Geschichten aus dem Erdbeerhäuschen
Zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie dieses Büchlein gekauft haben, denn hier können Sie all die Geschichten lesen, die ich im Erdbeerhäuschen erlebt habe; ebenso die Idee, wie ich dazu gekommen bin.
Es begann vor ein paar Jahren mit einem Urlaub an der Ostsee…
Danach verspürte ich den Wunsch, irgendwann mal im Rentenalter dorthin zu ziehen. Ab da wurde meine Sehnsucht immer größer und ich musste, ja ich wollte, mir diesen Traum unbedingt erfüllen. Manche Träume begleiten uns ein Leben lang, werden aber oft leider, aus irgendwelchen Gründen, nicht wahr…
Je mehr Zeit verging – es waren ein paar Jahre – tat ich alles dafür, um nun endlich mal in die Gänge zu kommen. Über ein Maklerbüro fand ich dann eine Wohnung, die mir auf Anhieb gefiel. Nun hieß es, innerhalb von sieben Wochen mein altes Leben im Rheinland aufzulösen und sich auf das neue Leben an der Ostsee zu konzentrieren. Endlich wurde mein Traum wahr! Einige meiner Freunde und Bekannten hatten so ihre Bedenken und verstanden nicht, wieso ich im Alter noch einmal ganz von vorne anfangen wollte.
„Warum tust du dir das an?“ und… „Stell dir das mal nicht so einfach vor, die Mentalität der Menschen da oben ist eine ganz andere“ usw. Andere wiederum fanden es ziemlich mutig, was es im Nachhinein ja auch war. Jedoch, mein Entschluss stand fest und meine beiden wunderbaren Söhne unterstützten mich von Anfang an, ohne die ich es mit Sicherheit nicht geschafft hätte.
Endlich war es soweit und ich war an der Ostsee angekommen.
Die erste Zeit verbrachte ich mit dem Einrichten meiner Wohnung, doch danach fühlte ich mich unterfordert und nicht so richtig ausgelastet. Es musste doch irgendetwas geben, was ich noch so machen könnte, dachte ich und hatte nicht die kleinste Idee, was das sein könnte. Die Hausbewohner kannte ich nun schon, aber was war mit den Menschen, die hier wohnten? Anonym lief ich durch die Straßen und kam mir ziemlich einsam vor. Ich beschloss, die Situation zu ändern, denn es musste etwas geschehen; ich war noch zu fit, um nur zu Hause herumzusitzen…
Eines Tages saß ich am Hafen und blickte gedankenverloren auf den Bodden, auf dem sich einige Möwen tummelten. Die Sonne schien und alles um mich herum war so friedlich und wunderschön. Hier lief das Leben in ruhigeren Bahnen ab und das war wunderbar! Plötzlich hatte ich eine Idee…
Zuhause angekommen, erkundigte ich mich, ob hier von Mai bis August Erdbeerhäuschen aufgestellt würden. Diese kannte ich aus dem Rheinland, hatte aber bis dato noch nicht gehört, ob hier auch Erdbeeren von Mai bis August in Erdbeerhäuschen verkauft wurden. Das wurde jedoch von meinen Nachbarn bestätigt.
Ich war neugierig, erkundigte mich, ob noch Verkäufer für die kommende Saison eingestellt würden. Dieses wurde bejaht und eine sehr freundliche Mitarbeiterin nahm meine Personalien auf und versprach, dass sich ein Teamleiter in Kürze bei mir melden würde. Soweit, so gut! Nun musste ich nur noch auf dieses Gespräch warten, dass auch ziemlich zügig erfolgte. Eine Viertelstunde später hatte ich seine Zusage von Mai bis August in der Einkaufsstraße, Erdbeeren zu verkaufen. Ich freute mich über die schnelle Zusage, hatte aber auf einmal große Bedenken, ob ich das alles schaffen könnte. Es waren ja nicht nur die Erdbeeren, die an den Kunden verkauft werden mussten; das ganze Drumherum kam ja auch noch hinzu und ich zweifelte plötzlich an mir selbst. Hatte ich zu voreilig gehandelt? Doch dann tröstete ich mich damit, dass die Saison erst in zwei Monaten beginnen würde und bis dahin war ja noch Zeit, mich seelisch darauf vorzubereiten…
Mein erster Tag im Erdbeerhäuschen
Die ganze Nacht schlief ich unruhig, immer die Angst, den Wecker zu überhören, den ich sicherheitshalber schon am Vortag auf 06:00 Uhr gestellt hatte. Nach dem Frühstück – ich bekam kaum einen Bissen herunter - packte ich meine Tasche mit Obst und Wasserflaschen und machte mich auf den Weg zu meiner zukünftigen Arbeitsstelle…
