Kapitel 1
Bella
Ich versuchte der unwahrscheinlich schönen Stimme zu gehorchen. Jedoch halfen alle Lügen und Ablenkungsmanöver nicht. Laurent stürzte sich hungrig auf mich. Seine Augen, seine rot leuchtenden Augen kamen mir immer näher.
Hier auf unserer Lichtung sollte mein Leben also vorbei sein. Niemals wieder würde ich den schönsten Geruch der Welt wahrnehmen. Niemals wieder wäre ich in der Lage sein denjenigen einfach nur zu umarmen, den ich am meisten auf der Welt liebte, Edward. Vorbei. All das war vorbei.
Doch ich würde nicht allein sterben. Seine wunderschöne Stimme würde bei mir sein. Edwards wunderschöne Stimme. Ein gutes hatte das Sterben, ich brauchte nicht weiter zu leiden. Seit er gegangen war, war mein Leben die Hölle. Die einzigen Momente, die ich ertragen konnte und in denen ich annährend ein Gefühl des Glücks verspürte waren jene wenn ich seine Stimme hören konnte. Andere Momente waren erträglich, weil mein Schmerz gemindert wurde. Dieser Schmer verschwand, wenn meine persönliche Sonne mich wärmte.
Ich verabschiedete mich in Gedanken von allen, die mir etwas bedeuteten. Rosalie, Carlisle, Esme, Jasper, Emmett, Angela, Mike, Renée, Charlie, Alice, Jacob und Edward. Allen schickte ich einen letzten Gruß in Gedanken.
Was sollte Charlie nur ohne mich machen. Wie sollte er bei seinen Kochkünsten überleben? Ich weiß, dass Charlie mir nicht immer offen zeigt, wie sehr er mich liebt. Dies fiel uns beiden schwer. Da war ich ganz die Tochter meines Vaters. Aber würde er es überstehen, wenn ich fort wäre? Würde es Jacob etwas ausmachen, dass wir uns nicht mehr sehen würden.
Weiter kam ich nicht mit meinen Gedanken. Obwohl ich überrascht war über die Menge meiner Gedanken in so wenigen Sekunden.
Laurent hatte sich auf mich gestürzt und mich zu Boden geworfen. Seine Fänge hatte er schon in meinem Hals versenkt. Es waren ungeheuer schreckliche Schmerzen. Seine Zähne bohrten sich in mein Fleisch und bei jedem Schluck spürte ich ein ziehen. Ich spürte wie ich schwächer wurde. Mit jedem Schluck von Laurent kam das Schwarz etwas näher, bis es mich einhüllte.
Jacob
Wir waren nur zehn Sekunden zu spät. Zehn Sekunden, die über Leben und Tod entschieden hatten. Warum war Bella nur alleine auf die Suche nach der Lichtung gegangen. Wäre es etwas anderes gewesen, wenn ich dabei gewesen wäre? Natürlich wäre es anders verlaufen. Ich hätte diesen dreckigen Blutsauger schon daran gehindert sie zu erwischen. Mit meinem Leben hätte ich sie verteidigt, auch wenn ich nicht so ein Monster wäre.
Ja, ich töte keine Menschen, sondern beschütze sie, aber ich bin trotzdem gefährlich für sie. Ich bin nicht normal. Wenn ich normal wäre, wäre ich bei Bella gewesen. Ich hätte keine Chance gegen diesen miesen Blutsauger gehabt, aber vielleicht hätte Bella entkommen können.
Jetzt war sie tot, nein schlimmer als tot. Sie wurde zu so einem Blutsauger, wie der den sie so liebt und der sie so sehr verletzt hat.
Die anderen wollten sie vor ihrer kompletten Verwandlung töten, aber sie ist doch unschuldig. Sie wird nur zum Monster, weil wir unsere Aufgabe nicht erfüllt hatten. Wir konnten sie nicht beschützen. Ich war nicht für sie da, als sie mich am meisten gebraucht hätte. Mein Versprechen hatte ich damit wohl gebrochen. Wie schwierig es einzuhalten sein würde wusste ich noch nicht an dem Abend im Kino.
‚Jacob, jetzt reiß dich zusammen. Wir müssen entscheiden wie wir jetzt vorgehen. Ich kann ja verstehen, dass du sie nicht töten willst. Aber eigentlich ist sie schon tot.’
Dieses dämliche kommunizieren über unsere Gedanken. Zur Jagd war es eigentlich praktisch aber in Situationen wie dieser nervt es echt.
‚Ich schlage vor, wir bringen sie zum Rat und entscheiden dann was geschehen soll.’ Das war Embrys Vorschlag. Wir nickten alle zustimmend.
‚Jacob verwandle dich und trage sie zu dir nach Hause. In den nächsten zwei bis drei Tagen ist sie nicht in der Lage einen von uns anzugreifen.’ Ich folgte Sams Anweisung und verwandelte mich in meine menschliche Gestalt.
Vorsichtig hob ich Bella hoch und drückte sie nahe an mich. Die Wunde an ihrem Hals hatte sich schon von dem Vampirgift geschlossen. Ihr Herz schlug nur noch sehr langsam. Es klang quälend.
Die Legenden besagten, dass die Wandlung mit großen Schmerzen verbunden ist. Ob sie gerade litt? Sie war so zerbrechlich. Langsam setzte ich mich in Bewegung. Während des Laufens zog das Geschehen noch einmal vor meinem geistigen Auge vorbei.
Dieser Blutsauger hatte sich über Bella gebeugt und sie leicht angehoben um besser an ihren Hals herankommen zu können. Seine Zähne hatte er schon in Bella geschlagen. Mit einem gezielten Sprung schleuderte ich diesen dreckigen Vampir von ihr fort und in Richtung von Sam. Dieser stürzte sich sofort auf ihn und bekam seinen linken Arm zu fassen. Er zog kräftig daran und riss ihn ab. Dieser Mistkerl versuchte zu flüchten aber Paul und Jared schnitten ihm den Weg ab. Sie sprangen ihn an und warfen ihn so erneut zu Boden. Wir stürzten uns alle auf ihn und rissen die verschiedenen Gliedmaßen und den Kopf vom Rumpf.
Sam verwandelte sich zurück, während wir anderen alle Teile auf einen Haufen warfen. Diesen zündete Sam mit einem Feuerzeug, welches er in der Hosentasche seiner Shorts hatte, an. Ohne irgendwelche Brandbeschleuniger fing der Haufen Körperteile sofort an zu brennen. Der Gestank des verbrennenden Blutsaugers hing mir immer noch in der Nase.
Sam beugte sich dann über Bella und sah, dass wir zu spät waren und das Gift sich schon im Körper verteilte. Bis dahin hatten wir alle noch die Hoffnung rechtzeitig gekommen zu sein. Mit einem deftigen Fluch und einem Kopfschütteln vernichtete Sam unsere letzte Hoffnung.
Als ich den Wald verließ und unser Haus erblickte kam ich wieder in der Gegenwart an. Ich trug Bella direkt in unser Wohnzimmer und legte sie auf die Couch. Dad sah mich nur irritiert an. Mit kurzen Worten erklärte ich ihm alles.
„Sie wurde von einem Blutsauger angegriffen. Wir kamen zu spät. Sie verwandelt sich schon. Sam meint, dass der Rat besprechen sollte, was jetzt mit ihr passiert. Er benachrichtigt die anderen und sie kommen hier gleich her.“
Mein Vater sah mich nur entsetzt an. Ich wusste woran er dachte. Charlie. Wie sollte er seinem besten Freund erklären, dass seine einzige Tochter tot ist. Konnte er den endgültigen Tod für sie beschließen. All das ging ihm so oder so ähnlich durch den Kopf.
Wir saßen in unserem Wohnzimmer und sahen einfach nur entsetzt auf die Gestalt auf unserem Sofa. Ein Schrei so gequält und schmerzverzerrt erklang. Wir zuckten beide vor Schreck zusammen. Damit war meine Frage wohl beantwortet und eine weitere Legende als Wahrheit identifiziert. Es wunderte mich nicht. Alle Legenden erwiesen sich bisher als wahr. Jeder weitere Schrei ließ uns erneut zusammenfahren. Nach jedem Schrei dachte ich, es wäre besser ihre Qualen zu beenden, aber das war jetzt nicht mehr meine Entscheidung, sonder die des Rates.
Keine halbe Stunde später war der Rat komplett in unserer Küche versammelt. Ich blieb bei Bella. Ich brachte es einfach nicht übers Herz sie jetzt zu verlassen. Sie wird zwar bald nicht mehr die Bella sein, die ich kannte und liebte aber sie würde immer noch wie Bella aussehen. Die Diskussion in unserer Küche versuchte ich auszublenden. Es fiel mir schwer mit anzuhören, wie über ihr Schicksal entschieden werden sollte.
Etwa drei Stunden nach dem Eintreffen der Ratsmitglieder kamen Sam und mein Dad ins Wohnzimmer. Bellas Schreie hatten irgendwann aufgehört. Waren ihre Schmerzen damit auch vorüber? Die Entscheidung war gefallen. Ich sah in den Augen der anderen, dass es ihnen schwer viel mir diese Entscheidung mitzuteilen. Weiterhin fragend sah ich zu ihnen hinüber. Man konnte mir meine Verzweiflung wahrscheinlich vom Gesicht ablesen aber ich hatte keine Energie mehr sie zu verstecken.
Sam sah mir in die Augen und begann zu sprechen. „Der Rat hat entschieden, dass wir Bella die Chance geben sich ebenso wie die Cullens von Tierblut zu ernähren. Da Neugeborene Vampire ungehalten sind halten wir es für das Besten sie außerhalb der unmittelbaren Reichweite von Menschen zu bringen. Das Haus der Cullens dürfte dazu gut geeignet sein, auch wenn es mir und den anderen Ratsmitgliedern nicht gefällt dort einzubrechen, aber diese Situation ist auch keine gewöhnliche. Da die Cullens sie wenigstens eine Zeit lang mochten ist es ihnen hoffentlich recht. Einen Streit können wir nicht gebrauchen. Auch wenn wir damit endlich diese Blutsauger töten könnten. Vielleicht bekommen sie es auch nicht mit, dass wir dort waren. Wenn Bella es jedoch nicht schafft sich an unsere Regeln zu halten, dann müssen wir sie töten.“
Ein wenig erleichtert ließ ich mich gegen die Couch fallen. Mir entfuhr ein leiser Seufzer. Sie würde weiterleben oder weiterhin existieren, wenn sie es schafft sich zu beherrschen. Doch wir konnten sie doch nicht da in diesem Haus einfach sich selbst überlassen. So hätte sie gar keine Chance zu widerstehen. Wir oder zumindest ich musste auf sie aufpassen. Würde es mir gelingen sie vor dem endgültigen Tod zu bewahren?
