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Vorwort



Ich habe diese Kurzgeschichte vor einiger Zeit für einen Wettbewerb verfasst. Klappentext und Prolog sind aus eigener Sicht nach einer vorgegebenen Story geschrieben. Ich hoffe, es gefällt den Lesern.

Prolog



„Also, was sagen Sie als Profi?“, Van Larven schaute sie intensiv an. „Ich hoffe, Ihnen hat meine kleine Vorstellung gefallen.
Die letzte Viertelstunde, die sie in einem äußerst antiken, jedoch bequemen Ebenholzsessel verbracht hatte, waren von unglaublich grausamen Bildern gespickt, welche sie sich auf einer riesigen Beamerleinwand mit verfolgen konnte. Ihre Blicke trafen sich, als sie ihn ansah, um zu überlegen, weshalb er ihr ein solches Videomaterial präsentieren sollte.
„Warum haben sie mich hier her bestellt?“ Kurz und knapp, ohne etwas von ihren Gedanken zu offenbaren, stellte sie diese Frage.
„Bevor ich Ihnen diese Frage beantworte, möchte ich erst einmal für Ihr Kommen bedanken und ihnen meine Bewunderung für Ihre Arbeit aussprechen.“ Er setzte zu einer kurzen Pause an, in der sie die Wellen toben hörte. „Der Grund zu dieser Einladung ist ein Club, in den ich Sie einbringen möchte.“
Noch bevor er ein weiteres Wort sagen konnte, stand sie auf, im Begriff zu gehen. „Kein Interesse“, brachte sie knapp hervor.
„So warten sie doch, Frau Engel. Sie wissen doch noch überhaupt nicht, worum es bei der Sache geht.“, seine Stimme war heiser. „Sie können es doch keinem alten Mann vergönnen Ihnen einen seiner letzten Wünsche zu offenbaren.“ Kurze Pause. „Nehmen Sie doch bitte wieder Platz und nehmen sie einen Schluck von diesem vortrefflichen Wein.“ Er hiefte sich schwerfällig aus dem Sessel und schenkte ihr ein Glas Weißwein ein. Abschätzig schaute sie sich das Getränk an.
„Ich fahre fort. Auch wenn es mir sehr leid tut, Ihre Zeit zu rauben – Sie sind sicherlich vielbeschäftigt, möchte ich Ihnen erklären, was es mit diesem Club auf sich hat.“ Er schaute, ob sie ihm noch zuhörte und fuhr dann fort. „Diese Aktion zu planen hat mich über zwei Jahre Vorbereitungszeit gekostet und die wenige Zeit, die mir noch bleibt, möchte ich nutzen, um in die Geschichte einzugehen.“
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Und wie wollen sie das jetzt noch schaffen?“
Anstatt zu antworten, schaltete er erneut den Beamer ein und eine Computer Tomographische Aufnahme seiner Lungen kam zum Vorschein. Er stellte eine Gegenfrage „Was sehen Sie auf diesem Bild?“
„Ich bin kein Arzt“, sagte sie trocken „aber das sieht für mich nach Lungenkrebs aus. Im fortgeschrittenen Stadium.“
„Sie liegen vollkommen richtig. Mir bleiben nur noch wenige Monate, also muss alles schnell gehen.“, er hustete und es öffnete sich eine Tür an der hinteren Wand. Er winkte den Buttler weg und er verließ sogleich das Zimmer. Als er sich beruhigte, fuhr er fort. „Ich war schon immer ein Schwächling und ich lehne Gewalt ab. Ich habe furchtbare Angst vor Schmerzen und ich kann mir nichts schlimmeres vorstellen, als auch nur eine Minute im Gefängnis zu verbringen.“
„Kommen Sie zum Punkt.“, es interessierte sie in keinster Weise, wovor der alte Mann Angst hatte und wovor nicht.
„Ich möchte noch meinem Tod in einem Atemzug mit den berühmtesten Killern der Epoche genannt werden.“
Wieder musste sie lächeln. „Und wie wollen Sie das jetzt noch schaffen?“
„Nun, Frau Engel. Jetzt kommen Sie ins Spiel. Jedoch sind Sie nicht die einzige Mörderin, die ich zu mir bestellt habe. Während wir uns hier unterhalten, ist bereits der Nächste auf dem Weg hier hin.“ Er machte eine bedeutende Pause. „Der erste Schritt zu meinem Ziel war es, die besten Mörder der heutigen Zeit auf meine Yacht zu bestellen, um Ihnen das Angebot zu bereiten, dem Killerclub beizuwohnen.“
„Killerclub?“
„Wie ich bereits erwähnte, möchte ich – als Leiter diesen Clubs – mit Ihnen und ihren Killerkollegen in einem Atemzug genannt werden, um in die Geschichte einzugehen. Jedoch ist Ihr Beitritt nicht das letzte, was sie hierzu beitragen müssen.“ Erneut eine bedeutungsschwere Pause. „Wie in jedem Club, findet eine Meisterschaft statt, um herauszufinden, wer der Beste ist. Das ist jedoch nicht alles, der Killerkönig wird ein Preisgeld in der Höhe von einer Milliarden Dollar erhalten.“
„Ich brauche Ihr Geld nicht.“, erneut wollte sie aufstehen und sich abwenden.
„Wenn es Ihnen nicht um das Geld geht, dann vielleicht um den Sportsgeist?“, er stand ebenfalls auf und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Seine Stimme wurde leiser, es war fast nur noch ein Flüstern zu hören: „Außerdem ist das Opfer frei wählbar und wie ich weiß, haben Sie noch eine offene Rechnung.“
Ihr Blick weitete sich. Woher konnte er das nur wissen?
Seine brüchige Stimme erhob sich wieder zu einer normalen Lautstärke: „Außerdem ist dieser Wettbewerb äußerst spannend. Keiner weiß, was die Konkurrenz ausheckt, was die Mitglieder dazu führen sollte, sich umso mehr anzustrengen, jedoch gibt es drei Bedingungen.“
„Es war klar, dass die Sache einen Haken hat.“, sie verdrehte die Augen, doch er sprach unbeirrt weiter: „Erstens: Es gibt einen zeitlichen Rahmen. Sie haben eine Woche Zeit. 168 Stunden. Keine Sekunde mehr.“ Sie nickte. „Zweitens: Der Mord sollte bestenfalls durch gutes Bild- und Audiomaterial festgehalten werden. Wir wollen ihn ja schließlich gut bewerten können.“ Ein erneutes Nicken. „Drittens: Lassen Sie sich nicht erwischen. Eine Verhaftung führt zum Ausschluss des Wettbewerbes.“
„Alles klar. Und am Ende entscheiden Sie, wer der Beste ist?“, sie schaute ihn abschätzend an.
„Mitnichten. Ich bin ein Demokrat. Ich lasse das Volk entscheiden. Die Dokumentationen aller Morde werden im Internet auf einer Seite, welche sich nicht zurück verfolgen lässt hochgeladen und jeder auf diesem Globus kann abstimmen. Bewertet wird die Auswahl des Opfers, die Originalität der Umstände, Brutalität, Intelligenz und die Präsenz in den Medien.“
Sie schaute ihm tief in die Augen. „Ich habe alles verstanden. Kann ich nun wieder gehen?“
„Fast. Sie müssen nur noch den Mitgliedsantrag unterschreiben.“ Er legte den vorbereiteten Antrag auf den Tisch. Sie nahm einen Kugelschreiber in die Hand und führte diesen zu dem Blatt Papier.

