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Falsche Welten



Aber...soweit ich weiß, wird er dir diese Regeln erklären. Dazu bin ich nicht da. Jedenfalls gibt es hier so eine Art..Brauch.
Du weißt das jedes Jahr dieser Tag ist. Wo sich Kinder dieses Internat ansehen. Jedes Jahr werden die gleichen Flyer verteilt, und jedes Jahr steht das gleiche drauf. Keine Ahnung ob du ihn gelesen hast, oder dir was entgangen ist.
Aber so einfach kommst du hier nicht mehr weg, jedenfalls werden die meisten dich nicht lassen. Seid dem Zeitpunkt, als du mir auf mein Zimmer gefolgt bist, hast du dich dazu praktisch entschieden auf diese Schule zu wechseln. Das ist dieser Brauch. Das Zeichen für die Wächter das sich ein Kind entschieden hat. Und das stand – auch wenn es im Kleingedrunkten stand – auf dem Flyer. Ich wette deine kleine Freundin wusste das, hat es nur vergessen dir alles genau zu erklären" Dann hatte er tief Luft geholt und seine Rede beendet. Es hatte sich irgendwie lustig angehört, wie in einer dieser dramatischen Filme wo es für das Opfer keinen Ausweg mehr gab. So schien es jetzt auch.
Es war eine verrückte und verdammt beschissene Situation. Wenn ich genau darüber nachdachte, schien sie sogar fast wie erfunden. Wie in einem dummen, falschen und schlechten Film. Ja.
Im Endeffekt hatte ich keine Chance mehr, wenn ich negativ dachte natürlich. Wenn ich nunmal positiv dachte, würde es schon irgendeine Idee geben hier raus zu kommen. Also ehrlich! Sie würde doch schon keine Kinder hier einsperren, die gar nicht wechseln wollten obwohl es auf dem blöden Flyer stand!
Verdammte Scheiße, nochmal! Ich musste dringend irgendwas unternehmen, es schien wie ein wirres Durcheinander.
Ich erhob mich von der Steinbank, auf die ich mich gesetzt hatte und lief wieder zurück ins Gebäude. Dort schien das Licht immer noch hell wie eh und je. Ich sah zwei Wächter, sie redeten aufgeregt miteinander und es sah fast so aus als würden sie sich streiten. Als sie mich erblickten, hörte ich sie laut schlucken und sie wandten den Kopf schnell wieder ab.
Ich folgte den breiten, langen Gang weiter. Die Wände waren genau so hoch wie ich gedacht hatte. Und als ich hochsah erblickte ich die Fenster ganz weit oben an der Wand. Es waren viele kleine, aber es wehte kein Wind.
Ich sah wieder gerade aus und dann nach rechts. Dort stand auf einer Tür etwas geschrieben. Privat – Zutritt nur für Personal
Als hätte ich das gar nicht gelesen, als wäre ich wie weggetreten öffnete ich aus Trotz die Tür. Sie war noch nicht einmal verschlossen.
Als ich eintrat, tastete ich nach dem Lichtschalter links und es klickte als das Licht schnell anging. Es war grell und hinter mir schloss sich die Tür wie von selbst.
Es war ein Art alter Raum. Als wäre hier schon lang nichts mehr passiert. Die Wände waren braun, nur leider nicht von Farbe aus einem Supermarkt.
Am Fenster klebten jede Menge Spinnenweben und die Fenster waren noch viel kleiner und verstaubter als in den Gängen.
Hier waren die Möbel mit einem dicken Laken überhüllt und als ich weiter ging und mir die Ecken leider genauer ansah, entdeckte ich alte Schulbücher.
Das war...eigenartig. Wieso sollten sie einen Klassenraum so versiffen lassen? Sie hätten ihn nutzen können, auch wenn er zu viel gewesen wäre. Es war wirklich verwirrend. Ich würde sowieso nicht lange bleiben also machte ich mir keine großen Gedanken als ich einen der verstaubten Schränke öffnete. Mir kam eine Wolke Staub und Dreck entgegen als ich eines der Schachtel dort drin heraus nahm und mit der Hand über den Deckel strich, damit der Staub weg war.
Ich öffnete die Schachtel. Dort drin waren unzähllige kleine Schlüssel. Sie sahen sich zum verwechseln ähnlich, doch auf ihnen standen verschiedene Namen. Carey, Kevin, Jordan, Lily, Nate und so ging das immer weiter. Kein Namen wiederholte sich.
Ich stellte die Box offen zurück und holte eine weitere Schachtel heraus.
Sie sah ungewöhnlich sauber aus, deswegen stach sie mir oben direkt ins Auge. Ich streckte mich und hielt mich dabei bei einem der Schranktüren fest. Als ich sie packen wollte, fiel sie zu Boden und tausend von Scherben fielen mir um die Ohren.
Ich hielt mir die Hand vor den Mund um nicht aufzuschreien. "Mist" fluchte ich leise und bückte mir vorsichtig um mir die Scherben genauer anzusehen.
Sie waren blau. Neben den Scherben, lag unter einem Stuhl der mit einer Plane bedeckt war einige Bänder.
Das waren diese Bänder die man auch zum Befestigen von den Ketten benötigte. Wieso verstauten sie sie hier? Einige Schüler und Wächter trugen welche. Logan hatte auch so eine getragen, Und ich hatte gerade eine zerstört. Aber eine stimmte nicht. Es waren mehrere. Sie waren etwas kleiner als Logans Kette.
Eine Kette blieb heile, bis auf ein paar absplitterungen an der Seite der Kette. Sie sah wundervoll aus. Ich steckte sie mir in meine Hosentasche, kramte die Scherben zusammen und achtete darauf das ich wirklich alle zu fassen bekam. Einige lagen unterden Planen bei den Stühlen und Tischen. Ich konnte nicht sehen wo sie waren, deshalb streckte ich meine Hand danach aus und tastete mich heran. Plötzlich zwickte es in meiner Handfläche und ich zog sie zurück- ich hatte mich geschnitten. Super. Ich stöhnte leise auf und machte den fehler, die restlichen Scherben doch nicht aufgesammelt zu haben. Stattdessen schlich ich mich aus dem Zimmer, nachdem ich den Schrank wieder geschlossen hatte. Hoffentlich würden sie nicht merken das jemand in dem Zimmer war. Das würde riesigen Ärger geben, obwohl es mir nichts ausmachen brauchte. In den nächsten Tagen würde ich sowieso hier verschwinden. Hoffe ich zumindest.
Ich folgte dem Gang weiter und versuchte die Kette in meiner rechten Hosentasche nicht weiter zu beachten. Von weitem sah ich wieder eine Gruppe von Wächtern, sie lachten jedoch und kamen mir mit lächelndem Gesicht entgegen. Nur langsam konnte ich mich an die Schönheit von jedem hier gewöhnen. Logan hatte ich seid dem Gespräch nicht mehr gesehen. Ich war fort gerannt und hatte mich nicht nach ihm umgedreht. Irgendwie hätte ich mir gewünscht er wäre mir gefolgt und mich getröstet.
Wenigstens wüsste ich dann, das da wenigstens eine Person war die es gut mit mir meinte. Die es auch zeigen konnte. Aber vielleicht gab es wiedereinmal irgendwelche Regeln.
Ich wusste es nicht, aber was es auch war es sollte mich nicht kümmern. Doch jetzt tauchte er wieder auf, aber er sah mich nicht.
Logan ging fast als letzter in der Gruppe der Wächter den Gang entlang. Und ich hätte schwören können er hatte gerade eben einen kurzen Blick zu mir erhascht. Doch gleich darauf wandte er ihn wieder ab und lächelte seinen Freund oder Kollegen freundlich an. Ich sah nicht zurück als ich weiter ging und in diesem riesigen Saal ankam. Ich wusste nicht warum ich genau hier gelandet war, warum ich mir das antun musste.
Denn dieser Saal war so leer wie momentan meine Ideen aus der ganzen Scheiße hier wieder heraus zu kommen. Keine Ahnung wie viel Uhr es war, es schien so als würde die Zeit hier an mir vorbei zu fliegen. Jemand tippte mir an die Schulter. Erschrocken fuhr ich herum und starrte Abby direkt ins Gesicht.
"Du bist es" murmelte ich etwas sauer. Sie grinste jedoch immer fnoch und hüpfte einmal kurz auf. "Jap. Willst du nicht langsam mal ins Bett gehen? Es ist schon spät." riet sie fürsorglich und schaute kurz auf ihre Armbanduhr.
Ich nickte schnell und hektisch und folgte ihr auf die Treppen die in den Mädchengang führten, zu den Schlafsäälen der Mädchen.
Es kamen uns unzählige Mädchen entgegen, die einen Schöner als die anderen. Sie wanderten in die Badezimmer oder direkt in die Schlafräume. Ich hörte städniges kichern. Die meisten aber glotzten uns, besonders mich die ganze Zeit an. Sah ich heute so beschissen aus? Meinetwegen. Sollten sie doch glotzen wie sie wollten.
Zu meinem entsetzen wurde ich auch tatsächlich so müde, das ich gähnte und meine Augen nur mühsam aufhalten konnte als wir unser Zimmer betraten.
Abby wusste den Weg natürlich schon, und ich legte mich direkt auf das nächstbeste Bett. Zum glück war es meins. Mir war kalt vor Müdigkeit und ich schloss schnell meine Augen.
Zuletzt hörte ich Abbys quietschende Stimme, obwohl sie aufschrie wurden meine Augen so schwer das ich sie nicht mehr aufhalten könnte. Wieso gingen sie nicht auf? Ich wollte sehen was da vor ging! Doch die Müdigkeit übermannte mich und dann hörte ich nurnoch ein müdes Männerlachen.

