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Leseprobe

BEI UNS ZUHAUS

BÄRBEL SCHOENING

INHALT

Bei uns Zuhaus…

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Über die Autorin

BEI UNS ZUHAUS…

ist kein Tag wie der andere, immer geht es turbulent und meist sogar stressig zu. Für den Rest der Familie eher nicht, aber für mich.

Also, ich bin Vera Berger, geborene Fischer, fünfundvierzig Jahre jung und führe ein chaotisches Familienunternehmen. In der Schule wurde ich gehänselt wegen meines Nachnamens. „Fischers Vera fängt frische Fische, frische Fische…“ Sie kennen diesen bescheuerten Spruch, damals habe ich sehr darunter gelitten, wenn meine Klassenkameraden – und nicht nur die – mich dauernd damit aufzogen.

Nun heiße ich Vera Berger und bin mit Hermann, neunundvierzig Jahre, seit fünfzehn Jahren verheiratet. Eigentlich heißt er Hermann Josef Johannes. Diesen verrückten Namen hat ihm seine Mutter Gertruda damals aufs Auge gedrückt; die hatte schon immer einen Sinn fürs Skurrile… Noch heute ruft sie ihn Hermann Josef Johannes oder mein Junge, wenn sie etwas von ihm will und das ist meist nicht nur etwas.

Gertruda (75) – sie besteht grundsätzlich auf das A hinter ihrem Namen -, ist verheiratet mit Kurt, der fünf Jahre jünger ist als seine Frau. Kurt ist noch recht flott zu Fuß für sein Alter und macht seinem Sohn Hermann Josef noch so einiges vor. Kurt muss früher ein ganz schöner Feger gewesen sein, wie mir zu Ohren gekommen ist. Aber das Thema schneide ich bei meiner Schwiegermutter lieber nicht an. Beide wohnen zwei Häuser neben uns, was nicht immer einfach für mich ist, wie Sie sich vielleicht denken können.

Aber dazu komme ich später.

Unser Haus beherbergt auch noch zwei Kinder nämlich unsere Tochter Laura und Leon, den Sohn des Hauses. Leon ist zehn und Laura vierzehn Jahre. Leon ist der Träumer und kreative Kopf der Familie und ein Bastler vor dem Herrn. Wenn er nicht zum Fußball geht, sitzt er in seinem Zimmer und experimentiert mit allen möglichen Materialien. Dabei kommt seltsamerweise immer etwas Passables heraus. Seine Erfindungen sind sogar funktionsfähig, was selbst meinen Göttergatten wundert, wie talentiert sein Sohn ist.

„Das hat er von mir, Vera, woher sollte er sonst seine Begabung haben?“, meinte er doch allen Ernstes neulich zu mir.

„Dann träum mal schön weiter, mein Schatz! Denke, dass dann doch eher der Postbote infrage kommen würde, als du!“, scherzte ich, worauf er beleidigt den Raum verließ. Ist doch wahr! Hermanns große Interessen liegen beim Sammeln von Briefmarken und amerikanische Serien im Fernsehen gucken, und das mit stundenlanger Begeisterung. Seit einiger Zeit spielt er Golf und ist sogar einem Golfclub beigetreten, wie er immer wieder und jedem erzählt, ob derjenige es hören will oder nicht. Am Abend sitzt er nach einem schweren Tag in seinem Lieblings-Fernseh-Sessel, ein Bierchen in der Hand, schaut amerikanische Serien und weiß schon immer vorher, wie alles enden wird. Er hält sich nämlich für ganz schlau. Kein Wunder, wenn er die Serie schon zig Mal geguckt hat…

Ich verbiete mir natürlich, das zu erwähnen.

Apropos Hermann: Hermann Josefs dritter Name könnte auch Hermann Josef der Langsame sein, statt Johannes, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will…

Hermann arbeitet am Ordnungsamt und sorgt dort nicht nur für Ordnung – nach eigener Aussage -, was man von seinem Schreibtisch Zuhause nun wirklich nicht behaupten kann. Sein Lebensmotto lautet: Ordnung ist das halbe Leben, ohne Ordnung kommst du nicht weiter! Wie schon erwähnt, zählen Briefmarken, amerikanische Serien im TV und seit neuestem auch das Golfspiel zu seinen Hobbys und das war´s dann auch schon.

Natürlich gehört in jede Familie ein Tier, so auch bei uns. Es ist Rambo, ein süßer Jack Russell Terrier mit dunklen Knopfaugen, der Herzenshund unserer Familie. Laura hatte sich einen Hund zu ihrem Geburtstag gewünscht. Die ganze Familie machte sich auf den Weg zum Tierheim und Rambo hatte im Nu unsere Herzen erobert. Wie er uns so aus seinem Käfig mit einem traurigen Blick aus den dunkelbraunen Knopfaugen ansah, da war es um uns alle geschehen. Die Kinder flippten vor Freude aus und sogar Hermann Josef war von dem kleinen Vierbeiner angetan. Lauras Versprechen, alleine und ständig für ihn zu sorgen, ist leider in weiter Ferne gerückt. Laura hat keine Zeit mehr, sich ausgiebig mit Rambo zu beschäftigen bzw., mit ihm Gassi zu gehen. Sie ist

ständig mit ihren Freundinnen unterwegs und verbringt ihre Freizeit lieber dort. Zum Glück ist sie eine gute Schülerin, die noch nie etwas für die Schule tun musste. Nun raten Sie mal, wer sich um Rambo kümmert und drei Mal täglich mit ihm Gassi geht?

