Prolog
Ich irrte durch einen düsteren Wald. Irgendetwas war mir auf den Fersen. Woher wusste ich, dass es ein etwas ist? Ich kann es nicht sagen. Dieses Wissen war einfach da. Genau wie das Wissen, dass ich nicht entkommen konnte. Langsam wurden meine Beine schwer vom Laufen. Meine Lage war aussichtslos. Weiter weglaufen konnte ich nicht, das Etwas hinter mir war zu schnell. Ein Kampf schied eigentlich auch aus. Ich wusste, ich bin nicht stark genug um zu gewinnen. Aber einfach so kampflos aufgeben wollte ich auch nicht. Außerdem wollte ich meinem Mörder wenigstens ins Gesicht oder so etwas in der Art schauen. Also blieb ich stehen und drehte mich um.
Ungefähr 15 m von mir entfernt blieb mein Verfolger auch stehen und sah mich gespannt an. Mein Herz beschleunigte sich noch einmal. Vor mir stand ein pechschwarzer Wolf, aber kein gewöhnlicher Wolf. Dieser Wolf war riesig, seine Schultern reichten mir bis zu meiner Nasenspitze und mit meinen 1,70 m bin ich nicht gerade klein, aber auch nicht groß. Ich war mir sicher, dass Wölfe nicht so groß werden. Wie gebannt starrte ich in seine eisblauen Augen. Irgendetwas in diesen Augen sagte mir, dass er mich nicht töten wollte, aber würde ihn das abhalten. Plötzlich wurde ich von hinten gepackt und an einen Baum geschleudert. Dort sackte ich auf dem Boden zusammen und konnte noch verschwommen erkennen, wie eine Frau mit rot glühenden Augen auf mich zu kam.
1. Kapitel
Ein lautes Schellen riss mich aus diesem Alptraum. Zum Glück. Irgendetwas an diesem Traum war merkwürdig. Langsam beruhigte sich mein Herzschlag und ich kämpfte mich aus meinem Bett. Es war halb sieben und ich musste mich für die Arbeit anziehen. Ich schlurfte mit halb geschlossenen Augen ins Bad und stellte mich als erstes unter die Dusche. So langsam wurde ich wach. Nach dem Duschen wickelte ich mich in mein kuscheliges riesiges Badelaken, welches perfekt zur Farbe des Duschvorhangs passte. Es war pink.
Nun etwas munter geworden stellte ich mich vor dem Spiegel und wischte diesen frei. Ich sah mir in die Augen. Sie hatten nach wie vor diesen ungewöhnlichen Ton. Sie hatten die Farbe von Veilchen. Meine hellblonden Haare hingen mir nass und ziemlich verknotet über die Schultern. Wenn sie trocken waren gingen sie mir bis zu den Schulterblättern. Unter den Augen hatte ich leichte Schatten, die wohl noch von meinem Alptraum herrührten. Alles in allem war ich immer noch Samantha Brown. War immer noch schlank und war auch immer noch 1,70 m groß.
Warum ich mich jeden Morgen so genau ansehe kann ich nicht sagen. Vielleicht hatte ich einfach Angst plötzlich jemand anderer zu sein. Ich putzte mir meine Zähne und entschied mich meine Haare in einen strengen Knoten aufzustecken. Mir standen diese strengen Frisuren eigentlich ganz gut und sie waren praktisch. Ich schminkte mich dezent und verließ das Bad. Am Abend zuvor hatte ich mich für ein schwarzes Nadelstreifen Kostüm mit einem knielangen Rock entschieden. Darunter würde ich die veilchenblaue Bluse tragen. Diese Sachen gehörten zu meinem Job als Sekretärin in einer Rechtsanwaltskanzlei dazu. Ich arbeitete erst seit einigen Monaten für diese Firma.
Meine Arbeit gefiel mir eigentlich ganz gut. Schön, sie war bestimmt nicht die aufregendste aber die Beständigkeit beruhigte mich etwas. Beständigkeit, ja die war mir wichtig. Nichts in meinem Leben war bisher beständig. Mein Vater hatte mich und meine Mutter verlassen, als ich drei war. Nach unzähligen Affären mit Männern wurde sie von ihrem letzten One Night Stand ermordet. Das ganze ist jetzt schon mehr wie drei Jahre her. Damals war ich siebzehn wurde aber drei Monate später achtzehn. So wurde mir vom Jugendamt erlaubt in unserer Wohnung zu bleiben. Ich beendete die Schule und ging auf ein College.
Mit meinem neuen Job musste ich auch umziehen. Hood River, Oregon, ist eigentlich ein ganz hübsches kleines Städtchen. Meine Nachbarn sind alle sehr neugierig. Jedoch habe ich nicht das Gefühl, dass sie mich wirklich kennenlernen wollen. Sie wollen nur alles über mich wissen, um es dann unter sich zu bereden und zu beurteilen. Ich war etwas einsam.
Mit einer Tasse Kaffee und der Morgenzeitung setzte ich mich an meinen Frühstückstresen. Ich suchte nach einer Abwechslung. Welche genau wusste ich nicht. Bei den Freizeitangeboten entdeckte ich etwas Interessantes. Ein Buchclub traf sich jeden Dienstagabend um acht Uhr im Diner. Ich liebte Bücher. Viel besaß ich vielleicht nicht, aber ich hatte eine Menge Bücher. So entschied ich mich meine Einsamkeit mit einem Buchclub zu vertreiben.
Um halb acht machte ich mich zu Fuß auf in die Kanzlei Johnson & Partner. Hier arbeiteten insgesamt drei Personen, mich einbegriffen. Die beiden einzigen Anwälte, Mr. Johnson und Mr. Parker, in dieser kleinen Stadt hatten gut zu tun. Ihre Hauptgeschäfte waren Verträge und Nachbarschaftsstreitereien. Ich übernahm die Stelle von Annie Hoover, sie war ein wirklich liebenswerter Mensch. Sie gab die Stelle auf, weil sie mit ihrem Mann in die Nähe ihrer Enkelkinder ziehen wollte. Eingestellt wurde ich hauptsächlich, weil ich neben der Arbeit als Sekretärin auch die Buchhaltung und Abrechnung der beiden Anwälte übernehmen konnte.
Wie jeden Morgen in den letzten drei Monaten schaltete ich meinen Computer ein, um dann direkt in die Küche zu gehen und Kaffee zu machen. Sobald der Kaffee durchgelaufen war, kam auch schon Mr. Johnson hereingeschneit und fragte mich nach seinem Kaffee. Mr. Johnson war für seine 57 Jahre recht fit. Die grauen Haare ließen den nur 1,70 m großen Mann gediegen und respektvoll erscheinen. Ihm gehörte die Kanzlei seit über 25 Jahren.
Sein Partner Mr. Parker war viel jünger. Er hatte vor ca. 2 Jahren direkt nach seinem Studium die Partnerschaft von dem vorherigen Partner übernommen. Ben Parker war 27 Jahre alt und der Traum einer jeden Frau. Mir viel es schwer mich in den ersten Tagen auf meine Arbeit zu konzentrieren. Besonders wenn er in der Nähe war. Er war groß, mindestens 20 cm größer als ich, muskulös und hatte breite Schultern. Seine Haare waren pechschwarz und ein wenig zu lang. Seine Augen waren von einem strahlendem hellblau. Die leichte Sommerbräune stand ihm sehr gut. Jeder Frau würde es schwer fallen sich bei diesem Anblick zu konzentrieren. Selbst Mrs. Hoover, die mich in den ersten Tagen eingearbeitet hatte, konnte mich verstehen.
Mr. Parker erschien immer erst gegen halb neun in der Kanzlei. Kaffee mochte er nicht also stand um Punkt halb neun ein Kessel mit Wasser auf dem Herd um Tee aufzubrühen. Er trank eine Mischung mit Kamillenblüten, zur Beruhigung. Manchmal konnte ich die Wahl des Getränks durchaus verstehen. Besonders, wenn wieder einmal ein Streit zwischen zwei Parteien aus dem Ruder lief. Dann konnte er immer einen kühlen Kopf bewahren und schaffte es, dass sie sich einigten. Der Tag lief eigentlich wie immer ab. Ich sortierte Akten, schrieb Briefe und machte die Abrechnung. Gegen fünf räumte ich meinen Schreibtisch auf und wollte gerade die Kanzlei verlassen. Doch Mr. Parker rief mich noch einmal zu sich herein. „Ms Brown, würden sie mir bevor sie gehen noch ein Diktat aufnehmen und den Brief schreiben? Es ist wirklich dringend.“ fragte er mich in seiner ruhigen und tiefen Stimme ohne aufzublicken. Ich schluckte einmal und antwortete „Natürlich. Ich hole noch eben meinen Block.“
Mit dem Brief war ich eine halbe Stunde später fertig und brachte ihn herein. „Der Brief, Mr. Parker. Kann ich sonst noch etwas für sie tun?“ Er nahm den Brief entgegen, überflog ihn und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Er schwieg meistens. Er sagte niemals auch nur ein überflüssiges Wort. Also schnappte ich mir meine Sachen und ging.
Auf dem Weg zurück zu meiner Wohnung ging ich durch einen Park. Nach einigen Minuten fühlte ich stechende Blicke in meinem Rücken. ‚Kleinstadtbürger waren einfach neugierig’ dachte ich. Ich schaute einmal über meine linke Schulter konnte aber niemanden entdecken. Vor mir tauchte meine ältere Nachbarin auf. Sie hatte schwere Tüten bei sich und ich bot ihr meine Hilfe beim Tragen an. Ich brachte ihre Tüten noch bis zu ihr in die Küche und verabschiedete mich dann.
Als ich in meiner Wohnung ankam, hatte ich das merkwürdige Gefühl schon wieder vergessen. Nach einem Blick in den Kühlschrank entschied ich mich für Pasta und Salat. Ich kochte gern, es war entspannend. Jeder Schritt, den man zu erledigen hatte war bereits bekannt. Wenn man sich zu hundert Prozent an das Rezept hielt, gab es auch keine bösen Überraschungen. Den Abend ließ ich mit einem Buch ausklingen. In der Nacht hatte ich den gleichen Traum, wie in der Nacht zuvor. Wieder erwachte ich vom läuten meines Weckers.
Der Tag in der Kanzlei, schleppte sich dahin. Ich war einfach übermüdet. An diesem Abend blieb ich länger als Mr. Johnson und Mr. Parker. Die Buchführung und die Abrechnungen mussten gemacht werden. Dies schaffte ich nicht immer während der regulären Arbeitszeit. Da es ein Freitagabend war und ich eh keine Verabredung hatte machte es mir auch nichts aus.
Am Dienstag würde ich mich mit dem Buchclub treffen und vielleicht waren ja einige sehr nett und ich konnte mich mit ihnen anfreunden. Mit diesem hoffnungsvollen Gedanken machte ich mich auf meinen Nachhauseweg. Es war mittlerweile schon nach neun und stock dunkel. Als ich den Park betrat, machte sich ein Déjà vu Gefühl breit. Mir kam die Situation irgendwie bekannt vor. Natürlich war ich schon oft durch diesen Park gegangen und auch schon öfter mal im Dunkeln, aber nie hatte ich dieses Gefühl. Woher es kam konnte ich mir nicht erklären.
Wieder fühlte ich einen stechenden Blick auf mir. Bei einem schnellen Blick auf meine Umgebung konnte ich niemanden erkennen. Ich war hier allein. ‚Ganz ruhig, Sam. Hier ist niemand. Das bildest du dir nur ein.’ Langsam ging ich weiter nach Hause. Die freie Wiesenfläche ging langsam in ein lichtes Wäldchen über. Okay, tagsüber war es ein lichtes Wäldchen. Jetzt war es bis auf die Lichtkegel der Straßenlaternen stockdunkel. Die letzten drei Straßenlaternen, bevor ich wieder offenes Gelände erreichte, fingen plötzlich eine nach der anderen an zu flackern und erloschen schließlich. Jetzt bekam ich richtig Angst. Das war doch nicht normal, eine Straßenlaterne, gut. Aber gleich drei und alle nebeneinander.
Ich hielt einen Moment inne und überlegte ob ich lieber zurück oder zügig durch die Schatten hindurch gehen sollte. Die Entscheidung wurde mir abgenommen, als ich ein Knacken von einem Stock hinter mir hörte. Ich lief so schnell ich konnte weiter in Richtung zu Hause. Ein plötzlicher kalter Windstoss ließ mich erstarren. ‚Wo war der denn auf einmal hergekommen?’ fragte ich mich. Ich blickte mich nervös um, konnte aber nichts entdecken. Daher entschied ich mich schnell weiter zu laufen. Weit kam ich nicht. Denn ich lief gegen eine Art Fels und fiel auf den Boden. Aber an diesem Ort im Park gab es keine Felsen, da war ich mir sicher. Wogegen war ich denn dann gelaufen.