Zeilen der Trauer



"Heh kleine. Willst du nicht mal aufwachen? Es ist höchste Zeit." Etwas kaltes berührte meine Wange, dann stellte ich fest das ich auf einem kalten und harten Lenolium Fußboden lag. Was zur Hölle..."Aufstehen" murmelte eine Männerstimme hinter mir.
Ich blinzelte ein paar Mal bis ich klar sehen konnte und erkennne konnte das das hier völlig falsch war. Ich versuchte meine Arme nach vorne zu legen, doch irgendwas hinderte mich. Ich drehte den Kopf um hinter mich sehen zu können.
Ein großer, breiter Mann mit einem dreitage Bart stand dort und hielt in einer Hand ein Handy. Dann hockte er sich nah neben mich. Ich wusste nicht, ob ich schreien sollte weil das genau dem Ideal ensprach, dem auch Mädchen misshandelt oder ermordet wurden. Aber das hier war eine Schule. Hier würde mir nichts passieren. Aber wieso fesselten sie mich? Und wo war Abby? Sie hatte geschrien. Ging es ihr gut? Dann merkte ich, das ich mir eher sorgen um mich machen musste als um Abby die wahrscheinlich mehr mit dieser Sache zu tun hatte als ich momentan hoffte.
Er öffnete die Fesseln mit einen Zug. Blut schoss wieder durch meine Hände, die vor Blutarmut völlig taub waren. Einen Moment tat es weh. Dann setzte ich mich schnell auf und sah ihn schockiert an. Er hockte immer noch dort und sah mich liebevoll an. Mein Atem ging hektisch und nur Stoßweise. Ich wusste wohin das führte.
Wieder sah ich mich um, die Wände waren zwar weiß aber der Linoliumboden machte die Atmosphäre auch nicht besser. "Liebes" fing er mit einer rauchigen, aber dennoch warmen Stimme an. Er legte sein Handy vorsichtig auf den Boden bevor er sich ganz auf den Boden setzte und im Schneidersitz tief Luft holte. Die braunen Haare, die zwischendurch ein paar Graue Haare hatten, strich er leicht zur Seite, "Wie geht es dir?"
Sollte das ein Scherz sein? Zum ersten Mal überprüfte ich ob ich schmerzen hatte, aber außer dem Pochen an meinen Handgelenken war nichts zu spüren. Ich wusste darauf nicht, was ich denke sollte. War es gut nichts zu spüren?
Ich schaute ihn fragend an und wartete auf eine Reaktion, Darauf hob er leicht seine rechte Hand und zuckte leicht mit dem Zeigefinger. Hinter ihm, aus der Dunkelheit des Raumes kam ein junger Mann. Ein Wächter. Er kam behutsam auf mich zu, hockte sich wie der Mann der auf dem Boden saß vor mich hin, und strich mir mit einen Finger leicht über die Wange. Seine Augen waren prüfend und sein Blick glich einer Katze.
Er war wie alle hier, besonders schön. Nach einigen Sekunden brachte er ein müdes Lachen zustande. Ich erkannte es sofort. Und sofort bekam ich Panik. Ich versuchte mich von ihm wegzurobben doch er hielt meine Hand fest. Keines Falls gewaltsam, aber es hinderte mich daran mich auch nur einen Millimeter zu bewegen.
"Schsch" flüsterte er. "Es ist alles gut" Seine Stimme war warm und liebevoll. Sein Blick wurde von Sekunde zu Sekuden immer weicher und seine Mimik verriet das er wirklich nichts böses wollte.
"W-w-was..." fing ich an, doch ich konnte den Satz nicht vollenden. Er hielt mir mit einer Hand leicht den Mund zu. "Sprich erst, wenn eine Frage gestellt wird oder du dazu aufgefordert wirst" Ich nickte und der Mann vor mir, nahm langsam die Hand runter. Ich wollte nichts sagen, aber es war ein bedürfniss nach dem zu Fragen, was eigentlich hier vorging.
"A-a-" Sofort schnellte seine Hand hervor und drückte nun etwas fester auf meinen Mund. "Ich dachte, du hättest verstanden" maulte er wütend und hob leicht seine Oberlippe wie ein Tier.
Eine Träne entwich meinem Augen und kullerte sichtlich schnell über seine Hand. Er fing sie auf und sein Gesicht wurde schmerzerfüllt. "Das reicht jetzt." murmelte der Mann hinter dem etwas jüngeren und klopfte ihm leicht auf die Schulter.
Er erhob sich und flüsterte dem älteren so leise etwas ins Ohr, das ich es gar nicht verstand.
Ich schluchzte leise. Sie würden mich umbringen. Auf der Stelle. Wahrscheinlich weil ich die Kette gestohlen hatte. Oder sonst was. Dann würden sie mich vergraben und meiner Mutter sagen, das ich verschwunden sei oder so. Ich zitterte. Meine Mutter. Mein Bruder. Mein Vater.
"Gut" flüsterte der ältere etwas lauter. Dann verschwand der Wächter und man sah nur noch Dunkelheit, da wo er verschwunden war.
"So" er stöhnte einmal und kniete sich wieder vor mich. "Wie heißt du? Charlotte, richtig?" Er lächelte merklich und hob sein Handy vom Boden auf. "Du kannst sprechen, wenn du willst"
"J-ja." stotterte ich. "Es gibt keinen Grund Angst zu haben, Charly. Wir werden dir nichts tun oder zulassen das dir jemand wehtut." Sie hatten ihr Versprechen schon gebrochen, bevor sie es überhaupt ausgesprochen hatten.
"Wo ist Abby?" flüsterte ich heiser. Meine Stimme brach am Ende der Frage ab. Er blinzelte einmal entsetzt und hob dann beide Augenbrauen. "Da ist deine erste Frage? Wo Abby ist?" Ich nickte und darauf fing er schallend an zu lachen. Ich zuckte merklch zusammen und drückte mich fest, hinter die Betonwand die kühl hinter mir war.
"Nun, Abby ist in der Schule, Hoffe ich doch, sie ist in einem der Klassenräume." er sah mir fest in die Augen.
"Das glaube ich nicht" brachte ich heraus und bereute es sofort. Sowas nannte man dann wohl Unverschämtheit. "Bitte?" sagte er laut. "Sie hat geschrien." sagte ich brüchig. "Gestern Nacht. Ihr habt ihr etwas angetan" murmelte ich sauer, obwohl mir Abby sichtlich egal war.
Er kniff die Augen zusammen und musterte mich von oben bis unten. "Nun, wenn du das glaubst liebe Charly" fing er an. "Hast du ein falsches Bild von uns." Ich widersprach nicht.
Er atmete einmal schwer aus und hustete dann leicht.
"Hast du noch eine Frage?"
Ich sah ihn an, angeekelt und wütend. "Welches Bild sollte man denn von euch haben?"
Er lächelte und ein Grübchen bildete sich in seiner linken Wange. Wie konnte ein böser Mensch Grübchen haben?
"Das hast du selbst zu entscheiden. Aber ich finde, das man immer zuerst die Wahrheit berücksichtigen musst, findest du nicht auch? Wenn nicht, würde ich sowas wohl Vorurteil nennen. Wie schrecklich es wäre wenn so ein begabtes und wunderschönes Mädchen wie dir etwas zustoßen würde." Ich überging das Kompliment und achtete eher auf das Wort "Begabt". Was für ein Schwachsinn.
"In welcher Hinsicht, bitte?"
"In jederlei." er lächelte wieder. "Was meinen sie mit, Begabung?" fragte ich. Er erhob seinen Blick von seinem Handy und dachte kurz nach. "Ich denke, du weißt was ich meine nur hast du diese Begabung von vorne herein in eine Art falsche Schublade gesteckt." Erklärte er ruhig und ich hoffte das er bald endlich mal zum Punkt kam. Ich wollte endlich hier raus. Es war schrecklich hier.
"Wollen sie mich foltern oder was? Wieso haben sie mich gefesselt? Und was machen die Wächter hier?"
"Die Fragen klären sich alle von selbst wenn du nachdenkst." Sagte er.
"Ich verstehe nicht" antwortete ich im Flüsterton und verschrenkte die Arme vor der Brust. Plötzlich wog die Kette in meiner Hosentasche hundert Kilo, denn ich wusste was er meinte.
"Du...ich hasse Lügen, Charly." Ich runzelte gestresst die Stirn und Schweiß bildete sich kühl auf meinem Nacken. Er schüttelte den Kopf nur leicht, aber seine Haare flogen hin und her. Als er mich dann wieder ansah, war sein Blick nicht mehr freundlich.
"Also?" fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. Er kam näher und sein Atem streifte bei jedem Atemzug mein Gesicht.
Wieder packte mich die nackte Panik.
"Ich habe nichts zu sagen. Kann ich gehen? Bitte." flehte ich. Das half in keine Horrorfilmen, im Gegenteil. Machte dem Täter eigentlich nur noch mehr Spaß.
"Du hast etwas zu sagen. Du kannst doch unsere Sprache oder? Kannst Lesen und Schreiben,"
"Ja" Was war das denn bitte für eine beschissene Frage?
"Dann erkläre mir doch, warum du dann in Räume gehst, die für kleine Mädchen gar nicht Bestimmt sind."
Er hatte mich. Scheiße verdammt." Ich war neugierig." gab ich zu. Das war nicht gelogen. "Ja." Sagte er. "Das dachte ich mir schon."
"Weißt du, es wäre ja nicht so tragisch wenn du nichts mitgenommen hättest." Ich atmete schwer aus, die Kette wog plötzlich millionen von Kilos. Hunderte von Tonnen in meiner Hosentasche.
"Wie wäre es, wenn du mir es einfach zurück gibst und wir vergessen die Sache einfach." sagte er mit einem Grinsen.
Ich überlegte und strengte meine grauen Zellen an. Es war doch nur eine Kette von vielen. Wie jede andere. Aber anscheinend doch nicht, sonst würde er nicht so hektisch und nervös darauf bestehen das er sie zurück haben will. Ich musste lügen.
"Aber ich will auch so eine Kette, wie die anderen. Ich finde sie schön." log ich wie ein kleines Kind und zeigte meine Grübchen. Er kicherte und legte seine Hand auf meine die auf dem Boden platt lag. "Charly" neckte er. "Süße, verlogene, kleine Charly." ich zuckte zusammen und zog meine Hand zurück.
"Gib mir die Kette" maulte er laut. Ich schüttelte den Kopf und versuchte nicht zu lachen. Es war absurd wie ich mich verhielt, dabei vergaß ich wohl den Ernst der Lage.
"Pass auf, ich will...wirklich nicht das irgendjemand dir hier ausversehen wehtut. Du kriegst eine Kette, eine andere."
"Wieso die nicht? Sie ist anders, hübscher" Sie war genauso fahl und glänzend wie die anderen.
"Ich weiß" sagte er. "Aber...die sind eher für die Wächter. Nicht für Kinder." Ich kniff die Augen zusammen.
"Kinder" spottete ich. Und schaute weg. "Na schön" stöhnte er.
"Behalte die Kette, von mir aus." Was?
"Ehm..okay. Danke." Er sah mich wütend an. "Gern geschehen."
Ich wollte ihn provozieren, ich ging auf's ganze. "Dann...will ich sie nicht. Hier" Ich kramte in meiner Hosentasche und hielt sie ihm hin.
Er wollte gerade irgendwas fürchterlich ärgerliches sagen, doch er beließ es mit einem lauten Stöhen und riss mir die Kette aus der Hand.
"Wozu dann das ganze Theater?" fragte er angepisst. "Spaß an der Freude. Kann ich jetzt gehen?" gab ich zu.
"Nein." grinste er und stand auf und ging davon. Ich sagte nichts mehr, dazu war ich viel zu verwirrt.
"Du hast das alles nur etwas sehr lange heraus gezögert." sagte er beschäftigt, er machte irgendwas an einem hohen Tisch.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch, das sich nicht beschreiben ließ. Schriller als der Schrei eines Mädchens. Es war furchtbar.
"Ich hasse es, wenn man mir etwas nimmt wofür ich beinahe mein Ganzes Leben für geopfert habe. Und das alles nur für dumme, kleine Schüler die nichts besseres zu tun haben als mich zu bestehlen und mich anzulügen. Ist das der Dank, Charly?" Er kam auf mich zu und erhob eine scharfe Klinge. Mit einem Mal war all die Angst wie weggechwommen. Ich sah ihm in die Augen. Dann stach Dr. Lutz zu.

