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Montag, 12. Juni



Pünktlich um 5:45 Uhr klingelt mein Wecker. Wie ich Montage hasse! Ich steige langsam aus meinem Bett und lasse mich sofort auf einen Stuhl sinken. Immer dieser bescheuerte Schwindel! Nach wenigen Sekunden erhebe ich mich langsam wieder und verschwinde im Badezimmer. Ich bin noch nicht fertig mit schminken, da klopf meine Mutter schon ungeduldig an die Tür. „Sarah! Der Bus kommt in 10 Minuten!“ höre ich ihre schrille Stimme durch die Tür. Mit einem seufzen kämme ich meine blonde Mähne durch und renne in den Flur. Während ich meine Schuhe anziehe reicht mir meine Mutter meine Butterbrotdose und einen Apfel. Ich stecke beides mit dem Wissen es nicht essen zu werden in meine Schultasche und renne zur Bushaltestelle. Den Bus bekomme ich wie jeden Morgen in letzter Sekunde und lasse mich neben meiner besten Freundin Laura auf einen Sitz fallen.
In der Schule verläuft alles wie gewohnt. Herr Steiners Matheunterricht beginnt wie immer mit einem Wutanfall und Frau Schafenberg beschwert sich über den Lautstärkepegel im Klassenraum. Auf der Rückfahrt verabrede ich mich mit Laura zum Schwimmen und lasse mein Frühstück unter meinem Sitz verschwinden.
Meine Mutter ist zum Glück nicht mehr zu Hause. Auf dem Esstisch steht ein Teller mit Essen, neben dem ein kleiner Notizzettel liegt. „Tut mir leid, bin mit Lennart beim Zahnarzt.“ Mit einem Lächeln lasse ich das Essen im Mülleimer verschwinden und decke es mit ein paar verknitterten Servietten ab. Wieder eine Mahlzeit erfolgreich vermieden. Da ich bis zum Schwimmen noch fast eine Stunde Zeit habe probiere ich meinen neuen Bikini vor einem der vielen Spiegel in meinem Zimmer an. Bei dem Anblick meins Körpers wird mir schlecht. Meine Arme sind wunderschön schlank, aber meine Beine und mein Bauch sehen aus, als gehören sie einem Walross. So kann ich unmöglich schwimmen gehen! Ich greife nach meinem Handy und schicke Laura eine SMS: „Sorry! Ich kann nicht mitkommen. Hab voll die Kopfschmerzen. Bis Morgen :*“ . Dann sehe ich mein Spiegelbild mit eingezogenem Bauch an. So möchte ich Aussehen!

Donnerstag, 15. Juni


Wie ich mein Leben hasse! Erst verpasse ich meinen Schulbus, dann bekomme ich eine fünf in Mathe wieder, und jetzt sitze ich am Esstisch und esse schon das zweite Stück Pizza! Und nicht irgendeine Pizza, nein Salami Pizza (100g -239 kcal ). Bevor ich noch mehr Essen in meinen nutzlosen Körper stopfe schiebe ich die restliche Pizza meinem kleinen Bruder zu und verschwinde in mein Zimmer. Wie kann man nur so blöd sein. Heute werde ich nichts mehr essen. Trinken darf ich eh nur Wasser, Tee und Kaffee. Cola Zero gibt’s als Belohnung, wenn ich einen ganzen Tag stark bleibe, d.h. nichts essen. Frustriert werfe ich mich auf mein Bett und blättere eine Zeitschrift durch. So viele schöne, schlanke und erfolgreiche Frauen. Die dünnsten schneide ich aus um sie in mein „Thinspiration-Buch“ zu kleben.
Abends telefoniere ich lange mit Laura. Sie ist schlank ohne etwas dafür zu tun. Manchmal hasse ich sie dafür. Wie sprechen grade über die große Party, die am Samstag stattfindet, als es an meiner Zimmertür klopft. „Ja?“ rufe ich genervt. Die Tür geht auf und mein Vater steckt seinen Kopf mit einem breiten Grinsen herein „Wie geht’s meiner Prinzessin? Ich habe dich heute noch gar nicht gesehen!“. „Gut“ ,lüge ich „Was möchtest du?“. Sein Grinsen wird noch breiter und er wirft mir eine Schachtel zu. Gelangweilt schaue ich sie mir genauer an. Es ist eine kleine Holzkiste, gefüllt mit einem riesen Haufen Pralinen. Schon beim Anblick läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Sie müssen verschwinden. Sofort! „Das ist… lieb von dir Papa, aber ich habe schon meine Zähne geputzt. Bring sie doch Mama, die freut sich bestimmt!“. Geknickt nimmt mein Vater die Pralinenschachtel zurück und verlässt mein Zimmer. Ich verabschiede mich noch von Laura und probiere hungrig einzuschlafen.

