Ich dachte mir zunächst nichts dabei, als ich ein Einladungsschreiben bekam, wonach ich an einem Kongress in Senegal teilnehmen sollte.
Dass mein Werk auch in Übersee Aufmerksamkeit und Interesse weckte, war eine große Genugtuung für mich. Meine bisher veröffentlichten Bücher seien eine Art Brücke, so bezeichneten es eine Vielzahl der Leser und auch die Zeitungsartikel, die darüber berichtet hatten und die Themen analysierten. Auch wenn viele neugierig hinterfragen, woher ich die Zeit nehme, um so etwas zu schaffen, habe ich die passende Antwort parat: genau wie der Sportler sich die Zeit nimmt seinen Körper in Bewegung zu setzen, so finde auch ich die Zeit meine Gedanken zu Papier zu bringen.
„Nur wer viel reist und herumkommt, hat viel zu erzählen und zu berichten“, hatte einstmals meine Großmutter zu mir gesagt. Damals konnte ich das noch nicht so wirklich nachvollziehen. Durch die Reise zu meinem eigenen Ich nahm ich aber so manche Umgebung wahr und drückte einen Teil meiner Erfahrung und Erinnerungen aus, die ich in vielen Gesprächen mit anderen gesammelt hatte.
Ich interessiere mich sehr für die "Kultur der Erinnerung". Dieses Erinnern gilt für mich im Hinblick auf das, was ich gefühlt und nach meinen Gesprächen mit Menschen aus Gorée festgehalten habe.
Ich fühlte mich sehr geehrt nach Dakar, der Hauptstadt Senegals, eingeladen worden zu sein, um dort über die Pflege afrikanischer Kultur in Deutschland zu referieren. Es war für mich wirklich toll, einmal in diese Kulturmetropole der afrikanischen Erzähler und Coraspieler zu gehen. Auch wollte ich das Bureau du Livre (Büro des Buches) kennenlernen. Ich suchte dessen Kontakt per Internet und wählte die Telefonnummer auf dem Briefkopf an. Ich hörte am anderen Ende der Leitung eine schöne Stimme, die sagte: „Bureau du livre, Monsieur, vous désirez ?“ Das bedeutet: Buchbüro, Sie wünschen, mein Herr?
Dass es ein Buchbüro dort gibt, das nicht mit einer Bibliothek zu verwechseln ist, zeigt schon, welchen Stellenwert Bücher da haben.
Ich fragte nach Madame Ajisala, aber ich bekam als Antwort, dass sie gerade auf einer Dienstreise sei und erst in zwei Wochen zurückkäme.
Die Frau fragte dann, ob sie mir weiterhelfen könne. Ich antwortete, dass ich noch den Termin bestätigen wolle. Ja, gab sie zu Antwort, ich sei wohl der Schriftsteller, der auf Deutsch schreibe. Schön, sie alle freuen sich schon über den Besuch. Es werden viele Studenten der Uni Dakar und Professoren kommen, die sich austauschen möchten. Eine Begegnung mit anderen Autoren sei auch in Planung und ein Interview im Radio.
Nun wusste ich in etwa, was auf mich zukommen würde und konnte mich dementsprechend vorbereiten. Es war das erste Mal, dass ich den Senegal bereise. Senegalesische Freunde, die davon erfuhren, wollten mir Geschenke für ihre Familien mitgeben.
Ich bin gut mit Ibrahim befreundet, der seit gut 20 Jahren nicht mehr in seiner Heimat gewesen ist. Vielleicht waren es politische, finanzielle oder sonstige Umstände, die es soweit kommen ließen oder er hatte keine Zeit sich von seinem Job als Kellner zu trennen. Der Gaststättenbetreiber hatte seinen Mitarbeitern jedenfalls einige Einschränkungen zugemutet. Mal kürzte er das Gehalt, aber niemand traute sich seinem Ärger darüber Luft zu machen.
