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Prolog


Man sagt die Augen sind der Spiegel meiner Seele, deshalb ist es dunkel an dem Ort an dem ich lebe.
Denn wenn ich keine Seele habe, was siehst du dann in meinen Augen? Vermutlich würdest du nichts sehen, nichts bis auf Dunkelheit und Bitterkeit.
Aber was passiert, wenn ich mich so verändere, dass ich mich selbst nicht mehr zu kennen scheine? Wenn ich Sachen tue, die ich vorher nicht getan habe? Von denen ich nie dachte sie irgendwann zu tun? Was siehst du dann in meinen Augen? Wenn meine Seele dunkel ist wie die mondlose Nacht in der ich geboren wurde? Was, wenn ich gar keine Seele habe?
Was siehst du dann?




1.Kapitel: Was zum Teufel ist mit mir los?!


Ich lief durch die nasskalten Straßen Chicagos und verfluchte mich selbst für die Dummheit, kein Auto genommen zu haben. Typisch. Ich hatte den Auftrag bekommen und war wieder Hals über Kopf los, nur um von Clyde wegzukommen. Clyde. Allein sein Name verursachte mir eine ausgewachsene Gänsehaut auf meinem Körper. Würde ich den Auftrag vermasseln konnte ich die Chance auf eine ‚Beförderung‘ vergessen. Ich lachte leise auf, auch wenn das ganze alles andere als witzig war.
Die Beförderung bestand allein darin, die Leichen nicht wegschaffen zu müssen. Gott, wie sehr mich dieser Job ankotzte! Aber ich brauchte ihn, so wie ich Clyde brauchte, auch wenn ich dafür einen sehr hohen Preis zahlen musste. Ich wickelte meinen Hoodie enger um meinen Körper und zog die Kapuze tiefer in mein Gesicht. Einfach nicht an Clyde und den ganzen Mist denken. Einfach funktionieren, wie sonst auch.
Ich starrte auf den schmutzigen Zettel in meiner Hand.
Duncan Sheavers
Ich seufzte. Der Arme. Was der wohl getan hatte das ich jetzt bei ihm meinen Auftrag beenden musste? So oder so war er dumm genug gewesen um zu glauben das er damit durchkam. Idiot.
Ich erinnerte mich an früher zurück. Wie es mir widerstrebt hatte, den Leuten das anzutun. Im laufe der Jahre hatte sich das geändert. Es war mir egal geworden, so wie mir ALLES egal geworden war.
Ich schüttelte den Kopf damit ich die Gedanken nicht mehr so treiben ließ. Das war nicht gut. Ich musste mich Konzentrieren. Ich sah auf meinen Atem, der sich in der kalten Luft in Wölkchen verwandelte und davon schwebte.
Ich wünschte mir, ich könnte dies auch. Ich war des Tötens müde geworden, auch wenn ich nie gedacht hatte dass man das könnte. Es war langweilig geworden, auch wenn das grausam klang. Aber ich war ein Dämon, erwartete man nicht sogar von uns grausam zu sein? In der Unterwelt galt ich als Skrupellos. Ich war gefürchtet, auch wenn ich mit meinen fünfhundert Jahren eine der Jüngsten dort unten war. Die Unterwelt war ein kalter Ort. Dunkel.
Man hörte die Schreie, wenn die Dämonen ihren Pflichten nachkamen, so unterschiedlich diese auch ausfallen mussten. Mein Job war einer der härtesten. Auch wenn Dämonen immer als grundsätzlich böse gehandhabt werden, so sind wir das nicht. Auch in uns fließt ein kleiner Funke Mitleid mit unseren Opfern. Zumindest sollte es so sein.
Aber fünfhundert Jahre die man mit morden verbringt machen einen Gefühllos. Niemand war so lange in diesem Job geblieben wie ich, weil es mir egal geworden war, welcher Job mir zugeteilt wurde.
Und da Clyde fand das ich mehr oder weniger Gefühllos viel nutzen war, hatte er mich in diesem Job gelassen und nie auch nur eine einzige Beschwerde gehört. Jetzt aber, nach fast fünfhundert Jahren war ich eIch hustete. Die Luft, voller Metall hier oben auf der Erde, schadete mir.
Ich musste mich beeilen, damit ich so schnell wie möglich wieder nach unten in die Unterwelt konnte. Was aber andererseits auch bedeutete, Clyde gegenüber treten zu müssen. Und da nahm ich die schmerzende Luft hier oben lieber in Kauf als den gierigen Blicken meines Boss‘ ausgesetzt zu sein.
Ein paar Typen auf der Gegenüberliegenden Seite pfiffen mir nach. Ich vernahm Gedankenfetzen, sie überlegten, ob sie zu mir herüber kommen sollten. Ich lachte innerlich auf. Sollten sie das erstmal versuchen! Die würde ich in der Luft zerfetzen! Jetzt stand der entschluss fest: die Typen entschlossen sich mit leisen Stimmen, zu mir herüber zu gehen um zu sehen, was sie für diesen Abend herausholen konnten.
Ich knackte mit den Fingern. Oh ja, das würde blutig enden. Vielleicht. Wenn sie schlau genug waren würden sie beim Blick meiner Augen wieder kehrt machen. Wir würden sehen.
„Hey Süße!“, lallte der erste mich an. „S‘ los?“
Ich hielt meinen Kopf gesenkt. Das würde Spaß machen. „Alles klar. Bei euch so?“ Ich hielt die Luft an. Ich wusste, meine Stimme klang für Menschenohren alles andere als sanft. Eher… Klanglos. Ohne Gefühle. Und Menschen brachten ihre Meinung eher mit dem Ausdruck als den Worten rüber. Aber anscheinend waren diese Typen hier so dicht, das sie nicht merkten dass ich kein Mensch war. Würde ich sie nahe genug an mich heran lassen würden sie bestimmt irgendwann merken, dass ich keinen Puls hatte. Was zwangsläufig bedeutete, dass mein Herz nicht pumpte. Was wiederum bedeutete, dass ich nicht Atmen musste, und DAS führte zu dem Punkt, dass ich eigentlich gar nicht Leben durfte.
„Ooooch, all’s frisch bei uns, oder Jungs?“, gab der andere zum Besten, wobei ihm Bier aus dem Mund lief – ich konnte den Alkohol riechen. „Schön.“, sagte ich kalt. Ich wandte mich zum gehen (oder eher hin zum Laternenlicht um den Jungs den Schock ihres Lebens zu verpassen), aber die Typen hatten mich schon gepackt und wollten mich an sie ziehen. Gemächlich hob ich die Hand an meine Kapuze und strich sie mir vom Kopf. Dann sah ich auf, den Jungs einer nach dem anderen ins Gesicht, wobei ich das entsetzte aufkeuchen und den Schock in ihren Gesichtern förmlich genoss. „Was ist denn los, Jungs?“, fragte ich, jetzt betont sanft. Ich wusste was sie sahen und ich wusste wie sie reagieren würden.
„Kei… kein Mensch!“, stammelte der erste los. Ich zog eine Augenbraue hoch. „Bitte was?“, ‚piepste‘ ich und ließ meine Stimme verletzt klingen. Die Jungs würden erst später sehen was für einen Spaß ich an der ganzen Sache hatte. Der eine stieß den anderen an und guckte ihn warnend an.