Ach ja, zwei Meerschweinchen gibt es auch noch, die rührend von Leon betreut werden. Max und Moritz sind in einem kleinen Holzhaus im Garten untergebracht, das Leon für sie gebaut hat.

Alle weiteren Menschen, die noch irgendwie mit uns verwandt oder verschwägert sind, möchte ich Ihnen natürlich nicht vorenthalten. Zunächst aber meinen Göttergatten…

Hermann Josef hat schon zwei Mal den Hauptgewinn im Rätselraten erwischt. An manchen Abenden stürzt er sich drauf, die er in der Fernsehzeitung entdeckt hat und rätselt sie bis zum Lösungswort. Am nächsten Tag schickt er die Lösung mit der Post ab und wartet sehnsüchtig auf den Gewinn. Der erste Gewinn bestand aus einer Fahrt mit einem Heißluftballon für vier Personen und ein anderes Mal war es ein Reisegutschein für eine Wellnesswoche im Allgäu, für zwei Personen.

Beim Gewinn der Ballonfahrt meinte er nur:

„Was soll ich da oben? Bin nicht schwindelfrei und habe lieber festen Boden unter

den Füßen! Außerdem kann die Luft aus dem Ballon entweichen und dann? Dann

knallen wir alle auf die Erde, sind schwer verletzt oder sogar tot! Ne, ne, es gibt keine

Fahrt mit diesem Ballon, könnt ihr euch alle abschminken!“, bestimmte er und die Kinder waren mal wieder sowas von enttäuscht.

„Mein Junge! Wie wäre es, wenn ich statt deiner mit aufsteigen würde? Ich habe

nicht so einen Schiss wie du; aber so warst du ja immer schon…!“

„Ich werde den Gutschein verschenken oder bei Ebay verkaufen! Es gibt keine Reise

in die Lüfte; für dich nicht Mutti, und auch nicht für Vera und die Kinder! Schließlich

trage ich die alleinige Verantwortung für die Familie! Basta! Und jetzt will ich

nichts mehr davon hören!“, sprach es und verschwand aus dem Zimmer.

„Du bist ein richtiger Spielverderber und voll ätzend! Weißt du das? Ich hasse dich!“,

rief Laura hinter ihm her und heulte vor Wut.

„Da passiert jetzt endlich Mal was bei uns und wir dürfen das nicht mitmachen! Ganz

toll!“, maulte Leon und sah hilfesuchend in meine Richtung. Er dachte wohl, dass ich

seinen Vater umstimmen könnte; weit gefehlt! Wenn der sich mal was in den Kopf

setzt, dann zieht er das zu hundert Prozent durch vor allem, wenn es um seine

Belange geht, nur kein Risiko eingehen…

Ähnlich sah es bei dem Gewinn: eine Woche Wellness im Allgäu für zwei Personen aus.

Was soll ich im Allgäu?“, regte er sich auf.

„Was heißt ICH? Schließlich ist der Gutschein für zwei Personen, Herrmann! Ich

würde mich gerne mal für eine Woche verwöhnen lassen; habe ich dringend nötig

und wir hätten auch mal wieder Zeit für uns!“, versuchte ich mein Glück, obwohl ich

seine Antwort schon kannte. Und die kam prompt wie aus der Pistole geschossen.

„Zeit für uns! Wenn ich das schon höre, Vera! Wir haben Zeit für uns und sind jeden

Tag zusammen! Und wieso würdest du dich mal wieder gerne verwöhnen lassen,

he? Verwöhne ich dich nicht genug? Du musst nicht arbeiten und kannst dir deine

Zeit frei einteilen, was ich nicht kann! Ich muss es den ganzen Tag im Büro

aushalten! Du aber kannst dich, nachdem die Kinder und ich aus dem Haus sind,

wieder hinlegen, Vera! Wenn das kein Luxus ist, dann weiß ich´s nicht! Aber so ist´s

im Leben: wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Glatteis! Soviel dazu!“

„Aber Mama ist doch kein Esel und wir haben noch keinen Winter, Papa!“, empörte

sich Leon.

„Wie auch immer! Du bist zu klein, um das zu verstehen, mein Junge!“, antwortete er

und strich ihm flüchtig übers Haupthaar.

„Bin ich nicht!“, heulte Leon und… „Du bist so gemein, Papa!“ und lief aus dem Zimmer.

„Das ist ja interessant, Hermann Josef! So siehst du also meine Arbeit hier im Haus!

Gut zu wissen! Außerdem lege ich mich bestimmt nicht wieder ins Bett, wenn ihr alle

aus dem Haus seid und das weißt du auch! Ich habe verdammt genug am Hals mit

euch drei verwöhnten Geschöpfen, die mich in keiner Weise unterstützen, noch nie

unterstützt haben!“, warf ich ihm an den Kopf und versuchte, meine Tränen

zurückzuhalten.