07:15 Uhr: Die Sonne lachte vom blauen Himmel herab und mir begegneten ein paar ältere Menschen, die schon auf dem Weg zum Bäcker waren. Da ich den Platz des Erdbeerhäuschens kannte, ging ich schnurstracks in diese Richtung. Je näher ich kam, desto weniger sah ich das rote Häuschen. Ich begann an mir zu zweifeln, ob ich den falschen Standort im Kopf hatte. Plötzlich wurde es mir ganz komisch und ich ging zögernd weiter in der Hoffnung, dass die Erdbeere nicht in der Einkaufs -, sondern in der Seitenstraße aufgestellt war. Aber auch dort war sie nicht zu sehen. Verloren sah ich mich um und rührte mich nicht von der Stelle. Was sollte ich nur tun? Hilfesuchend stand ich mit meiner kleinen Tasche da und wusste nicht weiter… Hatte ich mich etwa im Datum geirrt vor lauter Aufregung? Gerade wollte ich den Rückzug antreten, als mein Handy klingelte; es war der Teamleiter, der mir mitteilte, dass er vor wenigen Minuten erst die Nachricht bekommen hatte, dass die Erdbeere erst heute im Laufe des Tages aufgebaut wurde, so dass ich erst am nächsten Tag mit dem Verkauf beginnen konnte. Erleichtert, aber auch ein wenig enttäuscht, trat ich den Heimweg an und wusste, dass die kommende Nacht genauso schlaflos werden würde, wie die letzte…
Am nächsten Morgen wurde ich vom Teamleiter freundlich im Erdbeerhäuschen empfangen und kurz in meine Aufgaben eingewiesen. Danach lief alles wie von selbst und die Zeit verging wie im Flug…
Ein neuer Tag. Es ist gegenüber gestern, stürmisch und ungemütlich. Der Himmel ist mit schwarzen Wolken übersät, die rasend schnell vorbeiziehen. Hoffentlich regnet es nicht, denn dann haben die Menschen keine Lust auf Erdbeeren…
Ein intelligenter Terrier mit seinem Herrchen
Auf der gegenüberliegenden Seite geht ein Mann mit seinem Hund Gassi, wie jgestern auch um diese Zeit. Er führt seinen Hund an der Leine und der bleibt alle paar Meter stehen und schnüffelt an allem, was ihm vor die Hundenase kommt. Beide kommen auf mich zu.
„Der Kleine ist wohl sehr neugierig“, begrüße ich Hund und Herrchen.
„Ja, das ist er. Er liest nämlich die neuesten Nachrichten und erzählt sie mir gleich beim Frühstück; so spare ich die Tageszeitung“, scherzt sein Herrchen, wünscht mir einen schönen Tag und einen erfolgreichen Erdbeerverkauf. Beide werde ich sicher noch öfters sehen und sie sind mir auf Anhieb sympathisch.
Der Kunde in der blauen Latzhose
Schnellen Schrittes kommt ein Mann auf mich zu. Er ist in Arbeitskleidung und hat sicher wenig Zeit; danach sieht es jedenfalls für mich aus.
„Moin, moin, junge Frau! Könnte ich mal eine Erdbeere probieren?“
„Das geht leider nicht!“, sage ich und… „Dem nächsten Kunden fehlt dann diese Erdbeere und… „Warum nur eine? Sie können eine kleine Schale kaufen mit 500 Gramm“, schlage ich ihm vor.
„Will ich aber nicht und den nächsten Kunden kennen wir garnicht, da ist es doch egal!“, meint er trocken und grinst mich an.
„Sie sind ja lustig; kaufen Sie eine kleine Schale und dann können Sie alle probieren, nicht nur eine Erdbeere!“, schlage ich vor und muss im Stillen schmunzeln.
„Wissen Sie, ich muss jetzt zur Fußpflege und dann wäre die Behandlung mit einer Erdbeere viel besser zu ertragen!“, grinst er und rührt sich nicht vom Fleck.
„Ich dachte schon, Sie hätten heute Ihren Obsttag!“, scherze ich und er lacht lauthals über meinen Kommentar. Natürlich gebe ich ihm eine Erdbeere von den Vortagserdbeeren aus der Schale, die ich für mich zurückgestellt habe. Er knabbert an der Erdbeere, schließt dabei genüsslich die Augen und bedankt sich für die kleine Spende. Eine halbe Stunde später steht er wieder vor mir.
„Es hat überhaupt nicht wehgetan, dank der süßen Erdbeere! Nun packen Sie mir schnell 1 kg Erdbeeren ein, hab wenig Zeit! Bis die Tage dann mal wieder!“, lacht er und läuft schnellen Schrittes und winkend davon.
Die Touristen kommen
In Schleswig haben die Ferien begonnen und täglich füllt sich die Stadt mit neuen Feriengästen. Meist sind es Familien mit Kindern, die sich gerne ein Körbchen Erdbeeren mit zum Strand nehmen. Urlauber haben den Ruf, großzügig beim Geldausgeben zu sein; man ist dann einfach spendierfreudiger, als im Alltag, denn schließlich hat man das ganze Jahr für die schönste Jahreszeit gespart, um sich dann auch mal etwas zu gönnen. Die Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern ist größtenteils arm und es hat den Anschein, dass hier nur reiche, bzw. ganz arme Menschen leben und die Mittelschicht fehlen würde. Trotz der Erdbeerpreise gönnen sich viele ältere Menschen ein paar Mal in der Woche eine Schale Erdbeeren, obwohl ihre Rente klein ist. Sie schätzen seit Jahren die herrlichen Erdbeeren und begrüßen es, dass die süßen Früchtchen hier aus der Region kommen.
„Qualität kostet
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 10.07.2021
ISBN: 978-3-7487-8797-6
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