Kapitel 1: Die Auswahl


Nach ihrem Aufenthalt bei Van Larven musste sich Charlotte Engel erstmal einen freien Kopf schaffen. Dies tat sie am liebsten abends mit ihrem langjährigen Freund Ivan Link, bei einem Glas Wein und Kerzenlicht, auf der Terrasse ihres kleinen Häuschens in Bonn. Ivan war nicht nur ein Freund, sondern auch Arbeitskollege, Informant, Seelenverwandter und dazu noch der Cousin ihres verstorbenen Verlobten Dimitri Petzold. Durch ihn fand sie ihr größtes Glück, doch es wurde ihr genommen. Dies machte ihre die Entscheidung nicht sonderlich schwer, wen sie für Van Larven ermorden wollen würde. Man konnte sie zwar als Auftragskiller bezeichnen, doch in den Medien war sie eher als „der Rächer“ bekannt, da sie und Ivan nur Menschen töteten, die selbst auch bereits jemanden umgebracht haben. Manche Familien gaben ihnen den Auftrag den Mörder der geliebten verstorbenen Person ausfindig zu machen und diese danach auszuschalten. Doch diese Aufträge waren nicht immer von Nöten. Einige Informationen über ermordete Personen waren sehr publik und so bekamen sie erste Informationen aus den Medien, welchen sie nachgingen und sich auch so bemühten das gesamte Puzzle zusammen zu setzen, um auch diese Mörder dingfest zu machen, da es ihnen nicht nur um das Geld ging, das ihnen bei bestimmten Aufträgen entgegengebracht wurde, sondern um die Klärung der Straftaten. So klärten die beiden viele, oft auch bis dato ungelöste Fälle.
Sie gingen allgemein folgendermaßen vor: Ivan beschaffte die Informationen, z.B. wer der Mörder war, oder ob die Zielperson wirklich die Richtige ist, und auch eventuelle Utensilien, die für die Tat notwendig waren, während sie einem anderen normalen Job als Journalistin nachging. Diesen Job übte sie nicht aus, weil sie es von der finanziellen Lage her musste, sondern, weil sie sonst oftmals zu Hause nichts zu tun hätte, als auf die Auskünfte von Ivan zu warten und außerdem war es ihr so möglich schneller an Bruchteile von Informationen zu gelangen, die für neue ‚Rachetaten‘ von Nöten sein könnten. Wenn dann alle Informationen beisammen waren, lag es an ihr. Sie und Ivan standen immer über ein Headset in Kontakt und sie führte den zuvor bis aufs genauste ausgetüftelten Plan aus. Wenn es Komplikationen oder Änderungen der Vorgehensweisen gab, teilte er ihr dies über das Headset mit. Ständiger Kontakt war somit Voraussetzung für einen reibungslosen Ablauf des Geschehens. Falls einmal etwas mit dem Empfang nicht stimmte und die Zielperson noch nicht im Visier war, musste sie die Operation direkt abbrechen. Es war nicht der Fall, dass sie auf seine Anweisungen angewiesen war, doch die beiden hatten die Abmachung getroffen, da er sich nach dem Tod seines Cousins dafür verantwortlich fühlte, dass ihr nichts zustieß. Doch zu solchen Situationen kam es selten, somit mussten sie selten abbrechen oder umstrukturieren, und bisher musste Ivan nie persönlich einschreiten. Nach vollzogener Ausschaltung der Straftäter, legte sie zum Abschied noch einen Zettel neben die Leiche, auf dem alle Informationen zu der Person standen und was diese alles vollzogen hatte, und warum sie es verdiente, zu sterben.
Sie hielt ihr Glas in die Höhe und begutachtete den Inhalt im Kerzenlicht. „Ivan“, sagte sie sanft und ließ einige Sekunden vergehen, bevor sie weiter sprach. „Du erinnerst dich doch sicher an gestern - mein Zusammenkommen mit Van Larven.“ Er nickte. „Du hast auch wirklich alles mitgehört?“
Ein erneutes Nicken: „Ich habe sogar alles auf Band.“
„Gut“, sagte sie nachdenklich. „Was hältst du davon? Geld bekommen wir auch so oft für unsere abgeschlossenen Fälle, aussuchen können wir uns die Opfer auch oft genug, wenn die Personen entsprechend gehandelt haben und wir nicht beauftragt wurden und wir es für vertretbar halten diese Monster ausfindig zu machen.“ Sie machte eine kurze Sprechpause. „Doch meist muss alles sehr schnell gehen. In dem Fall von Van Larvens Auftrag soll die Methode besonders ausgefallen sein und nicht einfach nur brutal oder blutig“, fasste sie zusammen. „Da wir absolute Freiheit darüber haben, wer sterben soll und wir seit kurzem endlich die wichtigsten Informationen zu Dimitris Mörder haben, denke ich, dass ER das perfekte Opfer ist.“ Nach diesen Worten richtete sie ihren Blick direkt auf ihren Verbündeten, welcher bei der Nennung Dimitris Namen sehr traurig und betroffen wirkte. Für gewöhnlich versuchten sie die direkte Nennung des Namens in Gesprächen zu vermeiden, da die logischen Reaktionen der beiden Trauer und Resignation waren.
Ihr Blick wurde härter. „Ivan, wie weit sind wir?“ Trotz ihres eisigen Blicks war ihre Stimme sanft und beruhigend.
„Ich habe mittlerweile alle Informationen über ihn, seine Vergangenheit, seine Laster und all seine Vergehen und Schandtaten.“
„Gute Arbeit, aber ich habe auch nichts anderes von dir erwartet“, lobte sie ihn. „Was kannst du spontan zusammenfassen?“
„Nun ja“, begann er. „Er war einst ziemlich wohlhabend, doch hat einige tausend Dollar in Vegas gelassen. Er wurde spielsüchtig und verfällt heute noch manchmal gerne in sein altes Schema. Hat sich aber einigermaßen im Griff und behält seinen Kontostand im Auge, setzt dennoch aber gern mal alles auf eine Karte.“
„Glücksspiele also? Erzähl mir mehr, vielleicht habe ich schon eine gute Idee.“ Ein leichtes Grinsen huschte über ihr Gesicht.
„Wie soll ich sagen. Er ist eben ein Mann und hat natürlich einen Faible für Sex und …“
Sie unterbrach ihn: „Ach Ivan, mein Lieber, greif doch nicht in die Klischéekiste.“, sie lachte. „Er mag vielleicht ein Mann sein, aber das bedingt doch nicht seine Leidenschaft für Sex.“
Er seufzte. „Charly, bleib doch bitte ernst, es geht um etwas wirklich Wichtiges.“
„Ist ja gut, sprich weiter.“
„Gut. Außerdem neigt er zu Gewalt und Herrschsucht.“, sprach er weiter, als hätte sie ihn nie unterbrochen. „Also musst du vorsichtig sein.“
„Dass diese Idioten zu Gewalt neigen, ist doch nichts Neues. Bisher kam ich doch auch so gut klar.“ Sie sprach, als sei sie gelangweilt.
„Pass auf, sei nicht zu leichtsinnig und von dir selbst überzeugt.“ Sie verdrehte die Augen. „Lass das!“, tadelte er. „Du sagtest doch eben etwas von einem möglichen Plan?“
Sie bejahte, begann zu erzählen und danach gingen sie den Ablauf und alles, was zu tun und beschaffen war genauestens durch.