„Das bist du doch selbst in Schuld, Vera! Wer trägt ihnen denn ihren Hintern nach, na, wer denn? Das bist du, Vera! Da brauchst du dich nicht zu wundern, wenn du immer alles alleine stemmen willst!“, stand Gertruda plötzlich im Zimmer und mischte sich mal wieder ins Gespräch ein.

„Hallo Mutti! Schön dich zu sehen! Wir haben gerade eine kleine

Auseinandersetzung wegen meines Gewinns im Allgäu!“, säuselte Hermann ihr ins Ohr.

„Ich glaube kaum, dass es deine Mutter etwas angeht, worüber wir gerade sprechen, Hermann!“, blaffte ich ihn an und zu Gertruda… „Außerdem klingelst du in Zukunft, bevor du hier hereinschneist! Hast du mich verstanden, Gertruda?“, sagte ich in meinem Befehlston.

„Die Tür stand offen, wie meistens! Außerdem hätte ja hier drinnen niemand von euch mein Klingeln hören können, bei dem Geschrei!“, antwortete sie und schaute mich schadenfroh an.

„Geschrei? Was soll das, Gertruda? Wenn ich richtig schreie, dann hört man mich noch zwei Straßen weiter!“, brüllte ich und hatte natürlich was ganz Anderes auf der Zunge…

„Was ist denn überhaupt mit dem Allgäuer Gewinn?“, erdreistete sie sich jetzt doch tatsächlich noch zu fragen und streichelte dabei über den Arm ihres lieben Jungen.

„Dein Vater und ich haben unsere Hochzeitsreise im Allgäu verbracht! Dort ist es himmlisch und nicht nur die Landschaft, einfach traumhaft! Außerdem bist du dort gezeugt worden, mein Junge! Stell dir das mal vor!“, erzählte sie mit einem verträumten Blick zu Hermann.

„Das stelle ich mir lieber nicht vor!“, warf ich dazwischen und würdigte sie keines Blickes.

„Es ist so, Mutti! Vera möchte gerne reisen aber ich finde es hier einfach schöner! Da muss ich doch nicht…!“,

„Haltet jetzt einfach alle die Klappe! Habt ihr gehört?“, brüllte ich … „Ihr könnt mich alle mal!“

Ja, so ist das meistens; wir kommen so gut wie nie auf einen gemeinsamen Nenner…

Das Ende vom Lied war, dass sich das Thema Allgäu automatisch erledigt hatte, da Herrmann seltsamerweise den Gewinn so gut verlegt hatte, dass er ihn nicht wiederfand, was natürlich seine Absicht war. Monate später fand ich ihn beim Putzen unseres Bücherregales; er purzelte aus einem dicken Wälzer von Thomas Mann: Die Buddenbrocks. Beim genauen Hinsehen war der Gewinn schon vor Monaten verfallen. Somit war dieses Kapitel auch abgehakt.

Hermann und ich passen einfach nicht zusammen; das fällt mir in letzter Zeit immer öfter auf. Ich schnappte mir meinen Mantel, die Handtasche und floh nach draußen. Ich war so wütend, wie schon lange nicht mehr. Sollten die doch sehen, wer ihnen das Abendbrot heute servierte; ich ganz bestimmt nicht…

1

Nachdem ich durch die Stadt geirrt war, kam ich mir so elend und einsam vor, weil sich mein Gewissen lautstark meldete. Außerdem regnete es in Strömen. Bei dem Wetter schickte man keinen Hund vor die Tür und ich geisterte hier herum. Darum machte ich mich wieder auf den Heimweg. Irgendwie fehlte mir die ganze Bagage, warum auch immer… Ich schlich mich durch den Flur in die Küche. Kein Laut war zu hören, so still war es ewig nicht mehr im Haus. Sicher saßen sie alle vereint und friedlich vor der Glotze, während ich die Küche erreichte. Ich traute meinen Augen nicht, was ich dort vorfand, war entsetzt und stieß einen hysterischen Schrei aus. Dort erwartete mich ein Chaos hoch zehn. Töpfe und Pfannen standen benutzt in der Spüle und auf dem Tisch stapelten sich vier beschmierte Teller mit Essensresten, in alphabetischer Ordnung. Es roch stark nach Angebranntem und auf dem Tisch war eine breite Tomaten-Spaghetti-Spur zu sehen. Mehrere halbgefüllte, bzw. leere Joghurtbecher waren akribisch ineinander gestülpt, in denen noch die Löffel steckten. Allem Anschein nach gab es (an)gebratene Nudeln mit Ketchup und Tomatensoße; das Lieblingsessen meiner Kids! Da hatte Gertruda mal wieder ganze Arbeit geleistet! Am Kühlschrank klebte ein ölig, beschmierter Minizettel in einer Krakelschrift, die nur von Leon stammen konnte: sind alle bei Omma! So war das also: Und ich Trottel machte mir noch Gedanken darüber, ob meine Familie Abendbrot kriegen oder sich eventuell kurz vor dem Hungertod befinden würde. Einfach lächerlich… Ich ging zum Kühlschrank, schnappte mir eine Flasche Wein und schloss schnell die Küchentür hinter mir. Dann machte ich es mir mit dem Wein vor dem Fernseher gemütlich. Das Chaos würde ich dieses Mal nicht aufräumen; ganz bestimmt nicht! Stunden später trudelte meine Familie mit großem Hallo und Geschrei wieder ein. Alle schienen guter Laune zu sein, die sie sich wohl bei Oma Gertruda eingefangen hatten. Den Inhalt der Weinflasche hatte ich inzwischen geschafft und mir war das gerade alles so ziemlich schnuppe, was da hinter meinem Rücken passierte.

