierarzt zu bezahlen, und es bestand die akute Gefahr, dass das Tier eingehen würde. Deshalb bekam Heinrich von seiner Mutter den Auftrag, das Schaf zu schlachten, bevor es verendete, damit wenigstens das Fleisch gerettet werden würde, um es verzehren zu können.
Der Achtjährige tat es.
Heinrichs jüngerer Bruder Willi hatte es da schon besser, obwohl er natürlich auch häusliche Pflichten zu übernehmen hatte. Dazu gehörte auch das Hüten der Ziegen. Dies geschah nicht auf eigenen Weiden oder Wiesen, denn die gab es nicht. Willis und Stinas Hausgrundstück war zwar riesengroß, über fünftausend Quadratmeter groß, aber es war Ackerland, es war zu kostbar, um es als Weideland zu nutzen. Beide betrieben hier eine kleine Landwirtschaft. Es wurde Nahrung für die Menschen und Futter für das Vieh angebaut, für die Menschen Kartoffeln, Weißkohl, Rotkohl, Grünkohl, Wirsing, Kohlrabi, Futterkohl für Schweine und Hühner. Natürlich gab es Erdbeeren und Himbeeren, Stachelbeeren und Johannesbeeren und viele Obstbäume, Apfel- und Birnbäume, Kirsch- und Pflaumenbäume und sogar einen Pfirsichbaum.
Die Ziegen aber wurden an öffentliche Wegränder geführt, wo sie sich sattfressen konnten. An einem glutheißen Sommertag trieb Willi die Ziegen auf einen Feldweg auf den Paschenberg und ließ sie wie üblich am Wegrand grasen. Er langweilte sich fürchterlich. Die Ziegen grasten eine Stelle des Wegrandes nach der anderen ab und zogen dann langsam weiter. Willi hinterher. Ihm war tatsächlich entsetzlich langweilig, er war so einsam und allein, nur mit den dämlichen Ziegen auf dem Paschenberg. In der Ferne sah er sein Elternhaus und weit dahinter die Zeche Schlägel und Eisen in Langenbochum.
Auf einmal war er es leid, zu warten, um dann langsam mit den Tieren weiter zu wandern. Jetzt hatte er eine Idee. Er trieb die Tiere über den Graben am Wegrand hinaus in ein Rübenfeld eines Bauern aus Ebbelich! Dann legte er sich faul ins Gras, kaute auf einem Grashalm und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein. Die Sonne schien ihm ins Gesicht, Fliegen summten, Grillen zirpten, ein leichter Sommerwind wehte sacht über den Paschenberg, er sah Schmetterlingen und Bienen und Libellen zu, in der Ferne, in Westerholt, sah er dann und wann einen Zug vorbeifahren, der weißen Dampf ausstieß, dann wurden seine Augenlider schwer und er schlief ein. Um die Ziegen brauchte er sich nicht zu kümmern, sie waren glücklich über so viel Futter und hatten keinen Anlass, den Acker zu verlassen.
Es kam, es wie es kommen musste, er hätte es vorhersehen müssen: Der Bauer erwischte ihn und seine Ziegen, verprügelte ihn nach Strich und Faden und beschwerte sich anschließend heftig bei Stina – die daraufhin Heinz verprügelte, nicht Willi, denn der hatte ja seine Prügel schon bekommen:
„Du unnützen, dretterigen Jungen, wie oft häbke di sächt, du sollst besser up den Kleinen uppassen. Kann ich mich denn nie auf dich verlassen, du Satan du!“
Stina verdrosch Heinrich nach Strich und Faden, wie sie es schon so oft getan hatte.
Kurz bevor Heinz vierzehn Jahre alt wurde, begann er eine Lehre als Kraftfahrzeugschlosser bei den Fahrzeugwerken Recklinghausen GmbH in Recklinghausen. Nun fuhr er täglich mit dem Fahrrad von Langenbochum nach Recklinghausen zur Arbeit. Seine Arbeit machte ihm Spaß. Welchem Jungen hätte die Arbeit an Automobilen nicht Spaß gemacht? Außerdem war er glücklich darüber, dass er jetzt Geld verdiente, wenn auch nicht viel, und so ab jetzt zum Familienunterhalt beitragen konnte. Da er während seiner Lehrzeit seine Ausbilder mit seinem Fleiß und seiner Zuverlässigkeit beeindruckt hatte und die Gesellenprüfung problemlos bestand, wurde er nach Abschluss der Lehre als Autoschlosser übernommen, obwohl es damals ein großes Heer arbeitsloser Männer gab.
So schien seine Zukunft gesichert.
Nun geschah es eines Tages, dass er versuchte, an einem Auto eine verrostete und deshalb festsitzende Schraube mit einem Engländer (das ist ein großer Schraubenschlüssel) zu lösen. Vielleicht wurde er dabei ungeduldig, weil es nicht sofort klappte. So benutzte er den Engländer als Hammer – und schlug sich mit voller Wucht auf das rechte Knie. Es traf ihn wie ein Blitz. Ein ungeheurer Schmerz durchzuckte ihn! Es tat höllisch weh, als ob das Knie explodiert sei. Trotzdem schrie er nur kurz auf, dann biss er die Zähne zusammen, duldend wie er aufgrund seiner lieb- und freudlosen Kindheit war, und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, um seinen Arbeitsplatz nicht aufs Spiel zu setzen. Seine Schmerzen mussten dem wichtigen Ziel, seinen Arbeitsplatz zu erhalten, um jeden Preis untergeordnet werden.
Die Zeit bis zu seinem Feierabend wurde ihm beinahe unerträglich lang, er litt fürchterlich. Das Knie begann anzuschwellen und Heinz konnte kaum noch auftreten; das Knie beugen gelang inzwischen beinahe gar nicht mehr. Dann war es endlich so weit: Feierabend. Später Nachmittag. Jetzt konnte er endlich nach Hause. Er fuhr unter größten Schmerzen mit dem Fahrrad nach Hause, versuchte, sein kaputtes Bein möglichst zu schonen und trat möglichst nur noch mit dem gesunden in die Pedale. Zu Hause blieb er still, sagte nicht viel, klagte kaum und ging früh schlafen.
Am nächsten Morgen fuhr er wieder mit dem Fahrrad zur Arbeit, abends wieder zurück, so wie er es immer gemacht hatte, und auch am übernächsten und am... Die Schmerzen hatten noch kein bisschen nachgelassen, sie wurden im Gegenteil täglich schlimmer, sie waren kaum noch zu ertragen. Obwohl er seinen Eltern längst gebeichtet hatte, was ihm passiert ist, rief niemand einen Arzt; krankfeiern? Von wegen! Nur weil er so blöd war, sich aufs Knie zu schlagen? Das wird schon wieder!