Kapitel 2: Das Restaurant


Nun, nach einigen Tagen der Planung lag der erste Schritt der Ausführung des Planes an ihr. Verschaltet mit einem Stecker im Ohr und einer Kamera an einem ihrer Ohrringe betrat sie das kleine Restaurant in Hamburg, in dem Richard Heine, das ausgesuchte Opfer, sich aufhalten sollte. Der Ober bat sie zu einem Tisch für zwei Personen am anderen Ende des Raumes, zu welchem sie sich nach der Aufforderung natürlich hinbegab. Auf dem Weg dort hin machte sie Heine ausfindig und zog mit ihrem eleganten Abendkleid, das etwas Haut durchscheinen ließ, aber noch so viel verhüllte, dass die Phantasie der Gäste noch genügend Spielraum hatte, die Aufmerksamkeit der meisten Besucher auf sich. Durch ihre hohen Schuhe und den edlen Gang kamen ihre langen Beine besonders gut zur Geltung. Im Gesamtbild war sie eine sehr schöne Frau, aber nicht zu auffällig. Eine gute Mischung, die sich in einigen ihrer Fälle gut einsetzen ließ.
An ihrem Platz angekommen, hafteten noch immer einige Blicke auf ihr, doch nur die ihres Opfers waren ihr wichtig und Heine beäugte sie mit einem besonderen Lächeln, welches sie erwiderte. Als der Kellner sie fragte, ob sie etwas trinken wolle, bestellte sie sich einen Wein. Einen Bordeaux. Mit einer Karte ließ er sie zurück und sie schaute beim Blättern einige Male auf, um zu sehen, ob Richard Heines Aufmerksamkeit immer noch ihr galt. Als der Kellner samt Bordeaux zu ihrem Tisch zurückkehrte, orderte sie einen kleinen Salat, da sie ohnehin keinen großen Hunger hatte und bekam ihren Wein serviert. Als sie das Glas nun schließlich in ihren Händen hielt, prostete sie Heine mit einem eindringlichen Blick zu und nahm einen Schluck des Getränks. Er war sichtlich beeindruckt, konnte seine Augen tatsächlich gar nicht mehr von ihr lassen und schaute sie lüstern an.
Als ihre Speise nun zu ihrem Tisch gelangte, bedankte sie sich bei dem Kellner und flüsterte „Der Fisch hat angebissen.“
„So ein widerlicher Kerl“, hörte sie Ivan klagen. „Der Penner scheint dich ja echt nicht wieder zu erkennen. Und wie er dich ansieht, es ist einfach abstoßend!“
Sie hielt sich die Serviette vor den Mund und tat so, als tupfe sie ihn sich ab. „Ja, vielleicht wusste er nie, wie ich aussah. Er hat Dimitri in unserem alten, prunkvolleren Haus in Leipzig überfallen, um an Geld zu gelangen. Ich schätze, es war relativ willkürlich. Er wollte nur Geld, um weiter spielen zu können. Es war nicht groß geplant und er wusste wahrscheinlich nicht, dass es mich gibt.“ Sie seufzte. „Ich habe aber größeren Ekel vor mir selbst, dass ich diese widerliche Ratte überhaupt anlächeln muss.“ Sie legte die Serviette nieder und widmete sich wieder ihrem Salat.
„Du schaffst das, Kleine.“, er versuchte stets sie zu beruhigen und sie zu unterstützen und er wollte auch immer, dass sie sich, in welcher Situation auch immer, wohl fühlte. „Bleib einfach ruhig und geh nicht gleich auf ihn los, auch wenn du das gerne würdest. Später hast du dafür umso mehr Spaß mit ihm, bei unserem kleinen ‚Spiel‘. Er wird nichts Schlimmes ahnen, sogar auf das Beste hoffen, und doch alles verlieren, du hast nichts zu befürchten.“
„Du hast ja Recht.“, nuschelte sie in ihren Salat.
„Man spricht nicht mit vollem Mund.“, versuchte er die Situation aufzuheitern und kicherte ihr ins Ohr.