Ich erwachte mit einem Keuchem. Ach. Du. Scheiße. Was war das denn gewesen?! Verdammte Mistscheiße. Ich holte tief Luft um wieder normal atmen zu können. Klatschnass gebadet und das nur vom Schwitzen saß ich auf dem Bett.
"Nur ein Traum. Ein echt real wirkender Traum" Aber Charly du bist ja hier. Also ist dir nichts passiert.
Ich überprüfte mich trotz alle dem noch mal. Kein Blut, keine Schmerzen. Ich stand vorsichtig auf und kletterte aus meinem Bett.
Abby. Abby lag gemütlich neben mir in ihrem Bett und schnarchte. Ich atmete erleichtert und leise aus. Dann tapste ich ins Badezimmer. Oh, man. Ich durfte nie wieder so lange aufbleiben. Anscheinend hatte das keine guten Auswirkungen auf mich.Ich war natürlich immer noch in den Klamotten wie am Vortag. Da fiel mir die Kette ein. Die Gestohlene Kette. Scheiße,
Ich tastete hektisch nach der Kette in meiner Hosentasche. Sie war weg. Vielleicht...Vielleicht lag sie im meinem Bett. Es wäre gut möglich das ich mich viel bewegt hatte, durch den Albtraum und so war die Kette vielleicht aus meiner Jeans gefallen. Ich würde gleich nachsehen.
Und wahrscheinlich hatte Abby gestern Nacht gar nicht geschrien. Da hatte ich einfach nur geträumt oder es war Einbildung gewesen, weil ich so verdammt erschöpft war.
Ich wusch mir erstmal das Gesicht mit kaltem Wasser ab, um wieder wacher und mir selbst klarer zu werden.
Dann tastete ich nach einer Haarbürste und kämmte mir mein Haar zu einem zopf zusammen. Ich wollte gerade das Gummi um meine Haare binden, als ich eigenartige Abdrücke an meiner Hand feststellte. Ich ließ meine Haare los, nahm die Hände nach vorne und strich ganz leicht über die roten, wunden Stellen drüber. Es brannte ein wenig. Aber das schlimmste war...dass es so aussah als wäre das kein Traum gewesen. Aber vielleicht gab es auch dafür eine ganz normale, und sichtlich dumme Erklärung. Ich hatte mich ausversehen geschnitten, mich vielleicht im Schlaf verletzt. So ein Quatsch! Es war kein Traum! Das konnte kein Zufall sein, das die Kette nicht da war und ich Absrücke an den Stellen hatte wo in meinem Traum die Fesseln gewesen waren.
Oh Gott! Hilfe, ich musste hier raus. Ein tag mehr und ich würde sterben. Ganz sicher. Um mir wirklich sicher zu sein, tastete ich nach meinem Bauch. Dahin, wo der Mann zugestochen hatte. Und ich schwöre beim Namen Gottes, da war ein Schnitt. Kein Blut. Aber es sah so aus, als wäre die Wunde schon Wochen oder Monate alt. Wie konnte das sein? Sie tat auch nicht mehr weh, sonst hätte ich es sofort in Bett bemerkt.
Ich weinte. "Shit" fluchte ich. "Charly?" flüsterte jemand hinter mir.
Ich drehte mich erschrocken um und ließ das Shirtende das ich in der Hand hielt wieder fallen. "Alles in Ordnung?" fragte sie müde und rieb sich verträumt die Augen.
"Jaja. Und bei dir?" fragte ich sicherheitshalber. Sie starrte mich verwundert an, aber nickte sicher. "Natürlich. Warum? Sollte es etwa nicht so sein?" Ihre großen Kulleraugen sahen mich voller Furcht an. Süß, das beschrieb sie momentan.
"Nein. Eigentlich nicht." Ich ging neben ihr aus dem Badezimmer und setzte mich kaputt auf mein Bett.
"Eigentlich? Was ist geschehen?" fragte sie und setzte sich gegenüber von mir auf ihr Bett.
"Gar nichts, ist nicht wichtig. Ich muss erstmak rausfinden, ob es überhaupt wahr ist." erklärte ich dennoch verwirrt. Dabei rieb ich mir mein Handgelenk. Es fing an zu brennen.
"Ist das was mit deinen Händen passiert?" fragte sie, während sie meine genauer betrachtete. Ich versteckte sie in meiner Hosentasche.
"Nein. Gar nichts." log ich. Sie stöhnte und gab schließlich auf. "Na schön. Wie du willst. Hast du Hunger?" fragte sie fröhlich und wieder ganz die Alte. Ihre Haare sahen furchterregend aus, aber immer noch witzig. Ich kicherte in mich rein. "Ja, und wie" gab ich zu. Sie öffnete die Minibar. Sie stand gegenüber von uns, knapp neben den Schreibtischen und Stühlen.
Dann schmiss sie mir ein Sandwich entgegen. Ich fing es rechtzeitig auf.
"Gute Reaktion" kicherte sie. "Seid wann haben wir Essen in unseren Zimmern?" fragte ich neugierig und hasste mich dafür. Gerade eben hatte mich meine Neugier all meine Nerven gekostet. "Sie füllen die Minibars immer wieder auf. Keine Ahnung wie die das machen, ohne gesehen zu werden. Ich habs sie nämlich noch nie kommen oder gehen sehen. Irre" sagte sie begeistert und biss in ihren Baggle.
Ich packte mein Sandwich aus und biss auch hinein. "Merkwürdig oder?" fragte sie kauend. Ich runzelte die Stirn.
"Das mit den Minibars. Sag mal, bist du überhaupt schon wach?" fragte sie lachend. Ich zuckte mit den Schultern.
Ich hoffte inständig das ich schon wach war.

Flasche Wege und die Kunst, sie zu umgehen.



Kapitel 4

Nachdem Abby und ich satt waren, lieh sie mir ein paar Klamotten von ihr und wir machen uns gemeinsam fertig. Heute war Samstag. Kein Unterricht, keine Lehrer. Und hoffentlich keine Angstzustände oder Erinnerungen die mich an den Traum erinnern würden. Aber ich nahm mir vor, das alles zu vergessen wie Dr. Lutz es in meinem Traum gesagt hatte. Keine Ahnung woher ich ihn kannte, woher ich sein Gesicht so genau kannte oder wie er mit seiner Figur und seiner Mimik aussah.
Dennoch. Ich nahm mir auch vor, die Kette irgendwie wiederzufinden. Ich hatte Abby gesagt das sie schonmal vorgehen könne, damit ich in Ruhe die Kette suchen konnte. Sie hatte zwar gefragt wieso, ich hatte aber nur mit den Schultern gezuckt.
Jedenfalls ging Abby schnell nach unten in den Speisesaal um etwas zu trinken zu holen und meinen Stundenplan. Das musste reichen um nicht im Chaos zu versinken.
Gerade ging sie aus der Tür, da stürzte ich mich schon wie eine wilde auf mein Bett und schmiss erstmal die Decke hinunter. Ich hatte nicht viel Hoffnungen das ich die Kette in irgendeiner Ritze oder unterm Bett fand. Aber Sie musste einfach da sein. Das war einfach alles viel zu absurd, als das sie wirklich weg sein konnte. Als hätte jemand meinen Traum mitbekommen und wollte mir eine Auswischen oder so. Tz, oh man, Charly. Komm mal wieder runter. Du benimmst dich Kindisch und wie eine Irre. Das war ja mal wieder typisch für mich. Kaum musste irgendwas überdurchschnittlich komisches passieren, schon nahm ich Reißaus und meine Gehirnzellen brannten durch wie Stromkabel. Aber diesesmal war es glaube ich anders. Ich fand die Kette nicht. Wie gedacht. Dafür fand ich einen Zettel. Er war mehrfach zusammen geknüllt und befand sich unter meinem Kopfkissen was mich schon, ehrlich gesagt, hyperventilieren ließ. Wer war Nachts hier gewesen? Ich hoffte niemand und der Zettel war nur als Begrüßungsgeschenk gedacht, oder der Zettel von meiner Vorgängerin.
Ich öffnete ihn dramatisch langsam und las die Zeilen.
Das Papier war vergelbt, alt und zerknittert. Aber die Schrift war leicht verwischt, als hätte das Papier hier schon ewig gelegen.
Und ich wusste nicht was ich genau denken sollte, als ich las.
Liebe Charly,
Dein Besuch war schön, ich hoffe wir sehen uns wieder.
L.

Shit. Shit. Shit. L! Dr. Lutz! Musste das sein? Also mal ehrlich. Der Schnitt und die Kette hat schon gereicht. Und meinen Besuch fand ich ganz und gar nicht schön. Dämmlicher Doktor.
Ich zerknüllte das Papier, warf es in eine Ecke des Zimmers und drückte mein Gesicht in mein Kissen. Beschissenes leben, Beschissene Schule, beschissener Dr. Lutz.
Jemand öffnete die Tür und ich erhob langsam mein Gesicht.
"Ich hab was bekommen." sagte sie lächelnd. "Es ist für dich. Ein Wächter hat es mir in die Hand gedrückt und gesagt, du musst es unbedingt wahrnehmen." Okay. Wenn die jetzt mit irgendeinem Zeug von diesem behinderten Doktor kam, nahm ich Reißaus.
"Was ist es?" sagte ich genervt und ging zu ihr.
Sie zuckte mit den Schultern. "Irgendein Geschenk." Sie legte es mir in die ausgestreckte Hand und ging ins Bad. Ich stöhnte und sah mir das Geschenk genauer an.
Auf dem Geschenkpaper – was einfaches Papier war – war wieder ein kleiner, zusammengefalteter Zettel.
Ich öffnete ihn mit einem Finger und las.

