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Geschichten aus dem Galerie Café

Geschichten aus dem Galerie Café

 

Vor ein paar Monaten zog ich aus dem Rheinland nach Barth, einer Kleinstadt an der Ostsee. Ich hatte mich bewusst für diesen Ort entschieden, da Barth über eine gute Infrastruktur verfügte. Der Umzug musste kurzfristig organisiert werden, da ich sehr schnell eine Wohnung fand. Ich fühlte mich in Barth gleich angekommen; alles passte für mich und ich freute mich auf mein neues Leben.

Als Autorin schreibe ich Geschichten über Menschen und ihren Alltag. Meine Idee war, diese Geschichten in einem Café zu schreiben, wo sich Menschen aufhalten, die etwas zu erzählen haben. Ich hatte mir etwas Besonderes vorgestellt, ein Café mit guter Atmosphäre, Gemütlichkeit und leckerem Kuchen. In Barth gibt es einige davon, die gemütlich und selbstgebackene Torten anbieten, keine Frage. Bei einem Spaziergang entdeckte ich das Galerie Café am Markt. Mit seiner Fassade und dem Fachwerk sah es schon von außen sehr heimelig und gemütlich aus. Neugierig trat ich ein und schaute mich um. Mir fiel direkt die Kuchenvitrine ins Auge, die gefüllt war mit lauter schönen Backwaren. Entlang der Fensterfront standen ein paar kleinere Tische für zwei, bzw. vier Personen. Ich ging auf den kleinen freien Tisch in der Ecke zu. Hier hatte ich den Überblick und Lust auf ein leckeres Stück Torte. Wie sollte ich hier eine Entscheidung treffen bei der Vielfalt von Schokoküchlein, Zimtschnecken, Obstkuchen, mit oder ohne Streusel, die in der Vitrine den Gast anlachten. Auch die Getränkekarte ließ keine Wünsche offen; verschiedene Kaffeesorten, diverse Kaltgetränke und außergewöhnliche Teesorten standen auf der Karte. Ich spürte sofort; hier konnte man sich wohlfühlen und wusste, dass dieser Ort der Beginn für einige interessanten Geschichten war; ein Platz für gute Gedanken, für regen Informationsaustausch, für Inspiration und noch vieles mehr. Ich entdeckte hübsche handgefertigte Keramik für Haus und Garten, diverse Handarbeiten, verschiedene Bücher einer Barther Autorin und vieles mehr, alles war liebevoll dekoriert. Es handelte sich nicht nur um Deko, sondern jedes Teil konnte auch käuflich erworben werden. Auf den Tischen lagen diverse Prospekte, die auf kulturelle Veranstaltungen in der nächsten Zeit hinwiesen. Mein Gefühl sagte mir; dass ich hierinteressante Geschichten mit bestimmt außergewöhnlichen Menschen finden konnte. Ich schaute mir die Torten in der Vitrine genauer an. Hier fiel mir die Entscheidung wirklich schwer. Spontan entschied ich mich dann aber für ein Stück Erdbeertorte und einem Cappuccino. Neugierig beobachtete ich das Geschehen, die Menschen, die das Café betraten und sich – genau wie ich -, nur schwer für ein Stück Kuchen entscheiden konnten. Die Inneneinrichtung hielt das, was sie von außen versprach. Ich entdeckte wunderschönen Fensterschmuck und mehrere filigrane Tuschzeichnungen, die in kleine Bilderrahmen steckten, alles mit viel Liebe hergestellt und wunderschön. Die Eigentümerin hatte einen guten Geschmack, das sah ich sofort. Hinter der Theke, stand die große Kaffeemaschine und im Regal darüber diverse Spirituosen und ein Sortiment von vielen verschiedenen Gläsern. Das Geschirr und andere Gegenstände, waren auch für den Gast sichtbar. Drei junge Damen bedienten die Gäste freundlich und hatten immer ein paar nette Worte für sie. Das gefiel mir. Sie warteten geduldig am Kuchenbuffet, bis der Gast seine Wahl getroffen hatte. Inzwischen genoss ich meine Erdbeertorte und den leckeren Cappuccino. Kurz darauf erkundigte ich mich bei einer der Damen, wann und wo die Inhaberin mal zusprechen sei. Denn ihr wollte ich von meiner Idee erzählen. Ich hatte Glück und sie war genau an diesem Tag im Café. Sie kam an meinen Tisch und begrüßte mich:

„Sind Sie mit irgendetwas nicht zufrieden?“

„Nein, nein, um Himmelswillen; alles ist perfekt und diese Erdbeertorte; ein Traum!“, schwärmte ich und bat sie, sich kurz zu mir zu setzen, falls es ihre Zeit erlaubte. Ich stellte mich vor, erzählte ihr kurz etwas über mich und dann von meinem Vorhaben. Sie hörte mir aufmerksam zu und war nach einer kurzen Überlegung von meiner Idee angetan. Dann schlug sie mir den Mittwoch und den Freitag vor.