Inzwischen konnte Heinz kaum noch in die Pedale seines Fahrrades treten. Drei Wochen später, drei Wochen, nachdem er sich auf das Knie geschlagen hatte, als er gerade unter einem Auto lag, um den Auspuff zu reparieren, wurde ihm plötzlich schwarz vor den Augen und er verlor das Bewusstsein.
Erst im Krankenhaus kam Heinz wieder zu sich – und schon bald konfrontierten die Ärzte ihn mit der schrecklichen Tatsache, dass er sein Bein verlieren wird, dass man es amputieren muss, weil er andernfalls sterben wird. Die Kniescheibe war zersplittert und zertrümmert und weil er nicht rechtzeitig ärztlich behandelt worden war, sondern erst nach Wochen in ärztliche Behandlung kam, hatte sich bereits Knochenbrand gebildet, der seine Knochen zerstörte. Es gab keine andere Möglichkeit:
„Das Bein muss amputiert werden – und zwar sofort, sonst stirbst du!“
Heinz war gerade erst achtzehn Jahre alt geworden. Ein achtzehn Jahre alter Junge, der das ganze Leben noch vor sich hat, dem will man ein Bein abnehmen? Dem muss man ein Bein abnehmen, weil er sonst sterben muss, weil sonst sein junges Leben schon zu Ende ist? Zutiefst geschockt, aber trotzdem energisch und ganz konsequent, rief Heinz aus:
„Ich will mit beiden Beinen leben oder gar nicht! Das Bein bleibt dran! Das nimmt mir niemand ab!“
Die Entscheidung darüber konnte jedoch nicht er treffen, denn mit achtzehn Jahren war er noch nicht volljährig. Erst viele Jahre später wurde das Volljährigkeitsalter von einundzwanzig Jahren auf achtzehn Jahre herabgesetzt. Erstaunlicherweise respektierten seine Eltern aber seinen Entschluss und verweigerten ihre von den Ärzten geforderte Einwilligung zu der Amputation. Dies vergaß Heinz seinen Eltern und insbesondere seiner Mutter Stina niemals. Vor allem seiner Mutter war er über die verweigerte Zustimmung zur Amputation lebenslang ergeben dankbar.
Wieso erstaunlicherweise? War die verweigerte Zustimmung nicht vielleicht sogar Berechnung gewesen? Denn, falls Heinz nicht überlebt hätte, wären ja immer noch drei gesunde Söhne und eine gesunde Tochter übriggeblieben; und welche riesigen Probleme hätten Heinrichs Eltern mit einem halberwachsenen verkrüppelten Sohn zu erwarten, der nur ein Bein hatte? Wäre es da nicht besser gewesen, Heinrich überlebte nicht?
Trotz der scheinbaren Aussichtslosigkeit taten die Ärzte natürlich alles, um Heinrichs Leben zu retten. Deshalb öffneten sie sein Kniegelenk, entfernten die zersplitterte Kniescheibe, sägten vom Oberschenkel ebenso wie vom Unterschenkel die vom Knochenbrand zerstörte Knochensubstanz ab und ließen Ober- und Unterschenkel ohne Kniegelenk zusammenwachsen.
Heinrich überlebte. Zwar als Krüppel, ein Bein erheblich kürzer als das andere, zudem war das Kniegelenk durch die Operation versteift worden. Aber er lebte. Mit beiden Beinen.
Einen wirksamen Kündigungsschutz für Arbeiter und Angestellte gab es 1926 noch nicht, aber jede Menge gesunde Arbeitslose. Aus welchem Grunde also sollte ein Arbeitgeber einen Krüppel beschäftigen?
Heinz wurde entlassen, er flog raus.
Der Bauer Johann Gerhard Essmann aus Wessum starb am 25. April 1887 im Alter von zweiundfünfzig Jahren. Er war in „Westfälischer Gütergemeinschaft“ verheiratet gewesen und hatte kein Testament hinterlassen. Seine Erben waren seine Witwe, ein Sohn und zwei Töchter. Fünf Kinder waren schon vor ihm verstorben. Die Kindersterblichkeit war damals fast normal, sie war jedenfalls keine Besonderheit. Nicht selten hörte man bei der Beerdigung eines Kindes: „Macht nichts! Nächstes Jahr gibt es ein neues Kind!“
Bei dem Nachlass des Johann Gerhard Essmann handelte es sich um den kleinen Bauernhof in Wessum, der kaum die Bezeichnung Bauernhof verdiente, es war eigentlich nur ein kleiner Kotten, der kaum die Familie ernähren konnte. Es gab nicht einmal eine Wohnung für die Familie, die die Bezeichnung Wohnung verdient hätte: Die Familie lebte zusammen mit dem Vieh unter einem Dach, mit Kühen, mit Schweinen, Gänsen, Enten und Hühnern.
Die Witwe des Verstorbenen übertrug im Jahre 1905 ihr gesamtes Vermögen auf ihren Sohn Heinrich Essmann. Zu diesem Zeitpunkt war eine der beiden Töchter von Johann Gerhard bereits verheiratet. Sie hatte als Erbteil eine Aussteuer und eine Kuh bekommen und sollte nach dem Tode ihrer Mutter von ihrem Bruder Heinrich binnen einer Jahresfrist noch fünfzig Taler erhalten. Der zweiten, noch unverheirateten Tochter, wurde das Recht auf freies Wohnen und auf Verpflegung gegen Mitarbeit auf dem Kotten eingeräumt. Bei ihrer Heirat sollte sie eine Aussteuer, eine Kuh sowie sechshundert Mark bekommen.
Heinrich Essmann war sich anfangs überhaupt nicht sicher, ob er diese Vermögensübertragung von seiner Mutter annehmen sollte, denn in den Jahren 1837 bis 1855 waren fünf Geschwister seines Vaters in die USA ausgewandert, nach Kentucky und Ohio. Da es auch beim Tode ihres Vaters, also Heinrichs Großvaters, kein Testament gegeben hatte, hätten diese natürlich möglicherweise Erbansprüche stellen können. Kontakte zu den Verwandten in Amerika gab es nicht. Deshalb nahm Heinrich mit Hilfe eines deutschen Anwaltes Verbindung zu ihnen auf und sie alle, die „amerikanischen Essmanns“, verzichteten auf mögliche Erbansprüche.
Erstaunlicherweise nannte sich keiner dieser Auswanderer in Amerika Essmann, sie alle nannten sich Hetkemper. In der alten Heimat im Münsterland hatten sie „Essmann genannt Hetkemper“ geheißen. „Genannt Hetkemper“ war zur Unterscheidung von anderen Essmanns hinzugefügt worden.