Sie biss die Zähne zusammen, da sie alleine in der Öffentlichkeit nicht lauthals reagieren und ihre cholerische Ader ausleben konnte. „Na warte.“
„Hey, das war doch nur ein Scherz. Jetzt guck wieder freundlich. Du willst unseren Glückspilz doch beeindrucken und nicht verschrecken.“
Ein leichtes Seufzen und sie setzte wieder ihr perfektes Lächeln auf und suchte Augenkontakt zu Heine.

Nachdem sie einige Zeit dort verbracht und Heines Art versuchte zu beobachten, er sich aber nur auf sie konzentrierte, wollte sie das Restaurant wieder verlassen. Als sie gerade dabei war ihren Mantel anzuziehen, fasste ihr überraschender Weise jemand von hinten auf die Schulter. Sie war schon dabei auszuholen, um sich zu verteidigen, als sie sich umdrehte und in Heines Gesicht sah.
Wenige Sekunden nach diesem Schreckmoment hatte sie sich wieder gefangen und sah ihn sinnlich an. Ein schlichtes „Hallo.“ genügte, um ihn aus der Reserve zu locken.
„Guten Abend, hübsche Dame. Du bist mir schon die ganze Zeit aufgefallen, und ich dachte, dass es doch schade wäre, wenn du einfach gehst, und ich dich nicht angesprochen habe. Vielleicht habe ich ja eine Chance.“, platzte er heraus.
„Eine Chance? Eine Chance worauf?“, wiederholte sie ihn.
„Nun ja.“, begann er. „Ich möchte dich kennen lernen.“
Sie grinste. „Kennen lernen also.“ Sie tat so als, dachte sie darüber nach. „Ich habe ein viel besseres Angebot. Ich habe nicht das Gefühl, dass du auf etwas Festes aus bist.“ Sie machte eine kurze Pause und wartete seine Reaktion ab.
Sie konnte förmlich die Räder in seinem Kopf rattern hören, bis er stockend sagte: „Ja, ich bin eher Sprunghaft, da hast du Recht.“
„Gut, also, was willst du dann von mir, wenn nicht wirklich kennen lernen? Bring es auf den Punkt.“, forderte sie.
„Charly, du sollst ihn nicht einschüchtern.“, tönte es in ihrem Ohr.
Sichtlich überrascht von so klaren Worten, geäußert von einer Frau, gab er zu: „Ich will dich.“
„Gut, dann haben wir beiden schon einmal entfernt das gleiche Ziel.“, sagte sie, bevor er näher erläutern konnte, was er genau von ihr wollte. Was dies war, brauchte nicht erst ausgesprochen werden, da sie beide genau wussten, was es war. „Was hältst du von einem kleinen Spiel?“ Sie zwinkerte ihm zu.
Bei dem Wort ‚Spiel‘ wurde er hörig. „Was für ein Spiel?“
„Ich sage es mal so. Es ist eine Art Glücksspiel. Interesse?“, sie hielt ihm eine Karte hin, auf der eine Adresse abgedruckt war.
Er nahm sich die Karte und sah sie genau an. „Wann soll ich da sein?“
„Morgen Abend, sagen wir gegen neunzehn Uhr, wir wollen doch sicher die ganze Nacht Spaß miteinander haben. Nicht wahr?“, ein erneutes Zwinkern.
Ohne seine Antwort abzuwarten, verließ sie den Laden und setzte sich in ein Taxi, um zu der Adresse zu fahren, welche auf der Karte genannt war, um alles vorzubereiten. Ivan wartete bereits auf sie und hatte bereits die nötigen Utensilien an den Ort gebracht, die wichtigsten Räume mit Kameras ausgestattet, mit Mikrophonen verkabelt und sich sein eigenes Zimmer für den nächsten Tag eingerichtet. Nachdem alles fertiggestellt war, setzten sich die beiden ein letztes Mal zusammen und gingen nochmals alles genauestens durch und sprachen über Van Larven und wie es nach der Klärung des Falles Petzold, auf den sie sich schon seit langem vorbereitet hatten - durch welchen sie überhaupt zu den ‚Rächern’ wurden, und es nun endlich soweit war diesen zu klären - weiter gehen sollte.