„Wir sollten sie jetzt direkt in ihr neues zu Hause bringen. Wir beide werden bei ihr bleiben bis sie aufwacht.“ Mit diesen Worten riss mich Sam aus meinen Grübeleien.
Ich hob Bella sanft auf meine Arme und ging mit ihr zu meinem alten VW. Sam setzte sich ans Steuer und ich setzte mich mit Bella im Arm auf die Rückbank. Wir fuhren schweigend zum Haus der Cullens. Fast hätte Sam die Abzweigung zum Haus der Vampire verpasst. Mit einer scharfen Vollbremsung schaffte er es gerade noch so in den Weg abzubiegen.
Während der gesamten Fahrt musste ich darüber nachdenken was passiert wäre wenn wir rechtzeitig da gewesen wären. Die verschiedensten Versionen kamen mir in den Sinn. Wir würden diesen dreckigen Blutsauger vor ihren Augen in Einzelteile zerlegen und sie würde vor Angst aus den Latschen kippen. In einer anderen drehte sie sich vor Angst schreiend um und lief ziellos in den Wald und verlief sich. Aber am Ende jeder Version war sie wohlauf und ich konnte sie wieder in meine Arme schließen und mein Versprechen erfüllen.
Sam trat kräftig gegen die Haustür, die nach einigen Tritten nachgab und aufsprang. In den nächsten Tagen mussten wir die Tür wohl ersetzen. Überrascht sahen wir uns im Haus um. Es war noch komplett eingerichtet und stank fürchterlich nach Blutsaugern. Uns viel es schwer bei diesem Geruch die Kontrolle zu behalten und uns nicht zu verwandeln.
Ich entschied mich Bella auf das große weiße Sofa zu legen. Vorsichtig strich ich Bella eine Strähne aus dem Gesicht. Sie sah aus, als würde sie schlafen. Friedlich in ihrem Bett liegen und Charlie würde sie gleich wecken, weil sie verschlafen hatte. Kein Zeichen der Schmerzen war mehr zu erkennen. Da fiel mir etwas Wichtiges ein. Charlie!
„Was machen wir mit Charlie. Er wird sie suchen.“
Verzweifelt sah ich zu Sam. Er schien nicht überrascht. Offensichtlich hatten sie schon eine Lösung gefunden. Nur ob ich die Lösung hören wollte war ich mir nicht sicher. Aber es war wichtig, dass ich die offizielle Version kannte sonst würde ich noch unbeabsichtigt etwas Falsches sagen.
„Sag es schon Sam. Ich muss wissen was ich erzählen soll. Charlie wird mich bestimmt befragen.“
Er warf mir einen vorsichtigen Blick zu. „Stimmt, du musst wissen was du erzählen sollst. Da wir beide die letzten Tage von niemandem im Reservat gesehen wurden werden wir beide offiziell auf einen kleinen Wochenendtrip gegangen sein. Damit du dich noch etwas von deiner Krankheit erholen kannst. Paul, Jared und Embry sind gerade auf der Lichtung und präparieren sie so, dass man denkt sie wurde von einem wilden Tier angegriffen und weggeschleift. Da kommen uns die Geschichten über die riesigen Bären zu Gute. Natürlich wird dann die Jagd nach ihnen noch intensiver besonders Charlie wird nicht locker lassen. Also müssen wir noch vorsichtiger sein als bisher.“
Der Plan war eigentlich ganz gut. So konnten Sam und ich bei Bella bleiben. Aber Charlie tat mir unglaublich leid. Er würde Bella nie wieder sehen und was genau passiert ist wird er auch nicht in Erfahrung bringen können. Ob er das ganze verkraften konnte? Charlie wird daran bestimmt zerbrechen. Der einzige Trost den ich hatte war, dass mein Dad und Harry für ihn da sein würden.
Kapitel 2
Bella
Zuerst war da nur ein allumfassendes Schwarz. Ich war in einer tiefen Ohnmacht gefangen. Nach einiger Zeit, wie viel genau verging konnte ich nicht sagen, spürte ich wie sich Flammen in meinem Körper ausbreiteten. Es fühlte sich an als ob ich von innen heraus verbrennen würde.
Ähnliches hatte ich bisher einmal gespürt, als James mich gebissen hatte. Doch jetzt waren die Schmerzen noch schlimmer als damals. Warum nur hatte ich diese Schmerzen. Es fiel mir unglaublich schwer mich zu konzentrieren und die Erinnerungen abzurufen, die mich in diese Hölle befördert hatten.
Immer schwerer fiel es mir ruhig zu bleiben. Die Schmerzensschreie konnte ich nicht mehr lange zurück halten. Warum ich sie verhindern wollte konnte ich mir nicht erklären. Was um mich herum passierte konnte ich nicht wahrnehmen.
War ich tot? Was hatte ich angestellt um in der Hölle zu landen? Wurde ich dafür bestraft, weil ich Jacobs Gefühle nicht erwidern konnte und ihn deswegen verletzt hatte? So viele Fragen hatte ich, doch ich fand keine Antworten.
Ich musste wirklich in der Hölle sein. Edward war nicht bei mir und dann quälten mich noch diese Schmerzen. In der Hölle wurde man doch mit Feuer bestraft. Jetzt konnte ich die Schreie nicht länger zurückhalten und ließ sie heraus. Ich schrie so laut also ob es um mein Leben ginge, aber niemand kam zu meiner Rettung. Mein persönlicher Held hatte mich ja verlassen.
Nach einiger Zeit bemerkte ich, dass die Schreie nicht halfen. Es gab nichts das mir jetzt noch helfen konnte. Also sparte ich mir das Schreien. Ich verlor jegliches Gefühl für die Zeit. Bisher hatte ich keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war. Einige Stunden, vielleicht waren es auch Tage, später bemerkte ich wie mir jemand beinahe zärtlich über den Kopf strich.
Ich hörte zwei Herzschläge und den Atem von zwei Personen. Die Umwelt konnte ich wieder wahrnehmen nur meine Augen ließen sich nicht öffnen. Ab und zu hörte ich jemanden den Raum verlassen und mit lecker duftendem Essen wiederkommen. Die Schritte waren schwer aber dennoch zügig. Wer da wohl bei mir war?
Der Raum, in dem ich mich befand, roch merkwürdig. Der Geruch war eine Mischung aus verschiedenen süßlich duftenden Blumen und nassem Hund. Egal wo ich war, diejenigen besaßen einen Hund, der durch den ständigen Dauerregen in Forks immer nass war.
Es war merkwürdig trotz der schrecklichen Schmerzen konnte ich so klar denken. Die Schmerzen waren immer noch gleichbleibend stark da, aber es war mir möglich gleichzeitig an andere Dinge zu denken. Also versuchte ich mich erneut an die Geschehnisse vor meiner Ohnmacht zu erinnern.
Ich war wandern gegangen um unsere Lichtung zu finden. Jacob wollte offensichtlich nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich war ihm wohl doch zu kaputt. Er war mit Freunden weg.
Zum Glück, sonst wäre nicht nur ich jetzt hier in meiner persönlichen Hölle. Obwohl Jake niemals in die Hölle gehören könnte. Dafür war er zu gütig und freundlich. Er hatte mich immerhin in meinem Nach-Zombie-Zustand ertragen. Er war es auch, der mir geholfen hatte ab und zu wieder ein ehrliches Lachen erklingen zu lassen. Damit hatte er auch Charlie beruhigen können. So jemand gehörte ganz sicher nicht in die Hölle.
Deswegen war ich auch zum Glück alleine, als Laurent mich auf der Lichtung fand. Ein Angstschauer durchfuhr mich. Nicht der Laurent, wie ich ihn in meiner Fantasie gesehen hatte, mit karamellfarbenen Augen. Nein ein Laurent mit leuchtend roten Augen stand vor mir auf der Lichtung.
Er war auf der Jagd nach Menschen als er mich fand. Victoria hatte ihn geschickt um nach mir zu sehen. Sie wollte sich an mir rächen für ihren Gefährten James. Ihr Plan war es mich zu finden und dann grausam zu foltern und zu quälen. Hatte mich Laurent dann doch zu ihr gebracht?
Nein, er hatte mich umgeworfen und sich dann über mich gebeugt. Er hatte mich gebissen und wollte mich töten. Also war ich tot. Ob es wohl für die Vampire, die Menschen töteten einen unterschied machen würde, wenn sie wüssten wie sehr ihre Opfer nach dem Tod noch leiden mussten? Wohl eher nicht.
Aber wenn ich tot bin, warum konnte ich dann noch zwei Personen spüren, die mit mir hier waren? Ausgeschlossen war aber, dass Laurent von mir abgelassen hatte. Wer hätte mich auch retten sollen. Keiner kam gegen einen Vampir an. Auf keinen Fall jemand, der einen Herzschlag hatte. Wo war ich also? Meine Gedanken kreisten immer wieder um die Ereignisse vor meiner Ohnmacht und die Fragen die sich daraus ergaben.
Dann veränderten sich die Schmerzen urplötzlich. Sie zogen sich aus den Zehen und Fingerspitzen zurück und wanderten immer mehr in die Körpermitte. Als sich die ganzen Flammen sich an den Ort zurückzogen wo mein Herz schlug bekam ich ein wenig Panik. Mein Herz schlug nicht mehr etwas langsam aber gleichmäßig, sonder es fing an zu stolpern und wurde immer schneller. Dann machte es einen letzten angestrengten Schlag und stellte dann den Betrieb ein. Meine Augen konnte ich nun öffnen.
Ich schlug die Augen auf und sah über mir zwei Gesichter schweben. Das eine kam mir bekannt vor und das andere weckte verschwommene Erinnerungen in mir. Jacob. Das war Jacob da über mir. Aber was wollte er hier und was war mit seinen wunderschönen langen Haaren passiert? Verwirrt blickte ich in das andere Gesicht. Doch mir fiel nicht ein woher ich es kannte.
Den Rest meiner Umgebung nahm ich nun wahr. Ich lag in einem geräumigen Zimmer, das sehr hell war. Die Wände waren weiß gestrichen. Ungewöhnlich war nur, dass ich die Linien erkennen konnte, die der Pinsel hinterlassen hatte. Ich dachte darüber nach mich vorsichtig aufzusetzen, damit mir nicht schwindelig wurde. Der Gedanke war noch nicht ganz beendet, als ich auch schon saß.
Jetzt erkannte ich, dass ich in einem Wohnzimmer war. Doch es war nicht irgendein Wohnzimmer, es war das Wohnzimmer der Cullens. Das Loch in meiner Brust meldete sich heimtückisch zurück. Ich krümmte mich zusammen und schlang die Arme um mich, damit ich nicht in viele Einzelstücke zerfiel. Besorgte Blicke fixierten mich.