Ich versuchte mich aufzurappeln, wurde aber plötzlich von zwei sehr starken und eiskalten Händen auf den Boden gedrückt. Ich schrie erschrocken auf. Eine helle verzerrte Stimme blaffte mich an. „Sei still. Du brauchst dir gar nicht die Mühe machen zu schreien, niemand kann dich jetzt mehr retten.“ Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Die Gestalt vor mir nährte sich meinem Gesicht, sodass ich sie ein wenig erkennen konnte. Ich sog erschrocken die Luft ein. Das war das Gesicht aus meinem Traum. Es war die gleiche Frau, von der ich die letzten beiden Nächte geträumt hatte. Jetzt fehlte nur noch der schwarze Wolf und mein Traum wäre komplett. Die Frau kam mir immer näher sie lächelte. Jedoch war das Lachen eher eine verzerrte Maske, die mich noch mehr verängstigte. Sie nährte sich meinem Hals. Sie kam immer näher. Sie strich mir mit ihrer Zunge über meinen rasenden Puls. Plötzlich spürte ich, wie sie mich biss. ‚Wieso beißt die mich denn?’ fragte ich mich noch, bevor ich das Bewusstsein verlor.
2. Kapitel
Langsam kam ich zu mir. Ich versuchte mich zu erinnern, was passiert war. Ich erinnerte mich noch an die Frau aus meinem Traum, wie sie mich biss. Aber dann war alles schwarz. Vielleicht hatte ich ja wieder nur einmal geträumt. Ich blinzelte einmal, zweimal. Meine Augen gewöhnten sich langsam an das Licht, welches mir ins Gesicht schien. Moment, wieso schien mir die Sonne ins Gesicht. Mein Schlafzimmerfenster ging doch nach Osten. Schnell ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, indem ich aufgewacht war. Die Wände waren in einem sonnigen Gelb gestrichen. Die Möbel waren alle in einem hellen Braunton. Das Bett in dem ich lag war groß, selbst für ein Doppelbett. Der Kleiderschrank stand dem Bett gegenüber. Die Tür, die in einem dunklen Braun war, führte vermutlich auf einen Flur. Ich streckte mich, um gleich darauf vor Schmerz zusammen zu zucken. Mir taten sämtliche Muskeln und Nerven in meinem Körper weh.
Die Tür wurde geöffnet und Mr. Parker trat ein. „Wie geht es ihnen, Samantha?“ fragte er besorgt. „Mir tut alles weh. Aber was ich nicht verstehe, warum bin ich hier?“ Ich sah ihn fragend an und hoffte auf eine absolut harmlose Erklärung. Nur leider bekam ich die nicht. „Sie wurden gestern von einer ‚Frau’ angegriffen. Ich bekam dies zufällig mit und brachte sie dann hierher.“ Wurde ich paranoid oder hat er bei der Bezeichnung Frau gezögert. Nun ja, ich war mir ja sicher, dass sie kein Mensch war. Welcher Mensch, der vollkommen normal ist, beisst schon jemanden. Bei diesem Gedanken führte ich automatisch meine Hand an meinen Hals, wo sie mich gebissen hatte. Da war nichts. Rein gar nichts. Ich drehte meinen Kopf so, dass ich mich im Spiegel, der am Kleiderschrank befestigt war, sehen konnte. Auch sehen konnte ich von hier aus nichts. Merkwürdig, warum war da keine Verletzung, ich wusste, dass sie mich gebissen hatte. Ich erinnerte mich, dass ich nicht allein war und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Mr. Parker. „Wie konnten sie mich denn vor ihr retten, ich weiß, dass sie kein normaler Mensch war. Deswegen verschonen sie mich mit irgendwelchen Ausreden.“ Kam es mir nur so vor oder stöhnte er lautlos auf. „Warum glauben sie, dass sie keine normale Frau war?“ „Ganz einfach, sie hat mich gebissen und nun ist da keine Wunde. Außerdem habe ich in den letzen beiden Nächten von genau dieser Frau geträumt. Sie wollte mich töten, das konnte ich in ihren rot leuchtenden Augen sehen. Ach ja, und dann war da noch ein pechschwarzer riesiger Wolf.“
Die Luft, die er während meiner Erklärung angehalten hatte, entwich ihm mit einem zischen. „Sie haben von ihr geträumt?“ Er drehte sich um und schien mit sich selbst zu sprechen. Denn er murmelte nur noch vor sich hin. Ein wenig konnte ich davon verstehen. Er sagte etwas wie „…auch von mir. …die Augen …erklärt ihren Geruch …“ Viel konnte ich mir dadurch nicht zusammen reimen. Er schien zu einer Entscheidung gekommen zu sein. „Machen sie sich fertig, wir müssen von hier verschwinden. Ich bringe sie zu jemandem, der uns das ganze vielleicht erklären kann.“ Ich wollte schon aufstehen und mich anziehen, als mir bewusst wurde, dass ich außer einem T-Shirt, vermutlich von ihm, nichts zum anziehen hatte. „Ähm Mr. Parker, ich habe nichts zum anziehen hier.“ Er drehte sich belustigt um. „Stimmt, dass hatte ich ja vergessen. Moment, ich besorge ihnen etwas.“ Kurze Zeit später tauchte er wieder auf. Er hielt mir eine Jeans und ein Top hin. „Ich denke, die passen ihnen. Ich lasse sie jetzt lieber allein, damit sie sich umziehen können. Das Bad befindet sich direkt gegenüber.“ Schon war er verschwunden. Ich zog mich an und ging ins Bad. Als ich fertig war beschloss ich ihn zu suchen. Meine Nase führte mich in die Küche. Der Geruch von Kaffee und Spiegeleiern lockte mich an. Mr. Parker saß am Küchentisch und frühstückte. Er bemerkte mich und wies mich auf den Platz ihm gegenüber. Ich entschied mich dafür auch erst einmal zu frühstücken.
Nach dem Frühstück stiegen wir in seinen Mercedes und fuhren los. Keiner von uns sagte etwas. Zwanzig Minuten verstrichen ohne dass jemand auch nur ein Wort gesagt hatte, ich hielt es einfach nicht mehr aus und brach das Schweigen. „Wo fahren wir jetzt hin Mr. Parker?“ Ich sah ihn von der Seite an und konnte so sein Minenspiel, soweit es vorhanden war, verfolgen. Er schien mit sich zu kämpfen. „Na gut, zuerst einmal bitte nenn mich doch Ben.“ Ich nickte. „Wir fahren zu meinem Urgroßvater. Der wird uns alles erklären können. Keiner von uns wird dir etwas tun, also habe keine Angst.“ Bis jetzt hatte ich keine. Aber warum sollte ich vor ihm oder seiner Familie Angst haben? Ich grübelte über seine wenigen Worte und ihrer genauen Bedeutung nach bis wir vor einer Hütte im Wald hielten. Anders konnte man dies nicht nennen.
Die Tür wurde geöffnet und ein etwas grimmig aussehender älterer Herr kam auf uns zu. „Warum bringst du eine Fremde mit hier her. Du weißt doch genau, dass niemand wissen darf wo wir unser Lager haben.“ fuhr der ältere Mann Ben an. Dieser antwortete beschwichtigend „Ich kann es dir alles später erklären. Aber zuerst einmal kannst du mir sagen, was sie ist? Ich kann ihren Geruch nicht zuordnen.“ Na super, mein Geruch war also so schrecklich. Was meinte er damit ‚was sie ist’? Ich bin ein Mensch. Der ältere Mann, wie ich vermutete Bens Urgroßvater, kam näher auf mich zu und roch einmal an mir. Er runzelte die Stirn sog noch einmal die Luft um mich herum ein und ging zwei Schritte zurück. Sein Gesicht drückte Unglauben aus. „Das … Das kann nicht sein. Sie sind alle tot. Sie wurden alle von den Vampiren ausgelöscht.“ Vampire? Okay, bisher dachte ich immer, dass nur ich eine Schraube locker hatte. Aber der da hat nicht eine Schraube mehr festgezogen. Vampire, so etwas bescheuertes.
Bens Urgroßvater schien sich etwas beruhigt zu haben. „Kommt doch erst einmal herein. Ich werde uns einen Tee kochen und dann erkläre ich dir alles Samantha.“ Überrascht sah ich ihn an. Woher kannte er meinen Namen? Keiner hatte ihn bisher erwähnt. Ich ließ mich von Ben in die Hütte schieben und vor ein Sofa. Ich ließ mich darauf plumpsen. Einige Minuten später erschien Bens Urgroßvater mit einer Kanne Tee und drei Tassen. Er ließ sich in einem Sessel, der mir gegenüber stand, nieder. Ben füllte die Tassen und reichte uns jedem eine. Ich nippte daran und merkte, wie ich augenblicklich ruhiger wurde. Der Tee war wirklich gut. Bens Urgroßvater begann nun zu erklären.
3. Kapitel
„Vor zweihundert Jahren wurde eine Prophezeiung der Vampire entschlüsselt. Diese besagte, dass eine Frau, eine Nachkommin der Zauberer, mit der Macht geboren werden würde das Dasein aller Vampire zu vernichten. Daraufhin beschlossen die Vampire sämtliche Zauberer zu töten, damit diese Nachkommin niemals geboren werden kann.“ Er machte eine kleine Pause um einen weiteren Schluck des beruhigenden Tees zu nehmen. „So brach eine Hetzjagd auf die Zauberer aus. Sie wurden vollständig ausgerottet. Das wurde auf jeden Fall bis heute so angenommen. Offensichtlich hat einer überlebt. Sonst würdest du jetzt nicht vor mir sitzen.“ Ich schluckte. Die Gruselgeschichte war ja echt spannend, aber er kann doch nicht ernsthaft davon überzeugt sein, dass es Vampire und Zauberer gibt.
„Ach nein, es gibt also keine Vampire? Was hat dich denn dann gestern Nacht angegriffen, wenn es kein Vampir war?“ Woher wusste er, worüber ich gerade nachgedacht hatte? „Sie wollen mir doch jetzt nicht erzählen, dass sie Gedankenlesen können, oder?“ Er lachte „Nein, das kann ich wirklich nicht. Nur dein Unglauben stand dir ins Gesicht geschrieben. Du kannst nicht an die mystischen Wesen glauben, oder? Ben zeig ihr, was du bist.“ Ben knurrte kurz und stand dann widerwillig auf. „Komm mit nach draußen, da ist mehr Platz.“ Er nahm meine Hand und zog mich daran hinter sich her. Im Türrahmen der Haustür ließ er mich stehen und ging noch zehn Schritte weiter. Drehte sich zu mir um und sagte „Bitte habe keine Angst. Ich verspreche dir nicht weh zu tun.“ Merkwürdig, warum sagte er schon wieder, dass ich keine Angst vor ihm haben sollte.
Er fing an sich auszuziehen. Ich starrte ihn nur ungläubig an. Oh Mann, der sah ohne seine Klamotten ja noch besser aus. Als er in Boxershorts vor mir stand schloss er die Augen und konzentrierte sich für einen Moment. Direkt danach fing seine Gestallt an zu verschwimmen. Ich blinzelte einmal, weil ich dachte meine Augen würden mir nicht mehr gehorchen. Als ich die Augen wieder geöffnet hatte stand der pechschwarze Wolf vor mir. Seine eisblauen Augen starrten mich an. Ich atmete einmal tief durch, das beruhigte meinen Herzschlag automatisch. Lächelte Ben, oder besser den Wolf, an und sagte „So hast du mich also gestern vor dieser Frau gerettet. Besser diesem Vampir. Du siehst genauso aus wie in meinen Träumen.“ Seine Augen wurden ungläubig. Er beugte sich hinunter und nahm seine Kleidung vorsichtig auf und verschwand im Wald. Kurz darauf erschien Ben, wieder angezogen, am Rande des Waldes.
Er schüttelte den Kopf. „Ich habe mit allem gerechnet, dass du anfängst zu schreien, du umkippst oder vor mir davon läufst. Aber, dass du ganz lässig darauf reagierst, damit hätte ich nie gerechnet. Warum?“ Ja warum, die Reaktionen, die er aufgezählt hatte klangen alle viel logischer. „Vielleicht weil ich schon von dir in dieser Gestalt geträumt habe und in meinen Träumen hast du mich immer verteidigt und versucht mich zu retten. Also bist du ein Werwolf.“ Ein zaghaftes Lächeln umspielte seine Lippen. „Ja, genau das bin ich. Genau wie meine gesamte Familie. Glaubst du nun meinem Urgroßvater?“ Ich nickte und wandte mich zum Eingang um.