Samstag, 17.Juni



Heute ist es so weit. Heute findet Timos große Party statt. Ich bin grade erst aufgewacht und trotzdem schon in Hektik. Ich muss mich Duschen, Schminken, mir ein tolles Outfit zusammenstellen und meine Haare glätten. Mit den Klamotten habe ich meine Schwierigkeiten. Obwohl mich meine Freunde mich bei einer Körpergröße von 1,61 m und einem Gewicht von 47 Kg als schlank bezeichnen habe ich riesige Probleme meine fette Wampe unter einem Top zu verstecken. Nach dem ich meinen halben Schrankinhalt auf meinem Zimmerboden verteilt habe finde ich eine relativ weite Bluse, die meinen dicken Bauch kaschiert. Es ist nicht so als hätte ich wirklich Speck, aber durch die Fressattacke, die ich gestern hatte hat sich mein Bauch so ausgedehnt, als sei ich schwanger.
Ich gehe erst zum Mittagessen in unser Wohn- und Esszimmer, um das Frühstück zu umgehen. Vor der Party darf ich nichts essen, ich möchte gut aussehen, schlank aussehen. „Auch mal aufgestanden?“ ruft mir meine Mutter aus der Küche zu. Ich lasse mich aufs Sofa fallen, schließe meine Augen, und probiere den köstlichen Spaghetti-Geruch zu ignorieren. „Geht es dir nicht gut Sarah?“ fragt mich meine Mutter besorgt. Ich nutze diese Gelegenheit um mich vom Mittagessen zu befreien „Nicht wirklich. Ich glaube ich kann jetzt nichts essen.“ Dann flüchte ich wieder in mein Zimmer um den Nudeln zu wiederstehen.
Um 10 Uhr tauche ich mit Laura auf der Party auf. Es ist schon richtig voll, ein Junge ist bereits dabei sich zu übergeben. Wir drängeln uns durch die tanzende Menge und verlieren uns aus den Augen. Alleine setzte ich mich auf ein Sofa und schaue mich um. Keiner der Anwesenden kommt mir bekannt vor. Mein Blick bleibt an einem besonders schlanken Mädchen hängen. Ihr Körper sieht so zierlich aus, so klein und zerbrechlich. So möchte ich auch aussehen. Ihr ganzer Körper schreit nach Aufmerksamkeit und hat schon mehrere Jungs in seinen Bann gezogen. Ihr langes blondes Haar schwingt bei ihren Bewegungen mit und umrahmt ihr strahlendes Gesicht. Ich beschließe aufzustehen und mir ein Bier zu besorgen. Entscheide mich aufgrund der Kalorien schließlich doch für ein Glas Cola Zero und begebe mich damit auf die Tanzfläche. Ein ziemlich gutaussehender Typ fängt an mit mir zu tanzen, als seine Hände schließlich auf meiner Hüfte landen flüchte ich. Niemand soll meine fetten Hüften anfassen. Was er sich wohl gedacht hat? Bestimmt ist er froh das das fette Ding von alleine gegangen ist.
Ich schaue mich noch einmal nach Laura um, kann ihre roten Locken jedoch nirgends sehen. Schnell ziehe ich mein Handy aus der Tasche und wähle ihre Nummer. Mailbox, na toll! Ich lasse mich wieder auf das mir bereits vertraute Sofa sinken und beobachte das Geschehen. Die Minuten vergehen und schließlich auch eine Stunde. Ich wollte grade nach Hause gehen, als sich ein Mädchen neben mir nieder lässt. Mir war sofort klar, dass es sich um die hübsche Blondine, die ich eben beobachtet handelt. Ich lächele ihr freundlich zu: „Hey! Auch eine kleine Pause?“. „Ja.“, antwortet sie grinsend „Es ist ziemlich heiß hier drinnen.“ Wir unterhalten uns den ganzen Abend durch. Sie heißt Hanna, ist ebenfalls 16 und ist mit ihrem Freund hier. Nach einer gefühlten Ewigkeit taucht auch Laura wieder auf. Hanna und ich tauschen unsere Handynummern aus und ich verlasse die Party.