Etwa ein Jahr, bevor der erste Weltkrieg zu Ende ging, am 17. März 1917, wurde Josefine Essmann genannt Hetkemper in Wessum geboren. Ihre Eltern waren der Bauer Heinrich Essmann genannt Hetkemper und seine Frau Angela. Josefine war das achte Kind ihrer Eltern, die insgesamt dreizehn Kinder bekamen, von denen zwei als Kleinkinder starben; elf Kinder konnten Fines Eltern großziehen. Das erste war Gerhard, gesprochen mit einem urigen Kehllaut und mit stark „rollendem R“: Gcherrratt. Münsterländer Platt. Dann gab es Anna, Elisabeth, Maria, Franz, Antonia, Josef, die Zwillinge Klara und Hedwig, und es gab Heinrich, der im zweiten Weltkrieg in Russland blieb.
Josefines Vater, Heinrich Essmann genannt Hetkemper, starb, als Fine fünfzehn Jahre alt war. Wie so oft hatte er sie an diesem Tag im Winter mitgenommen auf die Felder, um mit einer Schubkarre Runkelrüben für das Vieh aus der im Herbst angelegten Runkel Miete zu holen. Er bückte sich zur Runkel Miete und belud die Schubkarre. Als Fine ihn plötzlich nicht mehr sah, glaubte sie, ihr Vater habe sich versteckt, um sie dann plötzlich zu erschrecken, huch! wie er es so oft getan hatte. Doch dann sah sie ihn in der Runkelrüben-Miete liegen; sie rief: „Vader, ick häb dich längst gesehen, du brukst dich nich mehr to verstecken!“ Ihr Schock war gewaltig, als sie bemerkte, dass ihr Vater nicht reagierte, dass er sich nicht versteckt hatte, nicht ein Spiel mit ihr spielte, sondern dass er tot war; er war an einem Schlaganfall verstorben.
Das Leben in diesem kleinen Kotten in Wessum, in dieser kleinbäuerlichen Kate, war sehr einfach. Es gab in dem alten Haus weder Strom, Gas, noch Wasser oder Abflussleitungen. Abends, nachdem die Sonne untergegangen war, saß man im Licht von Petroleumlampen zusammen in der kleinen Bauernstube, und selbst das war schon ein Riesenfortschritt gegenüber den Kienspänen, die Fine noch als einzige Beleuchtung kannte, und ging im Übrigen früh zu Bett, denn am nächsten Morgen um sechs mussten die Kühe gemolken werden. Außerdem war Petroleum teuer und Geld war immer knapp. Deshalb ging man abends zeitig „mit den Hühnern“ zu Bett und stand morgens mit den Hühnern wieder auf. Sie lebten sehr ärmlich, aber glücklich und zufrieden. Es gab viel zu wenige Ackerflächen, um die große Familie ernähren zu können. Auf dem leichten und trockenen Sandboden konnten keine großen Ernten erzielt werden. Kunstdünger, der die Ertragsfähigkeit des Bodens hätte steigern können, gab es noch nicht. Aber sie alle waren die Armut gewöhnt und waren deshalb sehr bescheiden, zumal sie Geschichten von Menschen, die verhungert waren, nur noch vom Hörensagen her kannten. Wenn auch sie sich hin und wieder nicht satt essen konnten, verhungert ist in ihrer Familie schon lange niemand mehr.
Zu Weihnachten gab es für die Kinder einen Lagerapfel oder zwei, natürlich vom letzten Herbst und aus eigener Ernte, viel später auch schon mal – welch ein Luxus! – eine Apfelsine. Kleidung, die für den Winter gebraucht wurde, galt als Weihnachtsgeschenk, auch wenn sie schon im Oktober getragen wurde.
Fine wurde in diese kleine Kate hineingeboren. Ihr Bauernhaus lag etwa sieben Kilometer außerhalb des Dorfes. Fines Mutter, Angela Essmann, konnte nach dem Tod ihres Mannes als Witwe ihre vielen Kinder natürlich nur mit Hilfe der größeren Kinder großziehen und dabei noch den landwirtschaftlichen Betrieb, den Hof, so klein er auch war, bewirtschaften. So wurden die Kinder schon im frühesten Alter an die Übernahme von Verantwortung gewöhnt – Ställe ausmisten, Kühe, Kälber, Schweine und Hühner füttern, es gab Enten und Gänse, die Kühe mussten dreimal täglich gemolken werden:
„Stripp, strapp, strull - is de Emmer noch nich vull?“
Die Felder mussten bestellt, die Früchte gepflegt, Unkraut gejätet werden, bevor im Herbst die Ernte eingefahren werden konnte, mit dem einzigen Pferd, das sie besaßen. Es war eine Stute und sie hieß Emma; ihre Pferde, sie hatten immer nur eins, hießen immer Emma. Im Winter musste das Vieh in den Ställen versorgt werden, so dass die Tage – ob Sommer oder Winter – immer zu kurz waren.
Heinrich Essmann genannt Hetkemper hatte nie ein eigenes Pferd besessen, er bearbeitete seine Äcker immer mit der Hilfe einer Kuh! Erst Jahre nach seinem Tod kaufte sich sein Sohn Gerrat, der den Hof übernommen hatte, sein erstes Pferd an. Die bedeutete eine erhebliche Erleichterung der Arbeit auf den Äckern.
Den Bauernhof erreichte man von der öffentlichen „Straße“ aus nach etwa siebzig Metern, nachdem man ein Gatter geöffnet hat und über eine Kuhweide gegangen ist. Von „Straße“ konnte eigentlich gar keine Rede sein, es war nur ein schmaler unbefestigter Sandweg. Direkt hinter dem Haus beginnt der Wald, hohe Eichen und Buchen, pfeilgerade Tannen, dreißig, vierzig Meter hoch. Da fließt der Flörbach, einen Meter fünfzig oder zwei Meter breit, höchstens zwanzig Zentimeter tief. Er mündet beim Bauern Bäcker, dem Nachbarn des Hofes Essmann-Hetkemper, in die Ahauser Aa. Die Aa war ein Flüsschen, vielleicht vier oder fünf Meter breit, welches wenige hundert Meter hinter dem Hof Bäcker gestaut werden konnte, damit genug Wasser vorrätig war, wenn die dahinterliegende Wassermühle in Betrieb genommen wurde. Über diese alte Wassermühle gab es die abenteuerlichsten Gruselgeschichten von Räubern und von Untaten und Morden wegen verschmähter Liebe und von Untreue und von Menschen, die hier ertrunken sind oder die hier ertränkt wurden oder sich selbst ertränkt hatten, von einem stolzen Reiter auf einem riesigen Rappen, der mit dem Pferd über das Wehr gesprungen ist und ertrank. Geschichten von vagabundierenden Räubern und Mördern. Fernsehen gab es noch nicht und ein Radio auch nicht. Deshalb unterhielt man sich abends bei spärlichem Licht in der gemütlichen Stube. Dass die Geschichten mit jeder Erzählung weiter ausgeschmückt wurden, ließ sich nicht vermeiden.
