Cover




Das alte Pflaster
Vom Efeu beranktes Haus
Ein Tor ist offen




Auf alten Pfaden




Warm, ein sanfter Wind, wenige Wolken und strahlender Sonnenschein.
Ein kurzer Blick aus dem Fenster über ihrem Bett verriet Roxanne, dass dieser Sommer einer der vermutlich wärmsten und schönsten der letzten Jahre werden würde. Als wollte er sie verhöhnen. Konnte nicht zumindest das Wetter etwas Verständnis für sie aufbringen, wenn es schon nicht ihre Familie konnte?
Ihre Familie und ihre Planung für den Verlauf der Ferien.
Fred hatte sich für ein paar Wochen frei genommen und verbrachte einen Teil der Zeit im Haus seiner Kindheit. Dies löste, wohl neben dem guten Wetter, bei ihrer Mutter Angelina eine, in Roxannes Augen, ungesunde Euphorie aus. Sie plante unermüdlich Ausflüge und sogar einen gemeinsamen Urlaub. Die Begeisterung der restlichen Familie hielt sich kollektiv in Grenzen, aber auch wenn vieles nicht klappen wollte, gab Angelina nicht auf.
Ebenfalls schienen die Freunde von Roxanne von einem ihr lästigen Tatendrang gepackt worden zu sein.
Auf der Fensterbank lag noch die Einladung ihrer besten Freundin Zoey zu einer Party, die am Wochenende im Haus von Pucey stattfinden sollte. Den Erzählungen nach wurde viel von besagter Feier erwartet.
Das Anwesen von Pucey lieferte für jeden Geschmack etwas. Der Salon wurde zur Bar umfunktioniert, in der großen Eingangshalle bot sich die Möglichkeit zu guter Musik zu tanzen und auf der Terrasse gab es die sommerliche Poolparty mit allem was dazugehörte.
Man versprach sich das

Sommererlebnis und normalerweise waren es gerade diese Events, auf denen Roxanne im Sommer anzutreffen war. Doch diesmal würde sie die Erwartungen ihrer Freunde enttäuschen müssen.
Ihr war nicht nach Ferien, Urlaub, Partys. Nichts davon konnte sie im Augenblick begeistern.
Roxanne verzog das Gesicht, als das Licht der Sonne sie leicht blendete und wandte sich daraufhin ab, um dem Sonnenschein die kalte Schulter zu zeigen.
Sie wollte nichts weiter als ihre Ruhe. Ruhe von allem! Das Verständnis dafür war gering.
Wie sehr sie auch versuchte sich zu drücken, wurde sie doch immer wieder in die Versuche ihrer Mutter, die Familie für gemeinsame Aktivitäten zu erwärmen, hineingezogen und musste ihre Meinung ebenfalls kundgeben. Diese fiel, ihrer Laune entsprechend, grundlegend negativ aus.
„Jetzt ist es auch zu spät, einen auf heile Familie zu machen“, hatte die Dunkelhaarige ihrer Mutter an den Kopf geworfen.
Ob sie es ehrlich meinte, wusste Roxanne nicht so ganz. Jedoch hatte sie ihre Mutter damit hart getroffen, was ihr selbst Stiche verursachte. Allerdings war sie bis jetzt nicht mehr darauf eingegangen und hatte sich demnach noch nicht für ihr Verhalten entschuldigt.
Abzuschrecken schien es ihre Eltern allerdings nicht, denn wenn sie nicht gerade alle zusammen irgendetwas planten, was am Ende eh nicht umgesetzt würde, dann suchte einer von ihnen sie in ihrem Zimmer auf. Wollte reden. Zu blöd nur, dass Roxanne dieses Bedürfnis nicht teilte. Es war anstrengend, denn keiner wollte nachgeben. Stur, wie es sich für einen Weasley eben gehörte.
Ihre Eltern schienen nicht begreifen zu wollen, dass sie mit ihnen nicht reden wollte. Dabei erzählte Roxanne ihnen schon seit langem, sehr langem nur noch sehr wenig. Von ihrer Zeit in Hogwarts wussten sie gerade das Nötigste und auch nur das, worüber sie sich nicht aufregen würden. Das konnte ihnen doch nicht ernsthaft entgangen sein, dachte Roxanne.
Alles begann mit ihrer Zuteilung in das Haus Slytherin. Damit hatte sich alles verändert. Oder vielleicht auch nur hervorgeholt, was immer schon da war? Jedenfalls war aus der vorlauten kleinen Weasley, die auch gerne einmal handgreiflich wurde eine listige Dame, die mit Worten und ihren Reizen umzugehen wusste - und das geschickt. Sie schien immer zu bekommen, was sie wollte.
Und mit ihrer persönlichen Veränderung, wechselten auch die Menschen mit denen sie Umgang pflegte.
Neben ihrem Cousin Albus, der zu Anfang ihr einziger Halt war, wurde Zoey Zabini schnell ihre beste Freundin. Sie waren im selben Jahrgang und teilten sich ihr Zimmer bei den Slytherins. Durch sie lernte sie schnell viele Leute kennen, von denen sie vermutlich, wäre sie in einem anderen Haus gelandet, wenig Notiz genommen hätte.
Dazu gehörte, unter anderen, Scorpius Malfoy, was ihren Eltern sicher einen Schock bereitet hätte, wenn ihre Herzen nicht schon stehen geblieben waren, als sie als einzige Weasley nach Slytherin gekommen war. Dass sie den blonden Slytherin, neben Zoey und ihrem Cousin Albus, zu ihren besten Freunden zählte, war eines der Dinge, die Roxanne lieber für sich behielt.
Ihr nächstes Schuljahr versprach nun, wo Albus und Scorpius ihren Abschluss gemacht hatten, reichlich trist zu werden. Ein weiterer Gedanke der ihre Stimmung in den Keller sinken ließ. Auf der Party bei Pucey würde sie Albus und Scorpius vermutlich noch einmal sehen können, bevor sie ihre Weltreise antreten würden, die sie schon während ihres letzten Schuljahres in Hogwarts zu planen begonnen hatten.
Wenn sie sich ihr Zimmer besah, mit den Gedanken bei der Fürsorge ihrer Familie, würde die Slytherin auch gerne weit weg, denn sie fürchtete, dass sie alles hier früher oder später erdrücken würde. In diesen Momenten, wo sich Roxanne dessen Bewusst wurde, wollte sie am liebsten sofort so schnell wie möglich ausbrechen und verschwinden. ‚Zu Scorpius‘ war stets ihr erster Gedanke. Er stellte nie unangenehme Fragen. Verstand ohne Worte.
Jedoch verwarf sie diesen Gedanken jedes Mal genau so schnell wie er gekommen war. Auch wenn der junge Malfoy das Gegenteil behaupten würde, hätte er im Moment wohl keinen Kopf für eine verzweifelte Slytherin. Sie machte ihm deshalb keinen Vorwurf.
Ein weiteres Mal glitt ihr Blick argwöhnisch zum Fenster, als hätte sie die Hoffnung, dass sich in den letzten fünf Minuten irgendetwas am Wetter getan haben könnte. Natürlich konnte sie das nicht erwarten. Warum auch? War es sogar noch schöner und heller geworden?
Frustriert entschied sich das Mädchen, der Sonne einfach zu verwehren, in ihr Zimmer einzudringen. Auf ihre runden Kissen ihres Bettes gestützt, griff sie nach den schwarzen Vorhängen und zog sie zu. Nur sehr schwer konnten sich die Sonnenstrahlen durch den dicken Vorhängestoff kämpfen.
Träge sank sie wieder auf ihr großes halbrundes Bett und sah über Kopf durch den Raum, der ihrer war. Wieder, wie schon die letzten Tage, überkam Roxanne eine Unlust, die sie an ihr Bett zu fesseln schien. Die Lust ihr Zimmer zu verlassen war so gering, dass sie sich für den Tag wohl nur, wenn zwingend notwendig war, auf die Beine schwingen würde.
Normal war das schon lange nicht mehr. Roxanne war, trotz ihrer Entwicklung, schon immer ein lebhaftes Mädchen und liebte es, wenn etwas los war. Stets war sie auf Achse. Überall dabei, überall im Mittelpunkt mit ihrer Ausstrahlung, von der nicht mehr viel übrig geblieben war.
Aber es war ihr egal geworden. Einfach nur egal.
Für einen Moment schloss die Weasley ihre brennenden Augen. Dabei drückte sich die Stille, die sie umgab schmerzhaft auf ihre Ohren. Vom Flur her vernahm sie dumpfes Gepolter. Jemand schien die Treppe eilig hinter sich lassen zu wollen. Es kam wohl Besuch.

