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Regen





Da kommt: Regen, Regen
Lass es nie mehr aufhör´n
Nimm den Schmutz von der Welt
Lass es: regnen, regnen
Lass es nie mehr aufhör´n bis alles von uns fällt
Bis alles von uns fällt.
(Luxuslärm- Regen)



Durchgeschwitzt fuhr sie entlang der einsamen Straße. Außer dem scheppernden Geräusch, das ihr Fahrrad verursachte, war nur das Rascheln der Bäume zu hören. Nach und nach setzte erst leichter, dann immer stärkerer Regen ein. Am Anfang war sie genervt, doch mit der Zeit wurde sie immer gelassener. Das rhythmische Prasseln der Tropfen hatte eine entspannende Wirkung auf sie. Ihre genervten Gesichtszüge veränderten sich zu einem Grinsen, mit dem sie allen Leuten entgegen strahlte. Doch meistens lächelten sie nicht zurück, sondern trugen weiter ihre genervte Maske. Manche drehten sich demonstrativ weg, nur die wenigsten lächelten kurz zurück. Warum verloren alle bei einem kleinen Schauer ihre Fröhlichkeit und rannten genervt nach Hause, um nicht nass zu werden? War das bisschen Wasser wirklich so schlimm? Sie blieb stehen und stellte ihr Fahrrad an den Rand, um dann ihre Gitarre von ihrem Rücken zu nehmen und sich auf den Boden zu setzten. Sie war nass und schmutzig. Trotzdem lächelte sie. Leise fing sie an zu spielen. Mit einem Lächeln auf den Lippen fing sie an zu singen. Erst schauten sie wenige Menschen verstört an, doch nach einiger Zeit waren bestimmt zehn Menschen um sie versammelt. Keiner von ihnen schien mehr gehetzt. Nein, alle hatten diese Maske verloren und lächelten sie manchmal kurz an, bevor sie sich zu den anderen umdrehten, um zu schauen, ob auch keiner die Gleichgültigkeit über den Regen mitbekommen hatte. Sie sang alle Lieder die sie über Regen kannte und stimmte auch manchmal Lieder über Sonnenschein an. Irgendwann fingen einzelne Sonnenstrahlen sich ihren Weg durch die Wolken zu brechen. Sie packte ihre Sachen zusammen und ging. Ein Junge, der die ganze Zeit zugehört hatte, packte sie am Arm: „Warum gehst du jetzt, wenn die Sonne scheint. Es kommen jetzt bestimmt viel mehr, die dich hören wollen.“
„Einfach weil für mich Zuschauer, die im Regen stehen bleiben, mir zuhören die wahren sind. Menschen, die nur stehen bleiben, weil sie gerade perfekt in der Sonne stehen können, interessieren mich nicht.“


Alles wird gut




Denn in Gedanken sind wir immer noch Beide hier
In meinen Träumen stehst du immer noch neben mir
Ganz egal, was du tust
Ganz egal, wo du bist
Du bist immer noch hier
Wenn ich die Augen öffne, um endlich klar zu sehen
Bleib’ ich allein zurück und werde weitergehen
Ganz egal, wo du bist
Ganz egal, was du tust

Alles wird gut
Alles, was jetzt unmöglich scheint
Wir werden ewig sein
Du fehlst mir hier
Auf meinem Weg allein
Alles wird gut
Alles, was jetzt unmöglich scheint
Wir werden ewig sein
Du fehlst mir hier
Auf meinem Weg allein

Und wenn die Welt sich dann doch ganz einfach weiterdreht
Als wenn sie nicht gemerkt hat, dass ihr jetzt jemand fehlt
Ganz egal, wo ich bin
Ganz egal, was ich tu’
Du bist immer noch hier
Es wird wohl weitergehen, auch wenn ich noch nicht weiß
Wie das denn gehen soll und was es wirklich heißt
Ich werde weiterleben
Irgendwie weiterleben
(Luxuslärm-Alles wird gut)