Als Josefine Essmanns Schulzeit zu Ende war, nahm sie eine Stellung als Hausangestellte in Borghorst bei dem Großbauern Pröbsting an – zu Hause war damit ein Esser weniger. Später wechselte sie zur Metzgerei Anton Gessler in Ahaus, ging dort als Hausmädchen, als Haushaltshilfe, „in Stellung“. Damals hat ein Mädchen keine Ausbildung bekommen, denn das wäre ja vollkommen unnütz: Ein Mädchen heiratet ja sowieso. Es ist dann für Kinder, Küche und Kirche zuständig, während ihr Mann die Verantwortung für den Unterhalt der Familie hat.
Was sollte Heinrich Hoffmann nun anfangen, mit sich, mit seinem Leben? Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus? Nach seinem Rauswurf von seinem Job bei den Fahrzeugwerken Recklinghausen GmbH? Heinrich war achtzehn Jahre alt, ein arbeitsloser Krüppel mit einem steifen Bein. Seinen Eltern zur Last fallen? Wie lange? Was kann er tun? Wie kann sein Leben weitergehen? Mit achtzehn Jahren hat er doch noch das ganze Leben vor sich!
Heinrichs Mutter Stina Hoffmann hatte eine Schwester, Antonia, Toni, die als junges Mädchen den Metzger Anton Gessler heiratete. Anton Gessler war ein großer Mann mit einem beachtlichen Leibesumfang, ein typischer Metzger. Selbstbewusst war er fast bis zum Egoismus, aufbrausend und schnell zornig. In seinem Haushalt lebten neben ihm, seiner Frau und seinem Sohn Franz ein „Öhm“, ein geistig etwas zurückgebliebener Junggeselle, Antons Bruder. Dieser Öhm war nicht nur intelligenzmäßig etwas zurückgeblieben, er war auch ein ausgesprochener Stotterer, der Anton mit seiner heftigen Stotterei gewaltig auf die Nerven ging. So passierte es eines Tages, dass er, ziemlich aufgeregt, etwas erzählen wollte und kaum über den ersten Satz hinaus kam:
„Da, da, da, dä, dä, dä“, weiß der Geier, was er sagen wollte, er war aufgeregt, weil er das für wichtig hielt, was er erzählen wollte – und weil er wusste, dass Anton Gessler schnell ungeduldig werden konnte. Tatsächlich riss Anton plötzlich der Geduldsfaden. Wütend und unbeherrscht riss er ein gerahmtes Bild von der Wand und schlug es dem Stotterer über den Kopf. Der Kopf durchschlug das Bild, der Rahmen umrahmte nun den Kopf des Stotterers mit einem Gesicht, welches feuerrot geworden war:
„Da, da, da, das geht z-z-zu w-w-w-weit…,“ Anton ließ ihn einfach stehen und wendete sich ab.
Heinrich begann bei seinem Onkel Anton Gessler, der die Schwester seiner Mutter Stina geheiratet hatte, in seiner Metzgerei in Ahaus zu arbeiten. Er machte in dieser Metzgerei keine Lehre, keine Ausbildung, sondern er half einfach, er war ein ungelernter und deshalb billiger Hilfsarbeiter. Dabei lernte er, Rinder und Schweine zu schlachten und zu verarbeiten. Jahre später bekam er von Anton Gessler ein handschriftliches Zeugnis auf einem DIN A 5-Blatt, in dem ihm Gessler bestätigte, dass er Schweine schlachten und zerlegen kann. Dieses Zeugnis reichte aus, um in späteren Jahren, als er sich mit einem Lebensmittelgeschäft in Langenbochum selbständig gemacht hatte, nebenberuflich als Hausschlächter tätig zu sein. Doch langsam, damit preschen wir in unserer Erzählung schon viel zu weit vor.
Bei Gessler hatte Heinrich Kost und Logis und wieder eine Lebensperspektive, wenn auch eine äußerst bescheidene. Hier konnte er für sich selbst sorgen, ein wenig eigenes Geld verdienen, hier war er einigermaßen unabhängig, hier lag er nicht mehr seinen Eltern auf der Tasche.
In dieser Metzgerei hatte er einen Kollegen, den Bernhard. Bernhard hatte einmal eine Maus gefangen und zu Heinrich gesagt:
„Traust du mir zu, dass ich der Maus bei lebendigem Leib den Kopf abbeiße?“
„Beißen? Abbeißen? Der Maus den Kopf abbeißen? Nee, du altes Ferkel“, antwortete Heinrich und schüttelte sich vor Ekel.
„Sollen wir wetten?“ fragte Bernhard, „für ‘n Heiermann?“ So nannte man damals ein Fünfmarkstück. Heinz ging die Wette ein. Bernhard nahm ein Stück Pergamentpapier vom Papierstapel. Üblicherweise wurde verkaufte Wurst in dieses Papier eingeschlagen. Jetzt legte er die Maus hinein, passte auf, dass die Maus nicht wegrennen konnte, rollte das Papier auf, steckte sich die eingerollte Maus so in den Mund, dass seine Zähne direkt hinter den Kopf der Maus genau das Genick treffen konnten – und biss zu!
Ausspucken und eine Flasche Schnaps ansetzen, um den Ekel wegzuspülen, war eins, gelang beinahe gleichzeitig.
Inzwischen hatte die Nazi-Zeit begonnen, die Zeit der Nationalsozialisten. Hitler konnte nur wegen der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre an die Macht kommen; Millionen Arbeitslose sahen in ihm die letzte Chance, als der Reichspräsident Hindenburg ihn zum Reichskanzler machte. Zuerst wurden sie auch nicht enttäuscht. Hitler kurbelte die Wirtschaft an mit dem Bau von Autobahnen und später auch mit der Rüstungsindustrie. Da die Staatskassen leer waren, finanzierte er seine gewaltigen Investitionen über Kredite und ließ die Banknotenpressen rotieren, so dass die Reichsmark ständig an Wert verlor. Deshalb mussten schon bald Lebensmittelmarken eingeführt werden, da es zwar Geld genug gab, dem aber nicht genug Güter gegenüber standen; das Gleichgewicht zwischen Geld und Gütern war zerstört. Lebensmittel und alle anderen Güter konnte man nur noch kaufen, wenn man neben dem Geld die entsprechenden Bezugsscheine abgeben konnte. Zwangsläufig bildete sich durch eine solche Planwirtschaft ein Schwarzmarkt.
Produzierte Güter, auch Lebensmittel, mussten gemeldet werden. Wenn also zum Beispiel ein Schwein geschlachtet worden war, musste dafür später eine bestimmte Anzahl Lebensmittelmarken abgegeben werden. Es gab kein Gleichgewicht mehr zwischen Geld und Gütern, die Gesetze des Marktes waren aufgehoben. Deshalb versuchten die Behörden, ein künstliches Gleichgewicht zwischen verschiedenen Bezugsscheinen, wie zum Beispiel Lebensmittelmarken, und den dazu passenden Gütern zu schaffen.