Kapitel 3: Die Regeln


Nun war es fast soweit. Ivan erklärte Charlotte noch ein letztes Mal, wie das mit den Würfeln, welche er zuvor besorgt und für das geplante ‚Spiel‘ manipuliert hatte, funktionieren sollte, um ihre Nervosität ein wenig zu legen, versprach ihr aber sonst über den Knopf in ihrem Ohr weitere Instruktionen zu geben, falls etwas schief gehen sollte. Als sie bereit war, begab er sich in seinen Raum und es hieß abwarten. Er beobachtete, wie sie angespannt in dem Raum auf und ab ging. „Ivan, ich hoffe, ich schaffe das. Ich bin so nervös.“, flüsterte sie kaum hörbar.
„Denk dir einfach, es sei ein ganz ‚normaler‘ Auftrag. Sonst bist du doch auch immer ganz ruhig.“, versuchte er sie zu beschwichtigen.
„Ja, sonst ist es aber auch nicht der Mörder meines Mannes, um den ich mich kümmere.“, sie klang ein wenig aggressiv. „Was ist denn, wenn ich beim Würfeln verliere?“ Nun hörte sie sich eher verzweifelt an.
Er sprach ganz sanft. „Das wird nicht passieren. Wir verwenden doch die beste Methode mit den gezinkten Würfeln und den Elektromagneten im Tisch, den ich jeder Zeit ein und ausschalten kann. Außerdem haben wir mehrere Durchgänge gemacht. Es kann gar nichts schief gehen.“ Die Manipulation der Würfel funktionierte, indem er in die Würfel an die gegenüberliegenden Seiten der gewünschten Zahlen Magneten angebracht hatte und wenn diese erscheinen sollten, er den Elektromagneten, welchen er in den Tisch zuvor einarbeitete, aktivierte.
„Aber ich will nicht für dieses Schwein...“, sie wurde von dem läuten der Türklingel unterbrochen und stoppte ihre Aussage.
„Musst du nicht. Selbst wenn er gewinnen sollte, du bist schwer bewaffnet, meine Kleine. Nun geh zur Tür und zeig‘s ihm!“
Sie ging mit einer gewissen Restnervosität zur Tür, doch als sie diese öffnete, war sie wieder ganz der Profi. Mit einem musternden Blick und einem förmlich geöffneten Mund schaute er sie lüstern an. Es war ihm nicht zu verübeln, denn sie sah umwerfend aus. Sie trug ein rotes, relativ kurzes Kleid, das unten etwas ausgestellt war und einen Ausschnitt hatte, der tief blicken ließ, und auch direkt seine Wirkung zeigte, da Heines Blick dort haften blieb. Abgerundet würde das Outfit durch die schwarzen hohen Sandaletten, die alles perfekt untermalten. Ja, sie sah einfach fabelhaft aus.
„Guten Abend“, begrüßte sie ihn mit einer so wollüstigen, heißen Stimme, die Eis hätte zum Schmelzen bringen können.
„Hallo“, sagte er zu ihrem Dekolleté.
„Entschuldige, aber ich bin hier oben“, zwinkerte sie ihm zu und forderte ihn daraufhin auf einzutreten.
Beeindruckt von dem Ambiente und der schönen Gastgeberin folgte er ihr durch die Diele in das Wohnzimmer.
Sie wollte Heine gerade zum Sofa führen, als Ivan sie warnte: „Achtung, er kommt dir bedrohlich nah.“
Somit drehte sie sich abrupt um, sodass er fast gegen sie stieß und fragte ganz direkt: „Wie genau stellst du dir denn nun den weiteren Verlauf des Abends- oder eher der Nacht- vor?“ Sie sprach diese Worte in einer ganz besonderen Art, die direkt Wirkung zeigte.
„Nun ja, wie du gestern schon sagtest. Man kann es sich sicher denken. Aber du hast auch etwas von einem Spiel erwähnt, was mich sehr neugierig gemacht hat. Ich mag Spiele, vor allem in Verbindung mit den Plänen für diverse Nächte.“ Er setzte ein verschmitztes Lächeln auf und ihr wurde schon bei dem Gedanken daran schlecht.
