Als ich 1978 Renate Schröder kennen lernte, war ihr Bruder Dieter zweiunddreißig Jahre alt und ledig, er hatte ein Mansardenzimmer über der Wohnung seiner Eltern, faktisch wohnte er noch im „Hotel Mama“. Wenn ich bei Renate mal äußerst vorsichtig angedeutet hatte, ihr Bruder könne möglicherweise homosexuell veranlagt sein, bezog ich Prügel, natürlich nur verbal.
„Das ist doch ganz normal, wenn man mit 32 Jahren noch nicht verheiratet ist. Dieter ist nicht schwul. Er war schließlich schon mal verlobt.“ Diese Verlobung hatte aber nicht lange gehalten.
Dieter hatte immer viele Freunde, er hatte auch Freundinnen, doch diese waren wirklich Freundinnen, nicht mehr. Er hatte viele Bekannte, Bekannte männlichen und weiblichen Geschlechts.
Dieter hatte erst ziemlich spät seinen Führerschein gemacht und ein eigenes Auto gekauft. Dann dauerte es nicht lange und er fuhr an jedem Wochenende nach Mannheim, wo er eine Freundin hatte, eine Freundin namens Monique von Hausser. Damals zweifelte ich, ob ich recht hatte mit meiner Vermutung, dass Dieter schwul sei. Interessanterweise hat er uns allerdings diese Dame nie vorgestellt, er hat sie auch nie mit nach Hause gebracht, sie hat auch ihn nie zu Hause besucht.
Inzwischen hatte Dieter sich eine eigene kleine Wohnung eingerichtet. Die Geschichte von Monique lief irgendwann aus, irgendwann erzählte Dieter nichts mehr von ihr. Heute glaube ich, dass der richtige Name Moniques vielleicht Manfred, Martin oder Michael oder Manuel war.
Dann lernte Dieter einen jungen Mann kennen, Fritz Albers, mit dem er schon bald in einer neuen gemeinsamen Wohnung am Bochumer Stadtpark zusammenzog. Fritz wurde geradezu ein Mitglied der Familie Schröder. Wenn ich, wieder vorsichtig, Andeutungen machte, die beiden lebten eheähnlich zusammen, bekam ich wieder Prügel:
„Warum sollen sich zwei Männer nicht eine Wohnung teilen? Dadurch sparen beide doch enorm an Kosten. Deshalb müssen sie noch lange nicht schwul sein“.
Nun, heute gehört das Schwulsein ja schon beinahe zur Normalität, jedenfalls
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Franz Hermann Romberg
Tag der Veröffentlichung: 07.02.2013
ISBN: 978-3-7309-1084-9
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