Jacob sprach zögerlich „Was ist los Bella? Die Wandlung müsste doch jetzt zu Ende sein. Schließlich schlägt dein Herz nicht mehr.“
Wandlung? Dann war ich ein Vampir. Schließlich wusste ich noch genau was Alice mir gesagt hatte. Das Loch wurde noch um einige Zentimeter größer. Moment! Woher wusste Jake das mein Herz nicht mehr schlug? Am besten ich fragte ihn einfach was er damit meinte.
„Was meinst du Jake? Woher weißt du dass mein Herz nicht mehr schlägt?“
Ich hatte mich zwischenzeitlich wieder aufgerichtet und zögerlich meine Arme fallen lassen. Meine Stimme hatte sich extrem verändert. Sie kam einem Glockenspiel jetzt sehr nahe. Ein wenig erschrak ich davor.
Erleichtert atmete Jacob aus und lächelte mich nun an. „Ich kann deinen Herzschlag nicht mehr hören, daher weiß ich es. Kannst du dich nicht mehr an diesen Blutsauger erinnern? Der hatte dich gebissen, wir kamen zu spät um dich noch zu retten.“
Jetzt wirkte Jacob sehr bedrückt, als ob es seine Schuld wäre. Aber woher wusste er von Laurent?
„Wieso hat Laurent mich nicht getötet und was mache ich ausgerechnet hier?“
Nun schaltete sich der junge Mann, der links von mir stand, ein. „Wir haben den Vampir getötet. Doch leider hatte er dich bereits gebissen, sodass wir die Verwandlung nicht mehr aufhalten konnten. Der Rat hat entschieden dir den gleichen Vertrag wie den der Cullens anzubieten. Damit du nicht in unmittelbarer Nähe zu den Menschen bist haben wir dich hier einquartiert.“
Das waren eine Menge Informationen auf einmal. Ich war jetzt ein Vampir und musste mich wie die Cullens von Tierblut ernähren. Der Vertrag besagte, dass die Cullens sich vom Land der Quileute fern halten mussten, sonst würden sie verfolgt und getötet werden. Aber von wem oder besser von was?
Jacob hatte mir doch diese Legenden erzählt. Die Legende von den Kalten Wesen stimmte ja auch. Den Vertrag hatten die Cullens mit dem letzten Häuptling, Jacobs Großvater, geschlossen. Doch da war noch etwas, aber meine Erinnerungen ließen mich im Stich. Sie waren alle nur ganz verschwommen. Einige Ereignisse waren klarer als andere aber die hatten alle mit IHM zu tun. Die verdrängte ich schnell wieder bevor das Loch wieder anfing zu schmerzen.
„Wie konntet ihr Laurent nur töten?“
Jacobs Gesicht verzog sich zu einer wütenden Maske. So hatte ich ihn ja noch nie gesehen. Seine Hände fingen an stark zu zittern.
Sam sah bestimmend zu Jacob als er sagte „Beruhige dich Jake. Das können wir jetzt echt nicht gebrauchen. Sie würde Panik bekommen.“
Es schien wirklich so, dass diese Worte Jacob beruhigten denn seine Hände zitterten nicht mehr nur die wütende Maske blieb.
„Dieser dreckige Blutsauger war dabei dich zu töten und du willst wissen warum wir ihn getötet haben und nicht einfach auf ihn eingeredet haben dich doch bitte zu verschonen?“
Moment so war das doch gar nicht gemeint. „Ich finde es nicht schlimm, dass Laurent tot ist, aber wie konntet ihr einen Vampir töten? Sie sind doch so schnell und stark und vor allem so hart wie Stein?“
Jetzt fiel die wütende Maske von seinem Gesicht. Hervor kam sein strahlendes Jacoblächeln. Doch irgendetwas war anders an ihm. Dieses Lachen war nicht mehr ganz so unbeschwert wie es vorher war.
Der andere Mann mischte sich nun wieder ein. „Bella, wir sind keine normalen Menschen. Wir sind Werwölfe und sind dafür geschaffen Vampire zu töten. Warum sollten die Cullens sonst mit uns einen Vertrag schließen?“
Darüber musste ich nachdenken. Es stimmt, Jacob hatte an jenem Tag etwas von Wölfen erwähnt aber so ganz bekam ich die Legende nicht mehr zusammen. Die Legende der Kalten Wesen stammte aus der gleichen Zeit in der auch die Wölfe vorkamen. Warum sollte es nicht auch Werwölfe geben, wenn es Vampire gibt.
Wenn Laurent tot war, dann konnte er Victoria auch keine Neuigkeiten mehr berichten. So wusste sie nicht, dass sie alle gegangen waren. Würde sie nun selbst nach mir sehen?
Auf einmal verspürte ich ein Brennen im Hals, welches eine abgemilderte Version der Schmerzen während meiner Wandlung war. Ich fuhr mir mit meiner Hand an den Hals und Jacob und der andere Mann sahen sich wissend an.
„Was ist das? Dieses Brennen in meinem Hals.“
„Das ist der Durst, wir sollten mit dir jagen gehen. Komm.“
So fühlte es sich also an Durst zu haben. Kein Wunder, dass es Jasper immer so schwer viel sich zu beherrschen. Jedoch verstehe ich nicht, warum ich mich nicht in die Nähe von Menschen begeben sollte. Den Beiden hier hatte ich auch noch nicht versucht an die Kehle zu springen. Gut, Jacob könnte ich nie etwas tun, aber diesem anderen hätte ich schon längst etwas getan, wenn ich so blutrünstig wäre.
„Wer sind sie eigentlich? Irgendwie kommen sie mir bekannt vor.“
Sam und Jacob sahen sich ungläubig an. Was hatte ich denn gefragt, dass man mich so anstarren musste?
„Ähm, ich bin Sam Uley. Ich komme wie Jacob aus dem Reservat. Vielleicht erinnerst du dich ja, ich war derjenige, der dich im Wald gefunden hatte.“
Als er diesen Vorfall erwähnte, konnte ich mich an sein Gesicht undeutlich erinnern. Er hatte mich im Wald gefunden, als meine Welt zusammengebrochen war, weil ER mich verlassen hatte. Wieder pochte das Loch unbeschreiblich heftig. Meine normale Reaktion darauf setzte wieder ein. Alles was geht zusammenhalten und einfach nur hoffen, dass der Schmerz sich etwas abschwächt.
Besorgt sahen Jacob und Sam mich an. „Warum machst du das immer Bella, das hast du schon immer gemacht als du noch ein Mensch warst.“
Das war Jacob aufgefallen? Ich hatte mich so bemüht es ihm niemals zu zeigen. Er sollte doch nicht wissen, wie schlecht es mir in Wirklichkeit ging. Was sollte ich ihm denn jetzt erzählen. Vielleicht einfach die Wahrheit?
„Es tut so weh sich an IHN zu erinnern. Es fühlt sich an als würde ich auseinanderfallen.“
Beruhigend strich mir Jacob über die Wange. Seine Haut war unangenehm heiß auf der Haut.
„Jake hast du Fieber? Du glühst ja förmlich.“
Beide fingen schallend an zu lachen. Jacob versuchte unter lachen mir eine Antwort zu geben. „Bella, du bist jetzt ein Vampir und bist eiskalt. Aber es stimmt, meine Körpertemperatur liegt über der normalen. Das ist bei Werwölfen so.“
Wieder meldete sich der Durst mit einem Brennen im Hals. Meine Hand fuhr automatisch wieder an meinen Hals.
„Wir sollten jetzt wirklich los. Bevor du noch einen von uns angreifst.“ Beide gingen auf die Haustür zu.
„Warum habe ich euch noch nicht angegriffen, wenn ich jetzt so unbeherrscht bin?“
Sie drehten sich gleichzeitig um und Sam kam auf mich zu. Er streckte seine Hand nach mir aus und sagte
„Riech einfach mal, dann weißt du warum.“
Zögernd tat ich was er mir vorschlug. Ich kam mir ganz schön dämlich vor, wie ich mich vorbeugte um an seiner Hand zu riechen. Ich musste aussehen wie ein Hund. Als ich mich der Hand nährte wurde der Geruch nach nassem Hund immer extremer. Bisher wurde er von den süßlichen Gerüchen um mich herum etwas abgemildert. Angewidert zuckte ich zurück und beide schienen sich über meinen Gesichtsausdruck köstlich zu amüsieren.
„Jetzt weiß ich warum. Nimm es mir nicht übel, aber du stinkst schrecklich.“
Amüsiert blickte Sam mich an. „Du riechst für uns auch nicht besser! Komm wir sollten jetzt wirklich los. Bevor du noch deinen Ekel überwindest und dich auf uns stürzt.“
Sie gingen wieder auf die Tür zu. Jacob blieb in der Tür stehen und sah sich nach mir um. Wieder hatte ich mich bewegt bevor ich auch nur den Gedanken beenden konnte. Ich war auf die Tür zugerast und stand direkt vor Jacob. Sam stand schon draußen vor dem Haus. Er sagte
„Komm Jacob, wir verwandeln uns dort in den Büschen. Ach und Bella. Erschrick dich nicht!“
Sie gingen in die Büsche. Ich konnte Kleidung rascheln hören. Ein vibrieren spürte ich auf meiner Haut und dann vernahm ich ein lautes Reißen. Dann hörte ich wie Pfoten auf dem Waldboden aufkamen. Ein rascheln kam aus dem Gebüsch vor mir und zwei riesige Wölfe kamen auf mich zu. Der linke war pechschwarz und der rechte war fast genauso groß wie der Schwarze nur war das Fell dieses Wolfes rostbraun.
Wenn mein Herz noch schlagen würde hätte es spätestens jetzt eine Auszeit eingelegt. Ein klein wenig Angst beschlich mich.
Der rostbraune Wolf legte seinen Kopf schief und sah mir in die Augen. Irgendwie erkannte ich in ihnen Jacob wieder. Dann musste der andere Sam sein. Ich beruhigte mich wieder und ging fasziniert auf die beiden zu. Vorsichtig streckte ich meine rechte Hand nach Jacob aus und als dieser nicht vor mir zurück schrak strich ich ihm über den gewaltigen Kopf.
Es schien ihm zu gefallen, denn ich konnte ein tiefes Schnurren hören. Eher war es wohl ein zufriedenes Knurren. Angetan strich ich ihm weiter über den Kopf und wuschelte in seinem Fell. Er stupste mir mit seinem Kopf gegen die Brust und zweigte dann mit dem Kopf auf den Wald. Sam stand schon halb im Wald. Also lief ich in die angewiesene Richtung.
Nach einigen Metern kamen wir an einen Fluss. Die beiden Wölfe sprangen darüber. Offensichtlich erwarteten sie das gleich von mir. Aber wie sollte ich das machen. Ich würde bestimmt mitten im Fluss landen. Auffordernd sah mich Jacob an. Soweit das für einen Wolf möglich war.