Obwohl Ibrahim eine Einstellung hat, die mir den Eindruck machte, dass er sich durchaus auf seine Rechte berufen könnte, denn er gilt in der afrikanischen Gemeinde als zielstrebig und hartnäckig, als jemand, der sich nicht so leicht unterkriegen lässt, trifft das scheinbar für seine Arbeit nicht so zu. Da scheint er eher zurückhaltend zu sein, warum auch immer. Die Chefs mögen solche Typen wie ihn, lachen ihn Bihargenda ihn öfter aus und fügen hinzu, wie er?? an seiner Stelle reagieren würde. Sich auf eine Diskussion einzulassen mit dem Vorgesetzten müsse ja nicht gleich zu einer Kündigung führen, wenn man klar und vernünftig argumentiere und die Ruhe bewahre. Ibrahim kommt oft in Situationen, wo er für sich keine Antwort findet. Er hoffte endlich auf eine Besserung, als er einen Vortrag in einem Museum halten sollte. Oft machte er Überstunden, um seiner Familie finanzielle Unterstützung geben zu können. Ich treffe ihn öfters in Geldtransferbüros an, wo er mir erzählt, dass er wieder ein paar Euro nach Hause schicke. So könnte sich seine Familie Dinge leisten. Die Leute sollen erkennen, dass er im Ausland sei.
Ich kann das nicht so ganz nachvollziehen. Da mischte sich ein anderer gemeinsamer Freund ein und meinte, dass er diese permanente Geste nicht mehr so unterstütze.
Eine Woche vor der Abreise nach Dakar hatte ich mir eine Erkältung eingefangen. Keine Seltenheit zur kalten Winterzeit. Ich stoppte die Einnahme meiner Hausmedizin und nahm die Tabletten ein, die mir meinen Arzt verordnet hatte. Diese Tabletten hatten Nebenwirkungen. Oft hatte ich mit Übelkeit zu kämpfen, aber ich nahm sie weiter und wollte nicht, dass ich meine Reise wegen der Erkältung verschieben müsste. Ich träumte schon von Dakar, der Stadt der Erzähler und der literarischen Kultur. Viele von dort stammende Autoren hatten meine Jugend geprägt. Dass ich mich schon sehr früh für afrikanische Literatur interessierte, ist diesen Autoren zu verdanken. Ich wollte immer schon Erzähler werden, nicht um jeden Preis, aber mit meinem eigenen Stil. Ich hatte erfahren, wie die älteren Autoren sich in ihren Muttersprachen in einer einfachen, klaren Art und Weise ausdrückten. Durch Metaphern bereicherten sie ihre Ausdrucksweise. So fand ich auch zu meinem eigenen Stil.
Kurz vor dem Abflug ging es mir endlich besser. Ich rief einen Freund an. Er freute sich auf meinen Besuch.
Ich fuhr mit der Bahn zum Flughafen Frankfurt am Main. Das dauerte nur etwa eine halbe Stunde, so hatte ich noch genügend Zeit zum Einchecken. Ich saß in einem Bistro und unterhielt mich mit anderen Fluggästen. Claude, ein junger Matrose aus Marseille fragte mich auf Französisch, ob ich auch nach Dakar fliegen würde. Er hatte vor dort seinen Urlaub zu verbringen. Wir tranken unsere Biere und marschierten zum Warteraum. Der Abflug war pünktlich für 15:00 Uhr vorgesehen und die Maschine war schon
aufgetankt und abflugbereit. Es herrschte insgesamt eine behagliche Atmosphäre ohne Hektik im Warteraum. Es war auch eine bekannte Fußballmannschaft dabei, die ein Auslandsspiel bestritten und souverän gewonnen hatte. Daher waren die Spieler so euphorisch und recht laut. Jeder beschrieb seine beste Spielszene. Diejenigen Fluggäste, die den einen oder anderen Spieler erkannten, bekamen Autogramme und ließen sich mit ihnen fotografieren. Neben mir stand ihr Trainer. Ich ging auf ihn zu und fragte ihn, wie er diese Mannschaft so erfolgreich trainieren konnte. Er erwiderte, dass der Erfolg nicht von ihm alleine abhänge, sondern in hohem Maße auch von der Moral und der Motivation der Spieler. Ich wollte wissen, ob er auch zu einem anderen Verein wechseln würde, worauf er mich mit strahlenden Augen anschaute und erwiderte, ob ich denn entsprechende Angebote in der Tasche habe.
Ich verneinte dies und meinte nur, dass ich mich nur dafür interessiere. Er fuhr fort, dass Fußball immer etwas besonderes für gewesen sei von je her. Als erfolgreicher Trainer war man immer ein Magnet für alle, bei Erfolglosigkeit stand man jedoch schnell am Abgrund. So sei nun mal der Job, ein knallhartes Geschäft, das Nerven erfordert. Er habe in seiner Laufbahn viele Höhen und Tiefen erlebt, fügte er hinzu. Inzwischen wurde der Flug aufgerufen und wir bestiegen die Maschine.