Treffen wir uns.
8 Uhr, im Speisesaal.
L

Fick dich doch bitte. Nein. Lieber Kandidat L. Ich werde nicht in den Speisesaal kommen. Für wie dumm hältst du mich eigentlich.
"Und? Von wem ist es?" fragte Abby aus dem Badezimmer.
"Keine Ahnung" log ich. "Anonym." kicherte sie. "Wie spannend" meinte sie. Ja, total Abby. Aber sie hatte ja keine Ahnung.
Ich öffnete das Geschenk nur mit Widerwillen und entdeckte eine kleine Schatulle. Eigentlich wollte ich sie nicht öffnen. Irgendwie wusste ich was dort drin war. Aber meine Neugier wieder...
Ich öffnete sie schnell. Ein Armband. Also...es war wunderschön. Ich musste kurz lächeln, doch dann funktionierte mein Gehirn wieder. Von dem Schrägen Kerl nahm ich nichts an! "Ein Armband? Achduliebegüte! Wie romantisch!" träumte sie und riss mir mein Geschenk aus der Hand. Dann nahm sie mein verletztes Handgelenk, wobei ein stechender Schmerz nach dem anderen in meine Hand zog und band mir das Armband um.
" Es steht dir super" meinte sie und lachte mich an. "Was ist?" fragte sie überrascht als sie meine Miene sah. Ich lächelte leicht.
"Ich weiß nicht von wem es ist. Ich weiß nicht ob ich es tragen soll. Nachher ist es so ein Stalker oder so." oder ein Psychopathischer Schulleiter der dich in deinen Träumen abschlachten und komische Sachen mit dir machen will.
"Ach, Charlylein. Jetzt träumst du aber ein bisschen viel. Er ist bestimmt total nett." Charlylein. Aha.
"Nein, tue ich nicht. Oder..."
"oder was?" fragte sie.
"Oder weißt du, wer mir das Geschickt hat?"
"Mh, vielleicht" Grinste sie und verschwand wieder. Ich griff sie an der Schulter, ein wenig zu barsch. "Du musst mir sagen, wer das war. Bitte" flehte ich.
"Nein" sagte sie barsch und grinste. "Bitte, Abby. Bitte. Bitte"
"Rate doch mal" riet sie. "Dr. Lutz?" fragte ich. Sie sah mich verdattert an. "Wie bitte?"
"Ich hab Recht. Ich hab Recht, oder?" fragte ich heftig.
"Keine Ahnung, Charly. Frag jemand anderen." Plötzlich wurde sie grießgrämig und wandte sich von mir ab. Ich hatte Recht. Hunderprozentig.
Ich hatte die Schatulle wieder in der Hand, nahm das Armband aber nicht ab. Ich schaute stattdessen auf die Uhr an der Wand hinter mir. Zwölf Uhr. Mittags. Vielleicht...sollte ich wirklich zu diesem Treffen gehen. Natürlich, es war riskant wenn es wirklich Dr. Lutz war. Aber verdammt, er war rektor an dieser Schule. Warum sollte er mir etwas antun? Ich war bloß eine Schülerin. Moment, sollte ich mich jetzt etwa an diese Schule gewöhnen? Meine Mutter hatte gar keine Ahnung wo ich war, geschweige denn ob ich überhaupt noch lebte. Gott. Ich musste unbedingt einiges Klären. Heute würde ich zum Treffen gehen.
Heute wollte ich nicht feige sein. Heute nicht. Einem sollte ich sagen wo ich war, sicherheitshalber. Ich kicherte. Das war wie in so einem lächerlichen Bond-film. Ich bin Bond, James Bond. Hihi.
"Abby?" rief ich. Keine Antwort. War sie jetzt so sauer? Kindisch. Ich rief noch einmal, doch wieder keine Antwort. "Okay, das ist nicht witzig."
Ich drehte mich herum, ging ins Bad dahin wo Abby verschwunden war und schrie auf. "Haha" Abby lachte als sie mich erschreckte und aus einer dunklen Ecke heraus sprang.
"Das ist witzig" sagte sie. Ich schaute sie genervt an. "Total."
"Das muss ich öfter machen" lachte sie und warf sich auf's Bett.
"Ich gehe heute Abend doch zu diesem...anonymen Treffen" die Anführungszeichen waren nicht zu überhören.
"Okay" sagte sie lässig. "Was meinst du, was du mit ihm machst"
"Ihm?" hinterfragte ich. "Na ja, ich denke mal das es ein Junge ist. Es sei denn wir haben Lesben auf dieser Schule, die hier Armbänder verschenken." kicherte sie.
"Oh, richtig" Das war zu logisch. "Also, ich denke...das er nur reden will" murmelte ich.
"Tz, also bitte. Werd mal erwachsen. Kein Junge lädt dich ein nur um zu reden. Es sei denn er hat was verbockt oder verbrochen."
"Ich bin wirklich unreif." stellte ich fest.l "Hattest du noch nie einen Freund?" fragte sie neutral. Nicht abwertend.
"Nein, nicht wirklich." gab ich zu. "Du?" ich kannte die Antwort schon. "Na ja, es scheint so. Oder?" Ich nickte heftig. Sie kicherte.
"Aber bisher war nichts ernstes dabei. Denk jetzt nicht falsch von mir, okay?"
"Okay." antwortete ich. "Bisher war keine Liebe dabei oder so was in der Art. Nur...körperliches. Du weißt was ich mein." ich nickte.
"Sex" Sagten wir beide gleichzeitig und mussten lachen wie zwei kleine unreife Kinder.
"Hast du sie schon verloren?" fragte sie mitten im Lachen. Ich schüttelte den Kopf. "Nein."
"Gut so. Bist auch noch zu jung" antwortete sie wie eine Mutter.
"Bitte?" lachte ich. "ich bereue es, sie so früh verloren zu haben. Das ist billig."
Ich dachte kurz darüber nach, bevor ich die Frage stellte.
"Und...wann war das?" flüsterte ich vorsichtig.
Sie sah mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte. Einmal war es Schmerz, dann wieder Missbilligung das ich diese Frage gestellt hatte. Dann wieder belustigung über das Thema. Aber eine Antwort bekam ich nicht, jedenfalls keine passende auf meine Frage.
Ihre Augen verloren die Sichtweise und sie starrte auf die Bettdecke unter uns. Ich bereute es, diese Frage gestellt zu haben. Wieso fiel es ihr so schwer? War es so verdammt peinlich?
"Du musst es nicht sagen, wenn du nicht willst. Keiner zwingt dich."
Sie nickte. "Sagen wir es so. Ich war noch ein Kind. Und...Kinder sollten so etwas nicht tun. Obwohl ich diese Entscheidung nicht gefält habe." gestand sie. Ich verstand das nicht.
"Egal." Stöhnte sie. "Du musst dich für dein Date fertig machen, oder?" fragte sie freundlich und grinste wieder.
"Wir haben noch Stunden Zeit, Abby. Das kriegen wir schon hin" sagte ich ruhig.
"Trotzdem." fing sie an. "will ich heute noch was erleben."
"Was hältst du von...Filme gucken?" Das war wirklich ein Erlebnis. Haha. Trotzdem sagte ich zu.
"Klar, warum nicht?" Sie hüpfte vom Bett, schaltete den Fernseher ein und kramte ein paar DvD's heraus.
Ich atmete aus. Für ein paar Stunden waren der Traum und die kommenden Stunden wie vergessen. Und das war auch ganz gut so. Hoffe ich.