Ich dachte kurz nach. Vampire waren schnell und stark. Sie konnten eigentlich fast alles, also sollte es mir gelingen darüber zu springen. Ich ging noch einige Meter zurück und nahm Anlauf. Mit ungeheurer Geschwindigkeit lief ich auf den Fluss zu. Am Ufer stieß ich mich ab und beförderte mich in die Luft. Ich flog durch die Luft direkt auf das gegenüberliegende Ufer zu. Es schien, als ob ich ewig in der Luft wäre. Ich hatte genügend Zeit mir zu überlegen wie ich am besten landete. Mit der rechten Zehenspitze berührte ich zuerst wieder den Boden und rollte mich dann ab.
Erfreut wie einfach das war, blickte ich mich nach meinen beiden Begleitern um. Die sahen mich staunend an. Einen staunenden Wolf bekam wohl nicht jeder zu sehen. Ich musste über ihre Gesichter einfach lachen. Wieder bekam ich einen Stupser. Man bedeutete mir ihnen zu folgen.
Sie rannten unglaublich schnell. Ich versuchte ihnen nachzurennen. Es gelang mir besser als gedacht. Bald schon hatte ich sie eingeholt und hatte das Gefühl sie leicht überholen zu können. Entschied mich aber es nicht zu tun, da sie ja auf mich aufpassen sollten, dass ich keinem Menschen etwas tat.
Auf einer Lichtung blieb Sam stehen und drehte sich zu mir um. Jacob setzte sich hin und wartete. Ich stellte mich neben ihn und beobachtete, wie Sam hinter den Bäumen verschwand. Wieder konnte ich ein Reißen hören, dann raschelte Kleidung. Der gleiche Sam wie vorhin im Wohnzimmer stand nun vor mir.
„Wir wissen nicht, wie ihr genau jagt, aber ich denke wenn du es wie ein Wolf versuchst klappt das schon. Konzentrier dich auf deinen Geruchsinn. Am besten du schließt die Augen. Sag mir was du riechst.“
Ich tat das von mir verlangte. Schloss meine Augen und konzentrierte mich auf die Gerüche um mich herum. Ich roch einen intensiven Geruch von nassem Hund, der fast jeden anderen Geruch überdeckte. Ein Wind strich mir über das Gesicht und brachte neue Gerüche mit sich. Etwas weiter weg roch ich etwas das mich leicht anzog. Jetzt konnte ich auch das zugehörige Geräusch zu dem Geruch wahrnehmen. Es war ein Herz, das Blut durch die Adern eines Tieres pumpte. Woher ich wusste, dass es ein Tier war konnte ich nicht genau sagen.
Ich überließ mich ganz meinen Sinnen, die mich zu diesem Geruch führten. Ein einsamer Hirsch stand an der Flussbiegung und trank. Ich schlich mich näher an ihn heran. Mit einem Sprung hatte ich den Hirsch zu Boden geworfen. Meine Zähne fanden zielsicher die Schlagader. Ich saugte ihm das Blut aus. Hinter mir hörte ich die beiden Wölfe hektisch auf mich zu rennen. Abrupt blieben sie stehen, als sie mich mit dem Hirsch sahen. Als ich alles Blut aus dem Tier gesaugt hatte drehte ich mich verschämt von ihnen weg.
Jacob kam auf mich zu und legte seinen Kopf tröstend an meinen Rücken. Vorsichtig drehte ich mich um und verbarg meinen Kopf in seinem Fell. Ich schämte mich, dass sie das mit angesehen hatten. Sie mussten mich ja für ein Monster halten. Aber das Brennen in meiner Kehle war fast verschwunden.
Jacob ging einige Schritte zurück und verschwand dann schnell im Gebüsch. War ja klar, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte, nachdem er das gesehen hatte. Ich hörte ein Reißen und kurze Zeit später kam Jacob auf mich zu.
„Hey du musst dich nicht schämen. Es war schon gruselig wie du dieses Tier ausgesaugt hast. Aber irgendwie musst du dich ja ernähren.“
Er kam weiter auf mich zu und umarmte mich dann. Glücklich, dass er nicht von mir angewidert war schlang ich meine Arme um ihn.
Jacob keuchte plötzlich. „Keine Luft!“
Beschämt ließ ich augenblicklich meine Arme fallen und starrte auf meine Fußspitzen. „Tut mir leid, ich wollte dir wirklich nicht weh tun.“
Er fing an zu lachen und zog mich wieder in seine Arme. „Das weiß ich doch. Du musst nur noch lernen deine Kraft besser zu dosieren. Das ging uns genauso.“
Ich blickte überrascht zu ihm hoch und dann hinüber zu Sam. Dieser nickte.
„Wir sollten jetzt wieder zum Haus zurück gehen. Bevor uns noch jemand hier sieht.“
Jacob verschwand und tauchte als Wolf wieder vor mir auf. Ich folgte meinem Geruch zurück zum Haus. Alle Erinnerungen versuchte ich zu verdrängen. Es fiel mir schwer wieder in dieses Haus zurückzukehren. Schließlich war es SEIN zu Hause und er wollte mich nicht mehr in seinem Leben, also auch nicht in seinem Haus.
Aber Sam und Jacob hatten recht, hier draußen verirrten sich keine Menschen hin. Ich würde nicht in Versuchung geführt werden. Keinem wollte ich ein Leid zufügen. Was sollte jetzt nur aus mir werden? Ich war allein. Okay, ich hatte Werwölfe, die auf mich aufpassten.
Wir waren mittlerweile wieder am Haus angekommen. Ohne aufzusehen ging ich ins Wohnzimmer und stellte mich ans Fenster. Hier konnte ich weiter darüber nachdenken was jetzt passieren sollte. Was würde Charlie wohl denken, wenn ich nicht mehr nach Hause kam.
„Oh Gott, Charlie!“
Sam und Jacob kamen ins Wohnzimmer gestürzt. Sie schienen meine Gedanken zu ahnen.
Sam antwortete auf meine stummen Fragen als erster. „Wir haben die Lichtung so präpariert, dass die Leute denken werden, einer der Bären hätte dich angegriffen und weggeschleppt. Es ist besser, wenn alle annehmen du wärst gestorben.“
Bei den Wort Bären gingen mir zwei Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Den ersten versuchte ich gleich wieder zu verdrängen. Denn Emmett jagte immer Bären. Doch diese Gedanken und Erinnerungen waren verboten. Der zweite war, dass Sam ein wenig amüsiert bei dem Wort klang. Hatte das etwas zu bedeuten?
Ach egal, zurück zum Thema. Charlie und mein angeblicher, na ja tatsächlicher Tod. Es war besser Charlie diese Erklärung für mein Verschwinden zu liefern, als ein erneutes Weglaufen. Die ganze Situation erinnerte ihn bestimmt an meine Flucht nach Phoenix und mein Verschwinden im Wald.
Wie sie die Lichtung präparierten konnte ich mir nicht vorstellen. So richtig interessierte es mich eh nicht. Sie schienen eine Antwort von mir zu erwarten, denn sie sahen mich auffordernd an.
„Ihr habt vermutlich recht. Für Charlie wird es aber trotzdem nicht leicht sein dies zu akzeptieren. Auf jeden Fall nicht, bis er meine Leiche gesehen hat.“
Ich versank in weiteren Grübeleien, als plötzlich die demolierte Haustür zur Seite geschoben wurde. Überrascht drehte ich mich um und ging in die Hocke in eine Art Angriffsstellung. Drei mir völlig unbekannte Gesichter erschienen im Durchgang.
„Hey, wie es aussieht ist sie schon wach. Diese Augen sind echt zum Fürchten!“
Jacob und Sam schienen die Neuankömmlinge zu kennen. Also gab ich meine Angriffsposition auf und richtete mich auf. Wieso redeten sie über mich, als wäre ich nicht anwesend und was war mit meinen Augen?
Ein wenig beunruhigt machte ich mich auf die Suche nach einem Spiegel. Wo in diesem Haus würde ich am ehesten einen finden? Bei Rosalie oder Alice! Also ging ich nach oben und suchte nach einem Spiegel. Nur eine Tür versuchte ich aus meiner Wahrnehmung zu verscheuchen.
Endlich war ich fündig geworden. Vorsichtig hob ich meinen Blick. Zuerst erkannte ich meine Kleidung, die ich zum wandern angezogen hatte. Jedoch war sie jetzt vollkommen verdreckt und an einigen Stellen zerrissen. Ich ließ meinen Blick weiter nach oben gleiten. Meine Haut war jetzt noch blasser als zuvor und sie war absolut glatt. Ich war genauso blass wie die anderen Vampire. Dann erst erfasste ich mein Gesicht. Am auffälligsten an der Person im Spiegel waren diese leuchtend roten Augen. Sie leuchteten ebenso rot wie die von Laurent. Wenn ich noch menschlich gewesen wäre, dann wäre mir jetzt ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen. Nun betrachtete ich das Gesicht genauer im Spiegel. Die Gesichtszüge waren wie aus Stein gemeißelt. Sie waren einfach nur symmetrisch und damit perfekt. Das Gesicht war wunderschön, nicht so schön wie das von Rosalie, aber doch übermenschlich schön. Ich konnte mich in diesem Gesicht nicht wiedererkennen. Das war nicht wirklich ich. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich von Jacob gerufen wurde.
„Bella, komm wieder runter ins Wohnzimmer. Wir müssen noch einiges besprechen.“
Ich riss mich von dem Anblick los und ging oder besser raste die Treppe wieder runter. Im Wohnzimmer stand ich bereits weniger als eine Sekunde später. Die fünf anwesenden jungen Männer hatten sich um die riesige Couch herum versammelt. Also ließ ich mich links von ihnen in einen Sessel nieder. Sam ergriff das Wort. Es schien als ob er der Anführer war. Immer sprach er als erster.
„In den nächsten Monaten werden immer zwei von uns bei dir sein und auf dich aufpassen. Soweit wir wissen ist es schwierig sich zu beherrschen. Damit haben wir Erfahrung. Einige mehr andere weniger.“
Der letzte Satz schien für den jungen Mann zu seiner rechten bestimmt zu sein. Denn bei diesem beschleunigte sich der Blutfluss und sein Herz schien schneller zu schlagen. Seine Hände begannen zu zittern und er schien schmerzen zu haben. Auf jeden Fall presste er die Lippen stark zusammen. Was sollte das ganze Spektakel.
„Was hat er denn? Braucht er Hilfe?“
Ich macht mir wirklich Sorgen um diesen Fremden. Alle anderen fingen an lauthals zu lachen auch der eben noch zitternde junge Mann stimmte mit ein. Nachdem sich wieder alle beruhigt hatten und nur noch ein grinsen auf dem Gesicht hatten setzte Sam seinen Monolog fort.