„Wo warst du denn, Veralein?“, riss Hermann die Wohnzimmertür auf und baute sich schnaubend vor mir auf. Hinter ihm standen Laura und Leon, die mich mit großen Augen ansahen.

„Ha… hallo, da daaa issse jaha eend… endlich meine liihibe Fa-milie!“, lallte ich mehr, als ich sprechen konnte.

„Vera! Reiß dich gefälligst zusammen vor den Kindern!“, ermahnte mich mein Göttergatte und wollte mich aus dem Sofa heben.

„Kannich allei leine, biin schohon gro groß!“, antwortete ich und wackelte an ihm vorbei.

„Aber Vera, du bist ja betrunken!“, erkannte mein Mann jetzt auch schon und war über meinen Zustand fassungslos. Die Kinder standen immer noch wie angewurzelt da und starrten mich an, während Laura leise kicherte.

„Wo willst du denn hin, Veralein?“, rief er verzweifelt, während ich auf allen Vieren die Treppe hochkrabbelte.

„Zum Alldihi, won sohonst, Schatzilein!“, lallte ich und lachte albern.

„Aber der hat um diese Zeit doch schon geschlossen!“, wunderte sich mein Gatte.

„Für mich ni-hi-cht!“, stotterte ich und kämpfte mich hoch zum Schlafzimmer, ließ mich, so wie ich war, aufs Bett plumpsen und fiel automatisch in einen tiefen Schlaf.

In dieser Nacht schlief ich wie ein Murmeltier und hatte am nächsten Morgen natürlich verschlafen. Ich schaute auf den Wecker, der mir verschwommen drei Zahlen anzeigte; 9:34! Oh, mein Gott! Die Kinder mussten zur Schule und ich hatte den Wecker nicht gehört. Hatte vergessen, ihn zu stellen, in meinem desolaten Zustand. Ich sprang aus dem Bett!

„Laura, Leon, macht euch fertig! Sorry, ich habe verschlafen! Ihr müsst zur Schule und zwar dalli!“, brüllte ich durchs Haus, griff nach dem ersten Kleidungsstück, was ich sah und wollte runter in die Küche sausen. Rambo stand oben auf der Treppe und versperrte mir den Weg. Er stand winselnd und knurrend da und schaute mich böse an. Ich kraulte ihm im Vorbeisausen sein Fell und versprach, gleich mit ihm Gassi zu gehen. In der Küche wurde ich von Gertruda empfangen; der zweite Schock heute Morgen! Die saß gemütlich am Küchentisch mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Ich traute meinen Augen nicht und dachte; wo bleibt denn nur der Restalkohol, von gestern Abend? Der Tag fing ja gerade sowas von positiv an und ich beschloss spontan, ihn jetzt einfach mal auf morgen zu verschieben.

„Wo sind die Kinder?“

„In der Schule natürlich!“, flötete sie und nahm genüsslich einen Schluck aus der Tasse.

„Danke!“, sagte ich und goss mir mit zitternden Händen auch einen Kaffee ein.

„Wenn ich nicht wäre, dann…!“

„Es ist gut, Gertruda; einmal DANKE reicht ja wohl! Und nun lass mich alleine!“,

befahl ich ihr und sie stand doch tatsächlich kommentarlos auf und ging hinaus.

Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und sah erst jetzt, dass die Küche wieder in ihren aufgeräumten Zustand gebracht wurde. Mein schlechtes Gewissen holte mich ein und ich rief Gertruda zurück.

„Gertruda! Es war nicht so gemeint von mir; bin einfach noch müde wegen gestern!

Komm, wir frühstücken zusammen, ja?“ Ohne sich nach mir umzudrehen rief sie:

„Hab mit den Kindern gefrühstückt und das schon vor zwei Stunden!“

Okay, dann eben nicht dachte ich und musste als erstes mit Rambo raus. Danach duschen und ich hoffte inständig, mein altes Leben wiederzufinden obwohl, das zurzeit nicht der Burner ist…

Was für ein Tagesbeginn; kann ja nur noch besser werden. Schauen wir mal, einfach immer positiv denken, so mein verkatertes Motto für heute…

2

Als die Kinder mittags aus der Schule kommen, steht eines ihrer Lieblingsessen, nämlich Apfelpfannkuchen und Salat auf dem Tisch, heute von mir besonders mit ganz viel Liebe gemacht; irgendwie muss ich mich ja bei ihnen entschuldigen, oder? Leon drückt sich an mich:

„Mama, bist du krank? Du konntest gestern ja nicht mehr richtig laufen!“, fragt er mit ängstlichem Blick und drückt sich noch fester an mich.