Hatte nun aber jemand Güter, die nicht behördlich erfasst waren, konnte er diese auch ohne Kenntnis der Behörden verkaufen, zu dem Preis, den der Markt (der Schwarzmarkt) hergab, also erheblich mehr, als bei Bezahlung mit Geld und Bezugskarte. In diesen Jahren wurde Anton Gessler reich. Er vergrub seinen enormen Besitz an Banknoten in großen Milchkübeln im Garten, denn es handelte sich ja um Schwarzgeld, welches in so großen Mengen in der damaligen Zeit nicht so ohne weiteres gewaschen werden konnte.
Es kam, wie es irgendwann kommen musste: Nach der Währungsreform 1948 war das vergrabene Geld plötzlich vollkommen wertlos geworden. Damit war ein großer Teil des Reichtums der Gesslers futsch.
Wieso konnten Gesslers reich werden, wo doch die Partei die gesamte Volkswirtschaft durchorganisiert hatte? Ahaus lag im tiefsten Münsterland, das fast ausschließlich Bauernland war. Für die Bauern bedeutete es keine Schwierigkeit, ein paar Schweine oder Rinder mehr zu mästen, als sie es offiziell taten, zur Eigenversorgung, aber auch um damit den Schwarzmarkt zu beliefern. Für sie bedeutete es keine Schwierigkeit? Nein. Trotzdem bibberten sie stets vor Angst, wenn das Gerücht umging, dass wieder einmal staatliche, also nationalsozialistische, Kontrolleure in der Gegend waren.
Von Zeit zu Zeit fuhr Heinz Hoffmann abends von der Metzgerei Gessler in Ahaus nach Wessum zum Kotten Essmann-Hetkemper. Ein paar Söhne von Angela Essmann mussten aufpassen, dass niemand sie überraschen konnte, und Heinz schlachtete ein Schwein. Natürlich „schwarz“, also ohne Kenntnis der Behörden. Viele Bauern verkauften „überzähliges“ Vieh schwarz an Metzgereien wie die Metzgerei Gessler. Gesslers kauften Schweine und Rinder bei diversen Bauern, manchmal kauften sie mehr Vieh, als sie offiziell kauften, und damit hatten sie dann das Rohmaterial für Fleisch und Wurst auch für den Schwarzmarkt.
Ein Schwein kann bis auf Knochen, Borsten und Gedärm fast vollständig verarbeitet werden. Bei einem Rind sieht das schon anders aus. Einem Rind muss das Fell abgezogen werden. Das Fell wird natürlich auch weiterverarbeitet, aber nicht in einer Metzgerei. Wohin mit den Rinderhäuten? Anton Gessler kannte einen jüdischen Tierhäute-Händler. Obwohl es den Deutschen inzwischen streng verboten war, Geschäfte mit Juden zu machen, verkaufte Anton Gessler die überzähligen Rinderhäute an diesen Juden. Er tat es nicht, um dem Juden zu helfen, er tat es nicht aus Nächstenliebe. Er tat es im Eigeninteresse. Wohin hätte er sonst die Häute der schwarz geschlachteten Rinder entsorgen sollen? Deutsche Tierhäute-Händler, die sich auf dunkle Geschäfte eingelassen hätten, hatte er nicht gefunden; es war ihm auch zu gefährlich erschienen, sich mit seiner Schwarz-Schlachterei nationalsozialistischen Geschäftsleuten zu offenbaren.
Das Grundstück der Metzgerei Gessler grenzte mit seinem rückwärtigen Gartenteil an den Ahauser Schlosspark. Gessler stand bei der NSDAP schon lange im Verdacht, sich auf dem Schwarzmarkt zu tummeln, deshalb wurde das Grundstück auch häufig von Spitzeln der Gestapo beobachtet.
Eines Tages bekam Heinz den Auftrag, abends, nach Einbruch der Dunkelheit, eine Fuhre, einen mit Rinderhäuten vollgeladenen Wagen, zu diesem Juden fahren. Das Auto stand im Hof der Metzgerei, der zu beiden Seiten von anderen Gebäuden und zur Straßenseite durch eine hohe Mauer und ein hohes Tor umgeben und deshalb von dort nicht einsehbar war. Die Rückseite des Grundstückes grenzte an den Ahauser Schlosspark, in dem es keine Laternen gab. Anton Gessler hatte von Kunden im Laden erfahren, dass Gestapo-Schergen oder SA-Leute im Schlosspark auf der Lauer lagen; sie ahnten wohl, dass verbotene Fracht durch den dunklen Schlosswald transportiert werden sollte. Oder ist Anton Gessler gar angeschwärzt worden?
Am Abend, als es dunkel geworden war, setzte Heinrich sich in das Auto, startete den Motor und gab ein Zeichen, schnell wurde das Hoftor geöffnet und er brauste frech ganz einfach und gar nicht heimlich mit eingeschalteten Scheinwerfern durch das Hoftor hinaus und über die Straße davon und die Nazi-Schergen, die im dunklen Schlosspark auf der Lauer lagen, hatten das Nachsehen…
Heinrich fuhr eines Tages mit der Eisenbahn nach Hause zu seinen Eltern nach Langenbochum. Er hatte einen Koffer voller Speckseiten bei sich – Speck von schwarz geschlachteten Schweinen. Was konnte man dafür auf dem Schwarzmarkt nicht alles bekommen! Seine Eltern Stina und Willi Hoffmann würden vor Freude an die Decke springen! Sie würden Augen machen! Heinrich freute sich auf den Augenblick, wenn er zu Hause den Koffer öffnen und seinen Eltern die Speckseiten zeigen würde! Es würde ein Moment sein, in dem er ihnen seine Dankbarkeit zeigen kann, Dankbarkeit dafür, dass er noch seine beiden Beine hat…
Auf dem Hauptbahnhof in Recklinghausen wurde er völlig überraschend von der Polizei gestellt, bevor er mit seiner Fracht in die Straßenbahn umsteigen konnte. Heinz wurde nervös und bekam fürchterliche Angst. Was passiert nun? Was werden sie mit ihm machen, wenn sie den Speck entdecken? Das Schwarzschlachten wurde schwer bestraft, wenn man erwischt wurde. Aber die Menschen hungerten.
Es gelang Heinrich, seine Angst zu verbergen; äußerlich blieb er völlig gelassen. Er wurde festgenommen und musste mit auf die Polizeiwache, wo er verhört wurde. Seinen Koffer schleppte er mit. Da man ihm keinen Stuhl angeboten hatte, setzte er sich auf diesen Koffer mit „Schwarzer Ware“. Nun beantwortete er alle Fragen, so gut es ging. Je länger das Verhör dauerte, um so kecker und selbstbewusster wurde Heinz. Und siehe da, tatsächlich: Keiner der Nazi-Beamten kam auf die Idee, in seinen Koffer zu gucken. So mussten sie ihn laufen lassen und er konnte mit den Speckseiten nach Langenbochum, nach Hause, fahren. Was konnte man sich mit dem Speck nicht alles kaufen!