„Liebe Gemeinde, Liebe Trauernde. Wir sind heute zusammengekommen um von unserem Sohn, Bruder, Enkelkind, Neffen und Freund Lasse Jeskins Abschied zu nehmen.“ Ich saß auf der harten Kirchenbank in der dritten Reihe und starrte den Pfarrer an. Um mich herum zückten viele ihre Taschentücher, doch ich weinte nicht. Ich hatte es einfach noch nicht realisiert. Lasse, mein Freund, der erste überhaupt. Würde ich mich jemals wieder trauen einen Jungen anzusprechen? Ich bezweifelte es in diesem Moment. Hätte ich nicht neben Lasse im Auto sitzen können? Doch ob ich dann wirklich jetzt bei ihm wäre ist die Frage. Schließlich saß sein Vater mit einem gebrochenen Bein in der ersten Reihe. Während der Pfarrer von Lasses kurzem Leben berichtete legte ich meinen Kopf in den Nacken und schaute an die schöne Kirchendecke. Ich bewunderte die Säulen und Bemalungen. Ich war nie in der Kirche, außer bei Beerdigungen und Hochzeiten. Wobei mir das zweite deutlich lieber war. Ich weiß nicht was ich von Gott halten soll, doch in diesem Moment ließ ich diese Tatsache außer Acht. Wenn Gott Lasse helfen könnte, würde ich auch beten. Alles würde ich für diesen Zweck tun. Der Pfarrer hatte geendet und ich richtete mich wieder auf. Es kamen Lasses große Schwester und sein Onkel nach vorne und sagten ein paar Worte. Doch auch dafür hatte ich nicht viel übrig. Schließlich kam unsere Klassenlehrerin nach vorne. „Liebe Verwandten und Freunde von Lasse. Ich war für Lasse fast zwei Jahre eine Klassenlehrerin. Ich könnte jetzt von seinen glänzenden schulischen Leistungen berichten, doch das wäre hier fehl am Platze. Was ich dann erzählen möchte, weiß ich selber nicht so genau. Es ist mir nur sehr wichtig hier vorne zu stehen, alle Menschen die Lasse etwas bedeutet haben hier sitzen zu sehen und ihm alles Gute zu wünschen wo immer er jetzt auch ist. Und ich hoffe das er dort immer noch ein so schlaues und hilfsbereites Köpfchen hat wie hier auf Erden.“ Vereinzelten Menschen stahl sich ein Lächeln aufs Gesicht und Frau Rietmann setzte sich wieder auf ihren Platz. Nun regte sich neben mir etwas, meine beste Freundin Finja stand auf. Ich schaute sie verstört an. Finja lächelte mir beruhigend zu und ging nach vorne. Wie sie da vorne stand, in ihrem schwarzen Rock und Bluse sah sie so selbstbewusst aus, dass ich sie nur bewundern konnte. Nie hätte ich mich getraut dort zu stehen wo sie stand. Sie fing an zu reden und ihre Stimme erfüllte die ganze Kirche: „ Ich, Finja, stehe hier um im Namen von Lasses Klassenkameraden etwas zu sagen. Lasse war ein Junge, der bei allen beliebt war. Und das lag nicht an coolen Klamotten oder anderen Dingen, sondern einfach an seiner Art mit uns umzugehen. Nicht umsonst war er Klassensprecher. Natürlich hatte er auch seine Schwachstellen, doch die hier zu nennen halte ich nicht für angebracht. Und für mich persönlich hat er große Pluspunkte gesammelt, denn er hat es geschafft das Herz von meiner schüchternen Freundin Rabea zu erobern. Und diese Eroberung hat er in seinem Herzen behalten und nicht weggeschmissen.“ Mit einem Nicken kam Finja wieder zu mir. Ich guckte sie nur geschockt an. Doch meine Freundin lächelte nur „Das musste mal gesagt werden.“ Ich schüttelte nur den Kopf und schaute wieder nach vorne. Der Pfarrer ergriff wieder das Wort: „Nun werden wir Lasse Jeskins seine letzte Ehre erweisen und seinen Körper wieder der Erde zurückgeben.“ Er gab den Sargträgern einen Wink und Musik setzte ein. Alle standen von ihren Bänken auf und reihten sich in den Zug hinter dem Sarg ein. Als wir aus der Kirche traten sog ich die Luft ein. Auch wenn Lasse nun in dieser Holzkiste lag, die Luft war immer noch genau so frühsommerhaft wie vor dem Unfall. Hätte sie nicht grau, kalt und schneidend sein sollen? Auf der Straße tobten Kinder herum, spielten ausgelassen Fangen. Während wir auf den Friedhofsweg einbogen sah ich einen Müllmann, der wie jeden Tag Müll einsammelte. Wie konnten diese Menschen nur einfach ihren Alltag weiterführen wenn Lasse nicht mehr lebte? Wir kamen an Lasses Grab an, doch ich konnte es nur schwer akzeptieren dass hier mein geliebter Freund die nächsten 50 Jahre oder mehr liegen würde. Man hörte die Schnellstraße, an diesem Stück Friedhof standen keine Bäume, die Lasse so sehr geliebt hatte, und an in den Nachbargräbern lagen nur Menschen, die alt geworden sind. Finja tastete nach Hand und ich nahm sie dankbar. Der Pfarrer richtete noch einige Worte an die engsten Verwandten und der Sarg wurde in die Erde gelassen. Wann es wirklich passiert ist wusste ich später nicht mehr, doch mir liefen die Tränen, so viele wie noch nie gelaufen sind die Wangen hinunter. Ich holte das kleine Herz aus Stein was ich mitgebracht hatte aus meiner Tasche und wartete bis ich an der Reihe war an das Grab zu treten. Ich schaute in die Grube hinein, auf die Holzkiste, in der er lag. Blind vor Tränen warf ich das Herz zu den vielen Blumen und warf eine Schaufel Erde hinterher. Ich wandte mich ab und sah Lasses Familie neben dem Grab stehen, die die Beileidsbekundungen entgehen nahmen. Auch wenn ich mich nicht im Stande fühlte irgendein Wort rauszubringen wandte ich mich Lasses Mutter zu. „Es….tut….“ Nein, ich konnte es nicht, nicht in diese von trauergeprägten Augen zu blicken und irgendetwas rauszubekommen. Doch Frau Jeskins schien mich auch ohne Worte zu verstehen. Sie nahm mich einfach in den Arm. „Ist alles okay Rabea, du musst nichts sagen.“ Dankbar heulte ich ihr schwarzes Kostüm nass. Ich löste mir von ihr und ging an Lasses Vater und seiner Schwester vorbei. Das schaffte ich nicht mehr. Ich wartete, in Gedanken an Lasse versunken bis alle am Grab gestanden hatten und das Grab zugehoben war. Langsam entfernten sich alle Richtung Autos doch ich blieb einfach stehen. Ich wollte nicht Kaffee trinken und quatschen als wäre die Welt in Ordnung. Familie Jeskins schien es ähnlich zu gehen doch sie mussten gehen, schließlich wurde das von ihnen erwartet. Schließlich stand ich alleine vor dem Grab meines 14jährigen Freundes. Ich kniete mich hin, strich über den Grabstein und las die Gravur.