Wenn ich jetzt akzeptiere, dass diese Prophezeiung existiert, muss ich wissen warum ich diese Nachkommin sein soll. Ich verfüge doch über keine Zauberkräfte. Im Wohnzimmer ließ ich mich wieder auf dem Sofa fallen. Ben folgte mir ins Zimmer schien aber nicht zu wissen wo er sich hinsetzen sollte. Ich klopfte einmal neben mich und er setzte sich dort hin. „Ich war mir nicht sicher, ob es dir recht ist, wenn jemand wie ich neben dir sitzt.“ sagte er unsicher. „Hey, du bist immer noch genau der gleiche wie gestern, obwohl nicht ganz. Gestern warst du noch mein Boss und nur mein Boss. Heute bist du mein Boss, den ich beim Vornamen nenne und mein Held, da du mir mein Leben gerettet hast.“ Ich wurde etwas rot als ich das gesagt hatte. Bens Urgroßvater räusperte sich, damit hatte er unsere volle Aufmerksamkeit.
„Du hast jetzt bestimmt eine Menge Fragen, aber zuerst möchte ich von dir wissen, wo ist dein Vater heute?“ Ich schluckte einmal. „Er hat meine Mutter und mich verlassen, als ich drei war.“ Ben blickte mich mitfühlend an. „Ich vermute, dass er nicht freiwillig gegangen ist, Samantha, es ist wohl vermutlich eher so, dass er von Vampiren getötet wurde. Wenn er nicht getötet wurde, dann musste er bestimmt verschwinden, damit sie ihn nicht finden und damit dich.“ versuchte mich nun auch Bens Urgroßvater zu trösten. Ich ließ mir diese Worte einen Moment durch den Kopf gehen. An viel konnte ich mich nicht mehr erinnern. Nur daran, dass mein Vater von Heute auf Morgen einfach verschwunden war. Seine Sachen waren fast alle noch bei uns. Das war natürlich eine gute Erklärung dafür. Ich begann meinem Vater zu verzeihen und zu hoffen, dass er den Vampiren weiterhin entkommen war. „Wie ist es denn möglich, dass mein Vater solange überlebt hat. Ich dachte die Vampire haben jeden Zauberer vor zweihundert Jahren getötet.“
„Du musst wissen, Zauberer können ebenso wie wir und alle anderen magischen Geschöpfe bis in die Ewigkeit leben, es sei denn, sie werden getötet oder beschließen zu sterben. Dein Vater ist daher vermutlich entweder ein Nachkomme eines Zauberers oder er ist mehr als zweihundert Jahre alt. Wie er den Vampiren entkommen ist, weiß ich jedoch nicht.“ Das bleibt dann wohl ein Rätsel. „Wie heißen sie eigentlich?“ wandte ich mich an Bens Urgroßvater. „Oh, mein Name ist Jack Parker. Ich bin ebenso wie mein Urenkel ein Werwolf. Ich habe vor einigen Jahren beschlossen, dass es für mich langsam Zeit wird zu sterben. Fünfhundert Jahre reichen mir aus. Seit dem altere ich langsam. Sonst würde ich noch genauso jung aussehen, wie Ben.“ Er hatte offensichtlich verstanden, dass ich mich wunderte, wie ein unsterbliches Wesen altern konnte. Zurück zu meinen Fragen dachte ich und richtete mich unmerklich etwas auf.
„Warum denken sie, dass ich diese Nachkommin bin?“ „Ich weiß, dass du sie bist, weil du wie ein Zauberer riechst.“ „Ich weiß ja nicht was mit meinem Geruch nicht stimmt, aber ich bin keine Zauberin. Ich kann doch gar nicht zaubern.“ Ben und Jack fingen an zu lachen. „Mit deinem Geruch ist alles in Ordnung, du riechst nur süßlicher als die Menschen. Mir war dieser Geruch nicht bekannt. Deswegen sind wir ja hier.“ brachte Ben mühsam hervor. Jetzt schaltete sich Jack wieder ein. „Deine Zauberkräfte waren schon immer da, nur wusstest du nichts von ihnen. Aber dein Unterbewusstsein konnte sie ja schon einsetzen. Sonst hättest du nicht diese Träume gehabt, die dann mit sehr geringen Abweichungen ja auch in der Realität passiert sind. Ich denke, dass es sich dabei eher um Visionen als um Träume handelt. Ich werde jetzt eine Bekannte anrufen, der ich vertraue. Sie ist eine Hexe und kann dir vielleicht dabei helfen deine Fähigkeiten zu erkennen und einzusetzen. Melinda wohnt nur sehr weit von hier entfernt, da es bald Abend wird und sie vor morgen Mittag nicht hier sein wird, schlage ich vor, dass ihr wieder zu dir zurückfahrt, Ben.“
Also brachen wir auf. Unterwegs hielten wir an einer Boutique an, damit ich mir einige Sachen zum Anziehen besorgen konnte. In meine Wohnung konnte ich nicht zurück, da dort eine Menge Vampire auf mich warteten. „Ben, warum finden mich die Vampire denn nicht bei dir?“ fragte ich ihn. „Dein Geruch wird von meinem Überdeckt und die Vampirfrau von gestern hatte keine Gelegenheit ihren Artgenossen mitzuteilen, dass ein Werwolf dich gerettet hatte.“ Mir huschte ein kalter Schauer über den Rücken. „Wäre es in Ordnung, wenn ich heute Abend für uns kochen würde?“ Ben sah mich erfreut an. „Das würde mich sehr freuen. Für mich wurde schon lange nicht mehr gekocht, außer natürlich von meiner Mutter. An was hast du denn gedacht? Kann sein, dass wir erst noch einkaufen müssen.“ Ich freute mich auf das Kochen in seiner großen Küche. „Wie wäre es mit Steak, Kartoffeln und einem frischen Salat?“ Er nickte begeistert und bog in den Parkplatz des Supermarktes ein. „Dann lass uns mal einkaufen gehen.“
Nach dem Abendessen setzten wir uns noch vor den Kamin im Wohnzimmer und führten unsere Unterhaltung fort. „Wie alt bist du eigentlich, wenn dein Urgroßvater 500 Jahre alt ist?“ Er lächelte. „Er ist sogar 527 Jahre alt. Ich bin 139 Jahre alt. Und du?“ „Das Mr. Parker, sollten sie, als mein Chef, doch eigentlich wissen. Ich bin 21.“ Er sah so gut aus, wie er da neben mir auf dem Sofa saß und mich anlächelte. Mit meinen Gedanken, war ich wohl weiter weg, als ich dachte. Plötzlich wedelte mir eine Hand vor den Augen hin und her. „Hey Sam, woran denkst du nur so angestrengt?“ Er war im Laufe des Abends dazu über gegangen, mich Sam zu nennen. Das gefiel mir sehr. „Ich habe gerade an meinen Vater gedacht, wie es ihm jetzt wohl gehen mag, falls er noch lebt.“ zog ich mich aus der Affäre.
Bens Lächeln verschwand. Er sah mich einen Augenblick lang an und zog mich dann in seine Arme. Seine Hand strich mir tröstend über den Kopf. Ich atmete tief ein. Da nahm ich seinen unglaublichen Geruch wahr. Es fiel mir schon vorher schwer mich nicht an ihn zu kuscheln. Aber von seinem erdigen Geruch überwältigt schaffte ich es nicht länger dieser Versuchung zu widerstehen. Ich schmiegte mich an seine breite muskulöse Brust. Alle Anspannung viel mit einem Mal von mir ab. Seine Wange schmiegte er in meine Haare und atmete tief ein. Ihm schien mein Geruch auch zu gefallen, denn er seufzte zufrieden. Eine Ewigkeit später, so kam es mir auf jeden Fall vor, machte ich mich widerstrebend von ihm los. „Ich glaube es wird für mich langsam Zeit ins Bett zu gehen. Morgen muss ich ja wohl ausgeruht sein, sonst wird Melinda keine Kräfte in mir wecken können.“
Ich stand von der Couch auf. Ben stand ebenfalls auf hielt mir seine Hand hin und lächelte. „Ich bring dich noch bis zu deiner Zimmertür.“ So schlenderten wir Händchenhaltend über den Flur. Vor meiner Tür angekommen drehte ich mich zu ihm hin. „Wann fahren wir denn morgen zu Jack? Hast du vielleicht einen Wecker oder so für mich?“ Er grinste jetzt über das ganze Gesicht. „Wir fahren morgen so gegen elf los. Ich werde dich rechtzeitig wecken kommen. Also mach dir keine Gedanken.“ Ich nickte leicht und sah ihm dann in die Augen. „Gute Nacht, Ben.“ Er beugte sich zu mir hin und küsste mich leicht auf die Lippen. „Gute Nacht, Sam. Träum was Schönes.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging in sein eigenes Zimmer, welches zwei Türen weiter war. Ich schwebte in mein Zimmer und machte mich fertig. Als ich in meinem Bett lag, hatte ich immer noch ein dümmliches Grinsen auf dem Gesicht. Mit diesem Grinsen schlief ich ein.
4. Kapitel
Am nächsten Morgen wurde ich von einem Klopfen an der Tür geweckt. Ich schlug die Augen auf und war sofort hell wach. Mit so guter Laune war ich schon lange nicht mehr aufgewacht. „Ja, wer ist da?“ fragte ich mit einem Lächeln. Denken konnte ich es mir ja. „Zimmerservice mit dem Frühstück, Madame.“ Das war eindeutig Ben und auch er schien sehr gute Laune zu haben. „Dann mal herein. Ich bin schon am verhungern.“ Er öffnete die Tür und kam mit einem Tablett zu meinem Bett. Ich hatte mich in der Zwischenzeit schon aufgesetzt und mich am Kopfteil angelehnt. Die Bettdecke hatte ich züchtig bis zur Brust hochgezogen. Grinsend sah ich ihm in die Augen, als er sich vorbeugte und das Tablett auf meinem Schoß absetzte. Ich ließ meinen Blick einmal über das überfüllte Tablett schweifen und fing an zu lachen, als ich die einsame pinkfarbene Rose in der rechten oberen Ecke entdeckte. „Danke für die Rose. Aber wer soll das ganze denn essen?“ Er schien einen Moment nachzudenken. Dann antwortete er übertrieben schüchtern „Ich hatte gehofft, dass ich derjenige sein dürfte, der das Frühstück mit dir teilt.“ Einen Moment war ich wirklich auf diese Schüchternheit reingefallen, aber als er frech grinste war er aufgeflogen. „Schade, dass du nicht genug für drei auf das Tablett bekommen hast, mein Lover und ich werden wohl nicht genug für dich übrig lassen.“ Er schien einen kurzen Augenblick zu überlegen, ob ich wirklich einen Lover an ihm vorbei hereingeschmuggelt haben könnte. Ein horchen auf etwaige Geräusche, wie die Atmung und der Herzschlag, beruhigten ihn aber. „So, so, mit wem muss ich denn mein Frühstück teilen?“ fragte er grinsend. „Hey, wieso dein Frühstück, ich dachte, dass wäre meins.“ Lenkte ich ihn schnell ab. Dies gelang mir ausgezeichnet. „Es ist ja auch dein Frühstück. Ich hatte nur gehofft, den ein oder anderen Bissen abzubekommen.“ Mit einem breiten grinsen nahm ich mir ein Croissant und biss hinein. Danach hielt ich es ihm vor die Nase und er biss sich auch ein Stück ab. „So wörtlich hatte ich es zwar nicht gemeint, aber das ist noch besser, als ich es mir vorgestellt hatte.“ Nach dem Frühstück warf ich ihn mitsamt dem Tablett raus um mich fertig zu machen.
Als erstes zog ich mir meine gestern erstandene Jeans und die wunderschöne dunkellilafarbene Bluse an. Angezogen konnte ich mich dann auch auf den Weg zum Bad machen. Da ich bis auf einem Lippenstift keine Schminke bei mir hatte, war ich dort auch schnell fertig. Einem Impuls folgend zog ich die Kette, die ich vor einigen Jahren von einer Freundin geschenkt bekommen hatte, aus der Tasche und legte sie mir um. Die Silberne Kette mit den herzförmigen Amethysten passte perfekt zu meiner Bluse. Ben wartete schon im Wagen auf mich. Ich ließ mich auf den Beifahrersitz fallen und war noch nicht ganz angeschnallt, als es losging.