„Krank? Das ich nicht lache! Mama war voll wie eine Haubitze! Ganz tolle Mutter haben wir da! Da sieht man mal wieder, dass du kleiner Wicht keine Ahnung hast!

Typisch für dich!“, blafft Laura ihren Bruder an, der sofort anfängt zu weinen.

„Laura! Es ist gut! Du bist jetzt ruhig! Setzt euch an den Tisch und erzählt mir, was es Neues in der Schule gab, okay?“, versuche ich mit Engelszungen, aber bestimmt, auf meine beiden Sprösslinge einzuwirken.

„Was soll es schon Neues in der Kackschule geben, he? Jeder Tag da ist ätzend und habe sowieso keine Lust auf Abi!“, schleudert mir meine Tochter aufgebracht entgegen.

„Wie bitte? Auf was hast du denn überhaupt Lust, Laura? Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?“

„Pah, jedenfalls auf alles, nur nicht auf die Scheißschule! Die ist einfach ätzend!“, brüllt sie und ihr Gesicht läuft rot an.

„Was stellst du dir denn für deine Zukunft so vor?“, frage ich und bemühe mich, einen ruhigen Ton anzuschlagen.

„Weiß nicht! Jedenfalls habe ich keinen Bock so zu leben, wie Papa und du! Ihr seid einfach voll spießig und sowas von peinlich!“, antwortet sie und stopft sich hastig ein paar Salatblätter in den Mund. Dann steht sie auf und verlässt wütend die Küche. Mir ist der Appetit vergangen und Leon anscheinend auch.

„Einer hier versaut einem ja immer den Tag!“, mault Leon, steht auf und geht in sein Zimmer.

Na prima, denke ich; warum funktioniert in letzter Zeit hier überhaupt nichts mehr?

Ich nehme mir vor, heute Abend mit Herrmann zu reden, falls er nicht zu gestresst vom Tag ist…

3

Laura ist zurzeit hochgradig pubertär und nicht zu ertragen; aber das erwähnte ich schon. An allem meckert sie herum, vor allem aber an mir. Alles was ich sage, ist falsch und interessiert sie nicht die Bohne; findet alles ätzend und nervig. Den ganzen Tag läuft sie schlechtgelaunt und mit Kopfhörer durchs Haus und blafft jeden an, der ihr in die Quere kommt. In dieser Woche hat sie beschlossen, Vegetarierin zu sein, nächste Woche hat sie Lust auf Currywurst und Pommes. So geht das schon die ganze Zeit und bei mir liegen die Nerven blitzeblank! Nicht nur an mir, sondern auch an ihrem Bruder kritisiert sie ständig herum. Leider ist er ihr nicht gewachsen und kommt dann meist weinend zu mir gelaufen. Mein Trost hält nicht lange an, bis Laura wieder ins Zimmer rauscht und die nächste Attacke an Leon auslebt. Lauras erstes Wort war damals NEIN, bevor sie überhaupt Mama sagen konnte. Hermann interessiert das alles nicht d.h., er bekommt es gar nicht erst mit. Und wenn doch, heißt es nur: Vertragt euch jetzt sofort; ist ja nicht zum Aushalten mit euch zwei Streithähnen! Letztens meinte er doch tatsächlich im Vorbeigehen:

„Waren wir nicht auch genauso in dem Alter, Veralein?“, grinste er mich von der Seite an und war mit seinem dicken Briefmarkenalbum auf den Weg zum Arbeitszimmer.

„Ich vielleicht, Herrmann! Ich musste mich ja noch mit Bernd, meinem Bruder auseinandersetzen und glaube mir, in dem Alter von Laura war unser Streitpotenzial ziemlich hoch! Aber bei dir kann ich es mir beim besten Willen nicht vorstellen; du warst doch immer gleich langweilig! Außerdem hattest du deine Eltern ganz alleine für dich, bist ohne Probleme aufgewachsen und verzogen worden von deiner Mutter Gertruda, die früher schon das Zepter in der Hand hielt!“, rief ich hinter ihm her und hörte, wie die Tür vom Arbeitszimmer gerade laut ins Schloss fiel…

Mein Hausfrauenpsychologie-Diplom lässt mich vermuten, dass die Pubertät unserer Tochter noch ewig andauern wird.Selbst Wissenschaftler haben keine Ahnung, wie lange so ein Zustand anhält und die müssten es doch eigentlich wissen, stimmt´s?

Ich weiß, dass ich mich meinem Mann gegenüber mehr zusammenreißen muss; aber zurzeit funktioniert das überhaupt nicht; das Gegenteil ist der Fall. Dabei haben wir uns doch immer Kinder gewünscht und sind dankbar, dass sich dieser Wunsch erfüllt hat. Uns war wichtig, unsere Kinder zur Selbstständigkeit zu erziehen. Beide sind gesund, aufgeweckt und intelligent, was mir natürlich zuzuschreiben ist! Während Hermann die meiste Zeit im Ordnungsamt festsitzt und ich mich mit dem anderen Rest rumschlagen muss. Ich bin einfach überfordert mit allem was am Tag so anfällt und müsste mal dringend was für mich tun. Selbst meine Freundin Jenny meinte neulich:

„Du hast auch schon mal besser ausgesehen, Vera! Alles in Ordnung mit dir, bzw. bei euch?“

Statt einer Antwort nickte ich krampfhaft und prompt flossen die Tränen bei mir. Sie nahm mich in den Arm und dann brach alles wie ein Wasserfall aus mir heraus. Jenny und ich sind erst seit einiger Zeit befreundet, ihr kann ich nichts vormachen. Wir erzählen uns alles und sind füreinander da. Ein schönes Gefühl ist das, jemanden wie Jenny als Freundin zu haben.