Als ich in Dakar eintraf, dauerten die Kontrollen im Flughafen. Die Warteschlange bei den internationalen Einreisenden war weitaus größer als bei den Einheimischen. Ich sah die Gesichter derer, die in der Reihe mit mir standen. Ich dachte mir, dass sie gebürtige Senegalesen waren. Viele von ihnen sind Einwanderer und hatten eine neue Staatsangehörigkeit angenommen. Diese Szene beschäftigte mich eine Weile, aber ich sagte mir, dass dieses Land dennoch von seiner Diaspora profitierte. Es lag an der Politik ein gutes Terrain zu schaffen, das es den Menschen ermöglichte, Anreize für Investitionen zu bekommen. Schließlich stand ich vor einem Grenzpolizisten. Er schaute meinen Pass an als wollte er etwas daran bemängeln. Für ihn war es wohl reine Neugier, dass ich in Senegal als Tourist einreiste. Er sprach mich auf Wolof an, als sei ich ein Einheimischer. Ich schüttelte nur meinen Kopf, worauf er leise auf Französisch sagte, dass meine Name so einheimisch wirke, und dass er mich daher auf Wolof ansprach. Also dachte ich mir, dass auch afrikanische Namen in verschiedene Gebiete zerstreut worden sein mussten, denn auch dort gab und gibt es Migration. Er wünschte mir noch einen angenehmen Aufenthalt in Senegal. Ich lief dann zum Gepäckförderband und wartete auf mein Gepäck. Diesmal hatte ich gerade mal 15 Kilo dabei, recht wenig für eine Reise nach Afrika. Aber ich war ja auch nicht in meinem Heimatland. Anders war es, wenn ich nach Hause reiste, wo die ganze Verwandtschaft lebte. Da konnte das Gepäck weitaus größer ausfallen, da jeder ein Geschenk erwartete. Ich konnte daher die Last bei den einheimischen Einreisenden sehen. Sie hatten viel mehr Gepäck. Und würden bestimmt auch mit den Zöllnern Schwierigkeiten bekommen. Dagegen schien mein Gepäck eher wie Handgepäck zu sein im Vergleich zu den Einheimischen. Auch im Flugzeug drückte die Stewardess beide Augen zu und empfahl das Handgepäck unter den Sitzen zu verstauen, wenn es nicht oben in die Stauräume passte. Der Mann, der neben mir saß, hatte großes Handgepäck. Schätzungsweise 20 Kilo. Es passte zwar unter den Sitz, aber er meinte er habe noch mehr Gepäck. Die ganze Familie erwartete Geschenke. Ich schmunzelte und dachte an meine Einreisen nach Kamerun.
Der Zöllner fragte mich, ob ich etwas an Waren anzumelden habe, was ich verneinte. Er fragte auch, wie viel ich an Devisen dabei habe. Sollte ich ihm wirklich alles genau angeben? Was würde passieren, wenn ich eine falsche Angabe machte und bei der Kontrolle mehr gefunden würde? Solche Fragen gingen mir in dem Moment durch den Kopf.
In Dakar war ich in der Nähe des Flughafens untergebracht. Die Fahrt ins Hotel verzögerte sich, da der Fahrer mich an einem anderen Eingang suchte. Ich hatte die hintere Tür genommen und landete auf einem Hof mit vielen Kisten. Es waren vermutlich Datteln, die für den Export bestimmt waren. Plötzlich tauchte ein Man auf, schaute mich etwas ungläubig an und fragte, ob ich Lasandre sei. Ich fragte: Nein, wieso?“
Man erwarte Lasandre seit einer Stunde schon, dass er seine Kisten abhole. Sie seien langsam etwas in Panik, de sie nach Japan verschickt werden sollen. Dort warte eine Firma schon darauf, um bestimmte Aromen daraus herzustellen.
Ich hörte ihm zu und fragte ihn dann, ob er mir den Zeltplatz zeigen könne, denn da solle mich jemand abholen. Ich müsse aus dem Hof raus, den Flur entlang laufen, dann in die Halle hinein und mich rechts halten, erklärte er mir. Draußen sah ich jemanden stehen, er fragte mich, ob ich der Gast vom ECAW sei, was ich bestätigte. Er half mir dann mein Gepäck ins Auto zu laden und brachte mich ins Hotel. Die Fahrt dauerte etwa 10 Minuten. Ich bewunderte die breiten Straßen, durch die wir fuhren. Es gab schöne Villen dort zu sehen. Wir durchfuhren wohl gerade durch
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 29.07.2014
ISBN: 978-3-7368-2838-4
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich danke den Reiseführer und allen, die ich während dieser Reise in Senegal begegnet habe.