„Setz dich doch bitte.“, forderte sie ihn auf. „Möchtest du einen Wein mit mir trinken?“, fragte sie in einem Atemzug, als sie schon auf den Weg in die Küche war. ‚Mal sehn, wo hat Ivan ihn hingestellt?‘, fragte sie sich und nuschelte Flüche in den Kühlschrank, wie sehr sie sich selbst verabscheute, woraufhin Ivan ihr gut zusprach.
Nach kurzer Zeit kehrte sie mit 2 Gläsern und einem guten Wein zurück. Sie schenkte ein und sie prosteten sich zu. „Auf einen netten Abend mit einer interessanten Wende“, stimmte sie an und fügte hinzu: „Genieße ihn.“ Am liebsten hätte sie noch ‚Es wird dein Letzter sein‘, hinzugefügt. So nahm jeder einen Schluck des guten Tropfens zu sich, bevor sie ihn in das Spiel einweisen wollte.
„Also“, platzte er voller Zuversicht heraus. „Was soll das für ein Spiel sein?“
„Gut, dass du es ansprichst. Es ist ein klassisches Glücksspiel. Sagt dir ‚Craps‘ etwas?“, sie sah ihn fordernd an.
Ein wenig irritiert antwortete er. „Ja, aber ich habe mit einer anderen Art von Spiel gerechnet, wenn ich ehrlich bin.“
„Das dachte ich mir und so kommen wir schon direkt zu dem Einsatz. Ich habe mir gedacht, dass wir drei Runden würfeln, um es nicht all zu lang hin zu ziehen. Pro Runde steigt der Einsatz. Wenn du gewinnst, verläuft alles zu deinen Gunsten, wenn aber ich gewinne, kommt es zu meinem Vergnügen, was für dich vielleicht nicht so angenehm werden könnte.“
„Was heißt das?“
„Das, mein Lieber, wirst du ja sehen. Wir sollten die Preise vielleicht im voraus verhandeln und für deinen besten Fall gewinnst du mich in der finalen Runde.“, währen sie sprach, kam sie ihm immer näher, bis sie sich so über ihn beugte, dass er schon dachte, sie würde sich auf ihn setzen. Sie konnte förmlich das Blut in seinen Adern rauschen hören und spüren, wie sich sein Puls beschleunigte, bis er schließlich „Ja, bin dabei“ hervorstieß.
Charlotte ließ von ihm ab und setzte sich wieder normal neben ihn und besah ihn eindringlich. „Ich bin einfach mal ganz direkt und nenne meinen gewünschten finalen Einsatz. Wir werden nach dem Alles-oder-Nichts – Prinzip spielen. Also der Gewinner der letzten Runde entscheidet, was mit der anderen Person passieren soll und der Verlierer hat jeden Wunsch unweigerlich auszuführen.“
„Du meinst wirklich alles?“
„Ja, alles, ohne Einwand, egal, was gefordert wird.“, fasste sie zusammen.
Er stockte ein wenig. „Das ist ein sehr hoher Einsatz.“
„Da hast du Recht, aber sieh dir deinen möglichen Gewinn an.“ Sie sah ihn eindringlich an ihm zu, fügte aber ihrer Aussage noch hinzu, dass sie nach der zweiten Runde nochmal darüber reden könnten.
Daraufhin stimmte er zu und hinterfragte, wie es mit weiteren Einsätzen in den da vorigen Runden aussähe. Er fragte sie, weil er bemerkte, dass sie alles genauestens durchdacht haben schien.
Nach dieser Äußerung hörte sie ein „Halt dich bereit“ von Ivan und sie versteifte sich ein wenig und legte ihre Hand hinter sich an eine der geladenen Waffen, welche überall im Raum verteilt waren, hier nun in der Lehne des Sofas, bereit ihm den Gar aus zu machen. Doch als sie die Worte „Das gefällt mir, eine Frau, die weiß, was sie will.“ hörte, konnte sie sich wieder entspannen.
Daraufhin klärten die beiden ab, dass der Gewinn der ersten Runde eine kleine Gefälligkeit sein sollte und die zweite Runde sollte mit einer Kostprobe enden.
Nachdem die Regeln des Spiels noch einmal besprochen waren und die Gewinne beschlossen waren, bemerkte Heine erst, dass sie sich noch nicht vorgestellt hatten, aber da Charlotte ohnehin alles über ihn wusste, war ihr das nicht aufgefallen. So klärten sie nun auch die Formalien und das Spiel konnte beginnen.