Dienstag, 20.Juni


Heute treffe ich Hanna endlich wieder. Nach der Schule bin ich direkt in die Stadt gefahren, meiner Mutter hab ich gesagt, ich würde mir dort etwas zu Essen kaufen. Ich habe sogar 5¤ bekommen, und ein schlechtes Gewissen. Das verfliegt aber schnell wenn ich ans Frühstück zurück denke. Obwohl die Waage heute Morgen 46,3 Kg angezeigt hatte habe ich schon eine Scheibe Toastbrot gegessen. Ohne Belag natürlich. Aber trotzdem! „Na?“ ertönt Hannas Stimme hinter mir. „Hey! Wie schön dich zu sehen.“ Glücklich umarme ich sie und wir gehen in den Park um uns etwas zu Sonnen. „Die Freibäder haben schon geöffnet, ich wollte mit meinem Freund Simon am Freitag hingehen. Möchtest du vielleicht mitkommen?“ fragte Hanna und strich sich mit ihrem dünnen Fingern durchs Haar. Eigentlich würde ich sie gerne am Freitag wiedersehen. Aber im Schwimmbad starren bestimmt alle Leute auf meinen dicken Körper. Ich hör schon die kleinen Kinder lachen: „Guck dir mal den Walfisch an!“. „Freitag?“ frage ich nach um etwas Zeit zu schinden „Da kann ich nicht. Tut mir leid.“ „Du hast doch eben gesagt, du hättest Freitag nichts vor!“ Hanna schien etwas sauer zu sein. „Was ist denn los?“ Soll ich ihr wirklich die Wahrheit sagen? Laura würde das nie verstehen, meine Familie auch nicht, aber Hanna? Hanna scheint auch Wert auf ihre Figur zulegen, sonst hätte sie eben meine Einladung auf ein Eis angenommen. Ich versuche es einfach: „Naja, ich hab in letzter Zeit viel gegessen. Und…“ „Hab ich mir schon gedacht.“, fällt mir Hanna ins Wort „Sarah. Du musst dich für deinen Körper nicht schämen. Es gibt viel dickere Leute als dich. Wie hoch ist dein BMI?“ „18“ gebe ich traurig zu. „Okay. 18 ist echt nicht wenig. Meiner liegt bei 16,5. Ich möchte aber auf jeden Fall unter 16 kommen, dann ist man nämlich stark untergewichtig. Das hört sich doch toll an, oder?“ „Ja.“ Gebe ich neidisch zu. Dann ist man nämlich erst normal. Diese ganzen Werte sind eh falsch angegeben, um den dicken Leuten ein besseres Gefühl zu geben. Aber da falle ich nicht drauf rein! „Du, Hanna? Was würdest du denn davon halten wenn wir gemeinsam abnehmen? Dann können wir uns unterstützen!“ Hanna gefällt meine Idee auf Anhieb. Wir verabreden uns für Freitag im Freibad und für Samstag bei mir. Dann können wir einen Diätplan aufstellen.

Mittwoch, 20.Juni


Es ist 18 Uhr, ich habe noch nichts gegessen. Dieses Gefühl der Kontrolle lässt mich leichtfüßig durch den Park joggen. Endlich bin ich stark, alleine die Hoffnung, in Hanna eine Verbündete gefunden zu haben gibt mir genug Kraft heute einen ganzen Tag durchzuhalten. Mit jedem Magenknurren steigt meine Laune weiter, bis ich schließlich das Gefühl habe zu platzen. Die Sonne scheint auf mich herab, mein Bauch ist flach, der Tag wunderschön! Zu Hause räume ich das erste Mal seit langen mein Zimmer richtig auf. Meine Mutter freut sich über meine gute Laune und fragt ob wir Abends grillen wollen. Mit einem Schlag kehre ich in die Realität zurück. Ich brauche eine Ausrede. Ich darf mich nicht beim Grillen vollfressen! Den heutigen Tag möchte ich sauber bleiben, meinen Körper nicht mit Dreck voll stopfen. „Also, wenn ich ehrlich bin…“, beginne ich, doch meine Mutter fällt mir ungehalten ins Wort. „Sarah, wir haben so lange nicht mehr alle gemeinsam gegessen. Ständig bist du unterwegs. Möchtest du nichts mehr mit uns zu tun haben?“. „Mama! Lass mich doch mal ausreden. Wenn ich ehrlich bin, freue ich mich riesig darauf!“. Mit einem Lächeln zieht mich meine Mutter in die Küche. Gemeinsam bereiten wir Salate, Kräuterbutterbaguettes, Fleisch… zu. Beim Anblick wird mir übel. Ich steigere mich immer mehr in meine Abneigung gegenüber den Nahrungsmitteln hinein, bis ich schließlich würgend über dem Spülbecken hänge. Außer etwas Flüssigkeit kommt natürlich nichts raus. Meine Mutter steht besorgt hinter mir: „Sarah, Schätzchen. Was ist denn in letzter Zeit mit dir los. Ständig ist dir schlecht…“ „Mama wirklich. Ich vertrage die Hitze wohl nicht so gut, am besten ich gehe jetzt schlafen.“ „Um 20 Uhr?“, fragt meine Mutter skeptisch. Ich antworte nicht, laufe in mein Zimmer und probiere mich im Internet von meinem Hunger abzulenken.

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Tag der Veröffentlichung: 03.07.2011

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