Bedächtig klopfte Louis sich den Ruß von seiner Jeansjacke und sah sich abwesend in der, allzu bekannten, gemütlichen Wohnstube um. Da standen die kleine Couch und der Sessel, der Tisch und das Regal voller kleiner magischer und nichtmagischer Gegenstände. Alles wie immer.
Während sein Blick die gerahmten Bilder an der Wand fixierte, stolperte hinter ihm seine ältere Schwester durch den Kamin und richtete etwas zerstreut die Brille auf ihrer Nase. Flohen machte sie immer etwas orientierungslos.
In der Zeit, die sie sich zu fangen versuchte, betrat ihr Onkel George das Wohnzimmer, schien erst etwas überrascht dann aber hellauf begeistert. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ging er auf sie zu und begrüßte sie herzlich.
„Dome. Louis. Wir hatten noch nicht mit euch gerechnet, aber schön das ihr hier seid.“
Louis schnappte kurz nach Luft, als ihm der rothaarige Mann kräftig auf den Rücken klopfte. Er würde sich wohl nie an diese kräftigen Begrüßungen gewöhnen, hatte er es bis jetzt noch nicht geschafft. Ihre Tante trat hinzu, ebenfalls überrascht, die Beiden schon begrüßen zu dürfen.
„Wir dachten, ihr würdet etwas später kommen“, gestand sie, während sie zuerst Dominique und anschließend Louis in die Arme schloss.
„Ja. Es war auch von uns anders geplant.“
Kurz huschte der Blick des Blonden zu seiner Schwester, die sich nun wieder komplett gerichtet hatte. Auf ihren Wangen war ein zartes Rosa zu erkennen, während sie sich ebenfalls für ihr verfrühtes Kommen entschuldigte.
Dieser Besuch war der Wunsch seiner Schwester gewesen und auf ihr Bitten hin, war er mitgekommen. Vermutlich würde sie es niemals offen zugeben, aber er, als ihr Bruder, wusste, dass Dominique dieser Besuch etwas schwer fiel. Und das, obwohl sie beide einen Teil ihrer Kindheit hier verbracht hatten. Aber genau so wie er wusste, dass es ihr schwer fiel, wusste er auch warum. Dominique hatte nie offen mit ihm darüber gesprochen, aber das brauchte sie auch nicht.
Wenige Minuten später betrat der Grund auch schon den Raum und man konnte es der Halbfranzösin an der Nasenspitze ansehen.
„Hey, Dome! Louis! Apparierprüfung nicht bestanden oder wieso kommt ihr immer noch durch den Kamin?“
„Ich zieh‘ Flohpulver einfach nur vor“, quittierte der Jüngste die kleine Neckerei schlicht. Ganz anders als seine ältere Schwester.
„Nicht jeder muss gleich für alle paar Meter, die man, ganz Mugglemanier, auch laufen könnte, den Zauberstab bemühen.“
„Das gäbe eine Menge enttäuschter Gesichter, wenn ich damit aufhören würde. Dann gibt’s nämlich keine spontanen Überraschungsbesuche mehr.“
Völliges Schweigen einer versteinerten Dominique. Fred grinste zufrieden.
Nach den ersten Begrüßungen gingen die fünf Weasleys gemeinsam in die anliegende Küche, um sich dort an den Tisch in der Sitzecke zu setzen und einen Tee zu trinken. Es war noch gedeckt vom Frühstück und seltsamerweise war ein Platz mit Geschirr eindeutig unberührt.
„Was macht Roxanne?“, erkundigte sich Louis sogleich bei seiner Tante.
Rechts am Fenster, das war schon immer der Platz von Roxanne. Dass sie nicht beim Frühstück und nicht im Wohnzimmer gewesen war, um den Besuch zu begrüßen, war nicht unüblich. Sie war eine Langschläferin und machte gerne einmal die Nacht zum Tag.
Jedoch der sorgenvolle Blick Angelinas und der fehlende Schalk in den Gesichtern von George und Fred ließ das Geschwisterpaar die Stirn runzeln.
„Sie ist oben in ihrem Zimmer“, gab ihre Tante schließlich Auskunft.
Das klang doch eigentlich gar nicht so besorgniserregend, wie Louis fand und fragte ganz üblich nach.
„Schläft sie noch?“
„Ich denke nicht“, entgegnete Fred mit einem Schulterzucken.
Kurz tauschten Dominique und Louis über die sehr seltsame Situation einen verwirrten Blick aus.
Es war schon öfter vorgekommen, dass dicke Luft im Haus geherrscht hatte. Sei es, weil Fred über die Stränge geschlagen hatte, weil Roxanne sich nicht an ihre Ausgangssperren hielt oder weil George seine Beiden Kinder zu gewagten Abenteuern ermutigte.
Diesmal war es jedoch anders. Die Stimmung war unangenehm drückend.
„Ist etwas passiert?“, wagte Dominique zu fragen und nun war es an den Gastgebern kurze Blicke zu tauschen.
„Wissen wir nicht so richtig“, antwortete Fred etwas ratlos.
Selten war Fred Weasley ratlos.
„Sie redet nicht mit uns. Aber es muss irgendwas passiert sein. Roxy benimmt sich ganz seltsam. Trifft sich nicht mit ihren Freunden, hockt die ganze Zeit im Zimmer und isst kaum“, erklärte nun Angelina.
„Ihr Aussehen scheint ihr auch ziemlich schnuppe geworden zu sein“, merkte Fred an.
So etwas passte absolut nicht in das Bild, das man von Roxanne Weasley hatte.
Die kleine Familie schien aber über die Gründe für das Verhalte ihres Sorgenkindes nur spekulieren zu können. Dass nicht einmal Fred als ihr Bruder etwas aus ihr rauskitzeln konnte, erklärte doch die Sorge und den Ernst der Lage. Ihrem Bruder vertraute sie sich doch meist an.
„Aber da sie schon am Bahnhof so komisch gewesen war, muss vor den Ferien etwas vorgefallen sein.“
„Was soll in den Ferien auch passiert sein? Sie kommt doch schon die ganze Zeit kaum aus dem Zimmer“, richtete der Sohn das Wort an seinen Vater.
Damit war alles gesagt, was die kleine Familie über das Verhalten ihrer Jüngsten wusste.
Fünf Paar Augen blickten einander an und es blieb still.
Ganz leise ertönte das Geräusch einer knarzenden Tür und die Aufmerksamkeit der fünf Weasleys konzentrierte sich auf die Treppe aus deren Richtung das Geräusch kam. Dumpfe Schritte ertönten auf den Stufen und Roxanne trat in die Küche.
Den Blick gesenkt und ziemlich müde schlurfte sie durch den Raum, nuschelte ein „Morg’n“ und griff sich ein Croissant und einer Flasche Wasser, bevor sie wieder die Treppe raufkroch und einzig das leise Klicken einer Tür, die ins Schloss fiel, zu hören war.
Dominique und Louis starrten beide ungeniert zum Treppenabsatz, auf dem Roxanne – oder besser das, was von der stolzen Slytherin übrig geblieben war – aufgetaucht war.
„Jetzt habt ihr’s ja selbst gesehen“, seufzte Fred, der sich zurücklehnte.
„Merlin, sie sieht mehr tot als lebendig aus.“
Da konnte Louis seiner Schwester zustimmen. Roxanne schien nur noch ein Schatten ihrer selbst zu sein und es war beängstigend. Diese Erscheinung seiner Cousine hatte ihm wirklich Angst eingejagt.
„Und sie redet nicht darüber?“, fragte er trocken.
„Sie ignoriert dezent wirklich jede Frage oder Anspielung. Man ist Luft.“
Freds Aussage zeigte dass es keine Möglichkeit zu geben schien, sie zum Reden zu bringen. Sie wollte es wohl lieber vor allen verschlossen halten. Aber das war doch schon öfter vorgekommen? Es hatte nur nie solche Auswirkungen mit sich geführt. Wichtiger denn je schien es Louis, dass Roxanne ihre Probleme nicht zu Geheimnissen machen sollte.
Der blonde Weasley erhob sich langsam und sogleich ruhten vier Paar Augen auf ihm.
„Ich geh kurz auf… Klo.“
Den Blick schon auf der Treppe heftend stieg er diese empor auf den Flur zu, von dem fünf Türen abgingen. Er legte eine Hand auf die Klinke zum Bad als er das Gefühl hatte etwas im Nacken zu spüren. Etwas Unangenehmes. Kurz blickte er hinter sich, dann den Gang wieder ein Stück zurück. Dort war die Tür zu Roxannes Zimmer.
Louis konnte schlecht leugnen, dass er das starke Bedürfnis hatte nach seiner Cousine zu sehen. Dass sie nicht mal mit Fred redete, der ihr immer ein guter Bruder gewesen war, nahm ihm zwar einen Teil der Hoffnung, aber es gab etwas, von dem er wusste, was keiner wusste. Keiner, außer ihm und Roxanne. Außerdem war er ganz gut mit ihrem Leben in Hogwarts vertraut, da sie im gleichen Jahrgang waren.
Kurz wägte der Halbfranzose noch einmal seine Chancen ab, als er dann endlich der Badezimmertür den Rücken zu wandte - es war von Anfang an eine schlechte Ausrede gewesen - und auf das Zimmer der Slytherin zusteuerte.
Hinter der Tür war es dunkel, da die Vorhänge immer noch tapfer das Sonnenlicht draußen hielten. Roxanne hockte in einer Ecke ihres Bettes und stierte mit leerem Blick auf ihren flaumigen Teppich.
„Roxanne?“
„Hm?“
Das Mädchen hatte gleich bemerkt, dass jemand den Raum betreten hatte, aber sich nicht die Mühe gemacht aufzuschauen. Dass sie nun die Stimme von ihrem Cousin Louis vernahm, ließ sie doch etwas erstaunt zu ihm rüber schielen.
„Was gibt’s, Louis?“
Dem Weasleymädchen war klar, was der Blonde hier machte. Wie seine Eltern und ihr Bruder vor ihm, wollte er versuchen aus ihr heraus zu bekommen, was mit ihr los war.
„Du bist nicht in Form“, stellte der Ravenclaw nüchtern fest, doch es traf die Tatsachen nicht einmal im Ansatz.
Seine Cousine, die ihr Aussehen als wertvolles Gut gesehen hatte und deshalb immer auf ein gepflegtes Äußeres achtgegeben hatte, hockte da in Shirt und Jogginghose, die ihr beide viel zu groß waren. Die Sachen hätten von Fred stammen können. Das Gesicht verschlafen, die Augen etwas verquollen und die Haare völlig strubbelig. Früher hatte Roxanne darüber immer geflucht.
„Und wenn schon. Nicht jeder kann nach dem Aufstehen wie aus dem Ei gepellt aussehen“, brummte sie ihn an.
Roxanne konnte nicht sehen, dass sie für diese Bemerkung ein sanftes Lächeln von Louis geschenkt bekam.
„So kann ich aber nicht mit dir raus. Du würdest mich hassen, wenn dich irgendjemand, wegen mir, so sieht.“
„Wer sagt, dass ich mit dir raus will?“
„Früher waren wir viel zusammen draußen.“
„Früher ist etwas länger her, Louis. Es dürfte dir nicht entgangen sein, dass sich einiges geändert hat. Du hast dich auch nicht mehr blicken lassen.“
Es war eine Anklage und Roxanne wusste nicht, wieso sie diese äußerte. Wie zuvor schon bei ihrer Mutter, waren die Worte einfach über ihre Zunge gerollt, ohne dass sie darauf Einfluss hatte. Dabei scherte sie Louis längst nicht mehr. Er war ein Verwandter, davon hatte sie genug.
Louis widersprach ihr allerdings nicht und blickte sie seltsam mitfühlend an. Es stimmte schon und es tat ihm leid. Vor Hogwarts hatten Roxanne, Dominique, Fred und er immer viele Wochenenden miteinander verbracht. Nachdem Fred und Dominique eingeschult worden waren, wurde aus dem Quartett ein Duo, aber das war den Jüngeren nur Recht. Sie waren etwas wie beste Freunde gewesen. Der sprechende Hut steckte sie in Hogwarts dann zu verschiedenen Häusern und brach so auch die unschuldigen Bande und sie hatten nicht einmal versucht, es zu verhindern. Eigentlich traurig.
„Es muss nicht so bleiben.“
„Ich muss es nicht ändern wollen, nur weil du es willst“, entgegnete sie bockig.
Etwas zweifelnd zeigte sich eine Sorgenfalte auf der Stirn von Louis, aber was hatte er auch erwartet? Wenn es so einfach wäre, hätte Fred längst alles aus ihr heraus bekommen. Er konnte sie natürlich schlecht zu irgendetwas zwingen, aber nachgeben kam sicher nicht in Frage. Letztendlich war auch er ein Weasley und hatte deren Hartnäckigkeit.
Der blonde Junge ging durch das Zimmer seiner Cousine, die ihn mit den Augen, die wie Bernstein funkelten, folgte und zog den Schreibtischstuhl zu ihrem Bett, um sich ihr gegenüber zu setzen. Einen Augenblick sahen sie sich schweigend an, bis Louis die Stille mit einer simplen Frage durchbrach:
„Bist du sauer auf mich?“
Die Frage kam vollkommen unerwartet und hinterließ bei Roxanne leichte Verwirrung, wodurch, die finstere Aura um der Weasley zerstreut wurde. Eine kleine Verbesserung der Situation.
„Nein“, antworte Roxanne schlicht, bevor sie überhaupt drüber nachdenken konnte.
Ein Lächeln schlich sich wieder auf die Lippen des Blonden.
„Dann gibt es doch keinen Grund so abweisend zu mir zu sein.“
Keine Zustimmung seitens der Slytherin.
„Wie geht es Zoey?“, wechselte er abrupt das Thema und wieder sah Roxanne ihn darüber verwirrt an.
„Ich denke, gut.“
„Du denkst? Ist sie nicht deine beste Freundin?“
„Doch, genau das ist sie, aber welchen Grund hast du, dass es dich interessiert?“
Damit hoffte die Dunkelhaarige, ihren Gegenüber erst einmal Mundtot gemacht zu haben, aber davon war sie weit entfernt.
„Oh. Sie war letztes Schuljahr sehr freundlich. Deshalb“, entgegnete er ihr ganz unschuldig.
Mit rollenden Augen erinnerte sich Roxanne. Freundlich war gar kein Ausdruck. Nachdem Zoey für sich entschieden hatte, dass Roxannes Cousin ja wirklich eine ausgesprochen gute Partie war, hatte sie sich fast vor Nettigkeit überschlagen. Fest hatte sie sich vorgenommen sein Herz zu erobern, aber wie Roxanne es sich hatte denken können, gingen die Seifenblasenträume nicht in Erfüllung. Wie auch die von vielen anderen Mädchen nicht, die dem Ravenclaw erlegen waren.
Für die Slytherin war es keine Überraschung. Kannte sie Louis doch schon ihr halbes Leben lang. Immer war er zu allen nett und zuvorkommend. Niemand bekam eine Vorzugsbehandlung, auch wenn es sich einige einbildeten.
„Du bist doch selbst zu allen freundlich. Da ist es doch kein Wunder, wenn sie auch freundlich zu dir sind.“
Diese Behauptung tat der Weasleyjunge nur mit einem Schulterzucken ab und Roxanne fragte sich, ob er ehrlich nicht verstand, wie es um die Herzen der meisten Mädchen in Hogwarts stand. Sollte man nicht als Ravenclaw ein bisschen Verstand besitzen?
„Ungeübter Veela-Charme trägt seinen Teil dazu bei.“
„Oh bitte“, stöhnte die Dunkelhaarige genervt.
Veela-Charme! Ihre Tante Fleur hatte ihn, jedoch schien sich diese Erbanlage in der vierten Generation doch langsam zu verflüchtigen.
Es ließ sich zwar nicht bestreiten, dass Victoire und Louis und auch Dominique, wenn sie sich mal Mühe geben würde, ausgesprochen hübsch waren, aber das hatte wenig von Veela-Charme. Onkel Bill sollte auch gut ausgesehen haben, vor seiner Begegnung mit dem Werwolf Greyback. Es war kein Veela-Charme nötig, um gut auszusehen. Sie selbst sollte doch Beispiel genug sein! Vielleicht nicht grade in diesem Moment, aber im Grunde…
Bei diesem Gedanken strich sich das Weasleymädchen unwohl durch das Haar. Es stand wohl in alle Richtungen ab. Eine ordentliche Kur wäre nötig, um das wieder hinzubiegen. Louis beobachtete diese Geste sehr interessiert.
„Roxanne-“, begann er vorsichtig und suchte ihren Blick, „lass uns raus gehen. Komm.“
Zu ihrem Pech hatte die Slytherin leider einen kurzen Moment zu spät geschaltet und so war sie dem flehenden Blick des Blonden gnadenlos auf den Leim gegangen. Es viel einem schwer, nein zu sagen, wenn Louis so schaute. Es war gar keine Option! Die Slytherin konnte nie recht sagen, ob er es bewusst machte oder wirklich so unschuldig dabei war, wie er tat.
Während er so schaute rang sie mit sich.
„Ich…sieh mich an. Das kann was dauern.“
„Dome und ich sind grade erst gekommen. So eilig haben wir es nicht.“
Als hätte sie etwas unglaublich bitteres gegessen verzog Roxanne das Gesicht. Er würde wirklich nicht locker lassen, da war sie sich sicher. Was auch immer er damit bezwecken wollte.
„Na schön. Dann raus, ich mach mich fertig“, gab sie klein bei und schnaubte verächtlich.
Das sie nach all den Jahren, die sie ihn kannte, bei dieser Masche weich wurde. Vielleicht doch ein kleiner Hauch von Veela-Charme?
Als kleinen Trost schenkte er ihr ein liebevolles Lächeln.
„Gut, ich warte unten.“
Louis raffte sich aus dem Stuhl auf, schob ihn zurück an seinen angestammten Platz und verließ das Zimmer wieder. Roxanne sah noch einen Moment auf die Tür die er langsam hinter sich zuzog und hing ihren Gedanken nach.
Sie verstand beim besten Willen nicht, was er sich dachte. Wieso wollte er unbedingt mit ihr raus? Das schöne Wetter genießen? Das konnte er schön alleine, das würde er schnell merken.
Trotzdem kroch sie schließlich aus der Ecke ihres Bettes und stand auf.

