An manchen Tage ziehen dunkle Wolken auf; doch davon sollte man sich nicht einschüchtern lassen und nach vorne schauen! So geht es auch einigen Menschen in meinen acht Kurzgeschichten... Lesen Sie selbst!
Wenn Ihnen meine Geschichten gefallen haben, empfehle ich Ihnen gerne weiteren Lesestoff auf meiner Homepage: http://www.baerbel-schoening.com
Inhalt
Der Kastanienbaum
Die Wahrheit kommt immer ans Licht
Die Liebe meines Lebens
Es gibt immer eine zweite Chance
Endlich ist es vorbei
Keine Zeit
Fanatisch
Zwei nette ältere Damen
Der Kastanienbaum
Es war ein stürmischer Frühlingstag und der Wind fegte über die Felder. Die Äste an den Bäumen bogen sich im Wind und knackten unheimlich.
„Was ist das heute nur für ein Wetterchen!“, rief die Amsel und flatterte mit letzter Kraft in Richtung Kastanienbaum. Sie war aus dem Süden nach Deutschland gekommen und wegen des starken Windes hatte sie sich verflogen. Sie rief verwundert:
„Was ist denn hier los? Bin ich zu früh zurück? Wieso sehe ich noch keine Knospen an dem Baum?“, schimpfte sie.
„Na, dann flieg doch wieder dahin wo du hergekommen bist“, sagte plötzlich eine dunkle Stimme.
„Hallo, ist da noch jemand?“, fragte die Amsel und reckte neugierig ihren kleinen Körper über den Ast.
„Ich bin es, der Kastanienbaum! Du hast dich gerade auf meinem Ast bequem niedergelassen!“, antwortete er patzig.
„Ach so! Ich dachte schon, du seiest tot, so vertrocknet wie du aussiehst!“, meinte die Amsel frech.
„Du hast ja Recht! Aber ich bin schon so alt und habe das Blühen aufgegeben. Mir fehlt einfach die Kraft!“, antwortete der Baum müde.
„Es muss doch einen Grund haben, warum du so depressiv geworden bist!“, bohrte die Amsel weiter.
„Den gibt es! Eines Tages kam ein neuer Besitzer und fällte alle Bäume. Nur mich ließ er hier allein. Von da an verloren Pflanzen und Tiere ihren Schutz. Anfangs kamen noch ein paar Vögel vorbei, die sich auf mir nieder ließen und beim Abwerfen des letzten Blattes beschloss ich, keine Blätter mehr zu tragen!“.
Die Amsel schüttelte ihre Federn auf, flog zu ihrer Vogelschar und bat sie um Hilfe. Plötzlich kamen hunderte von Vögeln angeflogen und stimmten ein Liedchen an.
„Wir verbringen jetzt den ganzen Sommer auf dir und bauen Nester, damit du wieder blühst!“, rief die Amsel. Der Baum schlang die Äste um seine neuen Freunde und sieh da; er stand bis zum Herbst in voller Pracht auf der Wiese.
***
Die Wahrheit kommt immer ans Licht
An diesem Abend hatte mich Ilona, meine Freundin dazu überredet, mit ihr und ein paar Mädels abends ins Coming in zu fahren, um Gabys bestandene Prüfung als Zahnarzthelferin zu feiern. Nach langem Hin und Her war ich bereit, mitzufahren. Dieser sommerwarme Tag verleitete zum Übermut und ich war entspannt und in allerbester Laune, als wir uns am Eingang der Disko trafen.
Seit einem halben Jahr hatte ich keine feste Beziehung mehr gehabt, mehr oder weniger nur lose Verabredungen. An diesem herrlichen Sommerabend sehnte ich mich nach Liebe, nach starken Männerarmen, die ihre Hände um meine Hüften legten, nach Musik, Spaß und nach Unmengen von Überraschungen. Ilona schob uns direkt an die Bar und bestellte Prosecco mit einem Spritzer Aperol. Das war seit Monaten das Ingetränk! Einige Jungs sahen herüber und flirteten mit uns um die Wette. Die Musik spielte lauter und der Alkohol machte mich immer gelöster und freier.
Ich hatte schon ein paar hochprozentige Drinks verkonsumiert, so dass ich vollkommen gelöst mit hochgerissen Armen wie ein verzauberte Fee hemmungslos zur Musik tanzte. Die jungen Männer an der Bar beobachteten mich und ich konnte an ihren schmachtenden Blicken sehen, was sie sich alle wünschten. Einige flirteten wie wild mit mir oder luden mich zu einem Cocktail ein. Ich strahlte, fühlte mich rundherum glücklich und war froh, dass mich die Mädels überredet hatten, mitzukommen.