Kapitel 4: Das Spiel


Ivans stimme ertöne in ihrem Ohr. „Am Anfang lasse ich euch beide das Spiel normal und fair spielen, damit er zumindest in der ersten Runde eine faire Chance hat zu gewinnen. Aber dir ist bewusst, dass wir ihn eine Runde gewinnen lassen müssen, damit er sich motiviert fühlt, weiter zu machen?“
Sie nickte kaum merklich, als sie Heine ein paar grüne Würfel mit den Worten „Sei das Glück mit dir.“ gab.
Er vergewisserte sich noch einmal, mit starrem Blick auf ihr Dekolleté, ob er nach dieser Runde des Spiels eine Gefälligkeit von ihr bekäme. Sie bejahte und er würfelte. Es erschien die Augensumme Acht. Somit hatte er einen Point und durfte erneut würfeln, bis er entweder die selbe Augensumme erwürfelte, oder aber eine der Zahlen erschien, welche ihn zum Verlierer erklärten. Er würfelte einige weitere Male, doch es erschienen stets andere Augensummen, sodass er nicht gewann und weiter würfeln durfte. Charlottes Anspannung steigerte sich somit immer weiter.
„Mach doch was.“, murmelte sie, woraufhin Heine sich zu ihr wandte.
„Was hast du gesagt, Anna?“ Anna war der Name, den sie verwendete, wenn sie bei einem Auftrag beispielsweise von dem Opfer nach ihrem Namen gefragt wurde.
Sie redete sich raus, indem sie behauptete, sie habe sich nur geräuspert und ihn aufforderte weiter zu würfeln, welcher Bitte er nachkam.
„Ich würde dir ja gerne helfen, aber er hat die Würfel, die ihn mit zwei Points gewinnen lassen würden. Gib ihm die anderen und ich lasse ihn mit einer sieben verlieren, also die Roten.“, erklärte Ivan.
„Richard, mein Lieber, du scheinst gerade nicht so das Glück zu haben. Willst du es nicht vielleicht mit anderen Würfeln probieren? Dann nehme ich deine Grünen. Die Roten bringen sicher mehr Glück.“, bot sie ihm mit den roten Würfeln in der Hand an.
Er willigte ein und nach dem nächsten Wurf ging sie als die Siegerin der Runde hervor. Da eine Gefälligkeit der Gewinn war, forderte sie ihn auf, ihr einen neuen Wein einzuschenken, da sie nicht das große Interesse daran hatte etwas von ihm zu sehen, anzufassen, oder sonstiges.
In der zweiten Runde war es an ihr zu würfeln. Hierfür nahm sie die blauen Würfel, da Heine, wie angekündigt einmal triumphieren sollte, um nicht die Lust zu verlieren, und diese so manipuliert waren, dass die Augensumme eine zwei, eine drei oder eine zwölf ergab, woraufhin der Würfler sofort verlor.
Sie konnte zwar ahnen, was er unter Kostprobe verstand, doch seine Forderungen waren ihr viel zu hoch. Er verlangte eine Mundnummer, woraufhin großer Protest von ihr kam. Ivan verfluchte Heine am laufenden Band und sie dachte, dass Ivan gut reden hatte, da sie es war, die sich ihm in diesem Spiel verkauft hatte. Sie handelte so lange mit Heine, bis sie ihn überzeugen konnte, dass ein kleinerer Wunsch die Vorfreude auf alles vergrößern könne und schließlich durfte er anfassen was er wollte, um einen Vorgeschmack auf das zu bekommen, was er vielleicht ganz hätte haben können, wäre es nicht ein gekapertes Spiel gewesen.
Ihr Ekel und Hass diesem Menschen gegenüber stiegen bis ins unermessliche und sie freute sich schon ihn in Kürze mit sich selbst ringen zu sehen.
Nachdem er alles an ihr erkundet hatte, wollte sie weiterspielen, doch er legte sich auf sie und raunte ihr ins Ohr, sie sollen das Spiel doch einfach Spiel sein lassen und sie können sich doch jetzt schon vergnügen, er halte es einfach nicht mehr aus, abzuwarten, ob er oder sie nun entscheiden sollen, was nach der letzten Runde mit dem anderen passieren würde. Alarmiert sprang Ivan auf, bereit selbst einzuschreiten. Doch sie schaffte es ihn ein Stück von sich weg zu drücken.
„Regeln sind Regeln.“, sagte sie kalt. „Und wir sollten sie einhalten, du kannst dich sicher noch ein wenig gedulden.“ Sie machte eine kurze Pause, richtete sich, begab sich auf die andere Seite des Tischs und sah den verwirrten Mann sich gegenüber an. Ruhig fügte sie hinzu: „Noch so eine Aktion und es könnte sehr schmerzhaft für dich enden und du wirst ihn“, sie schaute auf seinen Schritt „nie wieder verwenden können.“
Er schluckte und musste diese klaren aber harten Worte erstmal verdauen.
„Eigentlich wollte ich dir ja die Würfel geben und dich zum Zug kommen lassen, um die Chancen zu erhöhen, dass du gewinnst, doch durch diesen Aussetzer werde ich mir genehmigen, dass ich weiter würfel. Ich denke, das Spiel wird ein schnelles Ende finden.“
Sie griff zielstrebig nach den roten Würfeln und als sie warf flüsterte sie „Ivan, zeig mir, was du drauf hast und ab jetzt sind die Aufnahmen besonders wichtig.“ Binnen Sekunden war das Spiel entschieden und die Stimmung, die nach Heines übereifriger Aktion ohnehin schon tief unten war, veränderte sich ein wenig.
Er scherzte mit den Worten „Also bin ich wohl für heute dein Sklave.“
Doch als er sah, wie sie ihn ansah, war ihm nicht mehr zu Scherzen zumute. Ein solch süffisantes Grinsen hatte er zuvor noch nicht gesehen.
Die Stimme, die es ihm zuvor angetan hatte, lies förmlich das Blut in seinen Adern gefrieren, als sie sagte „Die verdammte Spielsucht hat dich schon öfter bis zum Abgrund getrieben, doch du konntest dich immer wieder fangen. Nur heute wird dein Ende sein, das verspreche ich dir.“
Sie öffnete eine kleine Schublade im Tisch und holte ein rechteckiges Päckchen heraus, welches sie auf den Tisch legte. „Öffne es!“, forderte sie, als Heine es nur apathisch anstarrte.
