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Wenn ein von dir geliebter Mensch diese Welt verlässt, und demzufolge auch dich, fließen Tränen. Du schickst sie los, um ihn zurückzubringen. Weil er fehlt. Tausende Tränen entsendest du. Sie sollen sich verteilen und in jedem Winkel nachsehen, ihn finden und nach Hause bringen. Weil du nicht wahrhaben willst, dass er nicht wieder heimkehrt. Du schickst verzweifelt immer mehr Tränen los –mehr und mehr. Weil er fehlt. Keine kehrt zurück – und schon gar nicht mit ihm. Du weinst weiter und weiter. Sie ziehen los und werden genauso enden wie all die anderen vor ihnen. Deine Tränen fallen nur erschöpft zu Boden –in ihre eigens verursachten Pfützen. Und er fehlt immer noch.

Warum weinen wir? Weißt du, was mit all deinen Tränen geschieht, wenn sie sich in den Pfützen gesammelt haben? Sie sickern ins Erdreich tief hinab. Dort fallen sie wie ein Regenguss auf die Hölle ein und löschen alle Feuer, die seine Sünden entfacht haben. Dann steigen sie wie Federn hinauf in den Himmel.

Der Zeitpunkt, wo man meint, es würde schneien - Kennst du das, wenn man denkt, die Schneeflocken würden nie auf dem Boden landen? So leicht sind sie. So tanzen sie, wie deine Tränen. Bis zu diesem Ort, an dem es eine Quelle gibt. Eine Quelle, die sich dann mit all deinen Tränen füllt, und den Tränen all seiner Freunde, den Tränen seiner Familie, den Tränen eurer Tochter.

Nachdem er diese Leere zwischen dem Hier und diesem Ort durchquert hat, wird er diese Quelle gefüllt vorfinden. Er sieht hinein, und es spiegelt sich sein Gesicht wider. Dann greift er mit der Hand ins Wasser und schöpft ein wenig daraus. Er sieht in ihr eine Erinnerung. Vielleicht einen Tag an Weihnachten mit euch zusammen oder nur einen einfachen Arbeitstag. Er kann alles in deinen Tränen sehen. Sein Blick schweift über das gesamte Gewässer, und er sieht so viele Dinge aus seinem Leben. Es leuchtet alles durcheinander und bunt. Ein Lächeln schleicht sich in sein Gesicht. Kurzerhand zieht er sich aus und springt ins Wasser. Er lacht. Wohl wissend, dass er sich in den Tränen seiner engsten Mitmenschen badet. Er lacht, weil er weiß, dass er das nur kann, weil er zu Lebzeiten geliebt wurde. Er badet in den Erinnerungen seines Lebens. Und er ist nicht traurig darüber, dass es vorbei ist – er ist glücklich darüber, dass es so gut war. Voll von Glück und überschwänglichem Lachen planscht er wie ein verrücktes Kind.

Der Zeitpunkt, wo man meint, es würde regnen - Kennst du das, wenn man denkt, es würde nie aufhören zu regnen? Dann ist wohl gerade jemand überglücklich beim Baden.
Warum also melancholisch sein, wenn es regnet? Freu dich mit ihm.

Impressum

Texte: text copyright by spiesi foto: google.de
Tag der Veröffentlichung: 06.07.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Einer guten Freundin gewidmet, deren Mann verstorben ist...und all jenen, die einen solchen Verlust erleiden mussten.

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