„Nein, er ist absolut in Ordnung. Er hat ist nur hitzköpfig. Also wir werden versuchen dir so gut es geht zu helfen. Es ist unsere Schuld, dass du jetzt bist was du bist.“
Das konnte ich so nicht stehen lassen und unterbrach Sam. „Ich denke nicht, dass es eure Schuld ist. Schließlich bin ich dank euch nicht ganz tot. Wenn ihr Laurent nicht getötet hättet, dann könnte ich jetzt nicht hier sitzen. Was ich bin ist allein die Schuld von Laurent. Jetzt habe ich wenigstens eine geringe Chance mich gegen Victoria zu wehren.“
Überrascht sahen mich fünf Augenpaare an. Dieses Mal war Jacob derjenige, der am schnellsten reagierte.
„Wie meinst du das? Wer ist diese Victoria?“
Kapitel 3
Bella
“Wo soll ich bloß anfangen?“ fragte ich mich leise selbst.
Jacob war sehr ungeduldig und beantwortete mir meine Frage. „Am einfachsten wäre es am Anfang.“
Ach, was er nicht sagt.
„Na gut, dann also am Anfang. Ich habe den Cullens beim Baseballspielen auf einer Lichtung zugesehen, als drei fremde Vampire auftauchten. James, war ein Tracker. Er hatte sich das Ziel gesetzt mich zu töten. Also floh ich mit Alice und Jasper nach Phoenix.“
Ich erzählte ihnen die ganze Geschichte. Nichts ließ ich aus. Nicht die falsche Entführung. Nicht mein spektakuläre Flucht. Und auch nicht James Biss.
„Zum Glück wussten die anderen, dank Alice Visionen, wo sie mich finden würden. Sie kamen gerade noch rechtzeitig um James von mir loszureißen. Wenn Edward nicht das Gift aus meiner Hand gesaugt hätte, wäre ich damals schon zum Vampir geworden oder gestorben.“
Ungläubiges Staunen konnte ich in allen fünf Gesichtern erkennen. Sie glaubten mir nicht recht. Gut, das es noch einen Beweis für die Geschichte gibt. Ich hielt ihnen meine Hand entgegen. Jacob schien einen Zusammenhang herstellen zu können.
„Deswegen war die Narbe immer soviel kälter als der Rest der Hand.“
„Ja und deswegen ist sie auch immer noch da. Vampirgift ist das einzige, was uns Narben zufügen kann. All meine anderen Narben sind verschwunden. Nur die und die an meinem Hals sind noch übrig.“
Alle schienen wieder in Gedanken zu versinken. Jacob konnte man den Schrecken ansehen, dass er mich beinahe schon vor fast einem Jahr verloren hätte. Der junge Mann mit dem hitzigen Gemüt fragte mich
„Diese Alice hat also Visionen, aber wovon?“
Konnte ich es ihnen sagen? Ich entschied mich ihnen alle Fragen zu beantworten, die ich für richtig hielt. Dies war so eine Frage.
„Sie hat Visionen davon was in der Zukunft passieren kann. Jedoch ändern sich diese Visionen, wenn sich eine der betreffenden Personen anders entscheidet.“
Entsetzen stand ihnen allen ins Gesicht geschrieben.
„Also ist die Legende von Vampiren mit Gaben war? Haben die Cullens noch andere Fähigkeiten?“ fragte mich Sam.
Ich zögerte kurz, beantwortete aber dann doch die Fragen.
„Ja, E…Edward kann Gedanken lesen und Jasper kann die Gefühle der Menschen um sich herum erspüren und verändern.“
Ein weiters Mal schienen alle zu schweigen und die gerade erhaltenen Informationen zu verarbeiten.
„Aber wieso will Victoria sich an dir rächen? Du hast ihren James ja nicht getötet.“ platzte es aus Jacob heraus.
Das stimmt. Ich hatte James nicht getötet aber er musste meinetwegen sterben. Verschwommen erinnerte ich mich an mein Gespräch mit Laurent bevor er mich anfiel.
„Sie findet es fair, wenn ein Gefährte für den anderen sterben muss. Ich glaube sie weiß noch nicht, dass es … dass es nicht mehr so ist.“
Die ganzen Erinnerungen forderten wieder ihren Tribut. Das Loch, welches bisher wenigstens nur leise vor sich hin gepocht hatte, meldete sich mit all seiner Macht zurück. Ich krümmte mich zusammen und versuchte wieder einmal nicht auseinanderzufallen. Die drei, die mich bisher noch nicht so gesehen hatten erschraken.
„Was ist mit ihr, Jacob?“ fragte der junge Mann, ganz links auf der Couch, ganz aufgeregt.
Jacob erwiderte nur sarkastisch „Herzschmerz, weil der Blutsauger sie verlassen hat.“
Ich versuchte meinen Schmerz vor den anderen zu verbergen und richtete mich deswegen langsam auf. Erleichterung huschte über ihre Gesichter und verschwand schnell wieder.
Sam, ganz Anführer, begann gleich Pläne zu schmieden. „Ist Victoria rothaarig?“
Ich nickte nur. Meinen Mund hielt ich lieber vorerst noch eine Zeitlang geschlossen.
„Dann ist sie diejenige, die uns in den letzten Wochen so auf trab gehalten hatte. Wir wissen jetzt was sie will. Also können wir versuchen ihr eine Falle zu stellen. …“
Den Rest verdrängte ich aus meinem Bewusstsein. Ich wollte nicht, dass einer von ihnen verletzt wird, nur weil sie meinten mich beschützen zu müssen. Zum Glück hatte ich ihnen nicht erzählt, wie sehr Victoria mich noch quälen wollte bevor sie mich tötete. Ich musste lernen mich zu verteidigen.
„Hey Jungs. Könnt ihr mir helfen zu lernen mich selbst vor ihr zu verteidigen? Es kann ja sein, dass ihr mal gerade nicht da seid um mich zu beschützen.“
Sam dachte einen Moment darüber nach. Jacob schien dieser Gedanke gar nicht zu gefallen und die anderen schienen sich auf das Training schon zu freuen.
Sam antwortete dann „In Ordnung, wir werden versuchen dir ein wenig zu helfen. Aber du musst versprechen niemanden von uns mit deinen Zähnen zu Nahe zu kommen. Denn das Vampirgift ist für uns tödlich. Du musst dich also zurückhalten.“
Ich freute mich, dass Sam mir soweit vertraute und mich mit den anderen trainieren ließ. Wie das Training aussehen sollte wusste ich noch nicht. Meine Gedanken wurden wieder einmal von einer Frage durchbrochen.
„Hat diese Victoria eigentlich auch irgendwelche besonderen Fähigkeiten?“
Einen Moment dachte ich darüber nach.
„Ich glaube nicht, auf jeden Fall hatte niemand etwas erwähnt.“
Dieses ganze Gerede über die Fähigkeiten brachte mich auf den Gedanken, ob ich auch eine besondere Fähigkeit hatte. Aber mir war nichts aufgefallen. Ich hatte keine Visionen, hörte keine Dinge, die ich nicht hören sollte und ich fühlte nur meine eigenen Gefühle. Also wohl eher nicht.
Langsam ging ich wieder nach oben in den Raum, indem ich den Spiegel entdeckt hatte. Dort erinnerte mich wenigstens nichts an IHN und ich konnte mich vor den Blicken der anderen verstecken. Ich sah mir den Raum etwas genauer an. Alle Möbel in diesem Raum waren in einem strahlendem weiß. Die Wände waren in einem kräftigen rot gestrichen. An der Wand hingen noch einige Fanwimpel von einigen Footballteams, also war dies wohl das Zimmer von Rosalie und Emmett. In diesem Zimmer konnte ich meinem Schmerz freien Lauf lassen. Ich sank auf den Boden und umschlang mich wieder. War ja klar, dass ich bei den ganzen Erinnerungen diesen Preis zahlen musste.
Die folgenden Tage verliefen alle gleich. Immer zwei Werwölfe blieben bei mir im Haus oder zumindest in unmittelbarer Nähe zum Haus. Ich kannte mittlerweile auch die Namen der anderen. Paul, Jared und Embry. Das ich mich an Embry nicht erinnern konnte war mir etwas peinlich. Er war schließlich ein sehr guter Freund von Jacob und ich hatte ihn einmal getroffen und mich mit ihm unterhalten.
Ich bemerkte, dass viele meiner Erinnerungen immer dunkler wurden. Nur die Erinnerungen, die ich verdrängte blieben. Es fiel mir schwer meine Gedanken von den Erinnerungen fern zu halten. Immer öfter durchzuckten sie meine Gedanken. Ich konnte den Schmerz, der von dem Loch ausging, seit einiger Zeit vor ihnen verstecken. Nicht einmal Jacob schien meinen Schmerz zu bemerken.
Die Jagd fiel mir nicht mehr schwer. Es gab nur eine Situation, in der ich meine gesamte Beherrschung zusammen nehmen musste. Während ich meine Sinne nach einem Beutetier ausstreckte nahm ich diesen unwiderstehlichen Geruch war. Noch bevor ich den Gedanken fassen konnte in diese Richtung zu laufen war ich auch schon unterwegs. Ich sprang auf einen Baum und visierte mein Opfer an. Doch dann entdeckte ich, dass es ein Mensch war, der unter mir entlang ging. Es war ein Jäger, denn er trug eine orangefarbene Weste. Ich konnte nicht erkennen wer es war, der dort unten entlang schlich. Aber der Gedanke einem Menschen weh zu tun, den ich womöglich auch noch kannte ließ meinen Kopf wieder klar werden. Ich sprang von dem Baum und lief in die andere Richtung zurück zum Haus. Auf meiner Flucht rannte ich auch an zwei riesigen Wölfen vorbei. Ich rannte direkt in das Zimmer von Rosalie und Emmett. Mitten im Zimmer blieb ich stehen und versuchte den Geruch des Menschen aus meinen Gedanken zu verbannen. Nach einigen Minuten kam ein aufgeregter Embry ins Zimmer gestürmt.
„Wieso hast du deine Jagd so plötzlich aufgegeben. Du musst doch etwas trinken, bevor dein Durst zu stark wird und dich nicht mehr beherrschen kannst.“
Sie hatten also nichts mitbekommen.
„Wenn ich nicht aufgehört hätte, dann hättet ihr mich jetzt töten müssen. Ich saß schon auf einem Baum und wollte gerade einen Menschen anspringen. Also sein einfach froh, dass ich jetzt hier stehe. Ich werde heute Abend noch einmal losgehen.“
Jetzt brachte Embry kein Wort mehr hinaus. Er ließ sich auf das Bett fallen und atmete mehrere male tief durch. In den folgenden Tagen und Wochen vertrauten mir die Werwölfe immer mehr, dass ich keinen Menschen anfallen werde.
Die Suche nach mir wurde fortgesetzt. Sam und die anderen mussten zum Schein mithelfen nach mir zu suchen. Die Suche wurde erst nach zehn Tagen abgebrochen. Jacob erzählte mir, dass Billy und Harry sich um meinen Vater kümmerten. Meinem Vater ging es immer noch schlecht, aber ich hatte keine Möglichkeit ihm zu helfen. Meine Leiche konnte nicht gefunden werden und so konnte Charlie, wie befürchtet, nicht wirklich abschließen. Von Renée hatte Jacob mir nichts erzählt. Ich war nur froh, dass unser Kontakt in den letzten Monaten eh eher sporadisch gewesen war.