Die Blicke der Familie waren, als hätten sie sich nie abgewandt, neugierig auf Louis gerichtet, als er wieder die Treppe runter kam und sich auf den Platz setzte, den er zuvor verlassen hatte.
„Du warst bei ihr, oder?“, war es Fred, der den Gedanken aller aussprach.
„Ja, schon.“
Der Neugier in ihren Blicken kam Erwartung hinzu und der Ravenclaw fühlte sich auf einmal nicht mehr ganz so wohl in seiner Haut. Sie erwarteten doch nun hoffentlich nicht, dass er das Problem binnen weniger Minuten gelöst hatte?
„Ich geh gleich mit ihr etwas raus“, erklärte er und hoffte, dass es keine weiteren Fragen geben würde.
Den Drang dazu sah er seiner Tante schon an, also griff er nach dem Tee, der inzwischen für ihn bereit stand, um irgendwie zu symbolisieren, dass er nun nicht sprechen mochte und nippte unentwegt daran. Gedanklich schon auf ihrem Weg blickte der blonde Junge regelmäßig zur Treppe. Onkel George verließ die kleine Teegesellschaft, um sich an seine Arbeit zu setzen, die er mit nach Hause gebracht hatte und ihre Tante kümmerte sich darum den immer noch gedeckten Tisch abzuräumen. Dominique, die zu Erst ihre Hilfe angeboten hatte, blieb schlussendlich sitzen und unterhielt sich mit Fred. Zaghaft, fast als wollte sie nicht, dass jemand zuhörte. Louis konzentrierte sich somit umso mehr auf die Treppe.
Es kam ihm vor, als wäre eine halbe Ewigkeit vergangen als er Roxanne endlich die Treppe runterkommen sah und zur Erleichterung aller, mit einem der eigentlichen Roxanne Weasley näheren Erscheinungsbild. Er stand stillschweigend auf, warf seiner Schwester einen kurzen Blick zu und trat dann mit Roxanne zur Gartentür raus.
„Was er wohl vorhat?“, murmelte die ehemalige Ravenclaw am Tisch und sah ihrem keinen Bruder nach.
„Egal, ich bin gespannt, ob es funktioniert“, entgegnete ihr gegenüber mit einem matten Grinsen.