Unbekannt ist der Urheber des folgenden Tischgebetes:
Komm, lieber Führer, sei unser Gast
und gib uns wenigstens die Hälfte von dem, was du uns versprochen hast.
Aber nicht nur Pellkartoffeln und Hering,
sondern was du isst und Hermann Göring.
Nichts auf dem Tisch und nichts auf dem Teller,
nichts auf dem Boden und nichts im Keller,
selbst auf dem Lokus fehlt das Papier
und dennoch: Führer befiel, wir folgen dir.
In Langenbochum gab es auf dem Kollenbrink den Bauern Wessels. Stina Hoffmann, die auch selbst – schwarz – Schweine hielt, holte irgendwann von diesem Bauern – schwarz – ein junges Ferkel ab. Transportmittel war ein alter Kinderwagen, den sie über die Feldwege zwischen dem Bauernhof Wessels und ihrem Haus schob. Ein paar leere Kartoffelsäcke waren über das Ferkel gelegt. Unterwegs wurde Stina von der Frau einer bekannten Nazi-Größe angesprochen. Gott sei Dank war das Ferkel eingeschlafen, es gab keinerlei Geräusche von sich und Stina zog unbehelligt von dannen.
Ist es nur ein Gerücht, dass sie das Ferkel vorher mit Schnaps müde gemacht hatte?
In jenen Jahren gab es noch keinen funktionierenden Veterinärdienst. Die Beamten hatten ja genug damit zu tun, den Schwarzmarkt zu bekämpfen; die Qualitätskontrolle der Lebensmittel kam oft zu kurz. Oft wurden Rinder geschlachtet und verwurstet, die an Rinder-Tuberkulose erkrankt waren. Heinrich Hoffmanns Kollege Bernhard, der Metzger-Geselle, der einer Maus den Kopf abgebissen hatte, wollte eines Tages wie üblich ein Rinderviertel an einen Fleischerhaken aufhängen und verschätzte er sich dabei völlig. So kam es, dass er nicht das Rinderviertel auf den Haken schlug, sondern seine Hand, wobei der Haken diese durchbohrte. Die Verletzung, so schwer sie auch war, war dennoch nicht das eigentlich Tragische, denn dabei infizierte er sich mit Tuberkelbazillen und erkrankte an TBC, weil vorher ein Rinderstück eines infizierten Tieres an dem Haken gehangen hatte.
Auch Heinz Hoffmann erkrankte an TBC. Seine Krankheit befiel zwar nicht seine inneren Organe, damals war Lungen-Tuberkulose, die Schwindsucht, eine regelrechte Volksseuche, aber seine Haut. Länger als zwei Jahre lag er in der Universitätsklinik in Münster. Als er aus der Klinik entlassen wurde, waren sein Hals und sein Nacken vernarbt. Sein rechtes Ohr heilte niemals richtig aus, von Zeit zu Zeit trat ekliger Eiter aus.
In dieser Metzgerei Gessler in Ahaus verliebte sich Heinrich Hoffmann, der TB-narbige, steifbeinige Krüppel, der ungelernte Metzgergehilfe, der Hilfsarbeiter, der alles andere als eine glänzende Zukunft vor sich hatte, in Josefine Essmann genannt Hetkemper, Gesslers Küchenhilfe.
Und sie verliebte sich in ihn.
Wieso verliebte sich Josefine Essmann in Heinrich Hoffmann, wie konnte das passieren? Wieso verliebte sie sich in diesen Mann, in einen Mann mit einem oft eiternden Ohr, mit einem vernarbten Hals, an dem wegen der Narben keine Barthaare wuchsen und der ein steifes Bein hatte? In einen Mann, der alles andere als eine glänzende Zukunft vor sich hatte? Heinrich Hoffmann war groß, etwa 1,75 Meter, und er war schlank; er wog höchstens fünfundsiebzig Kilogramm. Seine dunkelblonden Haare wurden langsam bereits dünner, eine beginnende Glatzenbildung war unverkennbar. Trotzdem war Heinrich eine durchaus ansehnliche Erscheinung, trotz seiner Handicaps. Es war aber nicht sein Äußeres, nicht seine körperliche Erscheinung, es waren seine unbeschreibliche Güte, seine Sanftmut, seine Gutherzigkeit und seine ausgesprochene Duldsamkeit, die Fine beeindruckten, die langsam ein unglaublich zärtliches Gefühl in ihr entstehen ließ – und schließlich eine wahrhaft tiefe Liebe.
„Ich kann dir keine Reichtümer versprechen und ich kann dir auch kein sorgenfreies Leben versprechen“, sagte er zu ihr, „aber ich verspreche dir, dass ich immer für dich da sein werde, solange ich lebe. Solange ich lebe, werde ich alles für dich tun, was in meiner Macht steht, damit du glücklich wirst.“
Fine war eine Zeitlang heftig umworben worden von August Lenz, dem Erben eines Hofes in Wessum, der als Eleve auf einem Bauernhof in der Nähe des Hofes Pröbsting arbeitete. Auch sie hatte ihn gemocht. Ein bisschen war sie sogar in ihn verliebt gewesen. Fine sah August Lenz zum letzten Mal während des Krieges auf dem Hauptbahnhof Recklinghausen, wo sie sich zufällig trafen.
„Hallo, Fine, so ein Zufall, dass wir uns hier in Recklinghausen auf dem Bahnhof treffen! Was machst du denn hier?“
„Oh, hallo, August, grüß dich. Wie geht es dir?“
„Ja, mir geht es gut. Ich bin von der Wehrmacht eingezogen worden und bin jetzt auf dem Weg zu meiner Einheit. Aber was machst du denn hier in Recklinghausen? Und wie geht es dir?“
„Was ich hier mache? Tja, mir geht es auch gut, ich kann nicht klagen – ich fahre nach Langenbochum, zu meinem Verlobten.“
Sie wünschten sich gegenseitig alles Gute, sagten sich Lebewohl und trennten sich. Fine bestieg auf dem Bahnhofsvorplatz die Straßenbahn, Linie 7, und fuhr von Recklinghausen über Scherlebeck nach Langenbochum. August stieg in einen Zug, der ihn, den Soldaten, zu seiner Einheit, in seine Kaserne, brachte, von wo sein Befehl ihn schließlich nach Russland führte, von wo er nicht zurückkam. Ein Schicksal von vielen…
Fine Essmann genannt Hetkemper und Heinrich Hoffmann heirateten am 20. Mai 1941.