„Nix.“, beeilte sich der andere zu sagen und lächelte mich seinerseits charmant an. Gut das ich ihn noch nicht fixiert hatte. Was ich jetzt gekonnt tat. Zuerst ließ ich meine Augen über seinen Körper schweifen – nicht zu dick und nicht zu dünn – dann zu seinem Gesicht. Ich musste sagen: das Beste an ihm waren definitiv seine Augen. Als er mit ihnen in meine Blickte versteifte er sich unmerklich und öffnete den Mund wie ein Fisch an Land. Ich trat näher, ein sarkastisches lächeln zog sich über mein Gesicht.
„Was hast du denn?“, fragte ich gefährlich leise und streckte eine Hand aus.
Ich hörte seine wirren Gedanken im Kopf, Muster, die sich immer neu zusammensetzten und auseinander brachen, weil es für seinen Menschenverstand keinen Sinn ergab was er sah. Der Kerl sah auf meine Hand und wich instinktiv zurück. Dann legte er den Kopf schief und betrachtete mich. Drei der fünf Typen waren nun schon laufen gegangen, aber er und sein bester Kumpel standen noch hier vor mir, was ich ihnen hoch anrechnete. Ich wusste, was ich für eine Wirkung auf Menschen hatte. Ich wusste es ganz genau. „Bist du ein Engel?“, fragte der Freund schleppend. Ich musterte ihn amüsiert. „Sehe ich denn so aus?“, fragte ich, jetzt wieder Emotionslos. Die beiden erschauderten, dann gab der Kerl vor mir seine Antwort – erstaunlich ehrlich: „Nein. Du.. du siehst eher aus wie der Teufel persönlich.“
Erschrocken sah ihn sein Freund an. „Spinnst du?“, zischte er. Aber er merkte, dass sein Freund wie in Trance war.
„Bist du der Teufel? Willst du meine Seele haben? Ich geb‘ sie dir, ich weiß ich hab’s verdient“, lallte der Kerl vor mir mich an.
„Simeon, mach kein Scheiß!“, flüsterte sein Freund. Ich grinste und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht der Teufel. Ich kenne ihn nicht mal, dafür bin ich zu unbedeutend.“
„Du kommst nicht aus der Hölle?“, fragte Simeon ungläubig. Ich lächelte erneut. „Nein, aus der Unterwelt. Das ist ein Unterschied.“
„Ich sehe keinen.“, mischte sich Simeons Freund ein. Was war das? Führten wir hier etwa so etwas wie eine Unterhaltung?
Jetzt fühlte ich mich bemüßigt, es ihnen zu erklären. „Die Unterwelt ist der Ort, an dem wir die Seelen hinbringen, die die Seelensammler einsammeln. Die Hölle ist ein Ort, den selbst wir Dämonen meiden wenn es geht. In der Hölle landest du, wenn du eine Seele aus der Unterwelt retten willst, eine Seele, die sich bei dem Boss der Unterwelt – Clyde – verpflichtet hat. Oder wir Seelensammler bringen eine Seele dorthin. Mörder, Vergewaltiger. Solche Leute eben. Aber man kommt nicht in die Hölle, wenn man mal etwas gestohlen hat. Du musst schon Schwerverbrecher sein, oder einen geschlossenen Packt auflösen wollen um dorthin zu gelangen.“
Simeons Freund nickte. Er wirkte wieder ganz nüchtern. „Du könntest uns also unsere Seelen nehmen?“, fragte er dann vorsichtig.
„Ja. Aber das würde für mich selbst übel enden.“
„Wieso das?“
„Weil ich etwas genommen habe, was mir nicht zusteht. Sozusagen. Wenn du keinen Packt mit Clyde abgeschlossen hast, gehört deine Seele ihm nicht. Du würdest mich zerstören und dir einen anderen Körper suchen.“
„Unglaublich.“
„Findest du? Ich kann mich nicht daran erinnern jemals etwas unglaublich gefunden zu haben. Ich bin damit aufgewachsen.“, lächelte ich.
Jetzt hob Simeon den Kopf. „Die Unterwelt ist die Vorhölle, oder?“, fragte er dann leise. Ich seufzte, dann nickte ich. „Ja. Die meisten die den Packt mit Clyde schließen denken nicht daran.“
„Weshalb schließen sie den Packt wenn sie irgendwann so etwas erwartet?“, fragte Simeons Freund ungläubig. Ich seufzte erneut und ließ mich gegen die nasskalte Mauerwand hinter mir sinken. „Wisst ihr“, sagte ich erklärend, „manche schließen ihn, nur damit sie einige Jahrhunderte leben können. Doch selbst für die ist irgendwann Schluss, denn ein Menschlicher Körper ist nicht geeignet für das Ewige Leben. Andere schließen ihn, weil sie ein anderes Leben retten wollen – zum Beispiel das Leben ihres Kindes oder ihres Partners. Es gibt die Unterschiedlichsten Gründe dafür.“
„Ich finde“, murmelte Simeon, „für den letzten Grund sollte man nicht in die Unterwelt kommen. Das ist ungerecht.“
„Schon, aber jede Zeitspanne auf der Erde ist begrenzt, Simeon.“, gab plötzlich sein Freund zum Besten. „Denkst du nicht, wenn jemand die Lebensspanne für jemand anderes ausweiten will sollte er auch den Preis dafür zahlen? Wenn ich jetzt dein Leben verlängern will, weil ich weiß das deine Zeit morgen oder so abgelaufen ist, dann ist es doch klar das deine Spanne irgendwie verlängert werden muss, oder? Und das geht nur, wenn du dann meine Lebenszeit bekommst. Klar ist das irgendwie ungerecht weil es Selbstlos ist, aber andererseits verständlich.“
„Bewundernswerte Ansichten, meine Herren.“, lächelte ich ich ihnen zu, dann stieß ich mich von der Wand ab. „Jetzt bin ich dran mit fragen. Wieso seid ihr nicht vor mir weggelaufen?“
Simeon betrachtete mich aufmerksam. „Das tun die meisten, oder?“
Ich nickte bestätigend.
„Ich weiß es selbst nicht. Ein Teil von mir hat geschrien, ich solle laufen so schnell ich kann. Der andere hat mir gesagt, ich solle bleiben und sehen was passiert.“, kam die Antwort. Verblüfft sah ich ihn an.
„So etwas ist mir noch nie untergekommen. Ihre beide seit erstaunlich.“, murmelte ich Gedankenverloren. Dann sah ich auf.
Konzentrier dich, Black!, mahnte ich mich selber. „Ich muss meinen Auftrag erledigen, Jungs. War nett euch kennen zu lernen. Bye.“, sagte ich knapp und wollte verschwinden, doch Simeon packte mich am Arm.
„Das heißt… du… du nimmst jetzt jemandem die Seele?“, stotterte er los. Ich lächelte sanft – ich versuchte es zumindest, eigentlich lächelte ich so gut wie nie – und nickte. „Ja.“, sagte ich leise und wandte mich zum gehen.
„Warte!“, rief Simeons Freund hinter mir. Ich seufzte und drehte mich erneut um. „Ja?“
„Wie ist dein Name?“
„Mein Name?“, wiederholte ich erstaunt. Simeons Freund nickte. „Ja.“
Ich hielt inne. Viel konnte nicht passieren, wieso also nicht?
„Black Melody.“, erwiderte ich. Dann wartete ich gespannt auf die Reaktion. Melody, ha, ha. Ironie des Schicksals.
„Melody?“
„Nein, Black Melody. Aber ich werde nur Black genannt.“
Beide nickten, sie verstanden weshalb. Ich seufzte und drehte mich dann um. „Ich sollte jetzt gehen.“
Dann setzte ich meine Kräfte ein und war verschwunden. s leid geworden den Menschen ihre Seele zu nehmen.