Louis war das Warten zwar schwer gefallen, aber letztendlich erleichterte es ihn, dass Roxanne sich zumindest etwas raus geputzt hatte, wie sie es sonst tat. Sicher konnte er es nicht sagen, aber er ging davon aus, dass sie sich schon Gedanken gemacht hatte.
Sie hatte die Hände in die Hosentaschen ihrer Röhrenjeans gesteckt und den Blick auf die Schuhspitzen ihrer Wildlederstiefel gerichtet. So richtig verstand die Slytherin nicht, wieso sie Louis Bitte nachgekommen war. Sein flehender Dackelblick, okay, aber wenn sie ehrlich war und einmal ganz tief in sich hineinhorchte, war sie auch ein klein wenig neugierig. Ein erster Schritt aus ihrer erst kürzlich gewonnenen Gleichgültigkeit heraus.
Louis öffnete das Gartentor und gab ihr, ganz Gentleman, den Vortritt. Wo wollte er mit ihr wohl hin?
„Es ist ziemlich warm. Wieso trägst du einen Schal?“
„Das nennt man Mode-Accessoire“, rechtfertigte sich die Dunkelhaarige und richtete das dünne Stück Stoff um ihren Hals.
Mit mäßigen Schritten gingen sie den Weg entlang, der von dem Haus der Weasleys wegführte. Es ging wohl ins kleine Städtchen, steuerten sie doch geradewegs darauf zu.
„Gibt es den kleinen Süßwarenladen noch?“
„Kann sein. Ich denke, ja.“
Er wollte Süßigkeiten kaufen? Dafür hätte sie ja wohl nicht mitgemusst.
Sie gingen weiter. Dadurch, dass Ferien waren, begegnete man vielen lachenden und spielenden Kindern, die das schöne Wetter genossen. Der kleine Laden DreamySweets