Vor der Hütte von Jack stand ein alter Ford, der gestern noch nicht da war. Vermutlich war das der Wagen von Melinda. Während wir ausstiegen wurde die Haustür aufgerissen und eine kleine Frau mit einer roten Lockenpracht, die ihr hinterher flog, warf sich Ben in die Arme. Mein Herz fühlte sich an, als ob es mit einer wirklich spitzen und langen Stricknadel durchstochen wird. Melinda drehte sich nun zu mir um und lächelte mich an. „Du musst der Grund sein, warum ich heute hier bin. Deine magische Aura ist wirklich beeindruckend.“ Sie war wirklich hübsch. Ihre grünen Augen sprühten nur so vor Energie. Nett schien sie auch noch zu sein. So ein Mist aber auch. Jetzt konnte ich sie nicht einmal hassen. Das war doch wirklich nicht fair. Ich nickte ihr kurz zu und ging auf Jack zu um ihn zu begrüßen.
Er führte uns, wie gestern, ins Wohnzimmer. „Habe ich dir zu viel versprochen Melinda? Sie ist wirklich außergewöhnlich, nicht wahr?“ Melinda strahlte Jack an. „Ja da hast du recht gehabt. Sie sprüht nur so vor mystischer Energie. Und sie hat keine Ahnung, wie sie die einsetzen soll?“ Das machte mich jetzt wirklich sauer. Ich mag es einfach nicht, wenn man über mich spricht anstatt mit mir.
Ein Sonnenstrahl muss wohl durch das Fenster direkt auf meinen Anhänger gefallen sein, denn der herzförmige Amethyst fing an zu schimmern. Melinda sog erschrocken die Luft ein. „Das ist doch nicht möglich, das Amulett ist vor 350 Jahren spurlos verschwunden. Es kann einfach kein Zufall sein, dass es ausgerechnet bei ihr wieder auf taucht.“ Sie schien eher mit sich selbst zu diskutieren, aber Jack wollte trotzdem genaueres über meine Kette wissen. „Samantha, wo hast du denn die Kette her, die Melinda so aus der Fassung gebracht hat?“ Ich atmete einmal genervt ein. Als ob diese Kette etwas Besonderes ist. „Das ist doch nur Modeschmuck. Eine Freundin vom College hat sie mir zu meinem zwanzigsten Geburtstag geschenkt.“ Melinda schien sich wieder erholt zu haben, denn sie fragte mich „Kann ich mir die Kette einmal genauer anschauen?“ Wenn es sie glücklich macht. Ich nahm die Kette ab und übergab sie Melinda. Beim herüberreichen schimmerte der Stein immer noch in der Sonne. Als Melinda sie annahm brach das schimmern augenblicklich ab. Das fand ich jetzt doch sehr merkwürdig. Die Kette war immer noch im direkten Sonnenschein, aber sie schimmerte nicht mehr.
„Jetzt bin ich mir sicher. Samantha, dies ist das Amulett der Allumfassenden Liebe. Vor 350 Jahren wurde es zuletzt von der Zauberin Anastasia getragen. Sie war die mächtigste Zauberin die es jemals gab. Jedoch ist sie nach einem Kampf mit dem König der Vampire, den sie besiegte, nie wieder in Erscheinung getreten. Man nahm an, dass der Kampf sie so sehr geschwächt hatte, dass sie starb. Seit diesem Zeitpunkt ist dieses Amulett verschwunden.“ Ich hörte ihr gespannt zu. Diese Geschichten sind ja wirklich spannend. Aber ich bezweifle, dass es sich wirklich um dieses Amulett handelt, vielleicht hat jemand nur eine Nachbildung angefertigt. Melinda reichte mir meine Kette wieder an. Sobald ich sie berührte fing sie wieder an zu schimmern. Ich zuckte leicht zusammen, riss mich aber zusammen und legte die Kette wieder um meinen Hals. Ben schien zu spüren wie angespannt ich war, denn er strich mir beruhigend über den Arm. „Wenn es sich wirklich um dieses Amulett von dieser Anastasia handelt, wie ist es dann bei mir gelandet? Wenn der Stein echt ist, muss es doch teuer sein und dann hätte meine Freundin mir diese Kette ja gar nicht geschenkt.“ Grüne Augen blickten mich strafend an. „Willst du behaupten ich würde dich belügen? Dies ist eindeutig das Amulett von Anastasia. Ich habe keine Ahnung wie es zu dir gelangt ist. Aber ich vermute, dass du es nicht ohne Grund erhalten hast.“
Ups, sie war wirklich sauer auf mich. Am besten ich würde versuchen sie zu beruhigen. „Okay, ich glaube dir ja dass es das Amulett ist. Aber kannst du verstehen, dass das ganze ein wenig viel für mich ist? Seit gestern Morgen versuche ich zu verstehen, dass mein Boss ein Werwolf ist, in den ich mich gerade verliebe. Mein Vater ein Zauberer ist und entweder über zweihundert Jahre alt ist oder von einem Zauberer abstammt, der so alt ist. Dann wird mir erzählt, dass ich eine Prophezeiung erfüllen muss und alle Vampire töten soll. Du erzählst mir ich hätte Zauberkräfte, von denen ich noch nie etwas bemerkt habe und dann besitze ich auch noch ein Amulett von einer Zauberin, die vor 350 Jahren verschwunden ist. Könnt ihr verstehen, dass ich ein wenig Zeit brauche dies alles zu verarbeiten?“ Ich atmete schwer, das passierte mir immer, wenn ich mich in Rage geredet hatte. Ben sah mich überrascht an. War er überrascht von diesem Ausbruch? Da dämmerte es mir, dass ich gerade herausposaunt hatte, dass ich mich in meinen Chef verliebt hatte. Mist, das heißt dann wohl ich brauch einen neuen Job. Mein noch Chef schien sich entschieden zu haben jetzt mit mir ein Gespräch zu führen. „Entschuldigt uns bitte, ich denke wir müssen etwas klären und Sam muss mal kurz tief durchatmen. Wir gehen etwas spazieren. Bis später.“
Mit diesen Worten wurde ich schon aus der Tür herausgezogen. Ohne ein Wort zu sagen zog Ben mich weiter in den Wald. Nach einigen Minuten erreichten wir eine kleine Lichtung. In der Mitte der Lichtung befanden sich mehrere Felsen, die aussahen, als wären sie aus dem Boden gewachsen. Er hob mich plötzlich hoch und setzte mich auf einen der äußeren Steine. Direkt neben mir ließ er sich nieder. Immer noch sprach er nicht. Wenn er denkt ich würde als erste das Schweigen brechen, konnte er lange warten. Ich sah ihn nur schweigend an. In meinen Augen musste er wohl den Trotz erkannt haben, denn mit einem Aufstöhnen brach er das Schweigen. „Okay, da du so stur bist fang ich halt an. Hast du dich wirklich in mich verliebt?“ Er lächelte mich überglücklich an.
Jetzt habe ich wohl zwei Möglichkeiten, entweder ich behaupte, dass er nicht ganz dicht ist und wenn ich etwas sage besser zuhören soll. Schließlich bin ich NUR gerade dabei mich in ihn zu verlieben. Oder ich gebe mir einen Ruck und erzähle ihm dass ich mich wirklich in ihn verliebt habe, aber ein wenig unsicher bin, was jetzt passieren soll. Schließlich kann ich mir ja nicht sicher sein, dass er mich wirklich mag. Gut er hat mich geküsst, aber dass haben all die Männer meiner Mutter auch getan. Der Letzte hat sie danach sogar getötet. Ich denke schon, dass er mich nicht töten wird. Er wird mich auch nicht absichtlich verletzen, aber er ist ein Werwolf. Was heißt das für mich.
Ben schien langsam ungeduldig zu werden. „Jetzt sag schon. Ist es wahr, was du eben gesagt hast? Bitte!“ Ich entschied mich für die Wahrheit. „Ja, ich habe mich in dich verliebt. Ich weiß, dass das ein Kündigungsgrund ist, also zu wann muss ich mir einen neuen Job suchen?“ Er schien diesen kleinen Witz ganz und gar nicht lustig zu finden.
Er war richtig wütend. Seine Hände zitterten sogar. Ben sprang von dem Felsen, auf dem wir saßen, und lief vor mir auf und ab. „Wie kannst du dich darüber lustig machen. Für mich ist es das schönste, das du meine Gefühle erwiderst und was machst du? Du denkst an deinen Job.“ Er grummelte noch weiter vor sich hin. So langsam sickerten seine Worte zu meinem funktionierenden Teil des Gehirns durch. Er hatte gesagt es mache ihn glücklich, dass ich seine Gefühle erwidere. Das heißt dann wohl, dass er auch in mich verliebt ist. Ein strahlen ging über mein Gesicht. Ich sprang von dem Felsen runter und warf mich ihm lachend in die Arme. „Du bist also auch in mich verliebt!“ Ich kriegte mich gar nicht wieder ein. Er schien zu bemerken, wie glücklich ich war. Mein Glück war für ihn der Auslöser mich fester in die Arme zu nehmen und mich stürmisch zu küssen.
5. Kapitel
Wir setzten uns wieder auf den Felsen, von dem wir beide aufgesprungen waren. Doch dieses Mal saß ich auf seinem Schoß und schmiegte mich an seine Brust. Ich lauschte seinem kräftigen Herzschlag und genoss den Augenblick.
Nach einer Ewigkeit, so erschien es mir auf jeden Fall, fragte er mich „Sam, warum weißt du eigentlich nichts von deinem Vater? Meinst du nicht, dass wenn wir deine Mutter fragen, sie uns eventuell einige hilfreiche Antworten geben kann?“ Meine Augen verdüsterten sich. Wie erzähle ich ihm das nur? Am besten ganz einfach und direkt. Noch einmal tief durchatmen und dann Augen zu und durch. „Meine Mutter kann uns keine Fragen mehr beantworten. Sie wurde vor etwas mehr als drei Jahren getötet.“ Seine Umarmung wurde noch ein klein wenig fester, als er fragte „Das tut mir so leid. Wie wurde sie getötet? War es ein Autounfall?“ „Nein, es war kein Autounfall. Du musst wissen nachdem mein Vater uns verlassen hatte, konnte sie nicht mehr glücklich sein. Sie hat ihr Glück in Beziehungen zu verschiedenen Männern gesucht. Die meisten waren einfach nur nutzlose Kerle, keiner blieb länger als drei Monate. Der letzte One Night Stand hat sie dann ermordet. Ich fand sie morgens in der Küche. Bis heute wurde ihr Mörder nicht gefasst.“
Er schien erschüttert zu sein. Seine Hand strich mir über die Haare. „Wie alt warst du als sie starb? Du warst doch nicht mal 18. Wie hast du das ganze nur geschafft?“ Genau das fragte ich mich auch. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich war fast 18. Wie ich es geschafft habe? Viel zu schaffen gab es da nicht. Ich war schon früh auf mich alleine gestellt. Meine Mutter verschwand oft Nächtelang. Für mich selbst sorge ich seit dem ich neun bin. Deswegen war es kein großer Unterschied. Müssen wir nicht langsam zu Melinda und Jack zurück? Schließlich soll ich heute noch lernen zu zaubern. Wenn ich heute Abend keinen Werwolf in meinem Hut verschwinden lassen kann bin ich dann doch enttäuscht.“
Ben schien zu bemerken, dass ich einfach das Thema Mutter fallen lassen wollte. Er küsste mich noch einmal zärtlich und setzte mich dann auf dem Boden ab. Wir gingen Hand in Hand zur Hütte zurück.
Wir wurden schon erwartet. Melinda gab uns gleich zu verstehen, dass wir ihr hinter die Hütte folgen sollten. Dort fand ich eine große Wiese, die absolut leer war. Sie stand in der Mitte und winkte mich zu sich. Widerstrebend ließ ich Bens Hand los und ging auf sie zu.
„Samantha, stell dich direkt vor mich hin und reiche mir deine Hände.“ Ich tat das von mir verlangte. „Du musst dich konzentrieren. Versuche sämtliche Gedanken von dir fortzuschieben. Dann stell dir vor, wie der Himmel sich verdunkelt. Langsam ziehen Regenwolken auf. Der Geruch nach Regen steigt dir in die Nase und dann fängt es langsam an zu regnen.“ Während sie dies sagte passierte genau das. Sie änderte das Wetter von strahlendem Sonnenschein zu einem leichten Sommerregen. Nach einer Minute schien wieder die Sonne. „Jetzt bist du dran.“
Gut, ich muss mich konzentrieren. Alle Gedanken abschalten. Das war schwieriger als gedacht. Mit einigen tiefen Atemzügen gelang es mir. Ich fühlte eine große Kraft in mir. Es war ein Geheimer Ort in meinem Inneren, der bisher verschlossen war. Ich öffnete die Tür und stellte mir vor, wie sich das Wetter veränderte. Es klappte wirklich, denn ich spürte einen leichten Sprühregen auf meiner Haut. Etwa eine Minute lang genoss ich das Gefühl des Regens und entschied mich dann, das ursprüngliche Wetter wieder herzustellen. Als ich die Augen öffnete sah ich einen wunderschönen Regenbogen.
