Vor Angst gestorben
„Hallo Jake! Wie kann ich dir helfen?“
Schreiend wachte ich in meinem Zimmer auf und fand mich schweißgebadet in meinem Bett. Aufrecht saß ich auf dem Bettrand und versuchte gleichmäßig zu atmen.
Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.
Erst nach ein paar Minuten hatte mein Herz sich beruhigt, dennoch war ich in meinem Kopf unruhig.
Schon wieder hielt mich der Traum vom Schlafen ab. Nun schon zum dritten Mal wiederholte sich dieser schreckliche Albtraum und auch zum dritten Mal bin ich geschockt aufgewacht. Wenn es wenigstens eine Handlung gab, gab es aber nicht. Ich hörte nur diese computeranimierte Frauenstimme, die immer wieder den gleichen Satz sagte, immer und immer wieder.
Ich schüttelte den Kopf. Mit 28 glaubten die meisten erwachsenen Männer nicht mehr an Spuk, doch langsam zählte ich mich selbst zu denen, die an Spuk glauben.
Mittlerweile saß ich auf dem Bettrand und grübelte, den Kopf in die Hände gestützt. Langsam machten mich diese schlaflosen Nächte wahnsinnig. Nicht nur mich, sondern auch alle Mitbewohner unserer Wohngemeinschaft, da ich sie mit meinen Schreien auch ziemlich nervte. Wir kannten uns alle schon von klein auf und waren gerade vor 3 Wochen hier eingezogen Klar würden wir uns noch öfters gegenseitig nerven, dennoch hatte ich die letzten Nächte auch öfters geschrien und habe somit meine Mitbewohner geweckt, was mir auch leidtat.
Ich schielte auf den Wecker, 3:25 zeigte dieser an, noch drei Stunden und ich müsse wieder aufstehen. Na ganz toll, jetzt war nicht mehr an Schlaf zu denken. Wahrscheinlich würde ich morgen in Mr. Lengs Vortrag über die Politik im Jahre was weiß ich einschlafen. Als Politik-Student keinen Schlaf zu bekommen, war die reinste Hölle. Vielleicht würde ich mich nach einem Glas Wasser beruhigen.
Doch auch nach drei Gläsern Wasser beruhigte ich mich kein bisschen. Immer wieder hörte ich diese Stimme in meinem Kopf, wie sie mit immer lauter werdender Stimme auf mich einredete.Ich konnte sie immer noch im gleichen Tonfall in mir hören.
„Hallo Jake! Wie kann ich dir helfen?“
Ich schenkte mir ein viertes Glas Wasser ein und trank es auf Ex, bevor ich die Küche verließ und im Flur das Licht anschaltete.
Geradewegs steuerte ich die alte Holztreppe nach oben an, als ich den alten Spiegeltisch mit einem Telefon darauf bemerkte. War der schon immer da oder spielte mein Kopf mir noch einen Streich. Kurz schüttelte ich den Kopf, ließ den Tisch Tisch sein und sprang die Treppen hinauf.
Mein Wecker zeigte mittlerweile 6:23, als ich mich anzog. Zwar hatte ich ein bisschen gedöst, dennoch war ich nicht mehr eingeschlafen oder geschweige denn innerlich zur Ruhe gekommen. Als ich die Tür hinter mir schloss, kam mir einer meiner Freunde entgegen. Mike, der sich wieder bei mir beschwerte, dass ich wieder geschrien hatte. Gerade wollte ich in die Küche unseres Hauses, als ich feststellen musste, dass der Tisch, den ich letzte Nacht bemerkt hatte, verschwunden war, einfach weg. Mike schlug mir freundschaftlich gegen die Schulter und sah mich fragend an. Ich grummelte und verließ ohne ein Wort das Haus.
Es war schon eine Meisterleistung, dass ich den ganzen Tag wach geblieben bin. Auch wenn ich nur an Schlaf dachte, kam mir wieder diese schreckliche Stimme in den Kopf. Es war wie ein schlimmer Ohrwurm.
„Hallo Jake! Wie kann ich dir helfen?“
Und dann noch dieser gruselige Vorfall mit dem Spiegeltisch und dem Telefon.
Ich brauchte Urlaub! Das sagte ich mir nun schon den ganzen Tag, ich war einfach überanstrengt. Auf dem Weg nach Hause hörte ich zur Entspannung etwas Musik, doch was ich anstatt meiner Lieblingsband hörte, war eine Stimme - eine computeranimierte Frauenstimme mit sehr viel Nachdruck im Tonfall.
„Hallo Jake! Wie kann ich dir helfen?“
Ich schrie auf und warf meine Kopfhörer auf die Straße und rannte so schnell ich konnte nach Hause. Die Stimme hatte sich wie festgebrannt in meinem Gehirn. Zu Hause angekommen, rannte ich an meinen Mitbewohnern vorbei in mein Zimmer und schloss hinter mir ab. Mit rasendem Herzen und angehaltenem Atem lehnte ich an der Tür und stand stundenlang so da.