, in dem es ausschließlich Süßigkeiten zu kaufen gab, war gut besucht von den Kindern. Sie liebten das Naschwerk, das die ältere Dame verkaufte und ließen meist ihr ganzes Taschengeld hier.
Mit ihren 17 Jahren hoben Louis und Roxanne nicht nur das Durchschnittsalter der zahlenden Kundschaft, sondern überragten alle zusätzlich noch um mindestens einen Kopf. Noch mehr konnte man in diesem Geschäft nicht auffallen.
Der Ravenclaw reichte gerade einem kleineren Mädchen eine Tüte mit Fruchtgummis, die auf einen der höheren Regale lag, während seine Cousine den Blick schweifen ließ. Sie war lang nicht mehr hier gewesen. Früher war sie oft in diesen Laden gekommen, um sich von ihrem Taschengeld zu erleichtern und hatte alles mit ihrem Bruder und ihren Cousins und Cousinen geteilt, wenn sie da waren.
Als hätte Louis in diesem Moment ihre Gedanken gelesen, meinte er zu ihr: „Wir waren früher oft hier. Fast jeden Tag.“
„Stimmt“, entgegnete ihm Roxanne knapp und sah gelangweilt zu, wie drei kleine Jungs offenbar große Probleme dabei hatten, sich für die richtige Süßigkeit zu entscheiden.
„Diese Karamellbonbons“, die Slytherin schenkte nun ihrem Cousin ihre Aufmerksamkeit, „die hast du dir immer geholt. Und zu Weihnachten gab es auch immer welche davon. Darüber hast du dich fast am meisten gefreut.“
Einen Moment ruhte der Blick der Weasley auf dem Regal, in dem die Bonbons ausgestellt waren, zuckte jedoch lediglich teilnahmslos mit den Schultern.
„Kann schon sein.“
Es stimmte, was er sagt. Diese süßen Karamellbonbons hatte sie sich immer genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Roxanne fragte sich augenblicklich, ob diese kleinen einfachen Bonbons immer noch diese kindliche Wirkung auf sie haben würden, wenn sie jetzt welche essen würde.
Louis hatte sich in der Zeit bei der Schokolade umgesehen und eine Tafel, die mit Erdbeeren verfeinert war, zur Hand genommen.
„Dome mag die.“
„Ich weiß.“
Mit einer kleinen Tüte voller Leckereien verließen die Beiden das kleine Geschäft wieder und setzten ihren Weg fort, zu Roxannes Verwunderung weiter durch das Städtchen. Louis schien also noch andere Ziele zu haben.
Die Slytherin behielt Recht und sie schien langsam den Hintergedanken zu erkennen, der den Blonden antrieb. Die Orte bei denen sie halt machten, waren mit vielen Erinnerungen aus der Kindheit verbunden.
Der kleine Spielplatz. Dominique und Roxanne hatten dort immer zusammen auf den Schaukeln gesessen und geschaut, wer höher kam. Manchmal hatten Louis und Fred sie auch an geschubst oder sie haben sich gleich zu zweit auf eine Schaukel gequetscht.
Die Schaufenster des alten Spielzeuggeschäfts. Davor hatten sie besonders zur Weihnachtszeit immer gestanden, dass man schon befürchten konnte, sie seien festgefroren. Das viele Spielzeug und die leuchtende Dekoration hatten etwas Magisches.
Nun waren sie auf den Weg in den angrenzenden Park. Er war eigentlich nicht sonderlich groß, aber als Kinder schien er für sie unendlich gewesen zu sein. Ein kleiner Bach zog sich hindurch und sie überquerten gerade die kleine Holzbrücke.
„Komm hier entlang.“
Louis deutete nach links, als sie gerade von der Brücke herunter waren, zwischen den Bäumen am Ufer des Baches entlang. Die langen Äste waren dicht behangen mit Laub und schwächelten etwas unter der Last, sodass die Astspitzen fast bis ins Wasser ragten. So wirkte es, als würden sie unter dem Laubdach einen Tunnel entlang schleichen. Am Ende angelangt traten sie auf ungepflegten Boden. Hier gab es keine schönen Wege, die einen in die richtige Richtung wiesen.
„Hier haben wir oft verstecken gespielt“, erinnerte sich Louis lächelnd.
„Jaah. Manchmal schon.“
Die dunklen Haare des Mädchens fielen ihr geschmeidig über die Schultern, während ihr Blick zu Boden gerichtet war, um darauf zu achten, wohin sie trat. So bemerkte sie nicht, dass Louis sie von der Seite eingehend musterte.
Es war nicht so, dass der Ravenclaw einfach so ohne Grund von dem einen Ort ihrer Kindheit zum nächsten ging. Er hoffte sehr, das Interesse von Roxanne zu wecken, für das, was er vorhatte.
Sie war nach wie vor sehr einsilbig, schien nicht interessiert an einem Gespräch zu sein, aber trotzdem war da etwas, das hatte er gemerkt. Egal, wie gelangweilt oder genervt sie sich auch gab, in ihr arbeitete es. Sie dachte nach, überlegte, erinnerte sich und das war gut. Das war es, was er wollte.
„Louis, wohin soll es denn jetzt noch gehen? Wir sind im hintersten Winkel. Hier gibt es nichts mehr.“
Roxanne klang leicht gereizt. Geduld war nicht immer ihre Stärke.
„Irrtum, liebe Cousine.“
Misstrauisch beäugte die Slytherin ihn.
„Was soll hier denn noch sein?“, fragte sie nun ungehalten.
Louis konnte ein leichtes Seufzen nicht unterdrücken. Sie zu verärgern war nicht seine Absicht gewesen.
„Vertrau mir doch einfach mal wieder, Roxy.“
Er griff etwas zögernd nach ihrer Hand und lächelte sie unsicher an. Als sie sich nicht wehrte, zog er sie bestimmend hinter sich her und schritt weiter durch das Unterholz.
Was der blonde Junge nicht wusste, war, dass er dem Weasleymädchen für einen Moment den Wind aus den Segeln genommen hatte. Louis hatte sie seit einer Ewigkeit nicht mehr Roxy genannt und was sollte diese vertraute Geste? Händchenhalten war so etwas von albern. Und das Lächeln? Dachte er, sie würde ihn schlagen? So etwas hatte sie nur einmal als Kind getan, als Lorcan Scamander sie geküsst hatte. Da war sie nun wirklich seit Ewigkeiten rausgewachsen.
Sie gingen weiter durch das unberührte Stück des Parks mit seinen vielen, eng aneinander gereihten Bäumen, die mit ihrem dichten Laub das Licht abfingen. Es war nicht dunkel oder bedrohlich. Viel mehr geschützt und geborgen. Eine in letzter Zeit ungewohnte Wärme stieg in Roxanne hoch und sie wusste noch nicht, ob sie es als angenehm empfinden sollte.
Der Weg wurde etwas steiler und sie brachten ein paar Hügel hinter sich. Vor ihnen erstreckte sich ein kleiner Steinbruch bewachsen mit Efeu. Die Umgebung schien ihr auf einmal irgendwie bekannt. Die Beiden gingen weiter darauf zu, bis sie direkt davor stehen blieben.
„Louis, hier-“, begann die Weasley, aber brachte den Satz nicht zu Ende.
Der Junge begann unweigerlich zu grinsen und zog sie weiter, die Wand dabei entlang tastend, bis sie leicht zwischen dem Efeu versank. Roxannes Augen weiteten sich leicht, als Louis sich zwischen ein paar Ranken hindurchzwängte und verschwand. Ohne wirklich eine Wahl zu haben folgte ihm das Mädchen und sie fand sich in einem kleinen Hohlraum, einer Spalte zwischen den Felswänden wieder. Es war nicht sehr hoch und so ging die Weasley leicht gebückt. Ihr Cousin hatte sich schon durchgeschlagen bis an eine Wand und saß an sie gelehnt, während er sie beobachtete.
„Bitte setz dich doch.“
Er deutete neben sich an die Wand, doch Roxanne rümpfte nur angewidert die Nase.
„Spinnst du? Das ist total dreckig hier. Das versaut mir die Klamotten.“
„Das bisschen Erde. Das hat dich früher auch nicht gestört, Roxy.“
Früher