Lasse Jeramiah Jeskins
*12.Oktober 1996 +27.Mai 2011



Ich strich mit meinen klammen Finger über die frische Erde und legte mich auf die Wiese neben Lasses Grab.




Unsterblich




Denn du kannst mich sehn
Wie ich bin
Ganz zerbrechlich
Du siehst mich
Ungeschminkt
Nur bei dir
Fühl ich mich
Unsterblich
Unsterblich
(Luxuslärm-Unsterblich)



Aufgeregt umarmte ich ihn ein letztes Mal, bevor ich durch die Tür ging und mich auf den angewiesen Platz setzte. Ich wusste, dass er für mich da war, doch in diesem Moment konnte selbst er mir nicht die Aufregung nehmen. Während des Konzertes sah ich immer wieder zu ihm, der mich aufmunternd anlächelte, aber ich wurde von Minute zu Minute ungeduldiger. Hibbelig rutschte ich auf dem Stuhl herum. Dann war es endlich so weit. Die Moderatoren nannten meinen Namen und das Lied, dass ich nun singen würde. Das Lied, was ich Monate geübt hatte. Das Lied, was ich ihm widmete. Mein Herz hüpfte meine Hals hinauf und meine Knie und Hände zitterten, als ich das Mikro entgegen nahm. Nie hatte ich vor so vielen Menschen gesungen, aber er wusste, dass ich es schaffen würde. Nur ich selbst glaubte nicht an mich. Scheu lächelte ich in die Menge. Ein heller Lichtkegel erleuchtete nur mich und das Playback fing an. Die vertrauten Klänge ließen mich wenigstens ruhig stehen und ich atmete tief ein. Ich fing an. Ich hatte den schlimmsten Moment überstanden und sang einfach weiter. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich so schnell in den Song reinfühlen könnte. Ich schaute tief in seine Augen, sodass ich mir vorstellen konnte, dass nur wir beide hier waren. Kein anderer wusste wirklich, was dieses Lied für mich bedeutete. Jeder nahm an, dass ich einfach so zeigen konnte, dass ich singen konnte. Ein weiteres Puzzleteil meiner perfekten Maske. Doch einen Unterschied hatte es. Sonst war ich immer top gekleidet. Immer top geschminkt. In meiner einfachen Jeans, dem einfarbigen T-Shirt Musik auch mal mein wahres Ich zu zeigen, dass nur wenige kannten. Mit dem Liedende und und ungeschminkt wirkte ich nicht perfekt. Nur er kannte mich so. Ich war bereit mit der dem Applaus fiel die ganze Spannung in sich zusammen und ich war erleichtert. Zügigen Schrittes verließ ich den Raum, um mit ihm alleine zu sein. Ein Lächeln überkam mein Gesicht, als ich erkannte, dass er schon auf mich wartete. Ein kleines Tränchen rollte über meine Wange, doch ich hatte ja keine Wimperntusche, die verschmieren konnte.