Es fühlte sich überwältigend an das Wetter zu verändern. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass die neu gefundene Energie mich durchströmte. Ich hatte noch nie Drogen ausprobiert, aber vermutlich fühlt es sich so an, wenn man high ist, nur noch intensiver. Melinda strahlte mich an. „Du fühlst die Energie noch durch dich hindurchfließen, nicht wahr? Es ist das beste Gefühl, das es gibt. Selbst Sex kann da nicht mithalten, habe ich nicht recht?“ Mir viel es schwer ihrem Überschwang zu widerstehen. „Stimmt, es kribbelt immer noch überall in mir. Selbst meine Fingerspitzen kribbeln. Diese ganze Energie scheint nicht mehr zu verschwinden.“ Jack und Ben sahen uns nur fassungslos an. Melinda schien dies auch aufgefallen zu sein. „Hey, ihr beide kennt doch meine Magie. Ihr wisst doch was ich bewerkstelligen kann. Warum so überrascht?“
Jack fasste sich als erster wieder. „Es ist weniger euer Zauberkunststück, es ist viel mehr eure Art der Unterhaltung, die mich fasziniert. Besser als Sex also?“ Ben kam auf mich zu und umarmte mich. Er flüsterte mir ins Ohr „Ich weiß ja nicht, wie dein Sex bisher war. Aber Sex mit einem Werwolf ist garantiert besser als das.“ Ich wurde knall rot. Ihm musste ich wohl bald sagen, dass ich bisher noch nie… Aber nicht jetzt. Das hat Zeit. Ich drehte mich zu Melinda um und fragte sie überschwänglich „Was kannst du mir noch beibringen?“ „Das war erst der Anfang. Ich wollte, dass du die positive Seite der Macht, die in dir schlummert, entdeckst und fühlst. Du hast bisher nur einen winzigen Teil dieser Macht eingesetzt. Es gibt Bücher, die dir helfen werden. Aber manchmal muss man auch spontan einen Zauber entwickeln. Ich werde versuchen dir bei diesen Dingen zu helfen. Jedoch muss ich noch recherchieren welche Dinge Zauberer noch zusätzlich zum Hexeneinmaleins beherrschen. Ich zeige dir noch einige kleine Zauber und dann trainieren wir in den folgenden Tagen zusammen.“ Ich stimmte ihr erfreut zu.
Melinda zeigte mir noch, wie ich Dinge schweben lassen kann und wie ich ein Feuer ohne Hilfsmittel erzeugen konnte. Beides beherrschte ich in Null Komma Nix. Sie war erstaunt, wie schnell ich lernte. Bei unserer Abfahrt nahm sie mir noch ein Versprechen ab. „Bitte Sam, versprich mir niemals wieder dieses Amulett abzulegen oder gar jemand anderem zu geben. Hast du verstanden. Niemals.“
Ich umarmte sie und Jack bevor ich einstieg. Ben saß schon im Auto und wartete ungeduldig auf mich.
"Es ist dir doch recht, wenn wir in den folgenden Tagen bei dir trainieren? Schließlich muss ich morgen wieder arbeiten, genau wie du. Außerdem hast du doch genug Platz bei dir im Haus." Ben sah mich lächelnd an. "Es ist mir absolut recht. Wenn ihr bei mir im Garten trainiert, kann ich wenigstens zusehen und dich immer im Auge behalten."
5. Kapitel
Wir setzten uns wieder auf den Felsen, von dem wir beide aufgesprungen waren. Doch dieses Mal saß ich auf seinem Schoß und schmiegte mich an seine Brust. Ich lauschte seinem kräftigen Herzschlag und genoss den Augenblick.
Nach einer Ewigkeit, so erschien es mir auf jeden Fall, fragte er mich „Sam, warum weißt du eigentlich nichts von deinem Vater? Meinst du nicht, dass wenn wir deine Mutter fragen, sie uns eventuell einige hilfreiche Antworten geben kann?“ Meine Augen verdüsterten sich. Wie erzähle ich ihm das nur? Am besten ganz einfach und direkt. Noch einmal tief durchatmen und dann Augen zu und durch. „Meine Mutter kann uns keine Fragen mehr beantworten. Sie wurde vor etwas mehr als drei Jahren getötet.“ Seine Umarmung wurde noch ein klein wenig fester, als er fragte „Das tut mir so leid. Wie wurde sie getötet? War es ein Autounfall?“ „Nein, es war kein Autounfall. Du musst wissen nachdem mein Vater uns verlassen hatte, konnte sie nicht mehr glücklich sein. Sie hat ihr Glück in Beziehungen zu verschiedenen Männern gesucht. Die meisten waren einfach nur nutzlose Kerle, keiner blieb länger als drei Monate. Der letzte One Night Stand hat sie dann ermordet. Ich fand sie morgens in der Küche. Bis heute wurde ihr Mörder nicht gefasst.“
Er schien erschüttert zu sein. Seine Hand strich mir über die Haare. „Wie alt warst du als sie starb? Du warst doch nicht mal 18. Wie hast du das ganze nur geschafft?“ Genau das fragte ich mich auch. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich war fast 18. Wie ich es geschafft habe? Viel zu schaffen gab es da nicht. Ich war schon früh auf mich alleine gestellt. Meine Mutter verschwand oft Nächtelang. Für mich selbst sorge ich seit dem ich neun bin. Deswegen war es kein großer Unterschied. Müssen wir nicht langsam zu Melinda und Jack zurück? Schließlich soll ich heute noch lernen zu zaubern. Wenn ich heute Abend keinen Werwolf in meinem Hut verschwinden lassen kann bin ich dann doch enttäuscht.“
Ben schien zu bemerken, dass ich einfach das Thema Mutter fallen lassen wollte. Er küsste mich noch einmal zärtlich und setzte mich dann auf dem Boden ab. Wir gingen Hand in Hand zur Hütte zurück.
Wir wurden schon erwartet. Melinda gab uns gleich zu verstehen, dass wir ihr hinter die Hütte folgen sollten. Dort fand ich eine große Wiese, die absolut leer war. Sie stand in der Mitte und winkte mich zu sich. Widerstrebend ließ ich Bens Hand los und ging auf sie zu.
„Samantha, stell dich direkt vor mich hin und reich mir deine Hände.“ Ich tat das von mir verlangte. „Du musst dich konzentrieren. Versuche sämtliche Gedanken von dir fortzuschieben. Dann stell dir vor, wie der Himmel sich verdunkelt. Langsam ziehen Regenwolken auf. Der Geruch nach Regen steigt dir in die Nase und dann fängt es langsam an zu regnen.“ Während sie dies sagte passierte genau das. Sie änderte das Wetter von strahlendem Sonnenschein zu einem leichten Sommerregen. Nach einer Minute schien wieder die Sonne. „Jetzt bist du dran.“
Gut, ich muss mich konzentrieren. Alle Gedanken abschalten. Das war schwieriger als gedacht. Mit einigen tiefen Atemzügen gelang es mir. Ich fühlte eine große Kraft in mir. Es war ein Geheimer Ort in meinem Inneren, der bisher verschlossen war. Ich öffnete die Tür und stellte mir vor, wie sich das Wetter veränderte. Es klappte wirklich, denn ich spürte einen leichten Sprühregen auf meiner Haut. Etwa eine Minute lang genoss ich das Gefühl des Regens und entschied mich dann, das ursprüngliche Wetter wieder herzustellen. Als ich die Augen öffnete sah ich einen wunderschönen Regenbogen.
Es fühlte sich überwältigend an das Wetter zu verändern. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass die neu gefundene Energie mich durchströmte. Ich hatte noch nie Drogen ausprobiert, aber vermutlich fühlt es sich so an, wenn man high ist, nur noch intensiver. Melinda strahlte mich an. „Du fühlst die Energie noch durch dich hindurchfließen, nicht wahr? Es ist das beste Gefühl, das es gibt. Selbst Sex kann da nicht mithalten, habe ich nicht recht?“ Mir viel es schwer ihrem Überschwang zu widerstehen. „Stimmt, es kribbelt immer noch überall in mir. Selbst meine Fingerspitzen kribbeln. Diese ganze Energie scheint nicht mehr zu verschwinden.“ Jack und Ben sahen uns nur fassungslos an. Melinda schien dies auch aufgefallen zu sein. „Hey, ihr beide kennt doch meine Magie. Ihr wisst doch was ich bewerkstelligen kann. Warum so überrascht?“
Jack fasste sich als erster wieder. „Es ist weniger euer Zauberkunststück, es ist viel mehr eure Art der Unterhaltung, die mich fasziniert. Besser als Sex also?“ Ben kam auf mich zu und umarmte mich. Er flüsterte mir ins Ohr „Ich weiß ja nicht, wie dein Sex bisher war. Aber Sex mit einem Werwolf ist garantiert besser als das.“ Ich wurde knall rot. Ihm musste ich wohl bald sagen, dass ich bisher noch nie… Aber nicht jetzt. Das hat Zeit. Ich drehte mich zu Melinda um und fragte sie überschwänglich „Was kannst du mir noch beibringen?“ „Das war erst der Anfang. Ich wollte, dass du die positive Seite der Macht, die in dir schlummert, entdeckst und fühlst. Du hast bisher nur einen winzigen Teil dieser Macht eingesetzt. Es gibt Bücher, die dir helfen werden. Aber manchmal muss man auch spontan einen Zauber entwickeln. Ich werde versuchen dir bei diesen Dingen zu helfen. Jedoch muss ich noch recherchieren welche Dinge Zauberer noch zusätzlich zum Hexeneinmaleins beherrschen. Ich zeige dir noch einige kleine Zauber und dann trainieren wir in den folgenden Tagen zusammen.“ Ich stimmte ihr erfreut zu.
Melinda zeigte mir noch, wie ich Dinge schweben lassen kann und wie ich ein Feuer ohne Hilfsmittel erzeugen konnte. Beides beherrschte ich in Null Komma Nix. Sie war erstaunt, wie schnell ich lernte. Bei unserer Abfahrt nahm sie mir noch ein Versprechen ab. „Bitte Sam, versprich mir niemals wieder dieses Amulett abzulegen oder gar jemand anderem zu geben. Hast du verstanden. Niemals.“ Ich umarmte sie und Jack bevor ich einstieg. Ben saß schon im Auto und wartete ungeduldig auf mich.
"Es ist dir doch recht, wenn wir in den folgenden Tagen bei dir trainieren? Schließlich muss ich morgen wieder arbeiten, genau wie du. Außerdem hast du doch genug Platz bei dir." Ben sah mich lächelnd an. "Es ist mir absolut recht. Wenn ihr bei mir im Garten trainiert, kann ich wenigstens zusehen und dich immer im Auge behalten. Hast du ne Idee was wir heute Abend essen wollen?" Ich überlegte einen Moment. Zum kochen hatte ich heute ausnahmsweise keine Lust. Vielleicht kann er sich ja mit dem Lieferservice begnügen. „Ehrlich gesagt habe ich keine Lust jetzt noch zu kochen. Wollen wir uns nicht einfach eine Pizza bestellen?“ Er nickte begeistert. Daraus schloss ich, dass er kein Problem mit dem Lieferservice hatte. Es schien eher so als ob er gerne Pizza aß. „Was hältst du davon, wenn wir uns heute einen gemütlichen Fernsehabend gönnen. Wir könnten einen Film sehen und vorm Fernseher unsere Pizza essen.“ Jetzt war ich die jenige, die begeistert nickte. „Welchen Film willst du denn sehen?“ fragte ich. Einen Moment überlegte er, dann schien er zu einem Ergebnis gekommen zu sein. „Wir könnten an der Videothek vorbeifahren und wir leihen uns unseren jeweiligen Lieblingsfilm aus. Welchen wir zuerst sehen entscheiden wir durchs Münze werfen.“ Die Idee war wirklich gut.