war mir auch nicht klar, dass ich aussah, wie ein Kind aus der Gosse!“
„Wohl eher, wie ein Kind das Spaß hatte.“
Für diese Bemerkung strafte sie ihn mit einem bissigen Blick und er musste einsehen, dass sie sich unter diesen Umständen auf keinen Fall hinsetzen würde. Also zog er sich die Jacke aus, um sie für sie als Decke auf den Boden zu legen. Widerwillig kam die Slytherin der stummen Aufforderung nach, setzte sich und zog die Beine an ihren Körper ran. Es behagte ihr nicht, hier zu sitzen, aber trotzdem schaute sie neugierig.
Albern, wirklich albern kam sie sich hier in diesem dunklen Loch vor, wie sie da zusammengekauert hockte ohne überhaupt zu wissen, was sie hier sollte. Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas. Das machte Roxanne allerdings rasend und sie war kurz davor aufzustehen und wieder zu verschwinden, aber etwas ihr Unbekanntes hielt sie dazu an und mit der Zeit kehrte immer mehr Ruhe in sie ein.
Den Blick auf ihre Knie gerichtet versank sie in ihre Gedanken und ungewollt kamen so viele Dinge in ihr hoch, die sie einfach gerne vergessen würde. Denn rückgängig konnte man es nicht mehr machen, egal, wie sehr sie sich schämte oder es ihr leid tat.
„Du redest momentan nicht viel mit Zoey, oder?“
Es war keine wirkliche Frage. Louis hatte sich auf der Feier bei den Zabinis mit der Jüngsten unterhalten und ihr missfiel eindeutig das Fehlen ihrer besten Freundin. Roxanne schüttelte zur Bestätigung leicht den Kopf.
„Bist du irgendwie sauer auf Zoey?“, versuchte sich der Ravenclaw langsam heranzutasten.
Wieder nur ein schwächliches Schütteln des Kopfes. Louis atmete einmal tief durch.
Roxanne reagierte auf seine Fragen, das erleichterte ihn ungemein. Sie hätte ihn auch weiter abweisen können. Jedoch würde er nicht so einfach herausbekommen, was das Problem war, wenn sie zwar reagierte, aber nicht mit ihm sprach. Aber es war noch nie einfach gewesen aus Roxanne Weasley schlau zu werden.
„Nächstes Jahr machen wir schon unseren Abschluss. Bist du nervös?“
Ein drittes Mal schüttelte sie leicht den Kopf und Louis ging sich angestrengt nachdenkend durch das blonde Haar. Das wäre auch zu simpel gewesen. Außerdem hatte seine Cousine viel zu viel Selbstbewusstsein, um sich wegen solcher Dinge ernsthafte Sorgen zu machen.
„Al und Malfoy werden bald ihre Weltreise antreten, hab ich mitbekommen. Ein halbes Jahr wird es mindestens dauern, meinten sie, wenn sie sich nicht spontan umentscheiden, irgendwo länger zu bleiben.“
Keinerlei Reaktion, aber was erwartete er auch? Also plapperte er einfach weiter.
„Einige überlegen für sie etwas zum Abschied zu planen. Hast du nicht vor da mitzumachen? Du wirst die Beiden doch sicher vermissen.“
Klägliches Achselzucken.
„Wirst du sie vermissen?“, hakte er noch einmal nach.
Roxanne wandte den Blick von ihren Knien ab und sah in die klaren blauen Augen ihres Cousins.
„Was willst du hören, Louis? Das ich vor Trauer um die Beiden vergehe? Da halt lieber Rose das Taschentuch, wobei ich glaube, dass auch sie nicht so blöd ist. Die sind schneller wieder da, als uns lieb ist.“
„Was ist es dann, Roxy?“
Die Haltung des Mädchens verkrampfte sich bei der Frage augenblicklich und sie wandte sich wieder von ihm ab.
„Ist das dein Ernst?“
Immer noch sah sie ihn nicht an und der Ausdruck in ihrem Gesicht hatte sich verändert. Er war kühl geworden und abweisend.
„Für wen hältst du dich? Tauchst hier auf und spielst hier den treuen Freund. Deine charmante Prinzen-Nummer konnte ich noch nie leiden. Verschone mich damit!“
Die Schlange spuckte Gift, aber der Ravenclaw war nicht dumm und ließ sich darauf nicht ein.
„Und ich hab schon viel über die eiskalte Königin von Slytherin gehört, daher ist mir diese Abwehrreaktion nichts Neues.“
Ihr Kopf ruckte zu ihm rum und in ihren Augen glänze Spott.
„Wenn du so gut über mich Bescheid weißt, wieso stellst du dann so viele dumme Fragen?!“, zischte sie.
„Gerade weil ich dich kenne, muss ich diese Fragen stellen. Du lässt einen doch nichts erahnen“, entgegnete er gelassen.
Zu dem Spott in ihren Augen kam Unglaube und ein hämisches Lächeln hinzu.
„Aber du meinst trotzdem zu wissen, dass ich nicht meine, was ich sage?“
„Oh, nein. Ich glaub schon, dass dir diese ‚Prinzen-Nummer‘ wirklich nicht gefällt.“
„Aber?“, forschte sie nach und durchbohrte ihn nun beinahe mit ihren Blicken, bereit bei einem falsch gewählten Wort aufzustehen und zu verschwinden.
Einen kurzen Moment wurde es still, da Louis die stumme Warnung spürte und überlegte. Er war es vielleicht doch falsch angegangen und so seufzte er leicht.
„Aber du hast das nicht gesagt, weil es dich stört, sondern um vom eigentlichen Problem abzulenken“, offenbarte er seine Ahnungen und musterte seine Cousine mit wachsamem Auge.
In ihr begann es eindeutig zu arbeiten. Er hoffte, sie dachte nicht darüber nach, zu gehen und um ihrer Entscheidung zuvor zu kommen, sprach er einfach weiter.
„Roxy, wieso möchtest du nicht darüber reden?“
„Was geht es dich an? Wer bist du schon, du Möchte-gern-Prinz?“
Sie hatte nicht mit ihrer besten Freundin darüber gesprochen und nicht mit ihren Eltern. Selbst gegenüber Fred hat sie nichts gesagt. Darüber war Louis sich im Klaren und es war ihm auch bewusst, dass er mit keinen von ihnen auf einer Stufe stand.
„Du vertraust mir nicht richtig. Das verstehe ich. Schließlich haben wir in Hogwarts nicht viel miteinander zu tun.“
„Gar nichts!“, korrigierte sie ihn bissig.
„Das stimmt nicht.“
Mit ernster Miene unterband er ein weiteres Widerwort. Es war ungewohnt ihn so zu sehen. Man zweifelte oft daran, ob Louis überhaupt so etwas wie böse werden konnte.
„Roxanne, nur weil wir nicht mehr zusammen im Sandkasten spielen, heißt das nicht, dass du mir nicht wichtig bist. Ich-“
„Bitte, Louis, lass gut sein. Was willst du mir weismachen? Dass du immer ein Auge auf mich hattest, mich aus dem Hintergrund beschützt hast? Meinem Bruder, bevor er von der Schule gegangen ist, versprochen hast, für ihn auf mich acht zu geben?“
„Nein.“
„Dann danke für nichts!“
„Roxanne!“
Louis erhob zum ersten Mal, seitdem sie da zusammen saßen, die Stimme und es hatte den gewünschten Effekt. Roxanne sah ihn an, stumm und ein wenig erschüttert. Der junge Weasley atmete einmal durch und sah sie mit einem Funken Enttäuschung in den Augen an.
„Ich weiß, es ist nicht mehr so, wie damals, als wir noch oft miteinander gespielt haben. Aber was hab ich getan, dass du mir wirklich kein Vertrauen mehr entgegenbringen kannst? Ich bin immer noch dein Cousin und ich mache mir wirklich Sorgen. Es ist doch nicht normal, wie du dich verhältst.“
Sein durchdringender Blick behagte der Slytherin nicht und so wandte sie wieder ihren Blick von ihm ab und kämmte sich abwesend durchs Haar.
„Ich will niemandem mehr vertrauen.“
Ihre Stimme war ungewöhnlich ruhig bei diesen Worten.
„Niemanden?“, fragte Louis ungläubig und konnte einen gewissen spöttischen Unterton nicht verbergen.
„Das ist nicht dein Ernst.“
„Das ist