2. Kapitel: Verdammt viel Ärger.


Ich wollte gerade zu der mir vorgegebenen Adresse meines Auftrags verschwinden, als plötzlich die Straßen Chicagos vor mir verschwammen. Ich hielt still, denn ich wusste was das bedeutete: Auf jeden Fall nichts Gutes.
Sobald alles verschwommen war, wurde es dunkel um mich herum. Ich stand alleine im Dunkeln und wartete darauf, dass Clyde mich zu sich rief.
Was er dann auch tat. Ich hörte seinen stillen Ruf wie eine Druckexplosion in meinem Kopf und um mich herum nahm ein Raum Gestalt an, da ich mich nicht gegen sein Rufen wehrte.
Ich wusste sofort, wo wir uns befanden: in Clydes Privatgemächern in der Unterwelt. Das hieß nichts Gutes. Sobald mein Körper in seinem Zimmer Gestalt angenommen hatte, vernahm ich auch schon Clydes eiskalte Stimme, die durch den Raum schnitt. „Black!“, zischte er. Langsam drehte ich mich um.
Da stand er. Clyde, mein Boss, König der Unterwelt. Beängstigend und schön zugleich. Irgendwie. Er sah aus wie ein Todesengel: Seine Rabenschwarzen Haare ließen sein fast durchscheinend blasses Gesicht noch weißer wirken. Seine scharf geschnittenen Züge betonten sein markantes Gesicht noch mehr und seine Augen… Ich schluckte, dann erinnerte ich mich an den Brauch. Ich verneigte mich vor ihm und hob erst den Kopf, als er zu sprechen begann. „Was denkst du dir eigentlich dabei?“
„Wobei, Clyde?“, fragte ich betont gleichgültig und studierte meine Nägel. Ich ließ ihn die Angst, die ich nach all den Jahren noch immer vor ihm hatte, nicht spüren. Das war lächerlich. Er wusste es sowieso, aber dann fühlte ich mich besser.
„Dabei“, knurrte er bedrohlich, „zwei Menschen in unsere Geheimnisse einzuweihen! Hast du den Verstand verloren?“
Ich hielt inne und sah langsam auf, darauf bedacht ihm nicht in die Augen zu sehen. Ich fixierte stattdessen seine Lippen, die zu einem schmalen Strich zusammengepresst waren. Dann öffnete ich meinerseits den Mund, um zu antworten. „Ich weiß nicht.“, gab ich ehrlich zu. „Es kam einfach so über mich.“
„ES KAM EINFACH SO ÜBER DICH?“, brüllte mein Boss los. Ich zog den Kopf ein, dann nickte ich vorsichtig. Eine Welle eiskalter Luft umfing mich und wirbelte meine Haare hin und her.
Uh- oh. Clyde war wirklich, wirklich wütend auf mich.
„Ich weiß auch nicht was in mich gefahren ist! Ich verstehe es ja selber nicht! Aber wieso sind sie nicht weggelaufen wie norm-„
„Hast du auch nur die leiseste Ahnung davon, was passiert wenn jemand ihnen glauben sollte?“, grollte Clyde mit zusammengepressten Zähnen. Zaghaft nickte ich. „Dann würden wie gejagt werden, oder?“
„Die Searcher sind schon seit Jahrhunderten hinter uns her, Black. Wenn sie hören sollten, dass ein so mächtiger Dämon wie du zwei einfachen Jungs von der Straße unsere Geschichte erzählt hat, was denkst du wird dann passieren?“
„Sie werden auf mich warten, oder?“
Stille folgte meinen Worten. Ich konnte nicht. Es ging nicht anders. Ich musste Clyde in die Augen sehen. In die Augen, die meinen so ähnlich waren.
Wie immer fuhr ich zurück.
Clydes Augen glichen endlosen Tunneln. Kein Licht, kein glitzern war in ihnen zu finden. Kein Lebenszeichen war in ihnen. Sie wirkten… tot. Und eiskalt. Sobald ich in seine Augen sah bekam ich ein beklemmendes Gefühl in der Brust, ein Gefühl dass mir sagte, ich müsse wegsehen wenn ich überleben wollte. Das war der Grund, weshalb Menschen sich vor uns Dämonen fürchteten: Unsere Augen. Keiner von uns wusste genau, ob wir nun Seelen hatten oder nicht. Aber sollten wir welche haben, wären sie sicher tiefschwarz. So wie unsere Augen. Keiner von uns Dämonen hatte eine andere Augenfarbe als Pechschwarz. So schwarz, dass man die Pupillen nicht sah sah. Obwohl niemand von uns genau wusste, ob wir überhaupt welche hatten.
Wir waren den Menschen vielleicht vom Aussehen her ähnlich – und das auch nur bis zu einem gewissen Grad, denn es gab noch immer unterschiede -, aber allein an unseren Augen sah man schon, dass wir keine Menschen waren.
Jeder Mensch, der einen Dämon erblickte, bekam Todesangst.
Diejenigen unter uns, die Sadistisch veranlagt waren, machten sich regelmäßig einen Spaß daraus, Menschen aufzulauern und ihnen den Schrecken ihres Lebens zu verpassen. Aber so etwas taten nur die untersten Dämonen, die so gut wie keine Macht hatten und die absolute Drecksarbeit erledigen mussten.
Endlich ließ Clyde sich dazu herab, zu antworten.
„Sie würden dich jagen, finden und vernichten.“, sagte er schlicht und schenkte mir einen bösen, eiskalten Blick.
„Aber wie finden sie uns immer wieder?“, fragte ich verwirrt.
„Wir wissen es nicht. Fakt ist nur, dass sie die Seelensammler suchen, um die Welt vor den ach- so- bösen Dämonen zu befreien.“, erwiderte Clyde zornig.
„Und jetzt?“, wollte ich leise wissen. Ich verspürte nicht den geringsten Wunsch, zu sterben. Clyde seufzte. Selbst das klang bei ihm gruselig.
„Ich werde mich darum kümmern. Was ist nur mit dir los, Black? So unvorsichtig warst du noch nie!“. Ich senkte den Blick.
„Mir ging vieles durch den Kopf.“, antwortete ich widerwillig.
„Geht es um…“
„Nein.“, unterbrach ich ihn hastig. „Ich hatte noch keine Zeit, mir über dein… Angebot Gedanken zu machen.“ Dabei betonte ich das Wort ‚Angebot‘ extra so, dass klar wurde, dass ich nicht mehr darüber sprechen wollte.
Clyde seufzte erneut und nickte dann.
„Nun gut.“, sagte er. „Geh und führe deinen Auftrag aus.“
Ich nickte und wollte gerade verschwinden, als er mich noch einmal zu sich rief. „Ach und Black?“
Ich drehte mich widerwillig zu ihm um. „Ja, Meister?“, fragte ich.
„Wenn du wieder hier bist solltest du deine Entscheidung gefällt haben. Mach dir bewusst, wo du stehen wirst wenn du meinen Antrag annimmst, kleines.“
Ich wollte ihn am liebsten für seine Worte ins Gesicht schlagen, aber ich nickte nur unterwürfig und verschwand, die traditionelle Verabschiedung auslassend.
Wem wollte ich denn hier schon etwas vormachen?
Clyde sah mich schon lange nicht mehr als Untergebene. Er sah mich als Verbündete, als ihm gleichgestellt.
Deshalb auch der Heiratsantrag. Ich schauderte, als ich daran zurückdachte.