In der Videothek angekommen stürzte er sich gleich auf seinen Lieblingsfilm. Es war James Bonds Goldfinger. Ich hatte in meinem gesamten Leben noch nie einen Bond Film gesehen. Na gut da musste ich wohl durch. Jetzt musste ich mich nur noch entscheiden, ob ich wirklich meinen absoluten Lieblingsfilm nehme oder einen der anderen Filme, die ich sehr gerne mag. Wollte ich ihm wirklich Dirty Dancing zu muten? Oder doch lieber Wie werde ich ihn los in 10 Tagen. Die Entscheidung war schwer. Also fragte ich ihn. „Hey Ben, soll ich meinen absoluten Lieblingsfilm nehmen oder einen meiner Lieblingsfilme?“ Er schien einen Moment abzuwägen. „Nimm den Film, der nicht Titanic ist, der dauert mir dann heute doch zu lange.“ Ich sah ihn grimmig an. Okay, mit dem Satz hatte er sich eindeutig Dirty Dancing verdient. „Selbst schuld!“ sagte ich und gab ihm meinen Film. Er sah sich das Cover an und seufzte. „Titanic mag der Lieblingsfilm von vielen Frauen sein. Aber ich mag ihn nicht. Ich habe diesen Film genau zweimal gesehen. Das erste Mal im Kino mit einer Freundin und das zweite Mal nur unter Zwang bei einem Videoabend mit Kommilitoninnen.“
Bei ihm angekommen ging er in die Küche und machte uns Popcorn. Mit einer großen Schüssel kam er ins Wohnzimmer. „Willst du die Münze werfen oder soll ich?“ Ich hatte in der Zwischenzeit entschieden, dass wir seinen Film zuerst sehen werden. Ohne Mord und Totschlag vorm einschlafen schlief ich besser. „Du kannst deine Münze gerne werfen, aber wir sehen uns so oder so Dirty Dancing zum Schluss an.“ Er gab sich gern geschlagen. Möglich, das er darauf hoffte während des zweiten Films einzuschlafen. Soll mir recht sein. Ich sah mir mit schrecken diesen Film an. Nach der ersten halben Stunde wurde unsere Pizza geliefert. Ich ging freiwillig an die Tür und bezahlte. Irgendwann war dann der Bösewicht besiegt und die Welt gerettet. Während des Films hatte Ben mich in seinen Arm gezogen und ich hatte mich an seine Schulter gekuschelt. Nur widerwillig stand ich auf um den Film zu wechseln. „Musst du wirklich aufstehen? Wir können doch auch einfach so weiter kuscheln ohne noch einen Film anzusehen.“ Er war gut. Doch so einfach konnte er sich nicht vor dem Film drücken. „Doch da musst du jetzt durch. Aber du kannst dich ja jetzt an mich kuscheln.“ Sagte ich lächelnd. Der Film fing an und ich setzte mich wieder auf die Couch. Meine Idee schien ihm zu gefallen, denn er legte seinen Kopf in meinen Schoß. Sein Gesicht hatte er dem Fernseher zugewandt. Während ich mir wohl zum tausendsten Mal ansah, wie Baby sich verliebte, strich ich Ben durch die Haare. Es schien ihm wohl sehr zu gefallen, denn er brummte vor Wohlbehagen. Es kam einem Schnurren gleich, klang aber tiefer. Nach dem letzten Tanz zupfte ich Ben am Ohr. Er war eingeschlafen. „Hey aufwachen. Es ist besser, wenn du in deinem Bett weiter schläfst.“ Langsam wurde er wach. Verschlafen sah er zu mir hoch und fragte „Was ist denn los? Ich war gerade so schön eingeschlafen.“ „Der Film ist zu Ende und ich würde jetzt gerne ins Bett gehen. Ich dachte es wäre für deinen Rücken besser, wenn du auch ins Bett gehst.“ Ein freches Grinsen huschte ihm übers Gesicht. „Kommst du mit in mein Bett? Dann wäre es da auf jeden Fall bequemer.“ Ich sah ihn streng an. „Oh nein, so bekommst du mich nicht in dein Bett. Jeder geht in sein eigenes. Du musst schließlich morgen fit sein. Deine Mandanten brauchen dich ausgeschlafen.“ „Wenn ich aber wieder einschlafen soll, dann musst du aber weiter mit mir kuscheln.“ Ich schüttelte nur den Kopf. Ich gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze und schob ihn weg. Dann ging ich in den Flur. Plötzlich schlangen sich zwei Arme um meine Taille. „Das war aber kein vernünftiger Gutenachtkuss.“ Mit diesen Worten drehte er mich herum und küsste mich zuerst zärtlich und dann immer leidenschaftlicher. Als der Kuss endete ging ich lächelnd in mein Bett. Wieder schlief ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht ein.
6. Kapitel
Am nächsten Morgen wurde ich wieder durch ein Klopfen an der Tür geweckt. „Hey, du musst aufstehen, wenn du zu deiner gewohnten Zeit im Büro sein willst.“ Ich stand auf und zog mir mein frisch gereinigtes Kostüm vom Freitag an. Da musste ich wohl mal mit Ben wegen meiner Klamotten reden. Ein paar Sachen brauchte ich dringend aus meiner Wohnung. Fertig angezogen und gewaschen ging ich langsam in die Küche. Wie soll ich ihn nur davon überzeugen, dass ich meine Klamotten brauchte. Gut, ich konnte nicht einfach nach der Arbeit dorthin und sie mir holen. War es überhaupt klug heute arbeiten zu gehen. Könnten mir da die Vampire nicht auch auflauern? Was sollte denn nur Mr. Johnson denken, wenn ich zusammen mit Ben ins Büro komme. So viele Fragen auf die ich dringend Antworten brauchte.
„Ben, ich frage mich, ob es wirklich sicher ist, wenn ich heute arbeiten gehe. Warten die Vampire nicht dort auf mich?“ „Nein, sie werden nicht auf dich warten. Die Vampire fallen sobald die Sonne aufgeht in einen tiefen Schlaf. Nur sehr wenige können diesen Schlaf hinauszögern, können dann aber nicht aus dem Haus gehen. Jeder Strahl der Sonne würde sie töten. Du kannst also arbeiten gehen, musst aber noch vor Sonnenuntergang wieder hier sein.“ Das waren ja mal gute Neuigkeiten. „Das heißt dann wohl auch, dass ich in meine Wohnung kann um einige Sachen zu holen, oder?“ Er überlegte einen Moment. „Du solltest wirklich nicht in deine Wohnung gehen. Möglich ist es, dass Vampire sich dort aufhalten. Was brauchst du denn so dringend?“ Ist das sein Ernst? „So ziemlich alles. Weitere Klamotten. Besonders welche fürs Büro. Dann noch Dinge wie meinen Wecker, meinen Laptop, das Ladegerät für mein Handy und noch einige Dinge mehr.“ „Ich werde mir etwas einfallen lassen, wie du an deine Sachen kommst. Mach am besten nachher eine Liste mit allen lebensnotwendigen Dingen.“ Damit war das Thema abgehakt.
„Was sagen wir eigentlich Mr. Johnson, warum wir zusammen ins Büro kommen?“ Er schien ein Lachen kaum unterdrücken zu können. Was ist an dieser Frage nur so witzig? „Wir sagen ihm die Wahrheit. Ich habe dich am Freitag im Park gesehen und dich auf einen Drink zu mir eingeladen, weil ich schon von Anfang an in dich verliebt war. Endlich hast du mich erhört und eingewilligt. Seit dem kann ich dich einfach keinen Moment mehr aus den Augen lassen. Glaubst du, dass er mir das abnehmen wird?“ Es war wirklich sehr nah an der Wahrheit. Bis auf seine Verliebtheit. Er schien zu merken, dass ich ein wenig skeptisch war denn er nahm mich in die Arme und küsste mich leicht auf den Mund. „Es ist wirklich so. Seit ich dich das erste Mal am Empfangstresen habe sitzen sehen, denke ich nur noch daran dich so zu küssen.“ Seinen Worten folgten auch gleich Taten. Er küsste mich leidenschaftlich. Erst als wir dringend Luft holen mussten ließ er mich los. ‚Luft wird völlig überbewertet. Wer braucht die schon, wenn man stattdessen mit diesem heißen Typ rumknutschen kann’ dachte ich. „Wir sollten jetzt los. Sonst lasse ich dich gar nicht mehr aus dem Haus.“
In der Kanzlei angekommen verlief der Tag eigentlich genauso wie jeder andere auch. Der einzige Unterschied war, dass ich um Punkt fünf das Gebäude mit Ben verließ. Wegen Mr. Johnson hätte ich mir keinen Kopf machen brauchen. Er schien nicht einmal zu bemerken, dass wir in einem Auto zur Arbeit fuhren.
In Bens Auffahrt stand schon derselbe Wagen, wie gestern vor Jacks Hütte. Als Ben den Wagen in der Garage abstellte öffnete sich die Fahrertür des alten Fords und Melinda stieg gut gelaunt aus. „Hallo ihr beiden. Sam ich habe die ganzen Sachen von deiner Liste im Kofferraum vielleicht kann uns Ben ja beim tragen helfen.“ Ich blickte überrascht zu Melinda. „Wie hast du es geschafft meine Sachen zu holen? Du hattest doch gar keinen Schlüssel und waren keine Vampire in meiner Wohnung?“ Sie lachte mich aus, da war ich mir sicher. „Du hast wohl vergessen, dass ich eine Hexe bin. Es war einfach für mich in deine Wohnung zu kommen. Ich habe mich hinein teleportiert. Als nächstes hatte ich sämtliche Rollos deiner Wohnung nach oben gezogen. So waren alle Vampire, die in deiner Wohnung geschlafen hatten sofort tot.“ Ich war beeindruckt. Sie hatte sich in meine Wohnung getraut, in der mehrere Vampire gewartet hatten. Alle hatte sie in Null Komma Nix getötet. Da musste ich wohl noch viel lernen.
Nachdem wir all meine Sachen in meinem Zimmer verstaut hatten gingen Melinda und ich in den Garten. Es war in der Zwischenzeit schon dunkel geworden. Ein wenig hatte ich ja Angst, dass wieder ein Vampir vor mir steht. Andererseits wusste keiner von ihnen, dass ich hier war. Wir standen nun mitten auf der großen Wiese hinter Bens Haus, als Melinda mit ihrem Unterricht anfing. „So, jetzt sollten wir weit genug vom Haus entfernt sein. Heute lernst du die Elemente zu beherrschen. Wir beginnen mit dem Feuer. Wie du ein kleines Feuer entstehen lassen kannst weißt du schon. Jetzt versuchst du mal so etwas wie einen Feuerball entstehen zu lassen. Konzentrier dich auf die Wärme in deinem Inneren und um dich herum. Sammle sie in dir und schiebe sie langsam zu deiner rechten Hand hinunter. Dann stellst du dir vor, wie ein kleine Kugel sich in deiner Handfläche bildet.“
Während Melinda erklärte versuchte ich ihren Beschreibungen zu folgen. Ich spürte die Wärme um mich herum und bündelte sie. Dann ließ ich sie aus meiner Mitte in Richtung Hand wandern. Dann entstand auch schon die Feuerkugel. Ich konnte sie über meiner rechten Hand schweben lassen. Mich verletzte das Feuer nicht. Da kam mir der Gedanke, ob ich die Kugel wohl auch schweben lassen konnte, so wie gestern die Gegenstände. Ich stellte mir vor, wie die Kugel von meiner Hand vor meinen Körper schwebte. Dort ließ ich sie höher steigen, bis sie über meinem Kopf schwebte. Melinda sprach mich leise an „Kannst du auch die Form der Kugel verändern? Lass die Kugel zu einer Säule werden, aber nur einer kleinen.“ Wieder stellte ich es mir bildlich vor und es klappte. Ich ließ die Wärme langsam wieder entweichen und die Säule schrumpfte immer weiter zusammen bis sie ganz verschwand. Melinda war begeistert von mir. „Das war großartig. Du lernst echt schnell.
Als nächstes versuchen wir das Wasser. Es funktioniert ähnlich wie das Feuer, versuch es mal.“ Auch das Wasser konnte ich schnell beherrschen. Es war einfach toll, wie sich das Wasser in immer neue Formen bringen ließ und trotzdem immer weiter im Fluss war. So ließ ich das Wasser die Form eines Sterns annehmen und das Wasser floss immer die Kannte entlang, wie ein sternförmiger Fluss. Ich lernte noch den Wind zu rufen und ihn zu einem kleinen Wirbelsturm zu formen. Ich hätte es auch zu einen größeren geschafft, aber das schien mir zu gefährlich. Das Element Erde war schon ein wenig schwieriger. Ich sollte einen kleinen Erdspalt entstehen lassen. Aber da ich davor ein wenig Angst hatte gelang es mir nicht auf Anhieb. Nach dem dritten Versuch und viel gutem Zureden von Melinda gelang es mir dann. Es war mittlerweile schon halb zehn und wir entschlossen uns für heute aufzuhören.
Wir setzten uns ins Wohnzimmer zu Ben, der auch seinen Schreibtisch verlassen hatte. Er nahm sich jeden Abend noch einige Akten mit nach Hause. Wir unterhielten uns noch etwa eine Stunde über alles Mögliche und dann verabschiedete sich Melinda von uns. Ben und ich brachten sie noch zur Tür. Als sie durch das Tor fuhr schloss Ben die Tür und zog mich in seine Arme. „Das habe ich den ganzen Tag vermisst.“ Er umarmte mich noch ein wenig fester und vergrub seine Nase in meinen Haaren. So standen wir einige Minuten da. Es war unglaublich schön ihn so nah bei sich zu haben.