mein Ernst!“, spuckte sie ihm entgegen.
Der Blonde begriff schnell, dass er besser nicht zu leichtfertig mit dem umgehen sollte, was seine Cousine ihm sagte, wenn er sie schon zum Reden bewegen wollte.
„Aber niemanden vertrauen? Wie kommst du darauf?“
„Erfahrung“, versuchte sie ihn abzuspeisen.
„Okay, und mit wem hast du solch schlechte Erfahrungen gemacht?“
Wieder setzte Roxanne auf strenges Schweigen. Darüber leicht frustriert, strich sich der Ravenclaw durch sein blondes Haar und überlegte wie das weitergehen sollte.
Richtig einschätzen, wie ernst ihr die Sache wirklich war, konnte er nicht. Einfach so sagte sie es wohl kaum, aber den Hintergrund wollte sie ihm auch nicht erklären. Jedoch musste es einen geben, das war sicher.
„War das dann alles?“
Mit dieser Frage riss sie Louis aus seinen, sich im Kreis drehenden Gedanken. Ihre Haltung hatte sich wieder etwas entspannt und ihre Stimme klang teilnahmslos. Als er nicht antwortete und nur auf ihre Erscheinung starrte, schaute sie vom Boden auf in sein Gesicht.
„Können wir hier wieder weg? Es ist ungemütlich“, drückte sie sich etwas klarer aus, in dem Glauben, er habe sie nicht verstanden.
„Nein“, entwich es ihm ohne richtig darüber nachzudenken.
Jeder Troll hätte erkannt, dass dies nicht die Antwort war, die Roxanne hören wollte.
„Was willst du denn noch hier?“
Ihre nun ungehaltene Art würde es Louis nicht einfacher machen. Er regte sich leicht, setzte sich anders hin, damit ihm die Beine nicht einschliefen und sah zu dem kleinen Spalt durch den sich das Licht spärlich an dem Efeubehang vorbei kämpfte. Einen letzten Versuch wollte er wagen.
„Roxanne, erinnerst du dich an Domes Puppe Chloé?“
Ungewollt löste der Name dieser Puppe bei dem Weasleymädchen unangenehme Erinnerungen aus. Leider erinnerte sie sich viel zu lebhaft, versuchte es aber nicht nach außen hin durchblicken zu lassen. Mit einem schwachen Nicken beantwortete sie seine Frage.
„Du hast sie ihr mal weggenommen, als du sauer auf sie warst.“
„Ja, das war kindisch.“
„Na ja, du warst ja auch ein Kind.“
Stumm lächelten Beide. Heimlich.
„Dome hat geheult wie eine Sirene und Fred wurde unterstellt, er habe sie versteckt.“
Roxanne wurde schwer ums Herz, während Louis diese alte Geschichte aufwärmte. Damals hatten Dominique und sie einen kindischen Streit gehabt. Sie tobten und schrien sich an und am Ende hatte die Jüngere der Halbfranzösin heimlich ihre liebste Puppe geklaut und versteckt.
Nachdem Dominique das Verschwinden bemerkt und zu heulen begonnen hatte, war in der Slytherin das schlechte Gewissen gewachsen, aber auch die Angst etwas zu sagen, als ihr Bruder für ihre Schuld Ärger bekam.
„Da bist du weggelaufen.“
In Panik hatte sie sich aus dem Haus geschlichen, wegen des Ärgers der hageln würde, wenn rausgekommen wäre, dass sie es gewesen war.
„Und nach dem wir dich suchen gegangen sind, fand ich dich hier. Hier, wo wir uns oft vor Dome und Fred versteckt haben.“
An dieser Stelle war Roxannes Erinnerung etwas verblasst, aber nun, wo Louis es ihr erzählte, kam sie deutlich wieder. Damals hatte sie hier mit heran gezogenen Beinen gekauert, genau wie jetzt und er hatte sie gefunden und sich zu ihr gesetzt.
„Du hast mir unter Tränen gebeichtet, dass du Dome die Puppe weggenommen hast.“
„Ich hab nicht geheult“, protestierte die Slytherin sogleich, was ihren Cousin ein kleines Schmunzeln entlockte und einlenkte.
„Jedenfalls haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir Dome die Puppe zurückgeben können. Am Ende sah es so aus, als hätte meine Schwester sie nur verlegt.“
„Wenn unsere Eltern mal nicht den Braten gerochen haben.“
„Wer weiß. Denn wenn du dich erinnerst, wir haben keinen Ton darüber verloren, was wir damals hier besprochen haben.“
Die Blicke der Beiden trafen sich.
„Das... ja.“
Die Weasley sah ihren Cousin weiter an und versuchte nicht allzu verwirrt zu erscheinen.
„Roxy, wir haben einmal alle Geheimnisse miteinander geteilt. Wir haben hier, genau hier, über alles gesprochen und niemals etwas verraten. Und das nicht nur einmal.“
Die Slytherin hob bei diesen Worten leicht skeptisch eine Augenbraue. War das sein Ernst? Plädierte er auf ihre Kindheit, um ihr Vertrauen zu gewinnen?
„Da waren wir nicht älter als Zehn. Es war nichts weltbewegendes, was wir uns erzählt haben.“
„Damals hat es unsere Welt bewegt. Es war uns so wichtig wie sonst nichts. Und Roxanne. Ich will jetzt einfach wissen, womit ich dein Vertrauen verloren habe.“
Seine Stimme war so fest, sein Blick aufrichtig. Nichts wollte er mehr als eine Erklärung und damit verunsicherte er seine Cousine umso mehr.
„Du hast es nicht verloren“, antwortete das Weasleymädchen irgendwie benommen, als hätte sie nicht darüber nachgedacht und im nächsten Moment hätte sie sich auch schon am liebsten die Zunge abgebissen.
„Aber du sagtest, du vertraust nicht mehr.“
„Ja“, bestätigte Roxanne etwas grummelnd.
„Und ich bitte dich nun, egal was passiert ist, dich doch einmal daran zu erinnern, dass du mir immer vertrauen konntest.“
Die klaren und ehrlichen Worte von Louis ließen die Mauern, die Roxanne um sich errichtet hatte, bröckeln. Ihr Drang zu schweigen wurde schwächer. Aber sie konnte doch jetzt nicht nachgeben!
Erinnerungen an kindliches Vertrauen sollten sie nun überzeugen? Louis wollte ihr weismachen, dass sich seit damals nichts geändert hatte? Das war absolut lächerlich! Also wieso begann sich ihre Gereiztheit und Anspannung komplett aufzulösen?
Schier unendliche Stille.
„...ich dachte immer, einen Verrat unter Slytherin würde es nicht geben“, verließ es trocken ihre Kehle ohne, dass Roxanne direkten Einfluss darauf hatte.
„Ich- ich hab mich immer etwas ausgeschlossen gefühlt, als ich Slytherin zugeteilt wurde. Ich hatte alle enttäuscht.“
„Niemand war enttäuscht“, lenkte Louis ein, doch sie schüttelte nur den Kopf, dass ihre dunklen Haare leicht hin und her schwankten.
Es war damals ein Schock für alle. Für Roxanne selbst, als der alte Hut sie dem Haus zuteilte, von dem man meinte, dort würde nie ein Weasley hinkommen. Doch sie war es. Sie wurde eine Schlange. Die einzige Weasley, die in Slytherin war.
Natürlich war auch ihr Cousin Albus in Slytherin und er war es auch, der sich gleich ihrer angenommen hatte, als sie, wohl etwas kränklich bleich um die Nase, am Tisch der Grün-Silber-Fraktion Platz nahm.
„Albus versuchte mich damit zu trösten, dass man in Slytherin einander vertrauen kann. Es sei fast wie eine große Familie, wie unsere. Das hatte ich geglaubt und ich war erleichtert.“
„Aber?“
„Es war alles nur ein schlechtes Schauspiel. Eine Illusion.“
In ihrer Stimme schwang etwas Bitteres mit, was Louis die Frage nahm, ob sie es ernst meinte. Aber er konnte es trotzdem nicht so recht glauben. Der Ruf Slytherins war nach wie vor nicht der Beste, da Schüler dieses Hauses immer noch sehr rücksichtslos sein konnten, aber so etwas wie Verrat unter den eigenen Leuten, war fast so etwas wie ein Verbot, auf dem die Höchststrafe ausgesetzt war. Das wusste jeder. Es war wie ein ungeschriebenes Gesetzt. Und dies wollte Roxanne nun untergraben?
„Albus und Scorpius sind jetzt weg. Mit ihnen gehen die letzten anständigen (Louis blickte etwas skeptisch) Slytherin, die das Haus vorzuweisen hat.“
„Was ist mit Zoey?“, fragte der Blonde vorsichtig
„Die ist ein Mädchen“, kam es so schnell zurück, als läge dies klar auf der Hand und die Erleuchtung traf den Ravenclaw wie der Blitz.
„Duke Kiddle“, ließ er den Namen fallen und es war als würde ein Damm in Roxanne aufsprengen und Erinnerungen sowie Emotionen brachen in ihr aus, die sie vor allen verschlossen halten wollte.
„Ja! Dieser stinkende Troll! Es war alles nur ein Witz!“
Sie spürte wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Wut und Scham durchströmte ihre Gedankengänge. Es war ein klassisches, geradezu klischeehaftes Drama.
Im Nachhinein konnte Roxanne gar nicht fassen, wie dumm und naiv sie eigentlich gewesen war. Dabei hätte man meinen können, dass sie, gerade sie, auf einen derartigen Schwindel nicht reinfallen würde.
Dieser Slytherin war nicht ihr Erster gewesen. Sie hatte vorher schon mit ein paar Typen etwas gehabt, aber nie war es ihr wirklich ernst mit diesen gewesen. Die Aufmerksamkeit, die ihr zukam, gefiel der Weasley, aber einer allein schien ihr diese nicht geben zu können. Keiner, außer Duke Kiddle.
Zu Beginn war es mehr wie ein Spiel zwischen den Beiden gewesen. Er umschwärmte sie hartnäckig, sie zeigte kein Interesse, wie sie es bei den meisten zu Anfang tat. Duke Kiddle blieb aber nicht einfach nur hartnäckig, sondern war auch sehr kreativ und listig, um Roxanne für sich zu bekommen und das imponierte der Slytherin ungemein. Sie ließ sich drauf ein. Ließ sogar alle anderen, die ihr verfallen waren, für ihn links liegen, aber das Märchen vom ersten festen Freund endete schneller als erwartet.
Er hatte sie bekommen und damit schien sein Interesse für sie mit jeder Woche weiter abzuflachen. Roxanne, total verblendet, sah dies nicht und kettete sich weiter an ihn, bis sie auf schmerzliche Weise erfahren durfte, dass er diese Beziehung wohl nicht so ernst nahm wie sie. Roxanne wusste nicht und wollte auch nicht wissen, mit wie vielen anderen Mädchen sie ihn, während ihrer Beziehung, geteilt hatte, aber es waren mehr als eine oder zwei. Das wusste sie inzwischen und dieses Wissen breitete ihr Schmerzen.
Das Unverständnis des Slytherins für ihren Gefühlsausbruch, der über sie hinein gebrochen war, als sie ihn noch am Ende des Schuljahres zur Rede stellte, ließ alles in ihr zusammenbrechen. Sie hatte es doch vorher nicht anders gehandhabt, war seine Rechtfertigung gewesen, was Roxanne energisch abstritt. Ja, sie hatte sich ihre Freiheit bewahrt, aber sie hatte immer mit offenen Karten gespielt und nie, wirklich nie

falsche Tatsachen vorgetäuscht wie er es bei ihr getan hatte. Er hatte sie belogen und betrogen.
Louis brauchte nichts von Legilimentik zu verstehen, um zu sehen, was in seiner Cousine vorging. In ihren Augen tobte ein Sturm und ihre Lippe bebte, als unterdrückte sie einen Schrei.
Duke Kiddle war nie jemand gewesen, für den der Halbfranzose viel Sympathie empfand. Aber das galt bei ihm für viele Slytherin. Roxanne schien diesen Typen jedoch wirklich gemocht zu haben und so verstand er ihr Verhalten nun. Was genau passiert war, wusste er zwar nicht, aber die Königin von Slytherin war nicht dafür bekannt, sich wegen Kleinigkeiten vom Thron stoßen zu lassen.
„Er ist jetzt auch abgegangen, richtig?“
„Ja, und denkt wohl, er wäre jetzt zu erwachsen für kleine Schulmädchen.“
Ein Lächeln, welches keine Freunde ausdrückte, zierte ihre Lippen.
Louis war klar, dass er mit irgendwelchen Floskeln nicht kommen brauchte. Er kannte seine Cousine. Roxanne war sich darüber im Klaren, dass so etwas nicht ewig hielt, dass irgendwann immer Schluss war.
Das Wie