„Zuhause hättest du dir den Spielfilm um 20.15 Uhr angesehen und nicht so viel Spaß wie hier gehabt!“, lachte Ilona, meine Freundin und prostete mir zu.
„Ach ja, du hast wie immer Recht, du blöde Kuh!“, scherzte ich und kniff sie sanft in den Arm. Sie grinste breit und wir tanzten zusammen zur Musik. Der DJ hatte eine Reggae-CD aufgelegt und ich spürte den heißen Wind, wie er meine Haut streichelte, fühlte den warmen Sand unter meinen Füßen und hörte das Meer aus der Ferne, wie es auf dden Sand aufschlug.
Verzückt schloss ich die Augen und stellte fest, dass Ilona und ich uns gerade die Tanzfläche teilten. Der Rest der Besucher bildete einen Kreis um uns und alle klatschten im Takt zur Musik. Ich fühlte mich wie auf Wolken gebettet und wusste, dieser Abend würde für mich positiv enden. Alles war easy und wunderbar! Die Stimmung im Saal stieg von Stunde zu Stunde und jeder schien seinen Spaß zu haben. Ich strahlte sie alle an und bemerkte nicht, dass mir jemand eine gefährliche Flüssigkeit in meinen Cocktail tropfte. Durstig und erhitzt wie ich war, nahm ich einen großen Schluck und tanzte zurück zu Ilona auf die Tanzfläche.
Plötzlich drehte sich alles vor mir und ich sah die Welt nur noch verschwommen. Die Musik drang aus weiter Ferne an mein Ohr und die tanzenden Figuren verschwanden langsam nach hinten. Mir wurde übel. Kurz darauf spürte ich, wie mich jemand fest umklammerte und auf einen Autositz drängte. Ich hörte aus der Ferne meine Stimme, die immer wieder rief:
„Nein, nein, bitte nicht!“. Dann muss ich wohl ohnmächtig geworden sein denn als ich so halbwegs wieder zu mir kam, hockte ich zusammengekauert auf der Gartenbank vor unserem Haus. Es regnete in Strömen und ein kalter Wind wehte durch mein nasses und zerzaustes Haar. Mit zerrissener Kleidung schlich ich mich durch den Hintereingang hinauf in mein Zimmer und betete, dass meine Eltern fest schlafen würden.
Am nächsten Tag sagte ich mir immer wieder: Vergiss die ganze Sache einfach, was gestern Abend geschah; streich sie aus deinem Gedächtnis denn du weißt nicht wirklich, was passiert ist. Ich schämte mich fürchterlich und darum behielt ich den Vorfall für mich. Trotz alledem stellt ich mir die Frage insgeheim, ob der Cocktail mich in diesen Zustand versetzt und mich so willenlos gemacht hatte? Alles war so vage und wer würde mir schon glauben?
Sechs Wochen später merkte ich, dass ich schwanger war. Als ich es meinen Eltern ängstlich beichtete, brüllte Vater mich an. Seine Augen schauten wütend und auf seiner Stirn kam seine Zornesfalte zum Vorschein. Das war ein schlechtes Zeichen und ich wich einen Schritt zurück, als er schrie:
„Was ist bloß in dich gefahren, Ma-nu-e-la? Gerade achtzehn Jahre alt und du hast jetzt schon dein ganze Leben verpfuscht! Das fehlt uns hier allen noch! Was sollen nur die Leute von uns denken? Du hast den guten Ruf unserer Familie ruiniert! Ist dir das überhaupt klar?“, polterte er und verließ wütend den Raum. Ich zog mich auf mein Zimmer zurück und weinte den ganzen Abend.
Am nächsten Tag gestattete ich meiner Gynäkologin einen Besuch ab. Zu ihr hatte ich Vertrauen und wollte ganz offen mit ihr reden. Nachdem sie mich untersucht hatte, sah sie mich mit einem ernsten Blick an:
„Viel Zeit hast du nicht mehr, solltest du dich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, Manuela!“, sagte sie mitfühlend mit ihrer warmen Stimme und nahm mich in den Arm.
„Es ist alles so ausweglos und ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll!“, weinte ich und ließ mich erschöpft in den Stuhl fallen. Sie ging langsam um ihren Schreibtisch herum und setzte sich auf die Tischkante. Dann zog sie eine Schublade auf und zeigte mir ein Foto, auf dem eine Gruppe Kinder zu sehen war. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Bildmaterialien: Getty Images
Tag der Veröffentlichung: 19.10.2014
ISBN: 978-3-7368-4891-7
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