Letzter Tag




Manchmal leb ich so,
als hätt ich 1000 Leben.
Und lass die Zeit vergehen,
als hätt ich ganz viel abzugeben
(Letzter Tag- Luxuslärm)



Mein Wecker klingelte mit seinem durchdringenden Gerassel wie es kein anderer Wecker tat. Warum ich freiwillig von diesem Geräusch geweckt wurde, wusste ich selbst nicht. Jeden Morgen ärgerte ich mich über diesen Wecker, doch nie kaufte ich mir einen anderen. Aber wenigstens tat er seinen Zweck, mich aus dem Schlaf holen. Seufzend schwang ich meine Beine aus dem Bett und zog mich an. Ich musste dringend neue Klamotten kaufen, merkte ich als ich mir meine Sachen genau anschaute. In meiner Jeans war ein aufgerissenes Loch, was mir passiert war als ich mich über einen Zaun geschwungen hatte. Meine Mutter war schon verzweifelt dass ich nur Sachen unternahm, die für Mädchen untypisch waren. S „ July! Änder dich doch mal, so kannst du doch nicht dein ganzes Leben weitermachen!“ Nein, das wollte ich auch nicht. Nur wieso ist man denn in dieser blöden Pubertät? Etwa nicht um sich auszuprobieren? Und genau, das tat ich. Später wenn ich erst einmal mit der Schule fertig war, dann konnte ich mich ändern und zu der Mustertochter meine Mutter werden.
Nachdem ich mich fertig angezogen hatte ging ich in die Küche wo meine Mutter schon am Herd stand und mir meinen morgendlichen Kakao erwärmte. Sie trug nur ihren verwaschenen Morgenmantel und ihre Haare sahen aus als wenn sie gerade aus dem Bett gekommen wäre, was ja auch der Fall war. „Morgen“, gähnte ich verschlafen und setzte mich an den Küchentisch. Meine Mutter stellte mir meine Tasse hin, wie jeden Morgen, eine blaue Tasse mit einem großen grinsenden Gesicht drauf. „Damit du schon morgens gute Laune bekommst“, mit diesen Worten hatte meine Mutter sie mir zum achten Geburtstag geschenkt. Doch an diesem Morgen heiterte es mich nicht auf. Gleich in der ersten Stunde stand eine Mathearbeit an und ich hatte nichts dafür getan da ich es immer aufgeschoben hatte. Nachdem ich zu Ende gegessen hatte, stand ich auf, holte mir meine Jacke von der Garderobe, gab meiner Mutter einen Kuss und ging auf die Straße. Trotz der frühen Stunde war viel auf den Straßen los, in der kleinen Seitenstraße rangierten viele Autos herum und ich schlängelte mich hindurch. Als ich die letzte Straße vor der Schule erreicht hatte war das Getrubel etwas abgeklungen und ich achtete weniger auf den Verkehr. Doch plötzlich kam ein dicker, schwarzer BMW um die Ecke gebogen. Ich stand mitten auf der Straße und er Geldschnösel in dem Auto konnte nicht mehr bremsen. Während ich das Auto auf mich zu kommen sah lief bei mir im Kopf alles ab was ich nicht getan habe weil ich es immer vor mir hergeschoben habe. Es waren etliche Sachen wie ich feststellte. Doch in diesem Moment war ich mir sicher, ich konnte sie nicht mehr tun.
Nun, ich konnte sie noch tun. Ich habe alles schon erledigt gleich nachdem ich aus dem Krankenhaus draußen war. Nie hätte ich gedacht, dass ich dieses Auto lebend überstehen würde. Doch ich habe es überlebt und habe gemerkt wie schnell man aber den Tag nicht überleben kann. Ich habe gelernt, dass man immer so leben sollte als wäre es der Letzte Tag auf Erden.


Lass uns heut leben,
als wärs der letzte der letze Tag,
der letzte Tag auf Erden!
Halt mich noch mal fest,
nur noch ein letztes Mal,
am letzten Tag auf Erden!
(Luxuslärm- Letzter Tag)




Impressum

Texte: Alle Rechte an den Zitaten haben die Band Luxuslärm. Wir haben sie für uns interpretiert und vielleicht nicht immer den eigentlichen Grundgedanken getroffen.
Tag der Veröffentlichung: 06.11.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für die Band Luxuslärm und alle Fans.

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