Ich lief durch die engen Straßen der Unterwelt, zufrieden damit, meinen Auftrag in Clydes vollster Zufriedenheit ausgeführt zu haben.
Jedes Lob von ihm freute mich, auch wenn ich nach fünfhundert Jahren in seinem Dienst noch immer Angst vor ihm hatte. Hier und da huschten ein paar finstere Gestalten durch die Nacht, aber ich hatte keine Angst vor ihnen, denn ich war eine der dunkelsten Kreaturen hier. Eine mit den meisten Kräften. Es gab nur wenige, die mir gleichgestellt waren. Und niemand von denen hatte das ganze in nur fünfhundert Jahren geschafft. Ich hatte mir so viele Gaben angeeignet, dass es fast schon unheimlich war.
Viele fürchteten mich, das wusste ich. Deshalb auch war ich allein und teilte mein Glücksgefühl mit niemandem, so wie es eigentlich üblich hier unten war.
Die kalte Luft, die in den Sommermonaten oben auf der Welt noch kälter anstatt wärmer wurde, verwandelte meinen Atem in Wölkchen, auch wenn ich nie fror. Ja, dachte ich, es hat seinen Vorteil so eng mit Clyde zusammenzuarbeiten. Ich hätte schon längst auf eine viel höhere Machtposition beharren können, aber ich war zufrieden mit dem Leben, dass ich hier unten führte. Nun ja, so zufrieden wie man eben sein konnte wenn man zu Verdammnis verurteilt war. Ich seufzte und schloss die Türe meiner kleinen Wohnung auf. Ein Nachteil hatte das Leben als Dämon: In der Unterwelt gab es keine Farben. Nichts außer einem tristen grau, bei dem man manchmal dachte, dass man verrückt werden würde wenn man es noch eine Sekunde länger ansehen müsse. Schwarz und weiß. Drei Farben, die irgendwann trostlos wirkten, je länger man ihnen ausgesetzt war. Das waren die Momente, in denen ich mir wünschte, kein Dämon zu sein. Die Momente, in denen ich in die Farbenfrohe Welt der Menschen floh und sie beobachtete. Die Momente, in denen ich mir sehnlichst wünschte, ein friedlicher Mensch zu sein, der von dem Dunkeln absolut nichts wusste, was sie umgab.
Ja, ahnungslos. Menschen waren ahnungslos und verschlossen den Sachen gegenüber die sie nicht sahen. Für sie gab es nur das gute und das böse, dass sie sahen.
Uns sahen sie nicht. Sie glaubten nicht an uns, deshalb existierten wir für sie auch nicht. Aber genau wir waren es, vor denen sie sich fürchten mussten.
Einige Dämonen waren so Blutrünstig wie es der ärgste Massenmörder niemals sein würde. Einige so böse, dass selbst ich Angst vor ihnen hatte.
Einige waren friedlich, aber sie wurden Regelmäßig von ihrer dunklen Seite bezwungen. Selbst sie taten etwas, dass sie von Menschen unterschied.
Nicht nur vom Aussehen her. Unsere Taten waren eben auch unterschiedlich.
Diese Gedanken hatte ich, als ich Clydes Ruf in meinem Kopf hörte. Ohne nachzudenken gehorchte ich und staunte nicht schlecht, als dass Zimmer voller schwarzer Rosen war. Clyde inmitten dieser Rosen zu sehen versetzte mir einen ängstlichen Stich.
Ich setzte zu dem traditionellen Gruß an, aber Clyde winkte ab. „Black“, fing er an, seine Stimme wie Eissplitter, „vergiss das mal schön. Hör mir zu. Danach wirst du diesen Brauch vermutlich nicht mehr brauchen.“
Erstaunt hielt ich inne, ich verstand nicht. Jetzt kam Clyde auf mich zugeeilt und nahm meine Hände. Mit Scheinbar Tellergroßen Augen starrte ich ihn an, sorgsam darauf bedacht ihm nicht in die Augen zu sehen. Er aber machte mein Vorhaben zunichte indem er mich direkt ansah. Ich starrte auf unsere ineinander verschlungenen Hände und fand meine Sprache irgendwie nicht wieder. „Clyde…“, sagte ich Atemlos.
Er unterbrach mich. Überrumpelte mich vollkommen. „Heirate mich Black. Sei meine Königin und herrsche zusammen mit mir über die Unterwelt. Du wirst nie wieder in deinem Leben eine Leiche sehen müssen, Liebste. Du wirst nie wieder jemandem die Seele nehmen müssen. Sei mein, für immer.“
Ich starrte ihn an, erschrocken über seine Worte. Ich konnte seinen Blick nicht deuten, denn er sah nicht anders aus als sonst auch. Kalt und gebieterisch. Ich wusste, er liebte mich nicht, denn Clyde war zu so etwas nicht fähig. Er dachte an die praktischen Gründe: Eine Gefährtin, die seine Gelüste befriedigte, die seine Nachfahren austrug und ihm bei seinen Entscheidungen half. Aber wieso wählte er dafür mich aus? Clyde war schon mehrere Millionen Jahre alt, was wollte er mit einem fünfhundert Jahre alten Dämon der nicht mal die hälfte dessen gelebt hatte, was er selbst schon erlebt hatte?
Ich war Sprachlos. Hielt er mich für so mächtig?
Denn dass er mich auserwählt hatte ihn zu heiraten war nichts anderes als ein Kompromiss: Ich wurde von allem befreit dass mit Arbeit zu tun hatte, dafür sollte ich brav seine Kinder austragen und erziehen.
Aber war ich schon bereit dazu? Ich wusste es nicht.
Während all der Zeit beobachtete mich Clyde und wartete auf meine Antwort. Als hätte er meine Gedanken gelesen ließ er meine Hände los und sagte: „Ich lasse dir Zeit zum nachdenken. Aber bedenke: ich warte nicht ewig.“
Und damit schickte er mich wieder zurück in die Unterwelt und ließ mich allein mit meinen wirren Gedanken über Heirat und Kinder.

Noch heute, ein paar Monate später hatten sich meine Gedanken noch nicht vollständig geklärt. Ich wusste noch immer nicht, was ich tun sollte.
Solch eine Chance bekam ich nie wieder, das wusste ich.
Aber ich war noch nicht bereit für Kinder. Verdammt, ich war erst fünfhundert!
Ich stöhnte wütend auf und schüttelte den Kopf, um mich auf Duncan Sheavers zu konzentrieren. Anhand meiner Kräfte lokalisierte ich ihn in einer Wohnung, vielleicht einen Block entfernt von dem Ort, an dem mich Clyde abgesetzt hatte. Wenigstens etwas. Ich seufzte und machte mich auf den Weg, um Duncan Sheavers endlich seine Seele nehmen zu können.
Dass das mächtigen ärger geben würde, war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht klar.