„Wissen Sie, mittwochs ist Wochenmarkt mit vielen Verkaufsständen und freitags haben wir den etwas kleineren Markt hier in Barth. An den Markttagen ist das Café besonders gut besucht und außerdem ist die Stadt zurzeit übersät mit Touristen. Da werden Sie sicher einige interessante und spannende Geschichten von den Gästen erfahren! Ich muss Sie aber vorwarnen, dass nicht alle Barther so auskunftsfreudig sind. Zudem sind Sie für viele immerhin die Fremde und die muss von den Einheimischen erst einmal beschnuppert werden!“, lachte sie und… „Ich freue mich über Ihre Idee und könnte mir gut vorstellen, dass sie funktioniert. Ich reserviere Ihnen sehr gerne an diesen beiden Tagen diesen kleinen Tisch, an dem Sie gerade sitzen. Natürlich können Sie auch zwischen den Tagen immer gerne bei uns reinschauen; Sie sind jederzeit herzlich willkommen, scherzte sie und… „Das muss ein Zeichen sein, dass Sie sich heute genau diesen Tisch ausgesucht haben!“, und hieß mich herzlich willkommen. Ich bedankte mich und war sehr gespannt, was für interessante Menschen ich kennenlernen und welche Geschichten ich in nächster Zeit zu hören bekäme. Der Mittwochsmarkt ist übermorgen und ich freue mich auf meinen ersten Tag im Café.

 

2

Mittwochmorgen. Mit meinem Laptop, und diversen Schreibutensilien ausgestattet, betrete ich gegen zehn Uhr mit einer leichten Nervosität das Galerie Café. Ich werde von den Damen freundlich begrüßt und herzlich willkommen geheißen. Auf dem kleinen Tisch steht ein Schild mit Reserviert. Dies wird mein Platz in der nächsten Zeit für zwei Mal in der Woche sein. Ich setze mich, schaue mich ein wenig um undbestelle mir ein kleines Frühstück, bevor ich meinen Laptop auspacke. Das Café ist um diese Zeit noch wenig besucht und auf dem Wochenmarkt ist inzwischen schon einiges los. Sicher ist das Wetter schuld, denn die Sonne strahlt vom Himmel und es weht ein laues Lüftchen. Ich genieße mein Frühstück und beobachte die Menschen an den anderen Tischen. Einige Gäste sind mit ihrem Frühstück beschäftigt, wieder andere genießen ein großes Stück Torte. Auch ich werde neugierig betrachtet und glaube, dass es einige Barther sind, die mich vorher hier noch nie gesehen haben. Zwei ältere Damen sitzen am Nebentisch vor einem großen Stück Torte und unterhalten sich angeregt über ihre Krankheiten. Zwischendurch schauen sie immer wieder verstohlen zu mir herüber und tuscheln. Am Tisch daneben sitzt ein junges Paar mit zwei Kindern. Die Frau geht zur Kuchentheke, um für die Familie den Kuchen auszuwählen. Die Auswahl ist auch heute wieder groß, aber die Kinder und der Mann entscheiden sich für den Kirschstreuselkuchen. Ein älterer Herr hat es sich mit einem Cognac und einer Tasse Kaffee einen Tisch weiter bequem gemacht und blättert in der Tageszeitung. Ab und an schaut er hinter der Zeitung hervor und beobachtet die Gäste. Da die beiden Kinder des Paares unruhig herum zappeln, schüttelt er mehrfach den Kopf und widmet sich dann wieder seiner Zeitung. Während ich frühstücke beobachte ich, wie ein junges Pärchen das Café betritt, sich kurz umschaut und dann wieder hinausgeht. Draußen diskutieren sie ein paar Minuten miteinander. Ich habe den Eindruck, dass die junge Frau gerne eintreten würde, ihr Begleiter aber keine Lust hat. Sie wird etwas lauter, dreht sich um und betritt das Café, ohne ihn. Der schlägt die Hände über den Kopf zusammen, ruft ihr etwas nach, und verschwindet zwischen den Marktständen. Sie steht unschlüssig und leicht verlegen im Raum und geht auf meinen Tisch zu.

„Entschuldigung! Ist hier noch frei?“

„Ja bitte, nehmen Sie doch Platz!“

„Danke.“ Sie atmet tief durch und hängt ihre Jacke über die Stuhllehne.

„Sicher haben Sie gerade die Auseinandersetzung mit meinem Freund beobachtet?“

„Also… ich...“, stottere ich und sehe, dass ihr Gesicht mit hektischen Flecken übersät ist.