Mein Training mit den Wölfen lief großartig. Es schien, als sei ich ein Naturtalent im Kampf. Offensichtlich wurde meine Tollpatschigkeit aus meinem menschlichen Leben mit absoluter Körperbeherrschung in meinem neuen Leben belohnt.
Ich hatte in den vergangenen zwei Wochen nichts anderes getan, als zu jagen, zu trainieren, mich mit den Jungs zu unterhalten oder mir Sport mit ihnen anzusehen. Wenn ich nicht bald etwas Abwechslung bekam, würde ich vor Langeweile eingehen.
Klamotten hatten mir die Jungs mitgebracht. Harrys Frau und Emily, Sams Verlobte, versorgten mich damit. Vielleicht können sie mir ja auch ein paar Bücher ausleihen. Am besten ich frage mal ganz vorsichtig nach.
„Du Jacob, wäre es möglich, dass mir jemand ein paar Bücher ausleihen kann?“
Jacob schnappte sich das Handy, welches immer im Haus blieb falls es Probleme gab, und rief jemanden an. Noch am selben Nachmittag kam Sam mit einer Tragetasche voller Bücher an. Begeistert riss ich sie ihm aus den Händen und verzog mich in mein Zimmer. Ich hatte beschlossen, dass Rosalies und Emetts Zimmer vorerst meins wäre.
Eine weitere Woche verging ereignislos. Victoria hatte in den letzten Wochen immer mal wieder ihr Glück versucht, konnte aber immer wieder fliehen. An einem Samstagmorgen hörte ich auf einmal ein lautes Heulen der Wölfe. Keine Minute später kam Embry in mein Zimmer geflitzt und redete auf mich ein.
„Du musst auf der Stelle mitkommen. Einige Vampire sind aufgetaucht und wollen das Rudel zerstören, weil wir einen von ihnen getötet haben. Du musst versuchen mit ihnen zu reden!“
Sie waren alle in Gefahr. Alle, die mir in den letzten Wochen so geholfen hatten und vor allem war Jacob, mein bester Freund, in Gefahr.
Ich war schon aus der Tür hinaus, als ich dem Geruch von Embry zurück verfolgte. Auf der Lichtung wo mein Leben, wie ich es kannte, von Laurent beendet wurde kam ich zum Stehen. Zwei Gruppen standen sich gegenüber. Die einen waren meine Freunde und Beschützer. Die andere waren 5 Vampire. Doch das unglaubliche war, dass ihre Augen golden waren. Verblüfft blieb ich zwischen den beiden Gruppen stehen und starrte die Vampire an. Diese schienen mich nun bemerkt zu haben. Sie drehten sich in meine Richtung und ich kannte zwei von ihnen.
Da standen Carlisle und Jasper. Mein Atem beschleunigte sich. Wenn ich noch ein Mensch wäre, wäre ich jetzt einfach in Ohnmacht gefallen. Sie schienen mich nicht zu erkennen. Ich ging langsam auf Jacob zu und schmiegte mich an seine Seite.
Ich musterte Jasper. Er war von unendlich vielen Narben bedeckt, aber trotzdem konnte ich ihn erkennen. Carlisle sah mit meinen Augen noch schöner aus, als für meine menschlichen.
Jacobs Nähe half mir meine Gedanken zusammen zu halten. Die Gruppe von Vampiren schien entsetzt über mein Verhalten. Keiner sprach jedoch auch nur ein Wort. Ich beschloss als erste zu sprechen.
„Warum seid ihr hier und wollt meine Freunde töten?“
Die kleinste von ihnen eine hübsche Blondine fing bei meinen Worten an zu knurren.
„Von wegen Freunde. Sie haben meinen Gefährten getötet und du miese Verräterin stellst dich auf ihre Seite.“
So weit ich weiß hatte das Rudel bisher nur einen Vampir getötet. Das wollte ich als erstes klären und wandte mich an Jacob.
„Habt ihr noch einen anderen Vampir getötet außer Laurent?“
Jacob schüttelte seinen Kopf, sodass sein rotbraunes Fell hin und her flog. Die Vampire mir gegenüber fingen alle an zu knurren. Beschwichtigten hob ich meine Hand.
„Ich wusste nicht, dass Laurent eine Gefährtin hatte. Aber trotzdem bin ich froh, dass er tot ist. Hätten diese Wölfe hier mich nicht gerettet, wäre ich jetzt nicht hier. Bevor er mich noch ganz töten konnte hatten sie ihn von mir weggezogen.“
Die kleine Blondine sah mich wutentbrannt an.
„Laurent hat sich nicht mehr von Menschen ernährt. Er trank nur noch Tierblut.“
Laurent hatte mir ja erzählt, dass er geschummelt hatte.
„Dein Laurent hat dich belogen. Schon während der Zeit als er beim Denali-Clan war hatte er geschummelt. Auf jeden Fall hat er mir das erzählt, bevor er sich auf mich stürzte.“
Jetzt hatte ich Carlisles und Jaspers volle Aufmerksamkeit.
„Woher weißt du vom Denali-Clan?“
Mein Loch in der Brust meldete sich mit voller Wucht zurück. Ich keuchte einmal erschrocken auf, konnte aber das zusammenkrümmen verhindern. Jasper verzog schmerzerfüllt sein Gesicht. Er schien darum zu kämpfen aufrecht stehen bleiben zu können. Nach zwei tiefen Atemzügen traute ich mich meinen Mund zu öffnen ohne zu schreien.
„Ganz einfach, Carlisle, du hast mir selbst von ihnen erzählt. Und dort ging Laurent hin, um sich aus den Angelegenheiten mit James und Victoria herauszuhalten. Hätte er es doch weiterhin nur getan.“
Mein Letzter Satz klang nicht halb so verbittert, wie ich war. Jasper sah mich ungläubig an. Mein Schmerz war ihm nach wie vor anzusehen. Carlisle schien geschockt.
Nach einer Minute absoluter Ruhe. Fing er sich wieder und fragte dann zögerlich „Bella?“
Offensichtlich konnten sie sich doch noch an mich erinnern. Es tat unglaublich weh, dass sie mich nicht erkannt hatten. Ich wollte einmal ein Teil ihrer Familie sein, aber sie hatten mich verlassen. Zum Glück konnten keine Tränen mehr über meine Wangen laufen. So brauchte ich mich auch nicht darauf konzentrieren diese zurück zu halten.
„Ja, genau die. Jacob und die anderen haben mich nur beschützt. Wenn Laurent nicht auf der Jagd gewesen wäre, hätte er mich zu Victoria gebracht. Sie will sich an mir rächen. Es scheint ihr fair zu sein, dass ich anstelle von IHM zuerst gefoltert und dann getötet werde.“
Alle Wölfe keuchten erschrocken auf. Das mit der Folter hatte ich ja weg gelassen.
„Sie dachte ein Gefährte für den anderen schien ein guter Deal zu sein. Nur weiß sie nicht, dass es … nicht mehr so ist.“
Dieses Mal ergriff eine rotblonde Frau das Wort. Ich vermutete, dass dies Tanja war.
„Dann hatte Laurent sich also wieder Victoria angeschlossen?“
„Nicht direkt, er wollte ihr nur diesen Gefallen erweisen und dann zu euch zurück kommen. Es tut mir nicht leid, dass er tot ist. Aber es tut mir leid, dass er dir das angetan hat.“
Mitfühlend sah ich die kleine Blondine an. Ihre Welt schien gerade zerbrochen zu sein. Das Gefühl kannte ich nur zu gut. Vorsichtig ging ich auf sie zu.
„Ich weiß, wie du dich annährend fühlst. Es ist schwer damit zu leben, aber es geht. Ist es wirklich eine Lösung, diese Jungs zu töten, nur weil sie versucht haben mir das Leben zu retten? Also wenn du Rache willst, dann solltest du dich Victoria anschließen.“
Entsetztes knurren konnte ich von den Wölfen hören. Jacob ging in das Gebüsch hinter uns und kam einige Sekunden später als Mensch wieder auf mich zu.
„Wage es nicht dich für uns zu opfern. Es ist nicht deine Schuld, dass dieser Blutsauger hier war. Wir haben ihn getötet. Das hätten wir auch, wenn er nicht gerade auf der Jagd gewesen wäre.“
Jacob nahm mich in seine Arme. Mein Geruch machte ihm schon lange nichts mehr aus. Genauso wenig wie den anderen. Die Gefühle der Schuld konnte er aber dieses Mal nicht vertreiben. Es war meine Schuld, dass Laurent hier war. Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre er bei der Blondine geblieben. Auch für ihren Schmerz war ich verantwortlich. Ich fing an zu schluchzen. Jacob schloss seine Arme noch fester um mich. Die anderen beobachteten uns still schweigend. Nach einigen Minuten beruhigte ich mich einigermaßen. Ob Jasper seinen Anteil daran hatte? Jacob löste sich von mir und drehte sich vor Wut zitternd zu den anderen Vampiren herum.
„Nur weil ihr sie nicht einfach in Ruhe lassen konntet, ist sie jetzt das.“
Er zeigte mit meiner Hand auf mich.
„Habt ihr eine Ahnung, was sie durchgemacht hatte seit ihr weg seid? Zuerst war sie monatelang wie leblos durch die Gegend gelaufen. Es war, als ob sie gar nicht mehr anwesend war. Nur noch ihr Körper hat funktioniert alles andere war weg. Ihr Vater ist fast verrückt geworden vor Angst um sie. Ich dachte du …“
Jacob hob verächtlich die Hand und zeigte auf Jasper.
„… gerade du würdest fühlen wie es ihr geht.“
Jasper räusperte sich. „Du glaubst wirklich, dass ich ihren Schmerz ihre Trauer und ihre Schuldgefühle nicht mitbekomme? Ich versuche die ganze Zeit nicht vor lauter Gefühlen und Schmerzen zusammenzubrechen. Wie hältst du diese Schmerzen nur aus Bella?“
Ich ließ meinen Kopf hängen.
„Tut mir leid Jasper. Ich wollte nicht, dass du leidest. Seit Monaten lebe ich mit diesen Schmerzen. Es wird leichter nach einiger Zeit aufrecht stehen zu bleiben.“
Jetzt hielt Jasper nichts mehr. Er kam auf mich zugerast und nahm mich tröstend in den Arm. So etwas hätte ich von ihm nie erwartet. Die Schmerzen wurden nicht weniger. Offensichtlich konnte er sich gerade nicht genug konzentrieren um mich zu beruhigen. Aber seine Umarmung half ein winziges bisschen.