3. Kapitel: Was tue ich hier eigentlich?!


Ich stand vor einem ziemlich dreckigen Hochhaus in einer ziemlich üblen Wohngegend. Es hatte angefangen zu Regnen. Ich seufzte tief und sah mich um. Ich konnte auf dem nahegelegenen Spielplatz drei Menschen erkennen – zwei Jungs und ein Mädchen -, die irgendwas rauchten.
Ha. Irgendwas war gut. Meine Nase erschnupperte unverkennbar den Geruch von Gras. Ich wandte den Blick ab und ging auf das Haus zu.
An der Klingel suchte ich nach Duncan Sheavers. Mit Erfolg. Ohne nachzudenken drückte ich auf die Klingel. Ein knacken ertönte, dann eine raue Stimme. „Ja?“, knurrte sie. Ich schluckte und flüsterte dann: „Lass mich rein.“
Ich wusste es würde klappen, weil es immer klappte. Ich tastete in Gedanken nach diesem Duncan und drang in seine Gedanken ein.
Pflanzte ihm die eben gesagten Worte in den Kopf, sodass er gehorchte, ob er nun wollte oder nicht.
Ich hasste es, jemandem meinen Willen aufzuzwingen, aber es war notwendig damit ich meinen Auftrag erfüllen konnte. Der Summer ertönte und ich trat in den Eingang, der nur spärlich beleuchtet war.
Da der Aufzug kaputt war und ich nicht die geringste Lust verspürte die Treppen zu nehmen dematerialisierte ich mich und tauchte vor Duncans Wohnungstür wieder auf. Ich musterte das ganze Treppenhaus.
Heruntergekommen. Kalt. Duncan würde die Unterwelt vermutlich nicht so viel ausmachen wie manch anderem weil er an kälte offenbar schon gewöhnt war. Ich seufzte erneut und wollte gerade die Tür aufmachen, als sie von innen aufgerissen wurde. Ein Mädchen wurde herausgestoßen, hinter ihr tauchte ein großer Kerl auf. Duncan? Keine Ahnung, aber ich würde es gleich wissen. Zuerst beobachtete ich aber die Szene.
„Verpiss dich!“, fauchte der Typ und stieß das Mädchen grob aus der Wohnung. Ich erhaschte nur einen kurzen Blick auf sie, ehe sie anfing fluchend die Treppe hinunter zu rennen. Sie weinte.
Ich drehte mich wieder zu dem Kerl um. Der war dazu übergegangen seine Arme vor der breiten Brust zu Kreuzen und, am Türrahmen gelehnt, mich zu mustern. „Kenn ich dich?“, grollte er unfreundlich. Ich versuchte, ihm nicht direkt in die Augen zu sehen.
„Ich glaube nicht.“, sagte ich. „Kann ich trotzdem reinkommen?“.
Ich las seine Gedanken. Er überlegte, ob er mich einfach draußen stehen lassen sollte, oder ob er mich hereinließ. Aber wenn ich herein kam würde ich die Bierflaschen sehen, die Zigaretten und die Bong, die aufgebaut in seinem Wohnzimmer stand. Schließlich trat er einen Schritt zur Seite. „Komm rein.“, knurrte er dunkel und gab den Weg frei. Es erstaunte mich, dass er mich hereinließ. Ich räusperte mich und trat ein. Als der Typ die Tür hinter mir schloss spürte ich seinen Atem im Nacken. „Komm schon.“, sagte er und deutete nach vorne, anscheinend ins Wohnzimmer. Ich nickte und ging vor.
Sobald wir beide im Wohnzimmer waren riss er die Fenster auf, wohl um den Alkohol- und Grasgestank loszuwerden. Ich lächelte und ließ mich auf die Kante vom Sofa nieder.
Der Typ schmiss sich in einen Sessel und musterte mich kritisch, während er sich eine Zigarette anzündete. „Also“, begann er. „Wieso bist du hier?“.
Mir rieselte ein schauder über den Rücken, als ich seine Stimme hörte. Irgendwie faszinierte mich dieses Gespräch. Jetzt war es Zeit, meine Augen ins spiel zu bringen. Ich sah auf, ihm genau in die Augen. „Das weißt du nicht?“, hauchte ich und schlug ein Bein über das andere. Ich wartete darauf, dass sein Atem stockte, mittlerweile war ich mir sicher, dass der Kerl vor mir Duncan war. Aber er atmete weiter, so als wäre nichts gewesen.
Was zum…? , dachte ich verwirrt. Wieso zuckte er nicht mal zurück? War er etwa schon so breit dass er die Tatsache ignorieren konnte, dass ich nicht menschlich aussah? Ich sah in die schmutzige Fensterscheibe, die mein Spiegelbild zurückwarf.
Meine marmorne Haut, die im Sonnenlicht fast durchscheinend wirkte.
Meine pechschwarzen Haare, die mir glatt über die Schultern fielen und meine weiße Haut noch hervorstechen ließen.
Meine schlanke Figur, die bei Menschen nur mit viel Sport zu erreichen war.
Meine blutroten Lippen, meine schwarzen Augen – der Punkt, vor dem sich die meisten fürchteten.
Irgendwie merkten es die Menschen anscheinend allein schon durch meine Art, sich zu bewegen, dass ich kein Mensch war. Ich wusste nicht, was ich anders machte, aber… es sah anders aus. Irgendwie ruckartiger, schneller.
Mein Körper war ständig angespannt, ständig bereit, mich gegen das geringste zu wehren, dass mir schaden konnte.
„Vielleicht schon.“, sagte Duncan und sah mich aufmerksam an. „Du bist kein Mensch.“
Ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
„Wirklich nicht?“, fragte ich amüsiert. „Was denn dann?“
Er zuckte mit den Achseln. „Du bist auch kein Engel. Ich weiß wie die aussehen. Also musst du wohl ein Dämon sein.“
Jetzt war ich ehrlich verwirrt. „Hä?“, machte ich, nicht sonderlich schlau. „Woher weißt du…?“
Duncan seufzte. „Ich weiß, dass meine Eltern meine Seele an diesen Clyde verkauft haben.“
Groß starrte ich ihn an, zu verblüfft um etwas zu entgegnen. In meinen ganzen fünfhundert Jahren war mir noch nie so etwas untergekommen.
„Guck nicht so“, knurrte er. „Ich bin im Heim aufgewachsen also weiß ich auch nicht wieso sie das gemacht haben.“
„Aber woher weißt du…?“
„Ich war gerade sechzehn geworden. Es war mitten in der Nacht, alle anderen haben geschlafen nur ich lag wach und hab mir selber gratuliert. Ich hab mir ausgemalt wie das Leben in zwei Jahren sein würde, wenn ich endlich ausziehen könnte. Plötzlich… kam ein goldenes Licht und ich konnte nichts sehen. Ich dachte ich hätte zu viel gekifft, weil ich bis dahin weder an Engel noch an sonst irgendwas geglaubt hab. An dem Tag hab ich meinen Schutzengel kennen gelernt: Nolan.“
Das war ungewöhnlich. Schutzengel durften sich nicht zeigen. Nie.
„Er sagte zu mir, dass ihn ein gewisser Gabriel geschickt hatte.“
Gabriel? Der Oberste Wächter der Menschen. Sozusagen mein genaues Gegenstück. Aber was hatte er für einen Grund, einem Menschen seinen Schutzengel zu schicken?
Die Antwort bekam ich gleich darauf: „Nolan meinte, dass meine Eltern den Packt mit Clyde lösen wollten. Aber er stimmte nicht zu. Also waren sie zu den Engeln gegangen und hatten sie um Hilfe gebeten.“
Aufmerksam betrachtete ich ihn.
Ich wusste nicht, ob ihn das ganze belastete oder nicht.
Sein Gesicht war leer wie eine weiße Wand.
„Und jetzt?“, fragte ich tonlos.
Duncan zuckte die Achseln und blies den Rauch aus. „Sie versuchen mir zu helfen aber hierauf waren sie irgendwie nicht vorbereitet.“
„Was soll das heißen, ‚hierauf‘ ?“, fragte ich scharf.
Der große Kerl vor mir musterte mich eingehend, ehe er erneut an seiner Zigarette zog. „Schau dich doch mal an! Wie alt bist du? Grade sechzehn geworden?“, knurrte er dunkel. In seinen Augen blitzte Amüsiertheit auf und er beobachtete mich erneut.
Ich schnappte empört nach Luft. „Du denkst ich wäre sechzehn?“, schnappte ich entgeistert. „Ich bin fast fünfhundert!“.
Kurz fiel Duncan sein lächeln aus dem Gesicht, doch es dauerte nur ein paar Sekunden ehe er sich wieder gefangen hatte.
„Fünfhundert, hm? Hast dich gut gehalten!“, grinste er.
Ich schnappte verwirrt nach Luft. Was bildete der sich eigentlich ein?!
Ich richtete mich auf. „Hör mal zu Freundchen-„
„Freundchen?“
„Dann halt nicht!“, fauchte ich wütend. „Jetzt hör mir mal zu! Denkst du, du kannst dir alles erlauben? Denkst du deine verschissenen Engel können dich hier raushauen? Nein das können sie nicht! Weil Clyde einen Anspruch auf deine Seele hat und somit ich auch!“.
Jetzt war ihm sein dummes lachen ganz aus dem Gesicht gefallen und er starrte mich mit geweiteten Augen an. Dann fuhr er sich mit den Händen über’s Gesicht.
„Scheiße“, murmelte er. „Du meinst das ernst?“
Das brachte mich wiederum total aus der Fassung.
„Natürlich!“, giftete ich. „Meinst du ich mache nur Spaß?“
„Ich… okay, ich.. tut mir leid wenn ich dich gekränkt haben sollte. Ich wollte das nicht. Ehrlich.“
Forschend sah ich ihn an. Meinte er das ernst?
Er sah jedenfalls so aus. Betreten und bittend.
Ich seufzte. „Okay.“, sagte ich schlicht. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich einen Auftrag zu erfüllen hatte. Ich sah ihm in die Augen. „Ich muss jetzt beenden wozu ich gekommen bin…“, flüsterte ich leise.
Kurz sah ich wie Duncan zusammenzuckte, dann schloss er die Augen und schluckte. „Ich wusste es.“, sagte er tonlos.
„Was?“, fragte ich verwirrt und völlig aus dem Konzept gebracht.
Kurz öffnete er die Augen und versuchte ein klägliches lächeln. „Ich wusste ich würde heute Sterben.“
Skeptisch betrachtete ich ihn. „Und woran konntest du das erkennen?“
Er lächelte noch immer geheimnisvoll. „Musst du nicht deine Arbeit machen?“, erwiderte er einfach und schloss seine Augen wieder.
Überrumpelt stand ich auf und betrachtete ihn dabei.
Irgendwas sträubte sich in mir. Ich wollte ihm seine Seele nicht nehmen. Noch während ich ihn betrachtete wurde mir klar, dass er das nicht verdient hatte.
Seine Eltern hatten seine Seele verkauft. Nicht er.
Wieso also sollte er dafür büßen?
Nein, beschloss ich. Ich hatte das schon viel zu lange mitgemacht.
Duncan würde nicht darunter leiden, auch wenn ich jetzt Clyde zu fürchten hatte. Ich schluckte und bemerkte entsetzt dass meine Stimme zitterte als ich sprach: „Mach die Augen auf.“
Erstaunt gehorchte der Koloss vor mir und sah mich aus seinen Eisblauen Augen fragend an. Ich holte tief Luft und bemerkte mit entsetzen dass ich zum ersten Mal seit fünfhundert Jahren Tränen in den Augen hatte.
Was tat ich hier eigentlich?
Das richtige, flüsterte mir eine Stimme zu. Ich zog ihn hoch und bemerkte verärgert dass er ganze zwei Köpfe größer war als ich.
„Ruf deinen Schutzengel.“, sagte ich mit brüchiger Stimme. „Und dann flieh.“