„Komm doch am Dienstag einfach mit zum Yoga! Da lernst du, wie man sich richtig entspannt! Du bist ja total verkrampft, Vera! Langsam mache ich mir Sorgen um dich“, meinte sie und schaute mich besorgt an.

„Yoga? Och nö! Dienstags ist es ganz schlecht! Da kommt Laura früher aus der Schule und hat immer einen Riesenhunger!“, redete ich mich raus.

„Ach komm, erzähle mir doch nichts, Vera! Laura und Riesenhunger! Bei Leon würde es ja zutreffen, aber Laura? In dem Alter riecht man doch nur kurz im Vorbeigehen an Lebensmitteln und außerdem könnte sie sich ja wohl einmal in der Woche alleine versorgen! Wo ist also das Problem? Diese blöde Ausrede lasse ich nicht gelten, Vera!“

„Na ja, ich will ehrlich zu dir sein! Ich glaube nicht, dass Yoga das Richtige für mich ist!“, sagte ich und schüttelte den Kopf.

Mir kamen gerade die Alternativgestalten mit Schlabberhose, langen ungepflegten und fettigen Haaren und einer Yogamatte unterm Arm, in den Sinn.

„Weißt du, Jenny, Yoga ist eher was für Madonna! Die macht das vierundzwanzig Stunden lang. Die sieht mit über fünfzig ja noch top aus! Das muss der Neid ihr wirklich lassen! Wäre vielleicht in absehbarer Zeit eventuell doch was für mich?“, scherzte ich.

„Du musst es einfach mal versuchen, Vera! Schau es dir nächsten Dienstag mal an, ja?“, schlug sie mir vor.

„Nett, dass du dir den Kopf zerbrichst, Jenny! Ich werde mir das Programm der VHS (Volkshochschule) in der nächsten Zeit besorgen; da finde ich sicher etwas, wo ich Lust zu habe und werde dir natürlich umgehend berichten, liebe Jenny! Mach dir keine Gedanken um mich; es wird irgendwann besser, glaube mir; ist sicher nur so eine Phase!“, redete ich mir schön.

„Nicht, dass ich dich noch in einer Selbsthilfegruppe anmelden muss, Vera?“

„Nun mach aber mal nen Punkt! Ich kriege das alles wieder hin, wie du ja weißt. Kennst mich doch!“

„Eben, und darum mache ich mir Sorgen um dich! Aber jetzt gehen wir erstmal zum Italiener und verwöhnen uns mit etwas Leckerem; du bist eingeladen, liebe Vera!“ Ich war begeistert von der Idee und nahm die Einladung dankend an.

4

Jenny lernte ich im Drogeriemarkt kennen; sie sitzt dort an der Kasse. Da ich regelmäßig was für die Pflege unseres Hauses und Hundefutter kaufen muss, kreuze ich da so alle paar Tage auf. Sie ist die freundlichste Verkäuferin in diesem Markt, hilft den Älteren und ist immer gut gelaunt mit einem Spruch auf den Lippen. Irgendwie kamen wir mal ins Gespräch und redeten über Dieses und Jenes. Es war kurz vor Ladenschluss, als sie mich fragte, ob ich noch Lust hätte, mit ihr einen Wein in dem kleinen Bistro nebenan zu trinken, sozusagen ein Absacker zum Abschluss ihres stressigen Tages. Ich war etwas irritiert, sagte aber zu. Ich war neugierig und irgendwie gefiel mir ihre Spontanität und nahm ihre Einladung an. Schon ewig hatte mich niemand mehr eingeladen. Es waren Lichtjahre her, seit Hermann und ich mal spontan in der Stadt unterwegs waren. Die kleine Bar neben dem Drogeriemarkt ist bekannt mit ihrem gemischten Publikum. Wir bestellten uns einen Prosecco, erzählten etwas aus unserem Privatleben und stießen aufs DU an. Jenny ist Mitte dreißig und Single. Sie sprach ganz offen über diverse Beziehungen, die sie bisher gehabt hatte und die sie alle übers Internet kennengelernt hat.

„Du glaubst nicht, was sich alles auf den Dating Portalen tummelt! Ich hatte vorher überhaupt keine Ahnung und habe Typen kennengelernt, denen willst du nicht am helllichten Tage begegnen!“, erzählte sie und nahm einen großen Schluck aus dem Glas.

„So schlimm?“

„Schlimmer, und das ist die reine Wahrheit!“ Dann winkte sie dem gutaussehenden Mann hinter der Theke und bestellte noch zwei Prosecco.