Unverbogen



Als wir Zwei Filme geschaut und sämtliche Vorräte aus der Minibar aufgegessen hatten, lagen wir satt und zufrieden auf meinem Bett und starrten an die Decke.
"Hast du schonmal ein Mädchen geküsst?" fragte sie ernst. Ich sah nicht zu ihr herüber. "Nein, Du denn?"
Ich sah aus dem Augenwinkel, das sie nickte. Krass.
"Aus Interesse. Ich bin keine Lesbe, keine Angst. Es war auf einer Party in Jersey. Mein früheres Zuhause."
Ich nickte. "Und du hattest wirklich noch nie einen Freund? Hast auch noch nie einen geküsst?" fragte sie neugierig und sichtlich fasziniert von meinem Können gegenüber Jungs.
"Nein, noch nie." Sie staunte. "Ich mein, bist du nicht Interessiert?"
"Doch doch. Nur...bin ich unfähig zu sowas. Es ist eine Art Behinderung" lachte ich und sah sie an. Mein Blick traf ihren.
"Dann weißt du ja gar nicht wie es ist, jemanden zu küssen."
"Nein. Worauf willst du hinaus?" fragte ich geschockt und grinste sie an, sowie sie mich.
"Na ja, willst du es mal versuchen?" fragte sie belustigt.
"Hä?" fragte ich irritiert. Sie stöhnte und rückte näher.
"Wenn du willst, kannst du mich küssen. Nur zum Ausprobieren. Als Freunde." sagte sie grinsend. Wir beide fingen schallend an zu lachen. Als wir aufhörten zu lachen, wurde sie wieder ernst.
"Ernshaft. Ich hätte nichts dagegen. Und ich wette, der Kerl wird heute versuchen dich rumzukriegen." sagte sie.
"Ich weiß nicht"
"Ach komm schon!" sagte sie wieder grinsend. Ich stöhnte und nickte widerwillig. "Gut" sagte sie und lächelte.
Sie rückte noch näher als sie sowieso schon war und warf ihr Haar zurück. Ich war gerade dabei ein Mädchen zu küssen, obwohl ich noch nie einen Jungen geküsst hatte. Eigentlich müsste das anders sein. Aber egal. Ich wollte ja wissen wie es ist. Mit sechszehn sollte man sowas langsam mal wissen.
"Bleib einfach ganz locker" riet sie und strich mir mit ihrem Zeigefinger leicht über die Wange. Ich erschrak.
Dann drehte sie ihr Gesicht und schloss die Augen. Ich schloss auch meine Augen und dann klopfte plötzlich jemand voll gegen die Tür. Ich zuckte zusammen und riss die Augen auf.
"Shit" fluchte Abby und sprang vom Bett. Ich setzte mich auf während sie zur Tür ging und sie öffnete.
"Ist Charly da?" fragte eine Männerstimme. Abby antwortete mit einem hohen "Ja"
Sie winkte mir zu, das ich kommen sollte und zwinkerte mir zu. Ich grinste. Sie kam mir auf halber Strecke entgegen und schnalzte mit der Zunge. "Ein Wächter?" flüsterte sie kaum hörbar. "Wie ungezogen von dir" sagte sie ironisch. Ich runzelte die Stirn, immernoch grinsend. Als ich die Tür weiter öffnete stand Logan mit seiner schönen Kette um den Hals an der Tür und lächelte mich warm an.
"Hallo" sagte er. Ich lächelte vorsichtig und antwortete: "Hey"
Ich lehnte mich an die Tür und wartete. "Willst du was bestimmtes?" Er schien einen Moment irritiert von meiner Frage als er einigen Schülern Platz machte. Er wartete bis sie verschwunden waren.
"Ehm. Eigentlich nicht." gab er zu. "Also?" fragte ich verwundert.
"Ich wollte nur sehen ob es dir gut geht. Mehr nicht." sagte er mit einem schönen Lächeln "Ach ja? Du meinst, nachdem du mich ignoriert hast?" Ich verschrenkte die Arme vor der Brust während
ich das Sagte.
Er kaute auf seiner Unterlippe herum, was ihn wieder so verdammt sexy aussehen ließ.
"Na ja. Es war eine Art Rücksichtsloses Verhalten. Ich weiß."
"Das ist aber irgendwie keine Entschuldigung."
"Ja. Ich...Die Wächter, die waren dabei. Die anderen, meine ich. Hätten sie gesehen das ich mehr mit dir rede, als dir die Regeln zu prädigen oder dich auszuschimpfen, hätten sie es wahrscheinlich Dr. Lutz gesagt."
Bei dem Namen zuckte ich zusammen. Logan merkte dies, doch sagte nichts mehr.
"Du meinst, ihr dürft nicht mit einem Schüler mehr als drei Sätze reden oder was?" fragte ich irritiert. Er nickte aber.
"Genau. Das ist wieder..."
"Eine Regel, ich weiß" beendete ich seinen Satz und stöhnte genervt. "Und wieso zur Hölle hast du dann mich mit in dein Zimmer genommen? Das war dann wohl mehr als verboten, richtig?"
Wieder nickte er verklemmt. "Ja." sagte er. "Das hätte ich nicht tun sollen."
"Aber trotzdem" fing ich an. "Aber trotzdem hast du es getan. Wieso?" fragte ich neugierig. Ja, schon wieder.
Er runzelte die Stirn und überlegte eine Weile. Kurz bevor ich dacht, keine Antwort würde mehr kommen holte er tief Luft und sagte: "Es ist kompliziert. Wahrscheinlich...weil ich nicht anders konnte."
"Du konntest nicht anders?" Er nickte.
"Du hast mir irgendwie leid getan, hattest keine Idee was genau hier vorgeht und wusstest noch nicht einmal was in deiner Freundin vorgeht. Du warst ganz allein. Da habe ich das gemacht." erklärte er.
"Was..." Ich kannte meine 'Freundin' sehr wohl!
"Oh man." fing ich an. "Du bringst mich noch um"
Er erschrak. "Weshalb?"
"Ihr Jungs, redet dauernd in Rätseln." Wieder runzelte er seine klare Stirn und kaute auf seiner Unterlippe herum. Vieleicht sollte ich ihn reinbitten? Na klar, Charly. Zieh ihm doch direkt die Hosen vom Leib. Shit!
"Das ist es also. Hast du eine Abneigung gegen das männliche Geschlecht?" fragte er kichernd. Sollte das eine Andeutung darauf sein, das er dachte ich wäre lesbisch? Oh man.
"Nein. Das ist es nicht. Ich verstehe euch nur nie. Das ist alles."
Er schnaubte. "Du machst es dir bedenklich einfach, Charly" sagte er ruhig.
"Willst du reinkommen?"
"Ich kann nicht." sagte er schroff und die Antwort kam schnell. Aber ich verstand und nickte lächelnd.
"Glaub mir" sagte er. "Wenn ich könnte, würde ich. Aber wieder diese behinderten Regeln. Die haben mich schon im Auge, nur weil ich ein Satz mehr geredet habe als üblich. Vielleicht sollten...wir uns nicht mehr so oft sehen. Jedenfalls nicht, wenn jemand uns sieht." Was sollte das denn heißen? Geheimes Treffen mit einem Wächter?
"Öh, okay. Wenn du es für richtig hältst." sagte ich wieder lächelnd.
"Halte ich. Wir sehen uns dann." Als er gerade gehen wollte, zwinkerte er mir bedenklich zu und ging dann mit dem Kopf nach unten schnell davon. Ich war wieder irritiert.
"Und?" rief Abby hinter meinen Rücken, wahrscheinlich aus dem Bad wieder einmal.
"Alles okay" sagte ich laut zu ihr.
Sie rannte zu mir und löcherte mich mit Fragen, Wie er war, was er gefragt hab und was ich dann geantwortet habe. Und so ging das drei Stunden lang. Nicht zu glauben das ich mich so lange von ihr zu texten ließ, aber sie war so in ihrem Element das ich sie nicht stoppen wollte.
Dann war es 6 und Abby schrie fast als sie tatsächlich feststelle das es Zeit war mich fertig zu machen. Ich fand es beinahe unverschämt mir gegenüber mich fertig zu machen; mich hübsch zu machen für diesen Kerl da. Aber ich musste Abby irgendwie hin halten. Und sie war glücklich, dann war ich es auch.
Als ich um viertel vor acht. Die Haare waren ordentlich, Make-up war drauf und ich musste sagen, das sie echt sowas drauf hatte. Ich sah eigentlich ganz gut aus und so schupste sie mich zur Tür und sagte:"Viel Spaß" Dann zwinkerte sie mir wie Logan zu und schloss die Tür hinter mir. Worauf ließ ich mich da nur ein? Warum tat ich sowas? Wollte ich mich umbringen lassen oder war ich masochistisch? Nein!
Trotzdem, obwohl ich wusste das ich am besten wieder umkehren und die Sache auf sich beruhen lassen sollte, ging ich den langen, breiten Flur entlang. Dann die steile Treppe hinunter, in den Speisesaal. Ich schaute auf mein Handy in meiner Hosentasche und sah auf die Uhr. Es war 8:02. Egal, sollte er doch denken das ich unpünktlich war. Als ich vor der Tür des Speisesaales stand, zögerte ich eine Weile.
Sollte ich wirklich? Ich mein, es war ein Abenteuer klar. Aber wollte ich so ein heftiges? Okay, Zweideutigkeit. Ich öffnete die Tür rechts von mir, ohne genau darüber nachgedacht zu haben.
Ich bekam eine komische Gänsehaut, als die Tür sich in der Stille hinter mir schloss. So leise, als würde man ein Buch zusammen klappen. Ganz leise. Doch das Geräusch hallte in meinem Ohr wider. Es war schrecklich hier zu sein. Allein.
"Hallo?" rief ich. Doch nichts. Keine Stimme, keine Schritte oder so. Ich ging weiter, auf die Gruppe von Tischen mit Stühlen zu. Doch ich setzte mich hin, anstatt weiter zu gehen.
Dann atmete ich schwer aus, als ich Logan am anderen Ende des Raumes sah. Logan? Was machte der denn hier? Schon wieder.
"Charly?" rief er. Ich hob eine Hand, weil er doch so weit weg war (Und doch so nah)
Er kam mit geschmeidigen Schritten auf mich zu und setzte sich neben mich. "Was machst du hier?" sagten wir gleichzeitig, wie aus gleichem Mund. Natürlich fingen wir beide an zu kichern.
"Du zuerst" sagte er. Ich stöhnte. "Ich..." ich wusste ehrlich nicht wie ich es ausdrücken sollte. "Ich warte auf jemanden." das war nicht gelogen.
"Ach ja? Auf wen?" fragte er lächelnd, mit diesem unwiderstehlichem Blick. "Das weiß ich noch nicht. Aber werde es bestimmt gleich heraus finden." murmelte ich, aber er verstand.