Langsam löste er sich von mir und sah mir in die Augen. „Schläfst du heute Nacht denn bei mir?“ Ich wollte schon protestieren, da fügte er hinzu „Nur schlafen. Du in meinen Armen. Vielleicht kann ich dann mal wieder in Ruhe schlafen ohne jede halbe Stunde aufzustehen und an deiner Tür zu lauschen, ob alles in Ordnung ist.“ Er war jede halbe Stunde aufgestanden um zu überprüfen ob es mir gut geht. Das war echt süß. Ich atmete einmal tief durch und lächelte ihm dann zu. „Na gut, ich schlafe heute in deinem Bett. Ich kann ja nicht verantworten, dass du wieder eine fast schlaflose Nacht hinter dir hast.“
Wir gingen in sein Zimmer und ich fragte ihn nach einem T-Shirt zum schlafen. Nur in Unterwäsche schlafen wollte ich dann doch nicht, so wie in den Nächten zuvor und nackt schon gar nicht. Er reichte mir eins seiner weißen T-Shirts und ich ging damit ins Bad. Als ich sein Zimmer wieder betrat sah ich mich erst einmal richtig um.
Der Raum wurde von einem riesigen Bett beherrscht. Das brauchte er ja auch, schließlich war er wirklich groß. Seine Wände waren in einem Beigeton gestrichen. Ein großer alter Kleiderschrank aus Holz stand dem Bett genau gegenüber. Links und rechts vom Bett standen passende Nachtschränkchen. Dann gab es noch zwei kleine Sessel, die an jeweils einer Seite vom Fenster standen. Alles in allem recht übersichtlich.
Ben war in der Zwischenzeit im Bad verschwunden und kam in diesem Moment wieder herein. Er musterte mich von oben bis unten und ich schien ihm in seinem T-Shirt wirklich zu gefallen. Es reichte mir bis zur Hälfte der Oberschenkel. Ben trug eine Pyjamahose und sonst nichts. Mir gefiel auch sehr was ich sah. Er zog mich in seine Arme und küsste mich stürmisch. Langsam machte er sich von mir los. „Wir sollten ins Bett gehen, bevor ich nicht mehr einfach nur mit dir dort liegen kann.“ Hand in Hand gingen wir zu seinem Bett rüber. Ich legte mich auf die linke Seite und er zog mich gleich an sich. So schlief ich auch ein. An seine Seite gekuschelt und den Kopf auf seiner Brust seinem Herzschlag lauschend.
In dieser Nacht träumte ich zum ersten Mal wieder, seit dem Vorfall vom Freitag. Ich fuhr mit Ben durch den Wald. Plötzlich landete etwas mit einem lauten Knall auf dem Autodach. Das Auto kam ins schlingern. Ben versuchte das Auto zu kontrollieren schaffte es aber nicht. Wir rasten direkt in einen Baum. Ich schlug hart mit dem Kopf irgendwo gegen. Ich hörte Ben immer wieder nach mir rufen. Langsam kam ich wieder zu mir. Er versuchte sich gerade aus dem Auto zu befreien, als plötzlich meine Tür aufgerissen wurde und drei Männer mit rot glühenden Augen mich anstarrten. Sie zogen mich aus dem Auto. Hinter mir explodierte das Auto, wie in einem dieser Actionfilme. Ben saß da noch drin, da war ich mir sicher. Ich konnte nur noch schreien und Tränen rannen mir unaufhörlich über die Wangen. Einer der Vampire warf mich über seine Schulter und ging mit mir weg. Ich versuchte mich zu wehren, aber es war nutzlos. Ich konnte nur zu diesem brennenden Autofrack sehen und um Ben weinen.
Ben schüttelte mich immer wieder und redete beruhigend auf mich ein, bis ich wach wurde. Ich hatte wohl im Schlaf angefangen zu weinen, denn Bens Brust war ganz feucht. Als er merkte, dass ich wach war zog er mich in seine Arme und strich mir immer wieder über den Kopf. „Alles wird gut, das war doch nur ein Traum. Ganz ruhig.“ Ich war mir nicht so sicher, ob es wirklich ein Traum war. Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, fragte mich Ben „Was hast du denn geträumt?“ Ich erzählte ihm alles. Nachdem ich ihm alles erzählt hatte war er auch nicht mehr davon überzeugt, dass ich wirklich nur geträumt hatte.
Mein Gefühl sagte mir auch, dass ich diese Warnung ernst nehmen sollte. „Versprich mir, dass wir unter gar keinen Umständen in der Nacht mit dem Auto unterwegs sein werden. Ich will nicht, dass dir etwas passiert.“ Ich sah Ben flehend an. Er schüttelte nur den Kopf. „Sam, mir würde nichts passieren. Okay, ob ich die Explosion überleben würde weiß ich nicht genau. Aber es ist viel schlimmer, was mit dir passiert. Diese Vampire würden dich bestimmt nicht einfach so retten, sie würden dich zu ihrem Anführer bringen, der dich dann, wenn du Glück hast, tötet. Also mach dir mal nur Sorgen um dich.“ Mir kamen wieder die Tränen. Er nahm mich nicht ernst. Wenn er sterben sollte, war es mir egal, was sie mit mir machen würden. An Schlaf war wohl nicht mehr zu denken. Zum Glück fing es schon langsam an zu dämmern. So standen wir auf und machten uns für den Tag fertig. Ich entschied mich ein ordentliches Frühstück zu kochen, dass würde mich wenigstens ablenken und auch beruhigen.
7.Kapitel
Die nächsten zwei Wochen lief alles nach dem gleichen Schema ab. Ich arbeitete bis um fünf. Dann fuhr ich mit Ben zurück zu seinem Haus. Mittlerweile war dieses so etwas wie mein eigenes zu Hause. Melinda erwartete uns immer schon und wir gingen gleich hinaus in den Garten um zu trainieren. Seit meiner ersten Trainingsstunde habe ich eine Menge gelernt.
Ich beherrschte die Elemente perfekt. Bisher haben wir immer nur im kleinen Rahmen trainiert, aber ich war mir sicher, im Notfall eine richtige Katastrophe heraufbeschwören zu können. Ich konnte Dinge und Personen an andere Orte teleportieren. Auch über weite Entfernungen hinweg. Meine seherischen Fähigkeiten hatten wir auch trainiert, aber mit mäßigem Erfolg. Ich konnte nur wenige Stunden in die Zukunft sehen.
Aber in meinen Träumen sah ich immer das Gleiche. Den lauten Aufprall, den Baum und die Explosion. Langsam gewöhnte ich mich daran jede Nacht durch diesen Traum geweckt zu werden.
Eine weitere Spielerei, die Melinda mir beibrachte war das Gedankenlesen. Ich hatte entdeckt, dass ich auch anderen meine Gedanken mitteilen konnte. So hatte ich Ben durch Zufall den Gedanken mitgeteilt, dass ich mit meinen 21 Jahren immer noch Jungfrau war. Ob er aus diesem Grund bisher keinen Annäherungsversuch unternommen hatte weiß ich nicht. Bisher hatte ich noch nie Bens Gedanken gelesen, da ich es falsch finde die Gedanken von Menschen zu lesen, die nicht wissen was ich da tue. Es hat eigentlich viel Ähnlichkeit damit die Post von jemand Fremden zu lesen, das gehörte sich auch nicht und viel unter das Briefgeheimnis. Wenn die anderen Menschen wüssten, dass einige unter ihnen sind, die ihre Gedanken lesen können, dann würden sie bestimmt auch dafür ein Gesetz erheben.
Weiterhin hatte Melinda mir die Beschwörung von Tieren erklärt. Sie selbst konnte es nicht, aber mächtige Zauberer konnten so etwas offensichtlich, das hatte sie in einem der wenigen Bücher gelesen, die über Zauberer existieren. Mir viel es leicht die Tiere dazu zu überreden etwas für mich zu tun, aber ich zwang sie nie dazu. Melinda versucht bisher noch Ben dazu zu überreden sich in seiner Wolfsgestalt als Versuchskaninchen zur Verfügung zu stellen. Bei Melinda gelang es mir nicht, da sie ja wusste wenn ich sie überreden wollte und sich schlicht weg weigerte eine Rolle auf dem Rasen zu machen. Einmal hat sie mir gesagt ich solle sie dazu zwingen ein Glas Wasser zu trinken. Ich schaffte es sie zu zwingen, auch wenn ich es nicht gerne tat.
Melinda ging meist gegen acht wieder. Ben hatte in der Zwischenzeit für unser Abendessen gesorgt. Er bestellte einfach etwas. An manchen Abenden, wenn ich dieses Fast Food nicht mehr sehen konnte bereitete ich uns eine Kleinigkeit zu. Danach sahen wir noch etwas fern oder unterhielten uns. Bisher hatte er meine Bitte, ab dem Zeitpunkt der Dämmerung in kein Auto zu steigen erfüllt, wie lange er noch diese Bitte erfüllte stand in den Sternen.
Jede Nacht schlief ich in Bens T-Shirt in seinen Armen ein und jede Nacht tröstete er mich, wenn ich wieder durch meinen Alptraum aufwachte. Die schönsten Stunden des Tages waren, die vor dem Einschlafen und die direkt nach dem Aufwachen. Auch wenn das etwas makaber klingt. Ihm so nah zu sein, war schön. Ich vertraute ihm mittlerweile blind. Ich würde behaupten, mich zum ersten Mal in meinem Leben behütet zu fühlen, ja fast sicher. Wenn da nur nicht diese Vampire wären.
In einer Nacht klingelte überraschend das Telefon. Mein Alptraum hatte gerade erst begonnen, wir waren noch nicht vor dem Baum gelandet, als ich aufwachte. Am anderen Ende der Leitung war Jack. Er hatte Besuch bekommen und wir sollten sofort zu ihm kommen. Ben war sofort außer sich vor Sorge. Mein Gefühl sagte mir, dass mein Traum sich heute Nacht bewahrheiten würde. Ich versuchte ihn davon zu überzeugen, dass es heute passieren würde. Aber in seiner Sorge nahm er mich nicht ernst. Er stieg ins Auto. Gerade noch so konnte ich einsteigen bevor er losfuhr. Wir fuhren aus dem Tor und auf einer Hauptstraße durch den schlafenden Ort.
Als wir auf die Landstraße kamen begann dieses Ungute Gefühl sich zu verstärken. Ich bereitete mich darauf vor uns beide hier hinaus zu teleportieren, bevor wir am Baum landeten. Ich sammelte all meine magischen Kräfte und lauerte auf jedes noch so kleine Geräusch. Dann kam auch schon der Aufprall auf dem Dach. Das Auto schlingerte und alles ging so schnell, dass ich uns nicht teleportieren konnte. Mir wurde von dem Schlag an den Kopf schwindelig und meine Konzentration war dahin. Mit ruhigen Atemzügen schaffte ich es mich wieder zu konzentrieren. Da hörte ich auch schon Ben nach mir rufen. Ich wusste was als nächstes passieren würde. Mit aller Kraft die ich aufbringen konnte schaffte ich es uns in dem Moment, indem die Tür aufgerissen wurde, uns zu Jacks Hütte zu teleportieren. Wir standen auf seiner Türschwelle, oder besser gesagt er saß und ich lag davor. Mit letzter Kraft schaffte ich es anzuklopfen, dann wurde es schwarz um mich herum.