„Ich rufe mal kurz Zuhause an, dass ich später komme, ok?“, sagte ich und kramte mein Handy aus der Tasche. Nach dem ersten Klingelton, war Hermann Josef schon am Ohr:

„Wo bist du denn, Vera?“, rief er atemlos und… „Wir haben uns schon Sorgen gemacht und sitzen in der Küche und warten auf dich!“, brüllte er in den Hörer, so dass ich das Handy einen Meter vom Ohr weghielt, um ja nicht am nächsten Tag noch einen Hörakustiker aufsuchen zu müssen. Man kriegt da ja so schlecht einen Termin…

„Ist was passiert?“, wollte ich wissen.

„Ja und nein! Aber wir warten auf dich fürs Abendbrot! Wann kommst du denn endlich?“

„Kann ich nicht sagen! Macht euch schon Mal was zu essen; ich esse dann später!

Tschüss!“ Im Hintergrund hörte ich gerade noch Laura meckern, dass sie ihre Mutter ätzend findet, weil sie ihre Familie verhungern lässt und sich lieber in der Stadt herumtreibt. Ich rieb mir die Hände und sagte zu Jenny:

„Jetzt erst recht; wir gehen drüben noch zum Italiener und essen Pizza! Dazu lade dich ein!“

Jenny bezahlte schnell die Getränke und war von meinem Vorschlag mehr als begeistert.

„Aber musst du nicht nach Hause zu deiner hungrigen Bande? Nicht, dass du Ärger bekommst!“, meinte sie und fühlte sich wohl etwas schuldig bei der ganzen Sache.

„Ärger gibt’s bei uns dauernd, gehört zurzeit zum Tagesprogramm! Die werden sich schon zu helfen wissen. Weißt du, meine Schwiegereltern wohnen zwei Häuser weiter und da werden die drei immer in Notfällen abgefüttert! Das ist ganz praktisch für beide Seiten, verstehst du?“, lachte ich und war auf einmal so entspannt, wie schon lange nicht mehr. Wir erwischten noch einen leeren Tisch in der Pizzeria und ließen es uns gutgehen. Der Abend war wunderschön, wir haben viel gelacht und ich war zum ersten Mal so richtig locker. Wir tauschten unsere Nummern aus und verabredeten uns erneut für die nächste Woche. Leicht beschwipst rief ich mir ein Taxi und fuhr glücklich nach Hause….

* * *

Am nächsten Morgen steht Gertruda schon sehr früh im Türrahmen. Ich fülle gerade den Kaffeeautomaten mit Wasser und frischen Bohnen, als ich sie bemerke.

„Na, hast du dich gestern Abend gut amüsiert, mit wem auch immer?“, poltert sie und scannt mich von oben bis unten mit einem abschätzenden Blick.

„Ah, Gertruda! So früh hat dich deine Neugierde zu mir geführt?“, frage ich lächelnd. Statt einer Antwort meint sie:

„Pah, Neugierde, dass ich nicht lache! Mir ist doch egal, wo und mit wem du dich herumtreibst! Aber eins will ich dir mal sagen, ob du es hören willst, oder nicht, Vera!“, schnaubt sie und geht einen Schritt vor.

„Du sagst es mir sowieso, ob ich es hören will oder nicht, stimmt´s Gertruda? Du platzt ja geradezu, damit du es endlich loswerden kannst, deinen speziellen Morgengruß an deine Schwiegertochter! Schieß los, Gertruda! Jetzt bin ich aber neugierig!“ Sie holt tief Luft und räuspert sich kurz, bevor ein Redeschwall auf mich einstürzt.

„Wie gesagt, du kannst machen, was du willst, Vera! Aber deine Familie ohne Abendbrot sich selbst zu überlassen, das geht gar nicht und ist un-ver-zeih-lich! Was bist du nur für eine Egoistin in letzter Zeit geworden, Vera! Ich habe so langsam den Eindruck, dass du dich lieber mit dem Alkohol beschäftigst, als dich um deine Familie zu kümmern! Ich denke da nur an neulich, wo du sturzbesoffen warst, und das auchnoch vor den Kindern! Hermann Josef Johannes ist das auch schon aufgefallen; soviel zu dem Thema! Du kannst froh sein, dass deine Familie nicht verwahrlost durch deine Eskapaden, die du zurzeit praktizierst! Mein Junge und die Kinder können sich glücklich schätzen, dass ihre Großeltern nebenan wohnen!“

Ihr Gesicht hat jetzt die Farbe einer Tomate und ihre Augen blitzen vor Wut. Sie lässt sich erschöpft auf einen Stuhl fallen und wartet gespannt auf meine Reaktion.

„Bist du etwa schon fertig, Gertruda? Also erstens bin ich niemandem eine Erklärung schuldig und dir schon gar nicht! Zweitens können sich Herrmann und die Kinder ja wohl selbst mal ein Brot schmieren, ohne dass ich anwesend sein muss; bin ich sowieso vierundzwanzig Stunden lang und drittens, haben sie es ja nicht weit zu ihren Großeltern! Alles perfekt! Ach Gertruda? Ich tue Buße, indem ich jetzt mit dir einen Kaffee trinke; ganz frisch aufgebrüht.Sie springt auf und schreit:

„Von wegen! Deinen Kaffee trinkst du mal schön alleine! Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, Vera!“, poltert sie.