verletzte und kränkte sie demnach.
„Roxanne, er wird es bereuen.“
„Ach ja?“, sie klang ungläubig und belustigt, ihre Augen strahlten eine gewisse Skepsis aus.
„Da bin ich mir absolut sicher.“
Die Haltung des Ravenclaw war aufrecht. Sein Blick ließ keinen Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit zu und dann blitzte da noch dieser Schalk, wie er für einen Weasley absolut typisch war, in seinen Augen. Roxannes Augenbraue schoss in die Höhe. Er meinte es absolut ernst.
„Er wird doch sicher auch auf der Party bei Pucey sein oder was denkst du?“
An diese Möglichkeit hatte die Slytherin noch gar keinen Gedanken verschwendet, wo sie doch versuchte ihn aus ihrem Kopf zu verbannen. Jetzt wo er es ansprach, schien ihr dieser Umstand aber völlig logisch. Sicher würde er dort sein und würde sie hingehen, würden sie sich sicher, auch wenn sie es zu vermeiden versuchte, treffen.
Ein Grund mehr für Roxanne nicht hinzugehen.
„Lass uns zusammen hingehen“, schlug Louis seiner Cousine vor und man sah, wie ihr für einen Moment die Luft wegblieb.
„Ich? Mit dir? Wieso? Wer hat dich überhaupt eingeladen?“, entgegnete die Slytherin zerstreut.
„Zoey.“
Das hätte Roxanne sich eigentlich auch denken können.
„Dann geh mit ihr hin“, entgegnete sie patzig.
„Sie hat mich nicht als ihren Begleiter eingeladen“, erklärte der Ravenclaw ruhig und hoffte, dass sie nicht wieder zum Anfang ihrer Unterhaltung zurückkehrten.
„Lass uns einfach zusammen hin und Spaß haben und, nun ja, Kiddle den Spaß versauen“, erklärte er sich genauer, aber nicht zu sehr aufs Detail bedacht.
Roxanne war entsetzt über Louis‘ Worte, ihrem lieben Cousin, denn sie passten so gar nicht zu ihm und seinem Image.
„Was ist aus dem Ravenclaw-Prinzen geworden? Zuvorkommend, charmant und höflich“, fragte sie leicht amüsiert und bekam ein neckisches Grinsen von ihm.
„Der hat der Königin von Slytherin nun mal die Treue geschworen.“
Ungläubig und überrascht blinzelte die Weasley ihn an.
„Wann denn das?“
„Vor langer Zeit.“
Etwas Seltsames geschah mit Roxanne bei den Worten ihres Cousins. Die Verkrampfung in ihrem Magen löste sich und allgemein fühlte sie sich viel entspannter und luftig locker. Geradezu... erfreut.
„Einmal geschworen, hat man seiner Königin immer treu zu bleiben“, erkläre sie mit überheblicher Stimme.
Typisch Slytherin, typisch Roxanne, wie Louis fand.
„Dem bin ich mir bewusst“, erwiderte er schlicht und lächelte.
Die Beiden sahen sich an. Roxanne erwartete hinter dem ganzen Gerede von Louis einen Witz, aber er schien es nach wie vor erschreckend ernst zu meinen. Ein Kribbeln durchzog den Magen des Mädchens.
„Gut“, entgegnete sie ruhig, „dann erwarte ich von dir, dass du mich um Punkt zehn, am nächsten Samstag abholst.“
Verwirrt schüttelte der Blonde sein Haupt. Eine Zusage?
„Punkt zehn? Da beginnt doch die Party schon.“
„Wir verspäten uns natürlich vornehmlich“, tat sie es wie selbstverständlich mit passender Handbewegung ab.
Ein freudiges Lächeln ließ sich nicht weiter unterdrücken.
„Okay, dann Punkt zehn“, lachte er heiter.
Louis stand unbeholfen auf, reichte noch in gebückter Haltung Roxanne die Hand, damit sie es etwas leichter hatte, und tauchte gemeinsam mit ihr hinter dem Vorhang aus Efeu wieder auf.
„Und du sagst zu niemandem ein Wort?“, hakte die Slytherin misstrauisch nach.
Ihre Familie würde sofort auffallen, dass sie sich von ihrer depressiven Stimmung gelöst hatte und sicher fragen Stellen. Gerade zu löchern.
„Ich hab nichts zu erzählen, weil ich von nichts weiß“, bestätigte der Weasley keck.
„Richtig.“
Bedächtig nickte die junge Frau.
„Sollen wir dann zurück?“, erkundigte sich der Ravenclaw.
„Ich dachte, wir könnten noch mal zum Spielplatz.“
Kindisch oder nicht, Roxanne hatte das Bedürfnis zu Schaukeln und alles Negative dabei abzuschütteln, wie eine zu enge alte Haut. Und Louis würde sie sicher ohne Aufforderung an schubsen.
„Klar, gerne. Magst du ein Karamellbonbon?“
Der Blonde zückte eine bisher versteckte Packung süßer sahniger Bonbons und hielt sie der Slytherin hin.
„Ja! Ich liebe die“, erwiderte sie mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.
„Ich weiß“, entgegnete er nur wissend.
Sie stapften vorsichtig durch den unebenen Teil des Parks zurück zu der Brücke. Drückten fest ihre Hände zum Halt, falls einer von ihnen doch fallen würde. Roxanne warf auf ihrem Weg noch einmal einen Blick über die Schulter zurück zu dem Spalt in der Felswand, welcher schon immer gut versteckt hinter dem Efeu lag.
Eine solche Zuflucht in Form eines Verstecks, an dem sie alles lassen konnte, ohne, dass es je jemand anders erfahren würde, brauchte sie nicht mehr. Denn war es nicht der Ort, der all ihre Geheimnisse hütete, sondern ihr Zuhörer, der ihr Vertrauen noch nie missbraucht hatte und es auch nie tun würde. Dessen war sich Roxanne absolut sicher.
Zufrieden lächelnd mit einem Bonbon im Mund ließ die Königin sich von dem Prinzen führen. Zurück zu alter Form in neuer Gestalt, denn die alte Haut und alle schlechten Gefühle, die daran hafteten, hatte sie abgestreift und zurückgelassen.
Die gestürzte Königin






Roxanne Weasley - 17 Jahre alt - Slytherin



Du bist verletzt... und um dich selbst zu schützen beginnst du dich in dein Nest zu verkriechen. Abzuschotten.

Eine Schlange sollte auch einmal aus ihrer Haut heraus, um wachsen zu können.




Der treue Prinz






Louis Weasley - 17 Jahre alt - Ravenclaw



Du hörst, dass mit deiner Lieblingscousine etwas nicht zu stimmen scheint und beginnst dir Sorgen zu machen.

Nicht auf den Kopf gefallen, suchst du mit Ruhe einen Weg in ihr verletztes Herz.




Danksagung

Es gibt vielen denen ich meinen Dank aussprechen möchte.
Zu Beginn wäre da Heaven, die den Wettbewerb eröffnet hat, für den diese Kurzgeschichte geschrieben wurde.
Des Weiteren möchte ich bei allen, die mich mental unterstützt haben. Anemone, Minou, Mew-Keikei und Keichigo. Ihr habt mich immer weiter voran getrieben.
Einen Dank an Dahlie, durch die ich die Liebe zum Lesen und Schreiben wiedergefunden habe.
Vielen Dank auch an Fussel, Yuugi-Mutou und ryouChan für jede Hilfe, was das Optische der Kurzgeschichte betrifft. Ihr Mitwirken war wichtig.
Und zu guter Letzt geht mein tiefster Dank an J. K. Rowling, der wir es alle die zauberhafte „Harry Potter“-Saga zu verdanken haben und somit den Grundstein für diese Kurzgeschichte gab.


Ich verdanke euch allen sehr viel.

Sophie Adams


Diese Kurzgeschichte ist eine Fanproduktion. Die Rechte der Charakter sowie die Namen die in dieser Kurzgeschichte vorkommen liegen ausschließlich bei Joanne K. Rowling

Coverbild © elemetality (deviantart.com)
Coverbearbeitung > Fussel (animexx.de)

Charakterbild; Roxanne > JuicyCinnamon (deviantart.com)
Charakterbild; Louis > Jesse McCartney

Idee und Text > Sophie Adams

Impressum

Texte: Harry Potter von J. K. Rowling; Haiku zum Thema Natur von Alma Marie Schneider
Bildmaterialien: Cover von elementality(deviantart.com), Charakterbild; Roxanne von JuicyCinnamon(deviantart), Louis von Jesse McCartney
Tag der Veröffentlichung: 15.02.2012

Alle Rechte vorbehalten

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