Ich konnte mich nicht beruhigen, auch nicht durch die Rufe und Schreie meiner Freunde, die sich schon sorgten und fragten, ob alles ok sei.
Seit 3 Nächten war nichts mehr gut.
Als die Tür aufgebrochen wurde, saß ich neben der Tür und lehnte an der Wand. Immer noch hatte ich Panik. Mike kam hinein mit 2 Sanitätern, die mich gründlich durchcheckten, sich aber auch keinen Reim auf meinen Schockzustand machen konnten. Mike brachte mir eine Ofenpizza, dann setzte er sich zu mir auf den Boden und aß gemeinsam mit mir die Pizza. Er wusste genau, dass ich Hunger hatte und allein nichts runter kriegen würde. Deswegen war er ja da. Er wollte mir helfen, aber er konnte nicht helfen.
Mit sanfter Stimme sprach er zu mir: „He, wir haben dich bei den Lehrern für morgen entschuldigen lassen . Aber Mann, du musst mal wieder schlafen! Schau dich doch mal im Spiegel an! Du siehst total blass aus! Was ist los, Mann?“ Ich stand auf und setzte mich ins Bett, während er auf dem Boden blieb. Wieder versuchte er, mich zu beruhigen: „Geh schlafen, Mann!“. Ich schüttelte trotzig den Kopf. Mike sprang auf und ließ den Teller auf den Boden fallen. Nun sprach er gereizt und aggressiv: „Dann kann ich dir auch nicht helfen! Wir alle haben drei Nächte lang kaum geschlafen, weil du so blöde Albträume hast.“, er verließ den Raum und ließ die Tür zuknallen.
Anscheinend war ich doch eingeschlafen. Das hatte Folgen. Ich träumte von einem großen, alten Haus in dem ein Telefon klingelte. Dann war alles schwarz und die Stimme sprach mit einem gruseligen Tonfall.
„Hallo Jake! Ich helfe dir! Wann soll ich zu dir kommen und dir helfen?“.
Ein Schwall kaltes Wasser ergoss sich über mir. Mike standmit einem Eimer in der Hand neben mir , aus dem noch die letzten Tropfen Wasser fielen. Keine Minute später war Mike wieder verschwunden. Anscheinend hatte ich wieder geschrien, denn auf dem Flur maulte er noch ein bisschen rum. Ich konnte es doch nicht ändern!
Nach kurzer Zeit quälte ich mich aus dem Bett und trocknete mich ab. Ich wusste, dass ich diese Nacht nicht mehr schlafen könnte.
Deswegen versuchte ich erst gar nicht und las lieber in meinem Buch, vielleicht brachte mich das auf andere Gedanken. Doch schon nach kurzer Zeit bemerkte ich, dass ich diese Stimme wirklich nicht loswerden konnte.
Nach wenigen Seiten legte ich das Buch zur Seite, verkroch mich unter die Decke und versuchte ganz ruhig zu atmen.
Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.
Es half nichts und das machte mich langsam aggressiv. Also verließ ich mein Zimmer und ging in die Küche, um mir etwas zu trinken zu holen.
DA! Hatte da nicht gerade jemand gesprochen? Hm, vielleicht war es nur einer meiner Mitbewohnern.
Ich setzte mich an den Tisch und trank ein Glas Saft nach dem anderen, bis ich wieder etwas gehört hatte. Waren die anderen alle wach?
Ich schüttelte den Kopf, mein Gehirn spielte mir schon gern Streiche.
Gerade als ich aufstand und mich wieder in mein Zimmer begeben wollte, hörte ich es. Wie in meinem Traum. Das Telefon. Ganz ruhig atmen, befahl ich mir.
Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.
Ich lugte um die Ecke und sah den Tisch. Den Tisch, den ich auch letzte Nacht gesehen hatte und der am Morgen spurlos verschwunden war. Und darauf stand das Telefon. Das Telefon, das in meinem Traum von dieser Nacht geklingelt hatte.
Klar, man kennt es aus Horrorfilmen und Gruselgeschichten, die Hauptperson nimmt natürlich den Hörer ab. Jeder Zuschauer regte sich auf, weil man selbst es anders machen würde. Dachte man!
Ich ging auf das Telefon zu und zögerte einige Momente, bis ich abnahm.
Die Stimme.
„Hallo Jake! Ich bin jetzt da, um dir zu helfen.“.
Polizeibericht:
Am 13.07.1999 starb der Politik-Student Jake Hill an den ungewöhnlichen Folgen einer psychischen Krankheit. Man sagt, der Student starb vor Angst...
Tag der Veröffentlichung: 29.12.2013
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