Stina Hoffmann betrieb seit kurzer Zeit einen Markthandel mit Obst und Gemüse in Langenbochum, um den Lohn ihres Mannes Wilhelm etwas aufzubessern. Nach seiner Heirat gab Heinz seine Hilfsarbeiterstelle bei Gesslers in Ahaus auf und zog mit seiner jungen Frau nach Langenbochum in das Haus Stinas. Stina und Wilhelm räumten die Erdgeschosswohnung, um Platz für das junge Paar zu machen, und zogen in die Dachgeschosswohnung. Dann bauten Fine und Heinz mit Hilfe der alten Hoffmanns ein Zimmer dieses Hauses um zu einem Lebensmittelgeschäft und Stina gab ihren Markthandel auf.
Dieses Lebensmittelgeschäft war ein klitzekleiner Tante-Emma-Laden, der von Anfang an kaum genügend Erträge zum Überleben abwarf. Voller Sorgen war das gemeinsame Leben von Fine und Heinz Hoffmann deshalb ständig, aber trotz oder gerade wegen der materiellen Bescheidenheit und der ständigen Geldnot hatten Fine und Heinz ein Eheleben und wenig später ein Familienleben, das seinesgleichen sucht. Schwierig wurde es manchmal für Heinz, einigermaßen Harmonie und Eintracht zwischen Fine und seiner Mutter Stina zu erhalten, denn Stina war bekanntermaßen zänkisch. Als 1942 ihr erstes Kind geboren wurde, rief Stina gehässig:
„Ist ja bloß 'n oller dreckiger Junge!“
Leider war aber dieses Kind, das auch den Namen Heinz bekam, viel zu früh geboren worden und war deshalb nicht lebensfähig. Es gab noch keine Brutkästen oder eine klinische Versorgung neu geborener oder zu früh geborener Kinder und die Geburten fanden meistens nicht in Krankenhäusern, sondern zu Hause statt. Fines Schwiegermutter Stina hatte oft über Fine gestänkert:
„Das dicke faule Weib soll endlich richtig arbeiten, dann wird sie auch dünner."
Fine wog vor ihrer Schwangerschaft tatsächlich fast achtzig Kilogramm. Deshalb hatte sie weiterhin schwere Kisten und schwere Säcke mit Obst, Gemüse, Kartoffeln, Zucker, Mehl und Kaffee gehoben und geschleppt. Das Ergebnis war, dass ihr Kind viel zu früh geboren wurde. Es starb im Alter von nur sechs Wochen.
Willi und Stina Hoffmann waren überzeugte Gegner des Nationalsozialismus. Anders als im ersten Weltkrieg wurde Willi während des Zweiten Weltkrieges nicht eingezogen, musste er kein Soldat werden, da er bereits im ersten Weltkrieg gedient hatte. Bei Kriegsbeginn war er siebenundfünfzig Jahre alt. Außerdem war er seit seinem vierundfünfzigsten Lebensjahr Rentner. Willi war arbeitsunfähig geworden, weil er Magengeschwüre bekommen hatte.
Jeden Morgen stand Willi um sechs Uhr auf und kleidete sich für den Kirchgang an. Er legte ein „Chamieschen“ an, eine Hemdbrust, also so etwas wie ein Oberhemd oder wie ein halbes Oberhemd. Dieses Oberhemd bestand allerdings nur aus einem Kragen und dem Vorderteil des Hemdes, das die Brust bedeckte, der Rücken blieb frei. Unter dem Chamieschen trug er ein dickes wollenes Unterhemd mit langen Armen. Das Chamieschen wurde in Höhe der Taille im Rücken zugebunden, damit es vorne Halt hatte. Das Vorderteil wurde vorne in die Hose gestopft. Dazu trug er einen grauen Anzug, seinen einzigen Anzug, und auf dem Kopf seinen Hut. Er zog seine Lederschuhe an, die einzigen, die er hatte, und ging zur Kirche, in die sechs Uhr dreißig Messe. Das machte er jeden Morgen.
Wenn er nach dem Ende der Messe wieder zu Hause ankam, zog er sich sofort wieder um. Noch vor dem Frühstück zog er seine Lederschuhe aus, seinen Anzug, legte Krawatte und Chamieschen ab und zog eine grobe und schwere Manchesterhose an. Manchesterhose – so hießen damals Cordhosen. Sein dunkles graublaues wollenes Unterhemd mit langen Ärmeln trug er täglich, auch im Sommer. Darüber trug er stets eine blaue Arbeitsjacke aus Serge, auch die immer, auch im Sommer. Sobald er das Haus verließ, stellte er seine Pantoffeln beiseite, die er im Haus immer anhatte, und stieg in seine Holzschuhe, die im Hausflur bereitstanden. Außerhalb des Hauses trug er stets Holzschuhe.
Wegen seiner Holzschuhe waren die Nägel seiner beiden großen Zehen um den Zeh herum bis unter den Zeh gewachsen und drohten nun, von unten in den Zeh einzuschneiden. Beim Gehen hatte es bereits heftig zu schmerzen begonnen.
Willi sitzt im Schuppen an der Stelle, an der er üblicherweise alte Obst- und Gemüsekisten zu Brennholz verarbeitet. Einen Fuß hat er ohne Holzschuh und ohne Socke auf einen Hauklotz gestellt und nun rückt er dem Zehennagel mit einer großen Blechschere zu Leibe: es funktioniert nicht. Jetzt nimmt er eine Kneifzange und versucht es damit: Es gelingt nicht.
Dann greift er den Zehennagel mit der Kneifzange und schlägt mit einem Hammer auf die Zange: es klappt nicht.
Schließlich nimmt er eine grobe Holzraspel und benutzt sie wie eine überdimensionierte Nagelfeile. Dabei hat er eine Engelsgeduld, stets die Tabakpfeife im Mund und nur nicht aufgeben!
„Das sind Bergmannszehen“, knurrt er, ohne die Zähne auseinander zu nehmen, weil sonst seine Pfeife herausgefallen wäre, „die kann man nicht einfach mal eben so schneiden.“
Seine Pfeife hatte er mit einem Gummiring von einer wiederverschließbaren Bierflasche („plopp“) versehen, damit er sie mit seinen dritten Zähnen besser halten konnte.
Willi und Stina waren, wie gesagt, überzeugte Gegner des Nationalsozialismus, wenn auch nicht aktiv, obwohl Stina schon mal wagemutig sein konnte. In unmittelbarer Nachbarschaft des Hauses von Stina und Wilhelm wohnte eine bekannte Parteigröße der NSDAP namens Brauner. Eines Abends wurde Brauner auf dem Heimweg von Westerholt nach Langenbochum unmittelbar vor dem Haus der Hoffmanns auf der Westerholter Straße von einem Fliegeralarm überrascht. Er war höchstens noch zweihundert Meter von seinem Heim entfernt. Aber nun galt es, schnellstens Schutz zu finden, zweihundert Meter sind zu viel, die Gefahr, es nicht mehr rechtzeitig zu schaffen, war einfach zu groß. Deshalb flüchtete er zu den Hoffmanns, um in deren Keller in relativer Sicherheit den Bombenangriff abzuwarten.