Carlisle ergriff das Wort. „Ich schlage vor, wir klären alles in Ruhe. Wir waren eh nur mitgekommen um Irina von einer Dummheit abzuhalten.“
Etwas verlegen löste ich mich von Jasper und sah entschuldigend zu Carlisle rüber.
„Wie wäre es, wenn wir bei euch im Haus darüber reden. Seit meiner Verwandlung wohne ich da. Der Rat dachte, dass es mir dort leichter fallen würde mich von den Menschen fern zu halten, weil sich nie jemand dorthin verirrt.“
„Das war eine gute Entscheidung. Dort warst du gut aufgehoben.“ versicherte mir Carlisle.
Kapitel 4
Bella
Die Vampire verzogen das Gesicht, als wir uns dem Haus der Cullens nährten. Wir gingen alle ins Esszimmer. Einige der Jungs holten sich einen Stuhl aus der Küche. Somit hatte jeder einen Sitzplatz.
„Tut mir leid, wegen des Werwolfsgeruchs, aber sie haben in den letzten drei Wochen auf mich aufgepasst, damit ich nicht gegen den Vertrag verstoße.“ entschuldigte ich mich etwas kleinlaut.
„Bella, dafür brauchst du dich nun wirklich nicht entschuldigen. Wir bedanken uns eher bei ihnen, dass sie so gut auf dich geachtet haben.“ sagte Carlisle.
Die anderen drei Vampire bei Carlisle und Jasper waren Tanja, Irina und Kate.
Wir diskutierten lange über Irinas Rachegelüste. Aber sie schien von Laurents Verhalten sehr geschockt zu sein, dass er Victoria helfen wollte mich zuerst zu foltern und dann zu töten. Am Ende dieser Diskussion gab sie nach und versprach sich nicht zu rächen. Zum ersten Mal seit drei Wochen verließen alle Werwölfe das Haus der Cullens. Jacob ging jedoch nur widerwillig. Sam musste lange auf ihn einreden, damit er endlich einmal wieder zu Hause schlief.
Als ich allein mit den Vampiren im Haus war ging ich in ‚mein’ Zimmer hinauf und fing an zu lesen. So konnte ich meine Gedanken wenigstens zum großen Teil beschäftigen. Zurzeit las ich eins von Billys Büchern über die Geschichte der einzelnen Indianerstämme und ihren Legenden. Es klopfte an der Tür. Nach einem tiefen Atemzug bat ich denjenigen vor meiner Tür herein. Es war Jasper.
„Hey, ich wollte dir nur bescheid sagen, dass Carlisle bei Esme angerufen hat und ihr alles berichtete. Sie und die anderen werden morgen hier ankommen. Alice ist ganz aus dem Häuschen, dich endlich wieder zu sehen.“
Das Loch in meiner Brust schlug wieder mit aller Kraft zu. Doch ich war vorbereitet und ließ mir nichts anmerken. Nur Jasper war auf den plötzlichen Schmerz nicht vorbereitet. Er sackte auf den Boden. Erschrocken stand ich vom Bett auf und half ihm beim aufstehen.
„Ich kann nicht verstehen, wie du dich mit diesen Schmerzen nur bewegen kannst. Es ist als ob dein Herz und deine Lungen bei lebendigem Leib herausgerissen werden und das immer und immer wieder. Wo kommt das her?“
Ich konnte mir ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen.
„Immer wenn ich an euch oder an IHN denke fühlt es sich so an, als ob ich auseinander fallen würde. Seit ich so bin wie ihr, muss ich noch öfter an euch denken. Seit dem kann ich es auch vor anderen verstecken. Sonst hätten sich Jacob und die anderen nur immer Sorgen um mich gemacht. Am besten ich gehe, dann musst du nicht so leiden.“
Das schien Jasper zu erschrecken. Seine Augen weiteten sich und er sah mir ins Gesicht. Wo sollte ich denn nun hingehen? Ich hatte kein Geld und kein Auto zur Verfügung. Nun gut ich brauchte beides nicht wirklich dringend. Aber ich brauchte eine Unterkunft an einem abgeschiedenen Ort. Kanada. Dort gab es diese Abgeschiedenheit. Ich könnte in einem Wald leben. Vielleicht schaffte ich es mir selbst eine winzige Hütte zusammenzubasteln. Sie musste ja nicht warm sein. Frieren konnte ich ja nicht mehr. Ich brauchte nur einen trockenen Ort, an dem ich meine wenigen Habseligkeiten, na gut es waren nicht wirklich meine, unterstellen konnte. Wenn ich mir sicher war, dass ich keinem Menschen etwas antat konnte ich mir ja einen Job suchen. Dann konnte ich mir auch Luxus wie Bücher und eine kleine Wohnung leisten.
In den wenigen Sekunden, die ich brauchte um meine Panik zu bekämpfen und einen Plan zu schmieden hatte Jasper mich stumm beobachtet. Als er meine Zuversicht spürte, sprach er mich an „Du kannst nicht weg. Alice reißt mir den Kopf ab, wenn ich dich gehen lasse.“
„Nun gut, ich bleibe so lange, bis sie morgen angekommen sind und gehe dann. Vielleicht solltest du dich in der Zeit ein wenig von mir entfernt auf halten.“ antwortete ich.
Jasper schüttelte nur ungläubig den Kopf.
„Wie schaffst du es nur so ruhig zu bleiben. Du bist gerade einmal drei Wochen alt und kannst dich und deine Gefühle schon beherrschen als ob du mehrere Dekaden alt wärst. Deine Panik hattest du schnell unter Kontrolle und deinen Schmerz beherrscht du schon sehr gut, er kann dich kaum noch überwältigen. Unendlichen Blutdurst habe ich auch noch nicht von dir wahrgenommen. Auf der Lichtung bist du auch nicht ausgerastet, als deine Freunde bedroht wurden. So etwas habe ich noch nie erlebt.“ sagte Jasper verblüfft.
Jasper verfiel in tiefes Grübeln. Langsam ging er aus dem Zimmer. Er ging drei Türen weiter und ging in sein eigenes Zimmer. Ich blieb mit meinen Gefühlen und Gedanken alleine zurück. Was mach ich denn jetzt? Sie würden alle morgen hierher kommen. Aber wie sollte ich es ertragen, wenn ER morgen vor mir steht. Das würde Jasper kaum aushalten können. Somit würde jeder meinen Schmerz sehen können, auch wenn ich mich genug unter Kontrolle halten könnte. Vielleicht kommt er ja auch gar nicht mit, er könnte sich dazu entschlossen haben, erst hierher zu kommen, wenn ich weg bin. Auf der einen Seite hatte ich Angst davor ihm zu begegnen aber auf der anderen Seite wollte ich noch einmal in sein perfektes Gesicht blicken und seine Stimme hören. Ich wurde endgültig verrückt.
Seit ich kein Mensch mehr war konnte ich auch seine Stimme nicht mehr hören. Es gab einfach keine Gefahren mehr für mich. Ein wenig hatte ich ja darauf gehofft sie beim Training mit den Wölfen zu hören aber nichts. Ich musste mit diesen Grübeleien aufhören. Es bringt ja nichts. Ich werde morgen auf Alice warten und dann werde ich schleunigst von hier verschwinden.
Mein Plan stand ja. Ich würde in Richtung Kanada laufen und mir einen abgeschiedenen Platz in einem riesigen Wald suchen. Wenn ich mich besser kontrollieren konnte werde ich mir einen Job suchen und mir dann eine kleine Wohnung suchen. Am besten ich packe schon mal meine Sachen zusammen und schreibe einen Abschiedsbrief für Jacob.
Ein weiteres Loch tat sich bei dem Gedanken, Jacob nie wieder zu sehen, auf. Er bekam sein eigenes Loch. Jetzt war ich durchlöchert. Mit einem Jacobloch und einem … seinem Loch.
Um mich von den Schmerzen abzulenken suchte ich nach einer Tasche für einige Klamotten. Die Tüte mit den Büchern war noch da. Das war zwar nicht die beste Lösung, aber etwas anderes hatte ich ja nicht. Nachdem ich meine wenigen Habseligkeiten in der Tüte verstaut hatte, las ich in dem Buch von Billy weiter.
Erst am nächsten Morgen um halb zehn legte ich es aus der Hand und ging duschen und mich umziehen. Bald wären die anderen hier.
Kapitel 5
Bella
Meine Sachen standen gepackt neben der Zimmertür. Diesen Zufluchtsort würde ich bestimmt vermissen. Hier konnte ich mich nicht nur vor der Welt verstecken, sondern auch ein wenig vor mir selbst.
Als ich zwei Autos in die Straße zu diesem Haus einbiegen hörte spannten sich all meine Muskeln an. Ich war zur Flucht bereit. Leider hatte ich Jasper jedoch versprochen hier zu bleiben und die anderen wenigstens zu begrüßen. Mit mehreren tiefen Atemzügen versuchte ich mich zu beruhigen. Es gelang mir einfach nicht. Ob Jasper sich an meinen Rat hielt und sich von mir fern hielt, wenn ich auf die anderen traf? Ich hoffte es für ihn. Mein Schmerz war im Moment schon kaum erträglich und noch hatte ich keinen von ihnen gesehen.
Die Autos nährten sich dem Haus, in wenigen Sekunden würden sie vor dem Haus halten. Ich ging langsam nach unten. Noch auf der Treppe wurde ich von Alice empfangen. Sie rannte auf mich zu und sprang mich an. Das war zuviel, ich klappte vor Schmerz zusammen. Ich fand mich auf dem Boden wieder und Alice lag, verdutzt auf mich herabblickend, über mir. Emmett stand in der Tür und kugelte sich vor Lachen.
Alice keuchte auf einmal erschrocken auf. Ich konzentrierte mich auf ihr Gesicht und erkannte, dass sie eine Vision hatte. So schnell, wie sie auf ihren Beinen und zur Hintertür hinaus war, konnte ich fast nicht gucken. Verblüfft über ihre Reaktion blieben alle anderen anwesenden Vampire wie festgewachsen stehen. Alice rief verzweifelt nach Carlisle. Dieser regte sich sofort und rannte zu ihr. Ich hörte sie immer wieder sagen „Carlisle was ist mit ihm? Du musst ihm helfen!“ Ich hatte so eine Ahnung, was Alice gerade meinetwegen durchmachen musste.
Meine letzten Kraftreserven sammelte ich zusammen und erhob mich langsam. Die Tür war mittlerweile leer, da alle, Alice entsetztem Ruf, gefolgt waren. Ich ließ all meine geborgten oder geschenkten Habseligkeiten im Haus der Cullens zurück und lief hinaus in den Wald. So schnell wie möglich lief ich in Richtung des Reservats. Ich würde den Vertrag brechen, da mir so die anderen nicht auf direktem Weg folgen konnten.