„Von meiner Seite schon! Hab einen schönen Tag, Gertruda!“ und Sekunden später fällt mit einem lauten Knall die Haustür ins Schloss.

Mein Leben ist zurzeit nur noch betrinkenswert

Ich sollte mir Gertrudas Gemecker vielleicht mal als Klingelton auf mein Handy laden, kommt mir gerade in den Sinn und muss über diesen bescheuerten Gedanken lauthals lachen…

5

Ich bin gerade dabei, das Mittagessen zuzubereiten, als das Telefon klingelt.

„Berger!“, melde ich mich.

„Guten Tag Frau Berger! Jürgen Weber, Lauras Klassenlehrer!“

„Hallo Herr Weber! Ist was mit Laura?“, frage ich und ziehe mir einen Stuhl heran. Mir ist auf einmal ganz flau in der Magengegend.

„Nein, nein, Frau Berger, Ihrer Tochter ist nichts passiert! Ich möchte Sie lediglich bitten, morgen Nachmittag gegen fünfzehn Uhr zu einem Gespräch in die Schule zu kommen!“

„Jetzt haben Sie mir aber einen Schrecken eingejagt, Herr Weber! Warum müssen Sie mich unbedingt sprechen? Geht das nicht am Telefon?“ Noch bevor er antwortet, kommt Gertruda in die Küche gestürmt:

„Hier riecht es angebrannt, Vera!“, rennt zum Herd und reißt die Pfanne von der Herdplatte.

„Ich bin am Telefonieren, wie du siehst!“, antworte ich und ignoriere sie, was schier unmöglich ist.

„Das sehe ich auch; bin ja nicht blind! Wie kannst du nur so fahrlässig sein und beim Kochen stundenlang telefonieren? Die Kinder und mein Junge kommen gleich zum Essen und du kriegst es nicht mal hin, das Essen pünktlich auf den Tisch zu bringen!“, poltert sie und ringt nach Luft.

„Der Klassenlehrer von Laura ist am Telefon, halte dich mal bitte zurück und verlasse auf der Stelle meine Küche!“Sie rauscht an mir vorbei und ruft:

„Schick die Drei gleich mal zum Essen zu uns rüber und sag ihnen, es gibt Lasagne und zum Nachtisch ein Eis! Tschüss!“ und weg ist sie.Ich atme tief ein und aus und wende mich wieder Herrn Weber zu:

„Entschuldigung, das war meine Schwiegermutter! Also morgen Nachmittag um drei. Dann muss es ja etwas ganz Spezielles sein, Herr Weber, wenn Sie das mit mir nicht am Telefon besprechen können!“

„Machen Sie sich keine Gedanken! So habe ich die Gelegenheit, Lauras Mutter auch mal kennenzulernen! Also, dann bis morgen, Frau Berger!“

„Ja, bis Morgen und danke für Ihren Anruf, Herr Weber!“ und lege auf.Morgen darf ich also in der Schule erscheinen und es geht um Laura. Ich habe keine Ahnung, worüber Herr Weber mit mir reden will; die Noten können es nicht sein, denn Laura ist Klassenbeste…

Okay, spätestens morgen werde ich es erfahren und mache mir erst einmal einen doppelten Espresso. Ich denke, schön, dass meine Kinder und mein Ehemann drüben zum Mittagessen eingeladen sind, denn von mir war ja nicht die Rede. Auch gut! Mir bleibt nichts anderes übrig, als die angebrannten Kartoffeln zu essen. Gibt’s eben für mich heute Bratkartoffeln! Ehrlich gesagt, es gibt Schlimmeres… Ich brate mir ein Spiegelei dazu und kann endlich mal in Ruhe essen.

6

Mein Glück beginnt tagein tagaus so gegen sechs Uhr in der Morgendämmerung, da werde ich nämlich von unserem Familienhund Rambo sanft geweckt. Morgens steht er komischerweise immer an meinem Bett und will raus. Die anderen Familienmitglieder liegen noch in ihren tiefsten Träumen und bekommen von alledem nichts mit.

Ich ziehe mir den Jogginganzug an, steige in meine Gummistiefel und schnappe mir die Hundeleine, die unten an der Garderobe hängt. Natürlich ist Rambo vor mir da, denn ich muss mir schnell noch durchs Gesicht waschen, um einigermaßen wach zu werden; soviel Zeit muss sein. Er begrüßt mich fröhlich schwanzwedelnd, als ich die Treppe herunterkomme. Wenigstens hat er jeden Morgen gute Laune und die überträgt er sofort auf mich. Rambo und ich haben ein ganz besonderes Verhältnis von Anfang an gehabt. Ich kann und will jetzt nicht mehr auf ihn verzichten. Obwohl ich diejenige in der Familie bin, die immer gegen einen Hund war. Zum Glück hat sich das durch Rambo geändert. Er ist mein Seelentröster in schwierigen Zeiten geworden und wir beide

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Bärbel Schoening
Cover: Josi Saefkow
Tag der Veröffentlichung: 13.11.2022
ISBN: 978-3-7554-2522-9

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