"Oh, okay." fing er an. "Wartest du auf L.?" Ich starrte ihn geschockt an und schluckte dann laut. "Wie...?" Mir fehlten die Worte.
"Du?" Ich sah ihn verbittert und gleichzeitig traurig und enttäuscht an. "Ja, ich dachte du wüsstest das." sagte er komischweise mit einem eigenartigen Grinsen.
Ich versteckte das Handgelenk mit dem Armband. Logan. Logan war es gewesen. Nicht Dr. Lutz. Er hatte....
"Charly?" flüsterte er. Ich nickte, obwohl ich so enttäuscht und verletzt war.
Warum? Was hatte ich ihm getan?
"Gefällt dir das Armband? Ich dachte, es passt zu dir. Und ich...hab vielleicht gedacht das du den Zettel unter deinem Kopfkissen nicht findest."
Oh. Achso.
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. L.. Logan! Nicht Lutz oder Dr. Lutz. Ich hatte mir ganz umsonst Panik gemacht und die Sorgen das er mir etwas tun könnte...sie waren völlig absurd.
"Ach du warst das!" Rief ich fröhlich. "Wen dachtest du denn, würdest du hier auffinden?" fragte er nervös Und drehte sich mehr zu mir.
"Na ja." Wenigstens Logan musste ich die Wahrheit sagen. Wenigstens einem Wächter dem ich vertraute,
"Okay, versprichst du niemanden ein Sterbenswörtchen davon zu erzählen? Noch nicht einmal deiner Freundin oder deinem besten Freund." Er nichte und musste dann kichern. Dann fiel mir auf, das ich eigentlich gerade mit ihm flirtete. ER hatte keine Freundin, das wusste ich.
"Ich habe keine Freundin. Und nein, ich sage niemanden irgendwas. Großes Wächterehrenwort." sagte er und zwinkerte mir zu. Ich nickte zufrieden und holte tief Luft.
Wie konnte ich es am besten formulieren, ohne das es krank oder total beknackt klang.
"Also...ich hatte gestern Nacht so einen komischen Traum. Er sah so real und bunt aus, das ich dachte er wäre wahr. Es war eine Art Albtraum und..."
"Wovon handelte er?" fragte er mitten in meinem Satz.
"Von...Dr. Lutz" gab ich zu. Er runzelte die Stirn, nur kurz als wüsste er was das zu bedeuten hatte. Als hätte er eine wage Idee.
"Was hast du genau gesehen?"
"Als ich im Traum aufgewacht bin, war ich gefesselt. Er hat mir Fragen gestellt, und er hat...." Ich konnte nicht. Wenn er wusste, das ich was gestohlen hatte würde er mich hassen. Mich wieder ignorieren. "Bitte Charly. Sag es mir. Es ist wichtig." bat er.
"Ich kann nicht" flüsterte ich. Er hob mein Kinn, das nach unten gesunken ist, mit seinen warmen Fingern an und sah mir nah und fest in die Augen. Erst jetzt bemerkte ich, das seine Augen von einem warmen Schokoladenbraun waren. Sie waren groß und seine Haut sah rein und samt wie Seide aus. Wunderschön.
Ich schüttelte leicht den Kopf und sagte dann: "Wenn du weißt was ich gemacht hab, würdest du mich nicht mehr mögen. Mich hassen, wahrscheinlich." Er schluckte als er dass hörte. Doch er löste den Blick nicht von meinem Gesicht, ließ zwar die Finger sinken obwohl ich das nicht wollte. Ich wollte ihn spüren.
Dann sagte er: "Ich kann dich nicht hassen. Niemals." versprach er.
"Das weißt du doch gar nicht." flüsterte ich. "Oh, doch und weißt du warum?" Ich schüttelte verzweifelt den Kopf.
"Weil du bisher das klügste, hübscheste und tollste Mädchen bist, was ich je kennegelernt habe." Shit! "Ich werde dich nicht hassen. Egal ob du jemanden umgebracht oder mich angelogen hast. Egal. Nur bitte sag es. Bitte." flehte er.
Ich stöhnte leise und nickte dann. "ich hab was gestohlen." gab ich zu. Er hob eine Augenbraue. Oh, oh. Das wird niemals gut ausgehen. "Ich weiß" stöhnte er. "Was?" fragte ich hektisch.
"Ich hab von Dr. Lutz gehört, das die Kette gestohlen wurde. Aber du hast sie ihm ja wiedergegeben. Dann ist es gut, Charly." Eigentlich, hatte ich sie ihm nicht wiedergegeben Logan. Es tut mir Leid.
"von ihm?" fragte ich nochmal. Er nickte stur
"Hast du Kontakt zu ihm?"
"Na klar. Er ist mein Boss." kicherte er.
"Okay. Und? Musst du heute zu ihm?"
"Charly. Er ist nicht böse. Er ist sogar sehr nett, nur halt etwas streng, damit muss man erstmal klar kommen. Aber das legt sich schon. Und Nein. Ich muss nicht zu ihm. Heute habe ich genauso frei wie du." Sagte er ruhig und lächelte wieder.
"Willst du nicht wissen, warum ich die Kette gestohlen habe?"
"Nein. Ich denke, du wirst es mir schon sagen wenn du willst."
"Oh, okay" sagte ich. Ich grinste ihn an. "Willst du noch mal...mit kommen? Ich mein...auf mein Zimmer?" fragte er nervös, aber er hielt den Blickkontakt zu mir. Auch wenn ich wusste was das für eine Einladung war, so folgte ich ihm und sagte Ja. Sein Zimmer war der gleiche Weg wie zu den Schlafsäälen der Mädchen, doch wenn man von der Treppe ging, musste man links nicht rechts und nochmal eine Treppe am Ende des Ganges hinauf.
Er öffnete mir die Tür und ließ mich als erste hinein. Die Sonne ging gerade unter, und so war auch das Licht in den Zimmer. Bezaubernd. Jetzt versteckte ich das Armband das zum Glück Logan mir geschenkt hatte nicht mehr. Ich wollte ihm zeigen, das es mir nicht egal war ob er existierte oder nicht. Das ich ihn auch mochte.
Er ging vorraus in den Wohnbereich. Er war so groß wie der Schlafraum von Abby und mir. Aber tausendmal schöner. Ich fühlte mich direkt wie Zuhause, setzte mich auf die lange, gemütliche Couch und wartete bis er sich neben mich setzte.
Ich setzte mich im Schneidersitz gegenüber von ihm und war dankaber, Abby gegenüber, das sie mir angeboten hatte zu üben wie man einen Jungen küsste. Zu Schade das Logan reingeplatzt war. Hihi.
Er rückte näher zu mir, nahm eine Strähne aus meinem offenen, gewellten Haar und strich mir dann leicht über die Wange. Ich wurde rot und schaute zu Boden. Wie peinlich und unreif. Br.
Er lachte einmal kurz auf, bevor er sagte: "Darf ich unser Gespräch jetzt Persönlicher gestalten?" Das klang so altmodisch das ich kurz kichern musste.
"Klaro" Er nickte und legte seine Hand auf meine. Sie lag auf einem Bein von mir. Ja, von mir aus durfte das Gespräch Privater werden. Und so wurde es auch.
"Okay, lass uns ein Spiel spielen. Wenn ich dir eine Frage stelle beantwortest du sie mit Ja oder Nein und musst dann eine Frage an mich richten, bist du bereit?"
"Ja" sagte ich kicherte. Er wartete und verdrehte dann die Augen.
"Na, du musst eine Frage stellen. Ich hab dich doch auch was gefragt" Er lachte. Ich wurde wieder rot und versuchte mich zu konzentrieren.
"Na gut. Eh, bist du freiwillig in dieser Schule gelandet?"
"Ja. Hat Abby dir was schlechtes über mich erzählt?"
"Nein, ich glaube nicht dass das fair wäre. Sie kennt dich ja gar nicht. Und du?"
"Was ich?" Ich kicherte.
"Du hast keine Antwort gegeben"
"Oh man!" fluchte er lachend. "Ich versteh deine Fragen nicht"
"Okay, nochmal von vorne. Sollte Abby irgendwas schlechtes über dich erzählen sollen, weil du tatsächlich etwas verbrochen hast?"
"Nein, sicherlich nicht. Meinst du, du bleibst wirklich bis zum Ende?"
Ich zuckte mit den Schultern. "ich muss eine Ausnahme machen" kündigte ich an und grinste. "Es steht noch nicht fest" Er nickte und ich fuhr fort.
"Siehst du deine Eltern manchmal?"
"Nein. Willst du denn nach Hause?"
"Ja. Hast du früher auch hier gewohnt?"
"Nein. Willst du nach Hause weil es dir hier nicht gefällt?"
"Ja. Bist du schon sehr lange hier?"
"Eine Ewigkeit wie es scheint." sagte er. Ich schaute ihm fest in die Augen und wartete auf eine Erklärung, warum er keine Frage stellte und warum er die Regel brach. Doch es blieb still.
"Was ist?" fragte ich hektisch. Er blinzelte einmal und sein Blick wurde wieder klar. Dann sagte er mit gedämmter Stimme:
"Warum willst du nach Hause?"
"Warum wohl. Ich hab keine Ahnung was ich hier soll. Ich mein, die Schule sieht Klasse aus und wahrscheinlich sind die Lehrer auch viel lieber hier. Aber was soll das mit diesen 'Wächtern'?
Sind wir gefangene oder was? Ich versteh das nicht, Logan. Was zum Teufel wollen die von mir?"
"Das...geht nicht"
"Was geht nicht?" Was war los mit ihm?
"Ich kann es dir nicht sagen! Hörst du mich? Ich kann nicht! Wenn du dann gehst, dann...sehe ich dich nie wieder! Die lassen mich nicht raus und dich nicht rein! Du musst bleiben, egal was es kostet. Tu es für mich." flehte er und rückte so eng zu mir, wie es der Platz möglich machte. Sollte das etwa heißen das er mich wirklich mochte? Ich meine....so wirklich?
"Die lassen mich erst gar nicht hier raus, Logan. Ich habe sowieso keine Wahl."
"Wenn du dich so dumm anstellst, schon. Aber das ist sehr Unwahrscheinlich. Die wollen dich mehr als....alles andere. Besonders der Doktor. Weißt du, wie er von dir spricht? Wie oft der von dir, nur von dir spricht? Das macht mich krank!" sagte er und nahm mein Gesicht in seine Hände.
"Was sagt der?" fragte ich.
"Das...du bleiben musst. Dir eine gute Zeit beschert sein muss und du so viele Freunde wie möglich haben musst, damit du dich ja wohl fühlst. Er sagt...du seist das, worauf er seid Jahren gewartet hat. Es ist gruselig wie süchtig er ist. Als würde er dich in jeder Minute aufsuchen um dich zu Essen oder so; wie eine Droge." erklärte er.