An der Grenze zum Reservat hielt ich die Luft an und lief blind durch den Wald zur anderen Seite. Irgendwann hörte ich schwere Pfoten, die mir folgten. Wer genau hinter mir war konnte ich nicht sagen. Meine Verfolger bemerkten wohl, dass ich einfach nur das Reservat durchquerte und ließen sich dann leicht zurückfallen.
An einem Strand lief ich direkt ins Wasser und schwamm einfach los ohne ein Ziel zu haben. Ich war ein Monster. Nicht nur, weil ich jetzt ein Vampir war. Nein, ich hatte Jasper wieder weh getan. Es war keine Absicht, aber es war meine Schuld. Es war scheinheilig von mir zu denken, dass es ausreichen würde keinen Menschen zu verletzen. Sie waren mindestens genauso gut wie Menschen, wenn nicht sogar besser als viele von ihnen. Das Entsetzen in Alice Gesicht hatte mich zutiefst geschockt.
Sie waren für mich immer noch ein Teil meiner Familie. Seit ich aber ein Vampir war, musste ich meine Familie zurücklassen. Es schien so, als ob ich auch diesen Teil meiner Familie für alle Ewigkeit verlassen sollte. Dank Carlisles Geschichte wusste ich ja, dass es mir nicht möglich war Selbstmord zu begehen, den Wölfen konnte ich es auch nicht zumuten mich töten zu müssen oder mir meinen Wunsch zu erfüllen. Jacob würde das nicht überstehen. Also blieb mir nur noch die Flucht.
Ich schwamm und schwamm. Wohin wusste ich nicht. Nach einer Weile begab ich mich, an einem verlassenen Strand, wieder an Land. Ich hatte keine Ahnung wo ich war. Ich wusste nur, dass ich weit weg war und mich hier niemand finden könnte, solange ich selbst nicht weiß wo ich bin.
Nach einer kurzen Entdeckungsrunde merkte ich, dass ich auf einer unbewohnten Insel war. Das war gut. Hier war ich vor meiner Unbeherrschtheit sicher. Ich roch, dass es einige Tiere auf der Insel gab, sodass ich sobald nicht von hier weg musste. Unter einem Baum ließ ich mich nieder, um mich nun meinem Schmerz hinzugeben. Ich brauchte ihn nicht mehr vor anderen verstecken und eine heile Welt vorspielen. Die Zeit verging, wie viel genau kann ich nicht sagen.
Jasper
Die ganze Nacht hatte ich in den Wäldern in einiger Entfernung zum Haus verbracht. Diesen unsagbaren Schmerz, der in Bellas Inneren lauerte war einfach nicht zu ertragen. Wie sie ihn bisher ausgehalten hatte, ohne den Verstand zu verlieren, blieb mir ein Rätsel. Warum hatte Edward ihr das auch angetan. Das wir sie verlassen hatten war ja streng genommen meine Schuld. Alles nur, weil ich mich nicht beherrschen konnte.
Wenn wir bei ihr geblieben wären, wäre sie bestimmt nicht von Laurent verwandelt worden. Es war mir ein Rätsel, wie sie so kurz nach ihrer Wandlung ihren Durst schon derart kontrollieren konnte. Nicht nur den Durst hatte sie im Griff, sondern auch ihre Seelenqualen. Denn etwas anderes war es nicht.
Ihre Dankbarkeit für die Wölfe war ein weiteres Mysterium. Sie waren doch eigentlich Feinde, aber dennoch hatten sie Bella am Leben gelassen, wenn sie die gleichen Bedingungen erfüllte wie wir. Waren die Quileute wirklich so naiv zu glauben, dass eine Neugeborene sich an diesen Vertrag halten konnte. Aber sie vertrauten ihr. Sie vertrauten ihr sogar so sehr, dass sie sie gestern zu unserem Aufeinandertreffen dazu geholt hatten.
Irina wollte sich an den Werwölfen für Laurents Tod rächen. Carlisle und ich waren ihr nur gefolgt um noch einmal mit ihr zu reden, damit sie zur Vernunft kommt. Wir wollten unseren Frieden mit ihnen nicht gefährden. Den hatte Bella ja für uns ja erhalten. Sie konnte Irina davon überzeugen, dass es wenn überhaupt allein ihre Schuld war.
Irina erkannte, dass Laurent sie hintergangen hatte. Auch ihren Schmerz musste ich ertragen, aber der war nur ein Mückenstich im Vergleich zu Bellas Qualen. War Edward sich eigentlich bewusst, was er Bella angetan hatte? Ahnte er, dass sie ebensolche Höllenqualen litt wie er selbst?
Ich hoffte, dass Alice Bellas Schmerz ein wenig lindern konnte. Die beiden fühlten sich schon immer zueinander hingezogen. Es schien mir so, als ob sie zwei Schwestern waren, die sich eine Ewigkeit lang nicht gesehen hatten und sich dann endlich wieder begegneten.
Auch mein süßer Engel hat in den letzten Monaten gelitten, weil sie auf Bellas Anwesenheit verzichten musste. Als ihre Visionen von Bella immer weniger wurden und irgendwann ganz ausblieben, wuchsen ihre Besorgnis und ihr Verlustgefühl noch weiter an.
Ich würde jetzt noch auf die Jagd gehen, bevor die anderen hier später ankamen. Vielleicht half mir das ja ein wenig Bellas Schmerz zu ertragen. Nachdem ich einige Rehe in der Nähe gejagt hatte machte ich mich auf den Weg zurück zum Haus. Die anderen würden bald ankommen, wenn sie nicht schon da waren.
Als ich mich dem Haus nährte konnte ich schon die Aufregung und Vorfreude spüren. Dann hörte ich, wie ein Motor erstarb. Plötzlich spürte ich diesen heftigen Schmerz mich durchfahren. Das konnte doch nicht sein, dieser Schmerz war noch intensiver als gestern. Ich bemerkte kaum, wie meine Knie unter mir nachgaben und ich langsam zu Boden sank. Die Schmerzen quälten mich unaufhörlich. Eine kleine Hand schmiegte sich, wie aus dem Nichts, an meiner Wange. Alice war bei mir. Meine Augen hielt ich lieber fest verschlossen, damit sie meinen, eigentlich Bellas Schmerz, nicht in meinen Augen lesen musste.
Sie rief nach Carlisle, der auch gleich zu uns kam. Die Sorge um mich konnte ich Alice Stimme nur anhören, da mein gesamtes Fühlen von Bellas Schmerz beansprucht wurde.
Ich bemerkte, dass sich der Schmerz entfernte. Langsam konnte ich die Gefühle der anderen um mich herum wahrnehmen. Dann war der Schmerz ganz weg. Alles was ich noch fühlte war die Sorge der anderen und ihre Ängste um mich. Ich setzte mich auf und blickte mich suchend um. Bella war nicht da.
War sie noch im Haus? Oder war der Schmerz nur verblasst, weil, sie, die Quelle des Schmerzes weg war? Wenn es so war, wie konnte sie sich in diesem Zustand bewegen.
„Wo ist Bella? Wie geht’s ihr?“ fragte ich die anderen.
Überrascht sahen mich alle an. Alice schien als erste zu verstehen. „Du meinst, dass das Bella war? “
Ich nickte nur und antwortete dann zögerlich. „Es war ihr Schmerz, der mich so überwältigt hatte.“
Sie hatte mich ja gestern gewarnt, aber ich wollte nicht auf sie hören. Carlisle war in der Zwischenzeit zum Haus zurückgelaufen um nach ihr zu sehen. Als er zurück kam wusste ich schon, dass sie nicht mehr da war.
Schnell hatte sich eine Gruppe gebildet um Bella nachzulaufen. Esme, Carlisle, Alice und Emmett würden sie verfolgen. Ich musste hier bleiben, da ich vermutlich keine große Hilfe wäre. Ich setzte mich mit dem Denali-Clan und Rosalie ins Wohnzimmer. Wir hingen alle unseren Gedanken nach, als mein Handy klingelte. Schnell ging ich ran.
Es war Alice. „Sie ist über die Grenze gelaufen. Wir können ihr nicht folgen. Ich habe aber in einer Vision gesehen, wie sie ins Wasser geht und schwimmt. Nur weiß ich nicht wohin.“
Mein Engel war aufgelöst vor Sorge um Bella. „Jetzt, wo du wieder Visionen von ihr hast, werden wir sie bestimmt wieder finden. Am besten wir besprechen hier alles.“
Sie stimmte zu und alle kamen zurück zum Haus. Kurz nach dem Suchtrupp kam ein stink wütender Jacob in unser Haus gestürmt.
„Was habt ihr gemacht, dass Bella weggelaufen ist? Bis gestern ging es ihr noch einigermaßen gut. Aber dann müsst ihr hier wieder auftauchen und ihr Leben, soweit man es noch als Leben bezeichnen kann, wieder zerstören. Habt ihr eine Ahnung wie lange sie gebraucht hat um nicht mehr ständig wie ein Zombie herumzulaufen?“
Wir hörten die anderen Wölfe vor dem Haus nervös hin und her laufen. Ich konzentrierte mich und beruhigte Jacobs Wut. Als er ruhiger wurde stellte Carlisle ihm Fragen.
„Was wollte Bella denn auf eurem Land? Wo ist sie hingelaufen?“
Jacob schnaufte antwortete dann aber. „Sie ist quer durchs Reservat gelaufen und ohne ein Wort ins Wasser gegangen. Sie ist in nördliche Richtung geschwommen.“
Wir schwiegen alle, als ich bemerkte, wie Alice sich neben mir versteifte. Sie hatte eine Vision. Vielleicht erfuhren wir ja so, wo Bella ist. Einige Augenblicke später kam Alice wieder zu sich. Sie war kreidebleich, noch viel blasser, als ein Vampir es eh schon ist.
„Sie ist auf einer Insel angekommen. Welche kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass sie unbewohnt ist.“
Damit können wir doch arbeiten. Ich stürzte förmlich zu einem der Computer und rief eine Karte der Küste in unserer Nähe auf. Dummerweise gab es unzählige kleine, unbewohnte Inseln vor der Küste. Könnten wir sie auf eine dieser Inseln finden?
Was sollten wir nur Edward erzählen, wenn wir ihn endlich erreichen sollten. Seit wir Forks verlassen hatten reiste er durch die Weltgeschichte. Was genau er hoffte zu finden, weiß ich nicht. Vielleicht weiß er es selbst auch nicht so genau. Aber seit dem meldet er sich alle zwei Monate kurz per Telefon und ansonsten hören wir nichts von ihm. Das letzte Mal hat er sich vor zwei Wochen gemeldet. In naher Zukunft wird er sich nicht melden. Eventuell gelingt es ja Alice ihn zu finden. Er muss von Bellas Wandlung erfahren. Möglicherweise wird dann endlich alles gut.
Texte: Sämtliche Figuren, die in diesem Buch verwendet werden sind Eigentum von Stephenie Meyer
Tag der Veröffentlichung: 04.07.2010
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