4.Kapitel: Streit


Er sah auf mich herunter, runzelte die Stirn.
„Das kann ich nicht.“, erklärte er mir ruhig.
Schreck durchfuhr mich. Hatte er sich das ganze nur ausgedacht?
„Wieso nicht?“, fragte ich leise.
Er sah mich an. Er sah mich einfach nur an und es war mir äußerst unangenehm.
Ich war es nicht gewohnt das man mich betrachtete, nicht ohne Hass oder Angst.
Aber Duncan sah mich sanft an, ohne eine andere Gefühlsregung und mir wurde wärmer. Jetzt war ich mir erst Recht sicher: Er hatte die kalte Unterwelt nicht verdient. Lange sah er mich schweigend an, ehe er mir antwortete: „Weil ich weiß das der Preis für dich sehr hoch ist. Du würdest sterben oder?“
Ich sagte nichts. Er wusste es also. Er wusste es und er wollte trotzdem nicht das ich ihn rettete.
Was war das für ein Kerl?
Für das andere Mädchen hatte er nur Verachtung übrig gehabt. Mich kannte er nicht, wollte mich aber trotzdem vor Clyde retten.
Ich lächelte ihm nun zu um ihn zu beruhigen. „Reg dich ab. Ich werde heute niemandem seine Seele nehmen. Du hast das nicht verdient und die anderen größtenteils auch nicht. Außerdem musste das kommen. Clyde… er.. ich..“, ich brach ab.
Das war keine Sache die er erfahren sollte.
Nicht das mit der Hochzeit.
Jetzt nicht und am besten überhaupt nicht. Ich legte den Kopf in den Nacken und blinzelte ihn an. „Komm schon.“, sagte ich sanft. „Mach, das mein Tod nicht ganz umsonst war, ja?“
Energisch schüttelte er den Kopf. „Nein! Du wirst sicher nicht wegen mir sterben!“
„Sei doch nicht dumm! Du bist ein Mensch! Ich bin ein Dämon. Ich habe nicht mal eine Seele also wird der Tod schon nicht so übel. Wird auch nicht schlimmer als der Ort den ich zur Zeit mein zu Hause nenne.“
„Verdammt, denkst du ich will das jemand wegen mir draufgeht?!“, fauchte Duncan, mittlerweile wütend.
Ich zuckte zurück und starrte ihn an. Ja, jetzt war der große Kerl vor mir richtig sauer. „Hör mal“, setzte ich an, aber er unterbrach mich.
„Vergiss es. Wenn du mich rettest kann ich das auch.“
Ich lachte bitter. „Und wie willst du das anstellen? Du bist nur ein Mensch. Clyde ist ein Dämon! Und ich bezweifle, dass er sich auf einen Boxkampf mit dir einlässt. Obwohl ich mir nicht mal sicher bin, wer dann gewinnt.“
Einen Moment dachte ich tatsächlich darüber nach, wer gewinnen würde.
Nur einen Moment.
Dann wurde mir klar, dass Clyde Duncan in der Luft zerfetzen würde, und zwar ohne mit der Wimper zu zucken.
„Ich sage Nolan das er dich mitnehmen soll.“
„Spinnst du?! Ich bin ein Dämon! Ich kann doch nicht direkt zum Feind laufen sobald ich Probleme habe!“
„Was willst du dann machen, hm?!“
„Wie wäre es mit in Würde sterben?“, schlug ich sarkastisch vor.
Duncan schnaubte wütend. „Ja klar und ich bin der Kaiser von China.“
Einen Moment war ich versucht mich zu verbeugen und „Oh großer Kaiser!“ zu sagen, aber dann wurde mir klar was er gerade gesagt hatte.
Zornig machte ich einen Satz auf ihn zu, bis ich wutschnaubend vor ihm stand. „Willst du etwa sagen ich habe keine Würde?!“, fauchte ich gekränkt.
Perplex starrte der Kerl vor mir auf mich herunter. „Ähm“, sagte er ruhig. „Nein. Ich meinte damit das du weder in Würde sterben wirst noch sonst irgendwie weil ich dich nicht diesem Clyde überlassen werde. Eine Hand wäscht die andere oder nicht?“.
„Schon, aber in diesem Fall nicht. Du kannst mich nicht retten. Also versuch es nicht! Freu dich das ich dir ein freies Leben ermöglicht habe und vergiss alles was damit zu tun hat okay?“, erwiderte ich leise und wandte mich ab. Ich wollte gerade durch die Türe gehen – sobald ich die Schwelle übertreten hatte würde Clyde klar sein das ich meinen Auftrag nicht erledigt und Duncan seine Seele nicht genommen hatte – als ich am Arm gepackt und herum gerissen wurde.
Ich wollte gerade protestieren als Duncan mir die Hand an den Mund presste und mich gegen die Wand stieß.
Ich wollte ihn beschimpfen aber dann sah ich den Ausdruck auf seinem Gesicht. Panik, Angst und auch Entschlossenheit zeichneten sich darauf ab, aber instinktiv wusste ich dies hatte nichts mit Clyde und dem ganzen Seelenmist zu tun. Duncan hatte seine Hand immer noch auf meinem Mund, seinen anderen Arm wie ein Schraubstock um mich geschlungen und lauschte auf irgendwelche Geräusche die ich nicht einordnen konnte.
Er presste mich noch etwas weiter an die Wand – ich konnte kaum Atmen – und stand still wie eine Statue. Er wartete. Und wartete. Und sagte kEs klopfte an der Türe. Duncan sah mit verzerrtem Gesicht auf mich herunter, nahm seine Hand von meiner Hüfte und presste seinen Zeigefinger auf die Lippen. „Still!“, wies er mich wispernd an, dann ließ er mich los und sah durch den Türspion.
Scharf zog er Luft ein, sagte nichts und trat von der Türe zurück, so geräuschlos wie möglich.
Wieder ein Klopfen, diesmal lauter. „Duncan!“, brüllte eine Stimme. „Verdammt, Mann ich weiß das du da bist! Mach die Türe auf du kleine Ratte!“.
Ich starrte die Türe entgeistert an und fragte mich was für ein Typ davor stehen mochte.
Wieder rummste es an der Türe und Duncan, mittlerweile Kreidebleich im Gesicht, packte meine Hand und zerrte mich zurück ins Wohnzimmer.
„Sei bloß leise!“, keuchte er fast lautlos, ehe er sich plötzlich eng an mich presste und auf mich herab sah.
„Was soll…?“, setzte ich gerade wütend an, aber da beugte sich der große Kerl vor mir sich schnell zu mir herunter und erstickte meine Worte mit einem langen, ausgiebigen Kuss.
Ich wollte mich zurückziehen – mit sowas verschwendeten Dämonen nicht ihre Zeit, es gab Aufträge zu erledigen! -, ich war vollkommen unerfahren im Gebiet Küssen (ehrlich gesagt in allem was mit Gefühlsaustausch zu tun hatte) und mich abwenden, aber dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte.
Das Zimmer verblasste.



