Eduard ist eine ehemalige Paramyxo-Taube, die eine Nervenstörung zurückbehalten hat. Der verrückte Eduard, der sehr grobmotorisch ist und immer für Erheiterung sorgt, weil er - nähert man sich ihm mit den Händen - beißt, was das Zeug hält.
Vielleicht war auch dieses grobe Verhalten (auch wenn er es nicht böse meint) der Grund, warum der erst so vielversprechende Verkupplungsversuch mit der Taubendame Brownie schließlich doch scheiterte und Eduard wieder alleine war.
Dann aber ist etwas passiert, mit dem wohl niemand gerechnet hätte. Oma!
Unsere alte, tatterige und zauberhafte Taube, die nicht mehr fliegt, nicht mehr so gut zu Fuß ist, ihr Leben aber in vollen Zügen genießt. Oma, für die wir uns so sehr einen Opa wünschten.
Nun, einen Opa hat sie nicht gefunden, aber ...
Sie und Eduard lernten sich in Eduards Außengehege kennen. Eduard schien sofort fasziniert von der alten Dame und startete den ein oder anderen grobmotorischen Annäherungsversuch.
Trotzdem hinderte uns irgendetwas daran, die beiden zu trennen. Vielleicht war es das Gefühl, dass Oma Eduard irgendwie im Griff zu haben schien und sie die groben Anmachen weniger belasteten, als es aussah. Die beiden bezogen also, gemeinsam mit zwei anderen Handicap-Tauben ihr Tagesquartier - eine ihren Bedürfnissen angepasste Außenvoliere. Wir hatten natürlich ein Auge auf die Geschehnisse in der Voliere und besonders auf die tatterige Oma.
Vielleicht lag es daran, dass Eduard ein Licht aufging und er kapierte, dass die Oma nicht auf Draufgänger steht. Vielleicht hat aber auch Oma ihre Leidenschaft für Draufgänger entdeckt, wir wissen es nicht. Die beiden wurden jedenfalls immer vertrauter miteinander.
Ein paar Wochen später sahen wir dann, dass die beiden schnäbelten und wollten es nicht so recht glauben. Dann tat sich wieder nichts, bis eines Tages plötzlich die Oma verschwunden war.
Gefunden haben wir sie schließlich - Seite an Seite mit Eduard - in einem Meerschweinchenhäuschen, das Eduard als Unterschlupf für sich entdeckt hat und heiß und innig liebt.
Seither sind beide unzertrennlich und teilen sich nicht nur das Häuschen in der Außenvoliere, sondern auch das Nest im gemeinsamen Nachtquartier!
Das sind Gundula und Jost-Dietrich, zwei sehr betagte und tatterige Tauben, die auf dem Gnadenhof Oberrad wohnen, nachdem sie ihr ehemaliges Zuhause verloren haben. Gundula, die schwarz/weiße Taube, ist nicht mehr ganz so gut zu Fuß. Jost-Dietrich ist fast blind, fliegt nicht mehr und hat außerdem nur noch einen Fuß.
Beide Tiere sind trotz ihrer Handicaps lebensfroh und sehr glücklich zusammen, denn Gundula und Jost-Dietrich sind ein Liebespaar.
Manchmal - als wäre er frisch verliebt und nicht schon jahrelang an Gundulas Seite - vergisst Jost-Dietrich sogar seine Wehwehchen und tänzelt glucksend wie ein junger Täuber um seine Gundula herum. Aber wehe der liebestolle Jost-Dietrich übertreibt es mit seinen Anmachkünsten.
Dann setzt Gundula ein klares Zeichen und pickt nach ihm. Sie hat halt in der Beziehung die Hosen an. Jost-Dietrich lässt sich von Gundulas Gezicke (das kennt er ja schon) aber nicht beirren und sammelt leidenschaftlich Blätter und kleine Zweige, die er in den Innenraum trägt und im gemeinsamen Nest verbaut, das in einer Ecke auf dem Boden steht. Vielleicht klappt es ja so?
Und bisher hat es Gundula noch nie lange geschafft, dem Charme ihres Liebsten zu widerstehen. Die meiste Zeit über sind Zankereien aber kein Thema.
Beide kuscheln und schnäbeln in ihrem Nest oder unternehmen Seite an Seite einen kleinen Ausflug in den Außenbereich. Dort sonnen sie sich oder, wenn es regnet, halten beide - oft sogar in absoluter Synchronität - ihre Flügel in den Himmel. Erst den einen ... oh wie erfrischend ... dann den anderen ... ein eingespieltes Team eben!
Später wackeln und humpeln beide - natürlich Seite an Seite - zurück in ihr Nest ... und Jost-Dietrich bekommt doch noch sein Schäferstündchen ... Gundula und Jost-Dietrich - eines unserer zauberhaftesten Liebespaare auf dem Gnadenhof, und das hoffentlich noch sehr lange.
Tauben gehören für mich zum Stadtbild und sind so selbstverständlich, dass ich mir nie Gedanken über diese Tiere gemacht habe, wenn ich denn mal in der Stadt war
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Stadttaubenprojekt Frankfurt e. V.
Bildmaterialien: Stadttaubenprojekt Frankfurt e. V.
Lektorat: Stadttaubenprojekt Frankfurt e. V.
Tag der Veröffentlichung: 21.09.2014
ISBN: 978-3-7368-4119-2
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für die vielen Tauben, die in unseren Städten ein würdeloses und elendes Dasein fristen müssen.