verbliebene Sorgen



"Aber das kuriose ist ja, das er dich noch nie sehen wollte. Als wüsste er wie du tickst, wie du dich fühlst. Aber er hat ja keine Ahnung wie...zerbrechlich du bist. Du denkst jetzt wahrscheinlich ich bin geisteskrank, nicht wahr?" fragte er nervös.
"Nein" flüsterte ich rau. Und beugte mich mehr zu ihm rüber, sein Atem und meiner ging flach.
"Warum denkt er, ich sei das, worauf er immer gewartet hat?"
"Du bist anders. Du hast etwas, was sonst niemand auf dieser Welt hat" Ja, einige Gehirnprobleme. Aber danke das du es mir so schön unter die Nase reibst. Logan.
"Ich weiß" stöhnte ich und sah nach unten.
"Nein. Nein. Das ist etwas anderes. Ich weiß, du hast Probleme gehabt. Aber das ist alles ganz anders als du denkst. Das Gegenteil. Es ist etwas gutes." sagte er.
"Wie bitte? Was soll daran bitte gut sein? Ständig aus zuflippen oder in Tränen auszubrechen wenn jemand das vor mir macht. Es ist schrecklich. Ich will das nicht mehr. Es hört nicht auf, egal was ich versucht hab!"
"Ja, aber du hast das naheliegenste nicht versucht" sagter er leise.
"Und was?" motzte ich. "Dich nicht dagegen zu wehren das es nunmal so ist, dich damit auseinander zu setzen und es zu kontrollieren. Stattdessen versuchst du einer Situation die dieses Problem verursachen könnte aus dem Weg zu gehen. Du hast Angst vor deiner selbst. Das ich der falscheste Weg den du eingeschlagen hast." sagte er und strich mir wieder über meine Wange.
"Ich habe schon immer gewusst das du anders bist. Besser." flüsterte er. "Und als du letztens hier so angefangen hast zu weinen, es war unerträglich dich so zu sehen." gab er zu.
"Woher weißt du das eigentlich alles?" fragte ich verwundert und runzelte gestresst die Stirn. "Ich habe dir nie erzählt was mit mir genau los ist. Und trotzdem erzählst du davon als wärst du mein Psychologe gewesen. Als wüsstest du alles."
Sein Ausdruck veränderte sich schlagartig. Er ließ die Hände von meinem Gesicht sinken, lehnte sich von mir weg und atmete tief ein und aus.
"Manchmal ist so. Als würde ich dich schon ewig kennen, Charly. Dr. Lutz weiß alles. Ich habe von ihm alles erfahren, das ist alles" erklärte er schroff und kühl.
"Und woher weiß er es?"
"Misstraust du mir? Ich würde nie etwas böses wollen."
"Nein. Es war nur eine Frage." sagte ich genauso abweisend und kühl wie er.
"Von Abby. Du hast es ihr erzählt."
Ich dachte nach. Wann hatte ich mit Abby darüber geredet? Über meine Probleme? Über Jungs schon, über die Schule und ihr Zuhause. Aber nie über meine Probleme. Nie über diese Gefühlsschwankungen. Niemals.
"Ich habe Abby nie davon erzählt. Niemanden." sagte ich angesäuert und versuchte ihm fest in die Augen zu sehen, damit er mir die Wahrheit sagte. Anstatt der Wahrheit bekam ich einen Wutanfall.
"Weiß der Geier woher diese Schlampe Abby es her hat! Warum traust du eigentlich ihr mehr, als mir? Ich habe alles getan damit du glücklich bist!" schrie er und sprang vom Sofa.
Schlampe. Wie nett. Abby war keine Schlampe. "Sie ist keine Schlampe. Du kennst sie ja gar nicht" Verteidigte ich sie gerade etwa? Vor ein paart Tagen war ich noch sauer gewesen und hatte ihr nicht über den Weg getraut.
"Kennst du sie denn? Du hast keine Ahnung wie viele Mädchen sie schon etwas angetan hat. Glaube mir. Sie ist nicht gut!"
"Weißt du was? Ich verschwinde. Und ich werde nicht bleiben, mir doch egal was du für ein Liebesdrama mir vorgaugeltst. Fahr zur Hölle Logan." Sagte ich etwas leiser und ging so schnell ich konnte aus demZimmer. Bevor ich das tat, riss ich mir das Armband von der Hand und warf ihm das vor die Füße. Er sah mich nur starr und kalt an. Dann, als ich zurück sah (was wahrscheinlich ein großer Fehler war), und er gar nicht bemerkte das ich gegangen war, schmiss er eines der Regale neben ihm um und verschrenkte die Arme vor Wut über seinem Kopf. Ich rannte hinaus und schmiss die Tür zu. Dann kamen die nervenden aber leider notwendigen Tränen. "Ich will nach Hause!" wimmerte ich.