„Es ist immer dasselbe mit ihm. Wir kennen uns nun schon fünf Jahre und fetzen uns eigentlich regelmäßig, weil jeder von uns immer anderer Meinung ist.“

Sie atmet tief durch und winkt hektisch nach der Bedienung.

„Ich brauche jetzt ein großes Stück Sahnetorte und einen Prosecco, damit ich mich wieder beruhigen kann!“, sagt sie etwas zu laut.

„Außerdem möchte ich Sie nicht stören und nicht mit meinem Problem nerven; entschuldigen Sie bitte!“

„Sie stören mich nicht; im Gegenteil. Erzählen Sie ruhig, ich höre Ihnen gerne zu und habe alle Zeit der Welt!“, antworte ich und ahne gerade, dass dies meine erste Geschichte werden könnte. Sie lächelt etwas verlegen und bestellt sich ein großes Stück Mokka-Sahne Torte mit einem doppelstöckigen Espresso und einem Glas Prosecco.

„Ist sie nicht ein Traum? Dieses Stück Torte entschädigt doch für alles, nicht wahr? Lässt Kummer und Sorgen schon beim ersten Bissen sofort verschwinden; ist es nicht so?“, lächelt sie nun glücklich, fingert ein Mokkaböhnchen von der Torte und nippt an ihrem Espresso. Sie lehnt sich entspannt zurück, schaut mich zufrieden an und beginnt zu reden.

„Es ist so: Eigentlich ist er ein ganz lieber Kerl, der Thomas!“

„Und uneigentlich?“, frage ich. Sie muss lachen und blickt mir direkt in die Augen.

„Ach, das ist ja das Problem zwischen uns!“, und schiebt sich ein Stückchen Torte auf die Gabel, die sie sich genüsslich auf der Zunge zergehen lässt.

„Er liebt das Wasser, ich die Berge! Dieses Mal war ich kompromissbereit und habe ihm zuliebe die Ostsee gebucht. Jetzt ist es so: Er möchte die ganze Zeit am Strand entlang spazieren, seine Bücher lesen, zu die er das Jahr über nicht kommt – er ist in der Computerbranche tätig und selbstständig -, und möchte nirgendwo sonst wohin gehen; weder Restaurants, noch Cafés oder Galerien besuchen, weil er der Meinung ist, der Urlaub ist zum Nichtstun da und nicht, um heute hier und morgen dort einzukehren. Ich würde gerne auch mal was Anderes sehen, als nur Wasser. Jetzt habe ich ihm schon den Gefallen getan, mit ihm ans Meer zu fahren und trotzdem nörgelt er dauernd herum! Schrecklich nervig ist das, wenn man wegen jeder Kleinigkeit erst stundenlang diskutieren muss, ob ja oder ob doch nicht!“, erzählt sie aufgeregt und nimmt einen großen Schluck aus ihrem Glas.

„Das glaube ich Ihnen gerne! Könnte man nicht vor dem Urlaub absprechen, welche Aktivitäten man zusammen macht? Damit der Urlaub für beide entspannt und schön wird?“

„Hach, was denken Sie? Thomas hat Wochen vorher schon meterlange Listen geschrieben, was wir in den zwei Wochen alles unternehmen könnten. Schließlich gibt es hier genügend Angebote für Touristen und Einheimische! Sind wir erst Mal am Urlaubsort, wird nichts mehr von seinen Plänen in die Tat umgesetzt; und das ärgert mich maßlos! Können Sie das verstehen?“

„Und ob. Es ist schade um die Zeit, die man nur einmal im Jahr zusammen hat, stimmt`s?“

„Das können Sie wohl laut sagen. Marion!“, stellt sie sich vor und reicht mir ihre Hand.

„Beate, angenehm“, sage ich.

„Jetzt ist es aber genug mit Meckern. Sorry nochmal. Sind Sie öfters hier, Beate?“

„Nein. Heute ist mein erster Tag, denn ich wohne noch nicht so lange hier!“, erzähle ich.

„Sie Glückliche, direkt am Meer! Das ist perfekt! Schreiben Sie, oder warum haben Sie den Laptop dabei? Sie sind doch hoffentlich keine Reporterin, oder?“, fragt sie ängstlich.

„Nein, nein, keine Sorge,“ und erzähle ihr, warum ich hier sitze.

„Oh je! Und ich nerve Sie die ganze Zeit mit meinem langweiligen Leben; das tut mir echt leid und ich möchte mich dafür bei Ihnen entschuldigen; und das heute schon zum zweiten Mal!“

„Kein Problem! Wissen Sie, dass Sie die Erste

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 27.04.2024
ISBN: 978-3-7554-7951-2

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