5. Kapitel: Schmerzen und Probleme


Das erste was ich spürte waren Schmerzen.
Schmerzen die mich zu Boden drückten, die an mir zerrten und mir meine Kraft raubten. Keuchend ging ich zu Boden, ich glaube ich wurde sogar ein paar Sekunden Ohnmächtig.
Etwas, das ich bis dahin nicht gekannt hatte. Mit Schmerzen musste ich mich schon seit meiner Geburt auseinandersetzen, Gewohnheit bei Dämonen, aber nicht mit Ohnmachtsanfällen.
Meine Lippen öffneten sich zu einem lautlosen Schrei, ich hatte das Gefühl ich würde innerlich brennen und äußerlich erfrieren.
Ich hatte tausende Schmerzen, zusammengefügt zu einem ganzen.
Fühlte sich so also sterben an?
Aber wo war ich? Und vor allem wieso hatte Duncan mir das angetan?
Da fiel mir die Antwort ein: die Searcher.
War es möglich, dass er einer von ihnen war? Und ich war so dumm und war ihm ins offene Messer gelaufen!
Innerlich verfluchte ich mich für diese Dummheit, versuchte gekrümmt unter Schmerzen aufzustehen und richtete meinen Blick auf Duncan.
Egal was er war, er war nicht so mächtig wie ich, auch wenn ich geschwächt war. Ich würde ihn vernichten, es wenigstens versuchen.
Aber ich merkte, dass Duncans Blick nicht mal in meine Richtung ging.
Er ging quer durch das Zimmer, das Goldene Zimmer wie ich es später taufen würde, und starrte jemand anderen an.
Er sah ziemlich besorgt aus.
Ich wollte etwas sagen, aber VERDAMMT diese Schmerzen betäubten meine Sinne. So schlimm hatte ich noch nie gespührt.
Und ich wollte das es aufhörte, wollte es unbedingt.
Aber jetzt musste ich erst herausfinden was hier eigentlich abging.
Ich versuchte mich zu konzentrieren als ich plötzlich Duncans Stimme hörte.
„Nolan, was passiert da mit ihr? Ist das normal?“, fragte er und es hörte sich an als würde er in Panik verfallen.
…Moment mal. NOLAN?! Sein SCHUTZENGEL?
Unwillkürlich stöhnte ich auf. Wie konnte der Kerl denn nur so dumm sein?
Klar, jetzt wusste ich was hier los war.
Duncan hatte mich abgelenkt, damit ich sein Rufen nach Nolan nicht hörte.
Nolan, unwissend das ich dabei war, hatte ihn zu sich gerufen, angesichts der Gefahr in der Duncan anscheinend schwebte.
Nur hatte Duncan nicht gewusst, das schon die bloße Anwesenheit eines Engels ausreichte, um mir Kopfschmerzen und manchmal sogar Fieber zu bringen.
Jetzt war ich anscheinend in ihrem Zentrum, ihrem Palast, umgeben von Engeln die eine Armee aus Schmerzen für mich bedeuteten.
Doch als Nolan antwortete vergaß ich für einen Moment meine Schmerzen.
Er hatte die schönste Stimme, die ich jemals gehört hatte, selbst für einen Engel.
Sie war samtig weich, klingend und rein, sie klang wie ein Glockenspiel und doch so kraftvoll und männlich das es mir eiskalt den Rücken runterrieseln würde wenn mir –zumindest äußerlich – nicht schon so kalt gewesen wäre.
Ich vergaß, wer ich war, was ich war und auch wo ich war, ich hörte nur seine tragende Stimme und vergaß mich.
Doch dann zog mich etwas wieder auf den Boden der Tatsachen: Zuerst einmal die Schmerzen. Dann seine Worte. Und zuletzt war es meine Dämonische Seite, die das Gift in dieser Stimme spürte.
„Du hast sie hergebracht? Gott, Duncan, bist du von allen guten Geistern verlassen? Dämonen sind unsere FEINDE!“, rief Nolan aufgebracht.
„Können wir uns später damit beschäftigen? Wir müssen ihr helfen!“, knurrte Duncan herrisch.
Sein Schutzengel aber schnaubte verächtlich. „Ihr helfen? Einem Dämon? Wir sollten eher dafür sorgen das sie schneller stirbt!“, fauchte er wütend.
„Halt die Klappe, Nolan!“ – Halt die Klappe? Sowas sagte man doch nicht zu seinem Schutzengel! – „Sie hat meine Seele vor Clyde gerettet! Nur dank ihr Lebe ich noch, denn wenn jemand anderes gekommen wäre, dann wäre ich jetzt eine Leiche!“, schrie Duncan aufgebracht zurück, während ich mich auf dem Marmorboden übergab.
War das Blut? Verdammt, es WAR Blut!
Wieder stöhnte ich gequält auf, mein Kopf drohte zu explodieren.
Ich griff in meine Haare, hätte mich am liebsten selber getötet, aber ich konnte nicht mal mehr auf eigenen Beinen stehen.
Perfekt für einen Hinterhalt.
Doch während ich von Schmerzen und Mordgedanken geplagt auf dem Boden saß verpasste ich den Rest der Unterhaltung, denn plötzlich wurde ich hochgehoben und aus dem Zimmer getragen.
Ich hörte ein Herz schlagen und Blut rauschen, außerdem einen warmen Körper, also musste es wohl oder übel Duncan sein der mich trug.
Mal wurden die Schmerzen stärker, mal schwächer, als er und sein Engel Seite an Seite durch das Gebäude rannten.
Keine Ahnung was sie suchten, aber als sie es gefunden hatten riss Nolan so schnell die Türe auf dass sie fast herausgebrochen wäre.
Duncan schob sich mit mir auf dem Arm in den Raum hinein und das erste was ich sehen konnte war – nichts.
Es war stockdunkel, kühl und still.
Plötzlich flammte neben mir etwas auf, aber ich achtete nicht darauf.
Erst später würde mir klar werden, dass es Nolan war, der geleuchtet hatte, oder eher seine Haut.
Im Moment zählte für mich nur eins: meine Schmerzen.
Ich wollte mich bewegen, wollte etwas sagen, aber alles was aus meinem Mund kam waren unverständliche Worte.
„Scht“, machte Duncan beruhigend. Dann spürte ich plötzlich etwas weiches und mir wurde klar, das ich in einem Bett lag.
Eine andere Stimme mischte sich in die beruhigenden Worte, die er mir zuflüsterte.
Weiblich und wunderschön. „Sie sollte schlafen.“
Und bevor ich etwas sagen konnte war ich wirklich eingeschlafen.