Nach der auseinandersetzung mit Logan hatte ich seid Tagen nicht mehr mit ihm geredet, geschweige denn angesehen. Eigentlich hatte er versucht mit mir Kontakt aufzunehmen, aber in Moment war das alles zu viel. Jetzt sollte also dieses tragische Teenie-drama kommen? Wo Mädchen sich verliebten? Nein. Das musste nun wirklich nicht sein.
In dem Speisesaal hatten unsere Blicke sich manchmal getroffen, aber er hatte schnell wieder weggeschaut. Keine Ahnung warum er so Angst hatte. Wahrscheinlich war seine Würde angekratzt und jetzt hasste er mich dafür, das ich ihn dumm da stehen ließ.
Unmöglich wie es schien. Er war ein guter Kerl, hoffte ich.
Ich hatte ihm die Wahrheit gesagt. Ich hatte Abby niemals von meinem Problem erzählt. Es war eine bewusste Entscheidung gewesen, immerhin wusste – und weiß es jetzt immer noch nicht – ich nicht was für eine Person sie war. Egal ob Falsch oder Richtig. Aber warum war er so ausgerastet? War das sein Plan, das er mich loswerden wollte. Aber er hatte im Speisesaal doch gesagt das er mich mochte.
Das war alles so verwirrend für mich. Ich sollte ihn einfach vergessen, das wäre der einfachste und beste Weg. Na ja, einfach nicht. Er bedeutete mir schon jetzt etwas. Obwohl wir uns kaum richtig kannten, uns nie richtig näher gekommen waren.
Aber die Zeit verflog wie im Nu und aufeinmal kam es mir so vor als wären Wochen vergangen nicht Stunden oder zwei Tage.
Denn am Sonntag sah es so aus, als gehöre ich jetzt schon dazu.
Zu den übrigen Schülern und zu dieser Schülerschaft. Was mich stutzig machte war, dass Dr. Lutz nie wieder in meinen Träumen auftauchte, das kein Zettel von Logan mehr kam und vorallem ruften meine Eltern nicht an.
Sie fehlten mir. Unheimlich. Aber dieser Sonntag war so verdammt stressig das ich mich kaum auf meine Familie konzentrieren konnte, geschweige denn auch nur eine Sekunde Zeit gehabt hätte einen Gedanken um mich verschwendet zu haben. An diesem Sonntag schickten sie uns auf den Innenhof. Wir mussten schon einige Treppen auf und ab laufen um den Hof zu erreichen. Komischerweise wollte Abby mich aber nicht begleiten, obwohl ich sie förmlich angefleht hatte. Doch dann musste ich schließlich den Weg alleine finden.
Die frische Luft tat gut, obwohl es mir schwer auf dem Magen schlug das so viele Schüler sich versammelt hatten.
Der Hof schien riesig, und so war es auch. An den Eingängen standen wie immer die Wächter mit ihren ach so tollen Ketten.
Und vor uns, als hätte ich auch nur einen Gedanken daran verschwendet das er nicht da war, standen eine Reihe voller Wächter. Mitten drin – Logan. Ich stöhnte leise auf als ich ihn im Gedrängel mitten auf der Wiese im Hof sah. Er starrte mich geradewegs an aber verzog nicht das Gesicht wie im Speisesaal gestern Abend. Sein Blick war kühl und abweisen wie bei unserem Streit und als ich versuchte ihn fälschlicherweise an zu lächeln, schaute er weg und schaute nach rechts.
Ich stöhnte wieder leise. Ich hätte es Tage versuchen können ihn zu Vernunft zu bringen, aber er blieb ein Sturrkopf.
Er wollte mir die Wahrheit nicht glauben, oder hatte Angst davor das es die Wahrheit sein könnte. Oder er hatte einfach genug von mir und scherte sich jetzt einen feuchten Dreck um mich.
Ich würde ihn irgendwann vergessen. Sollte es eben nicht an mir liegen.
"Bist du Charly?" flüsterte eine zarte Mädchenstimme rechts neben mir. Ich drehte mich zu ihr und musste automatisch lächeln. Sie hatte eine kleine süße Zahnlücke und war höchstens 10. Ich beugte mich ein wenig zu ihr herunter und nahm die Hand die sie mir freundlich reichte. Ihre zarte Hand verschwand komplett in meiner. "Ja und wer bist du?" Wieder lächelte sie und entblößte zwei kleine Zahnlücken im Unterkiefer.
Ich musste wieder kichern. "Lira" sagte sie zuckersüß und rannte davon. Irgendwie sonderbar wie kleine Kinder sich verhielten.
Eben...kindlich. Als ich mich wieder zu der 'Mauer' der Wächter drehte, schaute Logan mich mit weitaufgerissenen Augen an. Ich runzelte die Stirn als er mit einer kleinen Kopfbewegung nach links zeigte. Ich folgte seinem Blick und erstarrte. Dort stand er. Das Abblid von dem Mann, der auch in meinem Traum aufgetaucht war. Ich weiß nicht ob es eine Art Déjavú war oder eine Person die man ausversehen wiedersah. Aber es war wie ein Schock und mein Herz zog sich für einen kleinen Moment zusammen. Ich schaute schnell weg zu Logan der nickte und liebevoll lächelte. Aber mir war jetzt nicht zum lächeln zu Mute. Ich schaute noch einmal zu dem Mann um mir wirklich sicher zu sein, das es richtig war, was ich gesehen hatte. Aber so wie es des öfteren vorkam täuschte sich mein Auge nicht.
Und als hätte ich ihn gerade zum ersten Mal gesehen, bekam ich einen Schok als er sich umdrehte mcih geradewegs anstarrte als hätte er gewusst das ich genau dort stand und an ihn dachte.
Natürlich wandte ich meinen Blick sofort ab und suchte Halt an den nervösen Blicken von Logan. Er schien aber nicht weiter beeindruckt von dem Mann. Natürlich, warum sollte er auch. Er war sein Chef. Dr. Lutz. Er sah ihn jeden Tag mindestens einmal.
Ich spürte immer noch den strengen Blick von dem Mann auf mir sitzen, traute mich deswegen nicht wieder hinzuschauen.
Es wurde stiller um mich, die Luft dichter und ich hatte dieses schreckliche Gefühl das ich am besten nicht hier sein sollte.
Aber weglaufen wollte ich jetzt nicht mehr, wie feige war das denn? Dennoch...obwohl ich meinem Körper befohlen hatte keinen Schritt zu machen, ging ich mehrere kleine Schritte zurück um wenigstens mich hinter den Leuten zu verstecken, mich vor dem Mann und seinen Blicken zu verstecken. Ich versuchte das so unauffällig wie möglich zu machen, doch dann ertönte eine Stimme die die in meinen Träumen so sehr glich das ich sofort den Blick auf die leere Wieso vor mir wandte.
Wieder war sein Blick zu mir gerichtet und ein zarghaftes Lächeln zeichnete sich in seinem makellosen Gesicht wieder.
Doch, als ich genauer in sein Gesicht sah, wunderte es mich das er so perfekt auf den ersten Blick schien wo doch eine riesige Narbe sich quer auf seiner linken Wange abzeichnete. Sie wanderte bis zur Schläfe und ging sogar einen kleinen Teil in den Haaransatz. Sein Auge sah auch ein wenig mitgenommen aus, aber nicht so das ich denke würde er künne kaum noch sehen.
Seine Haare waren zerzaust, sahen aber immer noch vorzeigbar aus. Seine Kleidung war schlicht, jedoch glich es nicht den Anzügen der Wächter. Keines Falls. Er sah nahezu normal aus, als wäre er ein Besucher oder Elternteil eines Schülers.
Ich dachte nicht mehr über die Zukunft nach, was sie mir bringen würde wenn ich hier bliebe. Wenn es kommen sollte, was auch immer es war, würde es schon seine Richtigkeit haben.
Egal wie viel es kostete. Einmal wollte ich Glück haben, wenn es schon kein Talent war.
Als ich wieder zu Logan sah, war er verschwunden. Sein Platz war deutlich zu sehen, die Männer die neben ihm gestanden hatten waren nicht näher aneinander gerückt da ein Meter Platz war.
Dann, als hätte ich es schon erwartet, erhob sich seine Stimme wie aus dem Nichts.
Der Doktor trat auf keine Erhebung, oder Bühne einer Art. Sondern allein seine Stimme ermahnte mich das ich am besten aufpassen sollte. Bei seiner Stimme bekam ich eine Gänsehaut, sie stach und war kühl.
"Willkommen!" rief er laut und breitete seine Arme ein wenig aus, als wolle er uns alle Umarmen. "Ich bin leider noch nicht dazu gekommen mich vorzustellen." fügte er hinzu und wieder traf sein Blick meinen. Nur für einen kleinen Moment aber das genügte mir, um zu wissen das er die anderen nicht so ansah. Wie ein Feind, kalt und abweisend.
Ich versuchte mich dennoch zwischen den anderen Kindern zu verstecken, das ich keinen Augenkontakt halten konnte.
Auf einmal stand Logan neben mir und nahm meine Hand.
"Es tut mir Leid." flüsterte er und strich mit dem Daumen über meinen Handrücken. Er sprach so leise das die anderen es wohl nicht hören konnten. Ich sah zu ihm hoch. "Ich weiß" erwiderte ich und drückte seine Hand.
Dann hörte ich wieder Dr. Lutz's Stimme. "Ich bin so froh das so viele Schüler zu uns gefunden haben!" rief er wieder, die anderen Kinder begannen leise zu tuscheln.
"Vielleicht...wurden einige von euch schon aufgeklärt worden. Was unsere Regeln betrifft, stehen meine Wächter euch immer zu Verfügung. Der Speisesaal ist immer offen, Tag und Nacht. Jedoch sollte dort nur gegessen werden, nichts anderes." Und wie aus dem nichts, als hätte er Logan und mich gehört, traf sein Blick wieder meinen und er musterte mich mit einem breiten Grinsen.
Logan zuckte neben mir zusammen und entnahm seine Hand aus meiner.
Dr. Lutz wandte sich wieder einer anderen Gruppe Schüler zu, er fuhr mit seinen Regeln fort. Logan riss mich an der Hand weg von Dr. Lutz und wir rannten praktisch ins Gebäude.
Im hohen, breiten Flur des Einganges blieben wir nah an der Wand stehen. Ich schaute ihn geschockt an, denn so wie ich dachte, würde Dr. Lutz bald schon merken das ich nicht mehr da war. Ich wollte gerade ein Wort sagen, da hielt er mir auch schon den Mund zu. "Warte mal eine Sekunde" bat er und quetschte mich noch mehr gegen die Wand. Sein Körper war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt.
"Hälts du den Mund wenn ich meine Hand wegnehme?" fragte er ängstlich. Ich nickte hektisch. Er nahm also seine Hand herunter und sie verweilte komischerweise an meiner Taille.
Seine Berührungen war ich nicht gewohnt, ich mein, so intime.
Ich stöhnte leise. "Wir haben richtigen Mist gebaut" sagte er schroff und sah zu Boden.
"Richtigen. Die...denken wir wären zusammen. Die denken das ich was mit dir habe nur weil...ich mich mit dir getroffen habe. Die Situation ist komplizierter als ich dachte, wirklich. Ich war zu naiv, ich hab gedacht das sie das nicht merken wenn ich mich..." Ich hielt ihm den Mund zu und versuchte die Wärme die von seinem Körper ausging zu ignorieren.
"Halt mal" fing ich an. "Das heißt dann wohl das wir uns nicht mehr sehen dürfen? Aber...wenn's weiter nichts ist. Ich mein...bevor du ernsthaften Ärger bekommst und die mich rausschmeißen obwohl ich das gerne provozieren will, lassen wir es einfach gut sein. Wir sehen uns nicht mehr Abends heimlich oder so. Nur in den Pausen. Dann werden die irgendwann auf andere Gedanken kommen als an uns zu denken." erklärte ich.
"Du bist also deren Meinung? Meinst du es wäre so einfach für mich dich in Ruhe zu lassen? Das...ist so verdammt beschissen!" fluchter er laut und haute mit der bloßen Faust hinter mir gegen die Wand. Er zuckte zusammen als die Hand schmerzte und er sich wieder an mich wandte.
"Wieso regst du dich eigentlich so auf?" flüsterte ich liebevoll und legte eine Hand an seine Wange.
Seine Augen waren vor Wut und Unbewusstsein weit aufgerissen, und so sah man das braun noch mehr. Um uns herum herrschte vollkommene Stille, als ob die Dunkelheit das machen würde.
Also sah ich nur sein Gesicht das sah an meinem war.
"Weil ich dich mag. Ich will keine Freundin durch...so einen Mist verlieren, durch etwas völlig belangloses. Es ärgert mich so." murmelte er leise und strich mir über den Rücken da seine Hand von meiner Taille zu meinem Rücken gewandert war.
"Du findest bestimmt andere Freunde. Was ist mit deinen Wächterkollegen da..." ich wusste nicht wie man sie bezeichnete.
Er kicherte kurz über meinen Wortschatz und sah mich dann wieder an, so fürchterlich süß.
"Das sind nicht meine Freunde. Wie du es schon gesagt hast. Kollegen, nichts weiter. Eigentlich dürfen wir sogar keine Freunde haben wenn ich genauer darüber nachdenke, die Arbeit könnte ja darunter leiden. Sicher" Er schnaubte abweisend und nahm mit der anderen Hand meine.
"Und...was ist mit deiner Familie? Ich mein, vermissen sie dich nicht schrecklich?" Vielleicht war das zu persönlich aber so wie er mich berührte fürchtete ich mich vor gar nichts mehr.
Er sah mich erschrocken an. "Die kümmert es kaum wenn ich weg bin. Ich bin schon volljährig, da ist es etwas anderes als bei dir." erklärte er schroff.
"Okay." fing ich an. "Was auch immer. Du solltest dich wirklich an die Regeln halten, ich hab echt keine Ahnung wozu der Typ fähig ist." Er verdrehte die Augen, weil er dachte das ich maßlos übertrieb.
"Charly, zum tausensten Mal. Er ist nicht böse. Verstanden?"
"Okay, ist ja gut. Trotzdem vertrau ich dem nicht. Er macht mir ehrlich gesagt ziemliche Angst."
"Er ist aber gut, herzensgut. Wenn du wüsstest was er alles für uns tut das würdest du mir glauben. Manche sagen er sei sowas wie ein Vater für die Wächter." Er kicherte als er das sagte und lehnte sich ein Stück von mir weg.
"Keine Angst" fuhr er fort. "Ich lass nicht zu das dir irgendwas passiert, egal ob es Dr. Lutz ist oder sonst irgendwer."
"Ich mein nicht, das ich Angst hätte, das er mir irgendwas tun würde. Sondern...ach ich weiß nicht. Ich habe einfach Angst."
Er nickte und umarmte mich. Dann flüsterte er in mein Ohr:
"Findest du nicht, das es noch ein wenig zu früh ist um sich zu verabschieden? Wir kennen uns doch gerade erst richtig."
Ich kicherte in sein Haar und sagte: "Ich finde es ist etwas zu früh um sich Gedanken darüber zu machen, ob wir uns richtig kennen oder nicht."
Er zuckte zusammen und sah mich dann an. Seine Stirn war überfült von Sorgenfalten. Ich kicherte wieder. Dann legte ich eine Hand wieder auf seine Wange und löste seine Spannung.
"Das wird schon wieder." versprach ich mit einem breiten Lächeln. Er schnaubte und nickte dann vorsichtig.
"Das musst du gerade sagen"
Dann legte er seine Hand auf meine. Er schloss die Augen und bewegte sich einen Moment lang kaum. Allein unser Atmen war in der großen Halle zu hören, und ein paar Klänge der Stimmen von draußen. Dann riss er plötzlich die Augen auf.
Seine braunen Augen sahen mich nicht direkt an, sahen eher etwas an was gar nicht da war.
"Du solltest zurück gehen." forderte er eisern und drückte mich etwas von der Wand weg. Ich war überrascht über seine Stimmung, er klang kühl und abweisend. Das war ich kaum von ihm gewöhnt.
"Jetzt" motzte er und sah mich an. Ich zuckte vor ihm zurück und ging rückwärts wieder auf den Ausgang zum Innenhof zu.
Dort versammelten sich mehr Schüler als ich je erwartet hätte.
Es waren mindestens 1000. Ich schaute mich genauer um, doch so richtig konnte ich nichts erkennen. Die Köpfe versperrten mir die Sicht zu Dr. Lutz oder irgendwem andern.
Mein Gefühl sagte mir, das ich ganz und gar nicht hier her gehörte. Am besten sofort verschwinden sollte. Doch irgendwas hielt mich davon ab. Ich wusste nicht ob es Logans kühle Art mir zur sagen das ich gehen solle war oder doch mein eigenes Interesse an diesem Treffen aller Schüler und Wächter.
Ich hatte auch keine Ahnung was Dr. Lutz noch zu ihnen gesagt hatte. Deswegen war ich mir so unsicher als ich mich durch die Menge weiter nach vorne stürzte. Ich bekam unsichere Blicke zugeworfen von fremden Personen und jungen Schülern. Dann ein: "Armes Ding" von älteren Lehrern und wachsame Blicke von einzelnen Wächtern. Ich hatte wirklich keine Ahnung was hier vor sich ging. Mitten in der Menge blieb ich neben Abby stehen ohne sie eines Blickes zu würdigen.
"Das gibt ärger, Charly. Großen Ärger." murmelte sie freudig und sah mich an. Ich starrte weiter nach vorne. Ich hatte es, ich wusste es von Anfang an.
"Hätte mir denken können das du wirklich so bist." murmelte ich ihr zu. Wieder sah ich nur nach vorne und auf die Köpfe der Schüler. Sie starrte mich schadenfroh an.
"Das Armband hättest du lieber da lassen sollen, wo es hingehört." sagte sie etwas lauter. Ein paar Schüler drehten sich kurz zu mir und Abby um doch wandten ihre Blicke schnell wieder ab, weil die Abbys Gesicht das furchteinflössend aussah nicht mitansehen konnten.
"Wo ist deine Würde geblieben, Abby?"
"Meine Würde ist immer noch gut erhalten. Meine Freude das er dich gleich rauswirft umso mehr." Was für eine miese kleine, hinterhältige Schlampe...
Eine Weile verfluchte ich sie still in meinem Kopf. Dann sagte ich nach einer Weile kam sie wieder zu Wort.
"Was hast du dir gedacht wie ich bin?" fragte sie überraschend liebevoll. Ich ging nicht drauf ein sondern konfrontierte sie mit meinen abscheulichen Gedanken.
"Das du es nicht Wert bist, dir auch nur ein Lächeln von mir zu schenken. Das ich meine Zeit an dir vergeude war eine Schande, ich würde mich am liebsten dafür umbringen."
Sie zuckte unwirrkürlich zusammen und sah dann auf den Boden. Die Show kaufte ich auch ihr nicht ab und ging weiter durch die Menge.
Plötzlich hörte ich mitten in meinen Schritten seine Stimme. Er schrie.
"CHARLY!" Logan. Ich drehte mich um und horchte weiter. Alle blicke ruhten auf mir.
"LAUF!" Plötzlich stürmten Wächter aus dem Schloss und blickten auf die Menge. Nach ein paar Sekunden merkte ich erst nach wem sie ausschau hielten. Und dann rannte ich. Einzelne Kinder wollten mich festhalten doch ich riss mich immer wieder los und rannte in Richtung Wald das an das Gelände des Schlosses grenzte.
Wieder hörte ich ihn schreien, jetzt näher denn je. "CHARLY"
Plötzlich packte mich etwas von hinten und ich fiel zu Boden. Dann fuchtelte ich wie wild um mich und kreischte.
"Halt ihr den Mund zu!" forderte einer. Darauf hin lag eine Hand über meinen Mund und ich riss die Augen auf. Vor mir standen mindestens 5 Wächter und einer von ihnen saß mit seinem ganzen Gewicht auf meinen Beinen. Er hielt mir auch den Mund zu.
Aber trotzdem versuchte ich mich zu wehren. Versuchte meine Beine zu lösen, aber das konnte natürlich nicht funktionieren.
Er war einfach zu stark.
"Wo willst du denn hin, kleine?" fragte der eine rhetorisch und beugte sich über mich.
"Schade...so talentiert und schon so verbogen..." murmelte er mir zugewandt und ich begann an zu zittern. Der Himmel wurde dunkler und die Sonne war gar nicht mehr zu sehen. Plötzlich fing es an zu regnen.
"Sag uns was du mit Logan zu tun hast." forderte er und drückte die Hand von meinem Mund nur leicht weg.
"Gar nichts" log ich. Dann schnellte seine Hand hervor und er gab mir eine Ohrfeige. Schnaubend drehte ich mich ihm wieder zu und schaute ihn missbilligend an.
"Sag uns...was du mit Logan zu tun hast" sagte er schroffer und wütender.
"Fahrt zur Hölle" murmelte ich leise und er wollte mir schon wieder eine Knallen als eine dunklere Stimme seine Tat unterbrach.

Impressum

Bildmaterialien: Cover ist selbstgemacht! Die Rechte gehören mir.
Tag der Veröffentlichung: 11.02.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch, allen, die Freude an dem ersten Teil des Buches gefunden haben. :)

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