Zögerlich öffnete er es und seine Augen weiteten sich, als er eine Waffe in dem Paket liegen sah.
„Was ist, noch nie eine Waffe gesehen? Das ist eine Glock 17. Soweit ich mich erinnere, hast du so eine bereits benutzt, also, nimm sie.“
„Und was…“, setzte er an. Doch sie unterbrach ihn. „Keine Fragen, ich werde dir schon sagen, was du zu tun hast, also warte auf deine Anweisungen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Jetzt nimm endlich die verdammte Waffe.“ Er folgte ihren Anweisungen zögerlich und hielt nun die gleiche Waffe in Händen, wie er es einst hatte, als er Charlottes Verlobten und noch wenige andere ermordete.
„Nun halte entsichere sie und halt sie dir an den Kopf.“, sagte sie ruhig, woraufhin er aufsprang und die Waffe auf sie richtete und sie entsicherte, sie jedoch ganz gelassen blieb. „Setz dich wieder und mach, was ich dir sage.“
„Du bist doch verrückt. Verrückt!“, schrie er sie an.
„Der einzig verrückte hier bist du. Also, tu was ich dir sage, denn ich habe immer noch die Kontrolle über die ganze Situation.“
„Kontrolle“, lachte er. „Ich habe die Waffe, nicht du!“
Sie grinste. „Du hast die Waffe, doch ich habe gewonnen. Du hast zu anfang eingewilligt, zu tun, was ich fordere, also erfülle dies nun auch. Wie heißt es so schön, ‚Spielschulden sind Ehrenschulden‘.“
„Lächerlich“, stieß er hervor. „Du musst doch geisteskrank sein, um jemandem eine Waffe zu geben. Ich könnte dich erschießen!“
„Könntest du, aber genau das möchte ich von dir. Du sollst jemanden hier im Raum erschießen, doch ich werde nicht die Zielperson sein. Nun denk scharf nach, wer käme noch in Frage?“ Sie zwinkerte ihm zu, spielte mit seinen Nerven.
Wider Erwarten, legte er die Waffe an seine rechte Schläfe, begann zu zittern und zu weinen. Ihre Worte zuvor scheinen doch gewirkt zu haben.
„Gut“, sagte sie, dieses einzelne Wort ließ ihn zusammenfahren. Nach wenigen Sekunden schweigen sprach sie weiter. „Nun betätige den Abzug, los, trau dich.“, stachelte sie ihn an.
Er schloss die Augen, setzte den Finger fester an den Abzug und sie konnte förmlich einen inneren Kampf beobachten. Er schien sich zu fragen, ob er wirklich abdrücken sollte, oder doch lieber sie erschießen sollte. Schließlich war ein leises Klicken zu hören, doch nichts geschah. Erschöpft sank er zusammen, doch er lebte.
„Die Waffe“, er stockte und weinte „Sie war nicht geladen?“ Sie hatte also nur mit seinen Nerven gespielt und ihm wurde bewusst, dass sie das Wort ‚Spiel’ den gesamten Abend sehr groß schrieb.
Sie begann zu lachen. „Denkst du tatsächlich ich würde dir eine geladene Waffe geben? Gut, du hast schließlich das getan, was ich wollte, doch zu erst wolltest du mich erschießen. Ich kann doch nicht so ein Risiko eingehen, doch das wirst du sicher verstehen. Ich wollte schließlich einfach sehen, wie du reagierst.“ Ihre Stimme war befremdlich und doch auf eine gewisse Weise sehr beruhigend.
Er schloss die Augen. „Was willst du Gestörte von mir?“
„Deinen Tod.“, sagte sie trocken und als er seine Augen öffnete, richtete sie bereits eine USP QQ mit Schalldämpfer auf ihn. Sie hatte sie aus einer Tischschublade gezogen, als er die Augen geschlossen hatte. „Möchtest du noch etwas sagen, oder kann ich das nun alles beenden?“
Seine Frage klang lächerlich in ihren Ohren „Womit habe ich das verdient?“
Ihre Stimme klang schrill. „Du fragst nach dem warum? Du hast einige Leben zerstört, unter anderem das einer geliebten Person von mir und das nur wegen deiner krankhaften Spielsucht. Ich glaube das reicht als Begründung.“ Die letzten Worte vor dem Schuss lauteten: „Der Fall ist hiermit abgeschlossen.“
Richard Heines blutiger Körper war nun absolut von Leben verlassen und sie schaute direkt in eine der installierten Kameras. „Die Art des Mordens war hier Nebensache. Sein Kampf zuvor war unser entscheidender Weg.“ Drehte sich um und verließ den Raum in Richtung Ivans Zimmer.
Dieser schaltete nun die Kamera aus und öffnete die Tür, um Charlotte zu umarmen, da dieser Fall sehr an ihr gezehrt hat, weil sie selbst betroffen war. „Du warst klasse, aber was nun? Soll ich die Aufnahmen zu Van Laven schicken?“
Sie löste sich von ihm und nickte. „Ja, wir haben uns nicht umsonst die Mühe gemacht, dieses Arschloch zu beseitigen. Es geht mir nicht um das Geld, doch geht es um Vergeltung.“
Die beiden entfernten alle Spuren, wie Fingerabdrücke und andere Indizien, welche auf sie hätten schließen können und legten Richard Heines ‚Vergeltungszettel‘ in seine Hand.
Daraufhin verließen sie das Gebäude und als sie in ein gemietetes Auto stiegen, fragte Ivan zum Abschluss „War dies nun der letzte Fall des Rächers?“

Epilog


Nach ihrem Aufenthalt in Hamburg fanden sich Charlotte Engel und Ivan Link auf ihrer Terrasse in Bonn bei einem Glas Wein wieder, um sich einen freien Kopf zu schaffen, während sie die Pläne für ein neues Attentat auf einen Mörder durchgingen. Die ‚Rächer‘-Akte war noch nicht abgeschlossen, da es noch viel zu viele ermordete Menschen gab, deren Mörder das gleiche verdient haben, was sie ihren Opfern angetan hatten. Und ihr nächster Fall, lässt einem das Herz zergehen. – Im wahrsten Sinne des Wortes.

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Tag der Veröffentlichung: 19.04.2012

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