Er klopft energisch an die Kellertür im Hof. Stina geht hin und öffnet die Tür. Kaum sieht sie Brauner, da weiß sie, dass er Schutz sucht vor den Bomben. Aber: „Er ist ja ein Nazischwein und ist keine Hilfe wert!“ denkt Stina und baut sich breitbeinig im Rahmen der Kellertür auf, den Durchgang versperrend. Sie verschränkt ihre Arme vor ihrer Brust. Sie ist jetzt eine sehr imposante Figur mit einem energischen, geradezu bösen Gesicht. Stina ruft kampfeslustig:
„Macht, dass Ihr wegkommt! Aber dalli! Runter vom Hof! Was sucht Ihr hier? Ihr habt den Krieg gewollt, Ihr habt ihn angefangen, jetzt seht selber zu, wie Ihr damit fertig werdet und lasst uns in Ruhe. Jetzt feige bei uns unterkriechen – das fehlt mir gerade noch! Das kommt überhaupt nicht in Frage! Raus hier! Aber dalli!“
Brauner stotterte, völlig überrascht und verdattert:
„Aber, aber, aber der Angriff! Die Bomben!“
Stina blieb konsequent:
„Macht, dass Ihr hier wegkommt und seht bloß zu, wo Ihr bleibt! Hier habt Ihr nichts zu suchen, von uns könnt Ihr keine Hilfe erwarten! Verschwindet! Und wenn Ihr verreckt – wen kümmert es? Haut bloß ab hier, aber dalli, wird’s bald?“
Stina ließ ihn nicht herein!
Ihr Sohn Heinz kam hinzu, mischte sich ein und versuchte, seine Mutter zu beruhigen, es bestand doch die Gefahr, dass dieser Brauner sie denunzierte. Es war damit zu rechnen, dass sie dann eines Nachts abgeholt werden würde und auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde! Vergeblich! Heinz konnte sich nicht durchsetzen, Stina ließ Brauner nicht herein.
Brauner überlebte den Bombenangriff auch ohne den Schutz eines Kellers. Erstaunlicherweise hatte Stinas Verhalten keinerlei Folgen nach sich gezogen.
Hatte ihr Mut Brauner beeindruckt?
Wieso war Stina überhaupt so mutig? Wieso hasste sie die Nazis so sehr? 1939 war ihr dritter Sohn Franz im Alter von 25 Jahren zur Wehrmacht eingezogen worden und kurz darauf auch ihr vierter Sohn Hermann, der gerade 22 Jahre alt geworden war. Wenige Wochen vor dem Fliegerangriff, der Brauner vor ihrem Haus überrascht hatte, hatten Stina und Willi Post von der Wehrmacht bekommen…
Mit schwarzem Trauerrand war ihnen mitgeteilt worden, dass ihr Sohn Franz im eisigen russischen Winter in Stalingrad „auf dem Felde der Ehre“ und „für Führer, Volk und Vaterland gefallen“ war, dass er „sein Leben für seine Lieben gegeben“ habe. Seine letzten Worte sollen gewesen sein:
„Grüßt mir die Liebsten, die ich auf dieser Welt habe, aber sagt ihnen nicht, wie ich gestorben bin!“
Zwei Wochen nach dieser Mitteilung hatten sie wieder Post von der Wehrmacht bekommen. Hermann war in der Wüste Ägyptens vor El Alamein gefallen. Er war Panzerfahrer gewesen; ein Volltreffer hatte ihm beide Beine abgerissen. Hermann war tot, verblutet, bevor der brennende Panzer für ihn zum Krematorium wurde. Und auch seine letzten Worte waren angeblich:
„Grüßt mir die Liebsten, die ich auf dieser Welt habe, aber sagt ihnen nicht, wie ich gestorben bin!“
Haben alle deutschen Soldaten diesen Satz als die letzten Worte in ihrem Leben gesagt? Konnten sie überhaupt noch etwas sagen? Warum legte man ihnen stets diesen Satz in den Mund?
Stina und Willis zweiter Sohn Willi (der Ziegenhirte) wurde nicht eingezogen, da er Polizist geworden war, und für ihren ersten Sohn Heinrich war jetzt die Tatsache, dass er ein Krüppel war, ein unbezahlbarer Vorteil, ein Vorteil, der während des Krieges sein Überleben sicherte.
Heinrichs erstes Fahrzeug, mit dem er täglich zum Großmarkt nach Recklinghausen fuhr und mit dem er Waren, die seine Kunden bei ihm gekauft hatten, zu ihnen nach Hause brachte, war ein gebrauchter kleiner Citroen mit Anhänger. Später kaufte er sich einen Mercedes – und der wurde 1939 bei Kriegsbeginn prompt von der Wehrmacht eingezogen. Als Entschädigung bekam er einen Bezugsschein, also eigentlich nur die Erlaubnis, sich einen DKW kaufen zu dürfen.
Dieser DKW war ein sehr, sehr kleiner Kastenwagen mit einem sehr kleinen und schwachen Motor. Das Auto lief gerade einmal etwa fünfundachtzig Kilometer pro Stunde. Genau konnte man es nicht feststellen, denn einen Tachometer hatte dieses Fahrzeug gar nicht! Die Verkleidung des Aufbaus bestand aus Presspappe, nur der Vorderwagen, Motorverkleidung und Kotflügel waren aus Blech. Der Wagen hatte zwei Sitze und dahinter, durch eine Trennwand aus Sperrholz abgetrennt, einen kleinen Laderaum ohne Sitze und ohne Seitenfenster. Durch ein kleines viereckiges Loch in der Trennwand aus Sperrholz konnte man von vorn nach hinten in den Laderaum und durch die klitzekleine zweigeteilte Heckscheibe sehen.
Wenn Heinz und Fine mal nach Wessum fuhren, zu Fines Mutter, saß Heinz am Steuer des DKWs, Fine auf dem Beifahrersitz, und Fines Schwester Klara, ihre Haushaltshilfe, mit den Kindern auf der kleinen Ladefläche, auf der lediglich eine Wolldecke ausgebreitet worden war.
Später schnitt Heinz Hoffmann die Trennwand aus Sperrholz zur Hälfte waagerecht heraus, ganz auszubauen war nicht möglich, da die Rückenlehne der vorderen Sitzbank daran befestigt war, dann baute er eine zusätzliche Sitzbank aus Holz ein. Um diese selbstgebastelte Sitzbank zu erreichen, stieg man auf die vordere Bank und kletterte über dessen Rückenlehne und den Rest der Sperrholz-Trennwand. Denn umklappen konnte man die Rückenlehne und die Trennwand natürlich nicht.
Während des Zweiten Weltkrieges gab es in Langenbochum an der Kreuzung
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Franz Hermann Romberg
Tag der Veröffentlichung: 29.10.2013
ISBN: 978-3-7309-5842-1
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