Als ich aufwachte fühlte ich mich besser. Gerädert und ausgelaugt, aber besser.
Wie nach einer schweren Krankheit, aber Putzmunter und vor allem: nicht tot.
Benommen sah ich mich um, aber alles was ich sah war Dunkelheit.
Vorsichtig streckte ich den ersten Fuß aus dem Bett und setzte ihn auf die Erde.
Eiskalt war der Boden hier, aber glatt wie Marmor.
Gerade als ich mich ganz aufrichten wollte herrschte mich eine eiskalte, aber wunderschöne Stimme an: „Bleib liegen!“.
Ich richtete mich auf und knurrte leise.
Ich nahm keine Befehle von jemandem entgegen der nicht Clyde war.
Und überhaupt: wo war ich eigentlich?
Als hätte dieser jemand meine Gedanken gelesen flammte Licht auf, strahlend hell und warm.
Nicht das ich die Wärme gespürt hätte, aber ich merkte das sie für andere warm gewesen wäre.
Der Engel der vor mir saß dimmte das Licht das von seiner Haur ausging und sah mich an.
Oh mein Gott. Er war zu schön um wahr zu sein, und ich wusste direkt wen ich da vor mir hatte.
Gabriel, oberster Engel und mir von der Stärker her ebenbürtig.
Ich seufzte. „Bist du gekommen um mich zu töten?“, fragte ich müde und rieb mir die Augen. Von mir aus. Entweder Clyde oder er, letztendlich war es egal.
„Nein. Ich bin gekommen um dich an einen sicheren Ort zu bringen.“, erwiderte Gabriel und ich hörte das sanfte lächeln in seiner Stimme.
Ich sah auf und nahm die Hände von meinen Augen.
„Bitte was?“, fragte ich ungläubig.
„Nun, du hast einen unserer Schützlinge vor dem qualvollsten Tod gerettet und dein eigenes aufs Spiel gesetzt. Auch wenn du unser Feind bist, so müssen wir das akzeptieren. Wir werden dich vor Clyde schützen so gut es geht. Eine Hand wäscht die andere.“, erklärte Gabriel warm und stand auf.
Ich wollte zurückweichen als er mir seine Hand reichte, aber der Engel schüttelte nur den Kopf. Ich machte mich auf Schmerzen gefasst als ich seine Hand in meine gleiten ließ, aber der Schmerz kam nicht.
„Wie?“, fragte ich leise. Ohne ein weiteres Wort wusste er was ich meinte.
„Ich bin stärker als die meisten Engel, da ich den Wächterrang habe. Ich kann meine Gaben und Kräfte kontrollieren und sie dann einsetzen wann ich es möchte. So auch, das du keine Schmerzen haben musst wenn du mich berührst.“
Fragend sah ich ihn an, aber er winkte nur ab.
„Du wirst das alles bald verstehen, Seelensammlerin.“, antwortete er auf meinen Blick und geleitete mich aus dem dunklen Raum.
Wir gingen durch weite, Lichtdurchflutete Hallen voller Marmor und Statuen der Götter die die Engel verehrten (bei ihnen gab es diesen EINEN Gott nicht, sie verehrten viele einzelne).
„Wohin gehen wir?“, wunderte ich mich laut und fragte mich gleichzeitig wo Duncan war. Würde ich ihn je wieder sehen?
Komischerweise sehnte ich mich nach ihm, aber ich schrieb es dem Umstand zu, das ich niemand anderen außer ihn hier kannte.
„Hier bei uns gibt es verschiedene Distrikte. Sieben um genau zu sein.“
„Distrikte?“
„In der Erdwelt würde man sie wohl Städte nennen, hier gibt es jedoch nur Distrikt Eins bis Sieben.“
Langsam fing ich an das ganze zu verstehen.
„Und wieso bringst du mich in einen anderen Distrikt?“, wollte ich wissen.
„Die Distrikte sind nach Gaben und Stärke aufgeteilt. Distrikt Sieben ist der mit den schwächsten Engeln. Distrikt Sechs ist der zweitschwächste. Und so geht das immer weiter, wobei Distrikt Zwei von den Schutzengeln bewohnt wird und Distrikt Eins von den Wächtern. Alls weitere werde ich dir bald erklären.“, sprach Gabriel langsam.
Schweigend gingen wir weiter, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.
Ich merkte garnicht, wie lange wir gegangen waren, doch am Horizont ging langsam die Sonne auf.
Und dort, wo die Engel lebten war der Sonnenaufgang noch überwältigender als auf der Erde.
Wenn hier die Sonne aufging leuchtete alles für einen kurzen Moment heller, die Farben wurden strahlender. Dann wurde alles wieder normal und wir gingen weiter. Nach einigen Minuten hielten wir vor einem großen Haus.
Ich starrte es an. Dort sollte ich demnächst vielleicht Leben?
Ich sah auf das Messingschild, das neben der Doppeltür hing.
Distrikt Eins verkündete das Schild mit vornehmer Schrift.
Gabriel holte einen goldenen Schlüssel aus seiner Hosentasche und schloss die Tür auf.
Das erste was auffiel waren die Bediensteten, die geschäftig herumliefen und ihre Arbeit taten. Das zweite war, das sich das Haus nicht viel von dem Unterschied, in dem wir bis vor ein paar Stunden gewesen waren: Marmor, mit Licht durchflutete Hallen und einige Statuen, wenn auch nicht so viele wie im anderen Distrikt in dem wir vorher gewesen waren.
Tausende von Fragen schossen mir durch den Kopf, aber ich wusste ich konnte sie noch nicht stellen.
Gabriel wandte sich an eine Frau zu seiner Rechten.
„Sarah, würdest du bitte Wasser in die Wanne einlaufen lassen während Melody sich im Haus umsieht?“, fragte er ruhig. Die Angesprochene hetzte sofort die Treppen hoch und verschwand in einem Gang zu ihrer Rechten, während ich Gabriel darüber aufklärte das ich Black genannt wurde.
Er musterte mich fast schon amüsiert, dann meinte er: „Nun, es ist kein Wunder das dich die Dämonen Black genannt haben, aber hier wirst du von heute an Melody genannt werden. Finde dich besser damit ab.“
Ich hielt mich geschlossen und sagte kein Wort.

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Tag der Veröffentlichung: 22.11.2010

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