Mit einem riesigen Schrecken fuhr ich aus meiner Ohnmacht hoch. Ich sah mich panisch um. Erkennen, wo ich war, konnte ich nicht. Es war hell in dem Zimmer. Es war ein Schlafzimmer. Die Wände waren in einem dezenten Gelb gestrichen. Das Bett auf dem ich lag war wirklich bequem. Es befand sich nur eine Tür in dem Zimmer. Die Möbel waren alle sehr modern. Langsam stand ich vom Bett auf. Mir tat merkwürdiger weise nichts weh. Wir hatten doch in der letzten Nacht diesen Autounfall. Warum hatte ich dann nicht wenigstens eine Beule am Kopf und fürchterliche Kopfschmerzen? Es drehte sich auch nichts als ich aufstand. Ich sah an mir herunter und bemerkte, dass ich ein Nachthemd aus Seide trug. Im Kleiderschrank fand ich nichts außer einem Morgenmantel, den ich überzog. Als ich die Tür öffnen wollte wurde diese von Jack geöffnet. Er strahlte mich an. „Du bist ja endlich aufgewacht. Wir haben uns schon Sorgen gemacht, dass die Heilkünste von Richard versagt hatten und nur noch größeren Schaden angerichtet hatten.“
Was machte Jack hier? Wer genau war wir? Er und dieser Richard? Wie ging es Ben? Und wer zum Teufel noch mal ist dieser Richard eigentlich? So viele Fragen und welche stelle ich ihm zuerst? Ah ich weiß. „Wo bin ich und wie bin ich hier hin gekommen?“ Jack lachte über meinen verwirrten Gesichtsausdruck und nahm einfach meine Hand und sagte „Komm, wir erklären dir alles bei einem Frühstück. Ben wird so froh sein, dich endlich wach zu sehen. Ich konnte ihn nie von deiner Seite losreißen, bis eben. Nur mit dem Versprechen alle zehn Minuten nach dir zu sehen ließ er sich überreden. Er macht sich schreckliche Vorwürfe, weil er nicht auf dich gehört hat. Aber das soll er dir selber erklären.“
In der Zwischenzeit waren wir in einem Esszimmer angekommen. Am gedeckten Tisch saßen Ben, Melinda und ein Mann, den ich nicht kannte, vermutlich dieser Richard. Ben sprang gleich auf und viel mir um den Hals. Nachdem er mich fast erdrückt hatte küsste er mich erleichtert. Ihm war zum Glück nichts weiter passiert, auf jeden Fall konnte ich keine Verletzungen entdecken. Als er sich von mir löste und sich mit einem entschuldigendem lächeln dem Tisch zu wandte bemerkte ich den neugierigen Blick von diesem Richard. Ein leichter Druck an meinen Schläfen sagte mir, dass jemand versuchte meine Gedanken zu lesen. Böse schaute ich zu Melinda und meckerte sie an. „Lass das. Du weißt doch genau, wie ich über unerlaubtes Gedankenlesen denke und dass ich es immer merke, wenn du es versuchst. Also spar dir die Kräfte und frag einfach was du wissen willst.“ Sie sah mich unschuldig an. „Ich habe doch gar nicht versucht deine Gedanken zu lesen. Das war dann wohl dein Vater.“ Sie schlug sich die Hände vor den Mund und sah erschrocken zu mir und dann zu diesem anderen Mann.
Was hatte sie da gerade gesagt? Mein Vater? Ungläubig sah ich zu meinem vermutlichen Vater. Ben war der erste, der das Schweigen brach. „Setz dich erst einmal. Wir erklären dir alles der Reihe nach.“ Ich ließ mich auf den Stuhl fallen, auf den Ben zeigte. Der Schock hatte noch nicht ganz nachgelassen. Ich beschloss zuerst einen Kaffee zu trinken und dann mir alles erklären zu lassen. Diesen Gedanken teilte ich allen mit. Jack und dieser Richard zuckten kurz zusammen. Ich hatte sie wohl überrascht. Ben hatte mir schon eine Tasse gefüllt und genau die richtige Menge Milch und Zucker hinzugefügt. Ich trank die Tasse nachdenklich leer. Langsam kamen meine Gedanken im hier und jetzt an. Als ich die Tasse absetzte fing ich mit den Fragen an.
„Sie sind dieser Richard, den Jack eben erwähnt hat. Aber mein Vater hieß nicht Richard. Mein Vater hieß oder vielleicht auch heißt …“ Der angesprochene fiel mir ins Wort. „ Jeffrey Brown. So nannte ich mich damals. Ich musste ständig meinen Namen ändern, um nicht entdeckt zu werden oder aufzufallen. Aber ich bin dein Vater. Wenn ich eine andere Möglichkeit gehabt hätte, hätte ich dich und deine Mom nie verlassen. Auch wenn du mir nicht glaubst, ich habe, und tue es noch immer, euch beide mehr als mein Leben geliebt. Ich konnte euch jedoch nur retten, indem ich euch verließ. Ganz verschwunden war ich aber nie. Mehrmals im Monat habe ich heimlich nach euch gesehen. Es tat so unglaublich weh euch so leiden zu sehen. Deine Mom konnte meinen Weggang einfach nicht verarbeiten und du hast mich ebenfalls so schrecklich vermisst. Bei jedem heimlichen Besuch bei euch ist ein weiterer kleiner Teil meines Herzens gestorben. Aber als ich nicht da war um deine Mutter zu beschützen, da ist mein Herz einfach implodiert. Einfach in sich zusammengefallen und im nichts Verschwunden. Einen kleinen Teil konnte ich retten und dieser Teil wird von meiner Liebe zu dir beherrscht.“
Diese Erklärung war wirklich schwer zu verstehen. Ich war wohl zu geschockt. Er war nie wirklich weg. Ich konnte ihn zwar nie sehen, aber er hat versucht so gut wie möglich auf mich aufzupassen. Ich war mir sicher, dass er die Wahrheit sagte, das sagte mir mein Bauchgefühl, welches mich bisher immer vor den Vampiren gewarnt hatte. Die Tränen konnte ich nicht mehr unterdrücken. Sie liefen einfach unaufhörlich über meine Wangen. Richard stand auf und trat zögernd auf mich zu. Er wollte mich wohl trösten, wusste aber nicht wie ich darauf reagieren würde. Ich sprang einfach auf und warf mich in die Arme meines Vaters. Ihm liefen mittlerweile auch die Tränen nur so runter. Ich spürte, wie sie auf meinem Hinterkopf tropften.
Dieser Geruch, der von ihm ausging beruhigte mich. Ich erinnerte mich an Träume, in denen ich diesen Geruch immer bemerkt hatte. „Ich habe manchmal von dir geträumt. Ich erinnere mich an deinen Geruch.“ brachte ich zwischen zwei Schluchzern hervor. Er verzog sein Gesicht zu einem Lächeln. Ich sah ihn mir nun genauer an. Er sah aus wie dreißig. Seine Haare waren schwarz und in einem ordentlichen Haarschnitt gebändigt. Seine veilchenblauen Augen waren die gleichen wie meine. Ich hatte ziemlich viel von ihm, wie mir jetzt auffiel. Seine Nase und seinen Mund hatte ich wohl geerbt. Mein Gesicht war wohl einfach die weibliche Version von seinem. Es fiel mir schwer ihn loszulassen, aber ich hatte noch soviel Fragen an ihn und die anderen. Er schien meinen Zwiespalt zu spüren, denn er sagte „Jetzt frühstücken wir erst alle und dann kannst du alle Fragen stellen, die in deinem hübschen Kopf umherschwirren.“ Ich nickte und wir aßen.
Nachdem Frühstück gingen wir in sein Wohnzimmer hinüber. Dort standen zwei Sofas in einem Winkel vor einem Kamin, dort ließen wir uns nieder. Ben saß links von mir und mein Vater rechts von mir. Ich erzählte, woran ich mich noch erinnerte. „Ich weiß noch, wie du, Jack, angerufen hast. Ben habe ich versucht davon zu überzeugen, dass ich uns teleportieren sollte. Auf dem Weg im Wald passierte dann genau das, was ich geträumt hatte. Etwas fiel aufs Auto und wir knallten gegen einen Baum. Bevor jedoch die drei Vampire mich aus dem Wagen zerren konnten und er explodieren würde, schaffte ich es uns zur Hütte zu teleportieren. Dann wurde alles schwarz. Was ist dann passiert?“ Fragend sah ich zu Jack hinüber. Der sah zu meinem Vater und forderte ihn stumm dazu auf zu erzählen. „Wir hörten ein zaghaftes Klopfen und öffneten die Tür, da lagst du auf dem Boden und warst blutüberströmt. Ben saß benommen auf der Türschwelle. Ihr wart beide nicht wirklich ansprechbar. Ich fühlte, wie einige Vampire sich uns nährten. Das ist eine der Fähigkeiten, die ich in den letzten Jahrzehnten verfeinert hatte. So habe ich uns alle hierhin in mein Zuhause gebracht. Jack hatte Melinda gewarnt, da er befürchtete dass die Vampire auch bei ihr auftauchen könnten. Er sagte ihr wo wir alle waren und sie im Fall einer Gefahr auch hierhin kommen sollte. Etwa eine Viertelstunde später stand sie hier im Wohnzimmer. Gemeinsam mit Melinda gelang es mir deine Wunden zu heilen. Meine Kräfte reichten nämlich nicht ganz dafür aus. Ben heilte ja von alleine. Als du aber nach zehn Stunden immer noch bewusstlos warst machte ich mir wirklich schon große Sorgen. Das war glaube ich alles.“ Ich dachte noch einen Augenblick darüber nach, was ich alles gehört hatte.
In meine Gedanken hinein sagte Ben „Es tut mir so leid, wenn ich auf dich gehört hätte wäre all das nicht passiert. Aber ich wollte einfach nicht daran glauben, dass dein Traum Wirklichkeit werden könnte. Nie wieder werde ich zweifeln, wenn du etwas träumst. Fast hätte ich dich verloren und das nur, weil ich nicht hören wollte. Wie hast du es eigentlich geschafft uns, in deinem Zustand, da weg zu bekommen?“ „Ganz einfach, ich wusste, wenn ich es nicht schaffe werde ich zu diesen Vampiren gebracht und sehr wahrscheinlich gefoltert aber viel motivierender war das Wissen, dass du sterben würdest wenn ich es nicht schaffe. Da ich damit rechnete, dass es passieren würde war ich vorbereitet. Mein Plan war es eigentlich, uns vor dem Zusammenstoss mit dem Baum daraus zu holen, aber es ging alles zu schnell. Nachdem ich mich einigermaßen wieder konzentrieren konnte sammelte ich all meine verbliebene Kraft um uns möglichst genau zu Jack zu bringen. Das hat offensichtlich gut funktioniert.“ Jetzt konnte ich mir ein erleichtertes grinsen nicht mehr verkneifen. Ich hatte es geschafft. Ben war gerettet und wir waren zumindest vorerst in Sicherheit. Mein Vater sog scharf die Luft ein. „Kein Wunder, dass deine Heilung so lange dauerte. Deine Kraftreserven mussten erst einmal annähernd wieder gefüllt werden. Du musst dich in den nächsten drei Tagen noch schonen und viel essen und trinken. Sämtliche Energie, die du bekommen kannst brauchst du auch. Es herrscht für dich absolutes Zauberverbot, verstanden?“ Er sah mich streng an. So streng, wie ein Vater seine halbwüchsige Tochter ansieht, wenn sie zum ersten Mal mit einem Jungen ausgehen wollte. Ich konnte nicht anders, ich musste einfach lächeln. „Ja, Dad, ich werde es versprechen und keine Dummheiten machen.“
Er sah mich so überrascht an, ich wusste gar nicht was los war. Ein überglückliches Lachen breitete sich auf seinem gesamten Gesicht aus. „Du hast mich Dad genannt. Das habe ich seit über achtzehn Jahren nicht mehr gehört.“ Schon war ich wieder an der Brust meines Vaters gedrückt. Ich keuchte einmal. Er schien nicht zu bemerken, dass er mir die Luft zum atmen nahm. „Keine Luft!“ krächzte ich und er ließ mich augenblicklich los. Den Rest des Tages konnte man dieses Strahlen auf seinem Gesicht sehen.
8. Kapitel
So gegen halb drei hatten Ben und ich endlich einmal ein wenig Zeit für uns allein. Er zog mich in die Bibliothek meines Vaters. Ich war mir sicher, dass dies mein absoluter Lieblingsraum hier sein wird. Der Geruch der vielen Bücher wirkte auf mich beruhigend. Kann sein, dass auch Bens Nähe dabei eine Rolle spielte. Aber die von Regalen bedeckten Wände waren einfach wunderschön. Die Bücher waren nach Themengebieten geordnet und innerhalb eines Themengebiets nach Autorennachnamen. Dem Impuls mich umzusehen konnte ich nicht widerstehen. So schlenderte ich an den Regalen entlang. Ich sah mir die vielen Themengebiete an. Sie reichten von modernen Krimiromanen zu altertümlichen Werken der Zauberkunst. Ich strich über die alten Buchrücken und zog ein Buch hervor, welches sich mit den verschiedenen Arten der mystischen Wesen beschäftigte. Mit diesem schweren Buch ging ich vorsichtig zu einem der Lesesessel, die vor dem Kamin standen. Ben war für einen Moment total vergessen. Jetzt fehlten nur noch das prasselnde Feuer im Kamin und ein Brandyschwenker, der auf einem kleinen Tischchen neben mir stand. Und die Atmosphäre eines perfekten Abends im 18. Jahrhundert wäre perfekt, natürlich nur wenn ich ein Mann wäre. Für eine Frau wäre eine Stickarbeit vermutlich passender gewesen. Meine kleine Fantasie verscheuchend blickte ich strahlend zu Ben. „Endlich sind wir einmal allein. Wie geht es dir? Sind alle Verletzungen verheilt?“
Er zog mich aus dem Sessel und ließ sich selbst darin fallen. Dann zog er mich auf seinen Schoß und nahm mir das Buch ab. Er legte es auf das kleine Tischchen neben uns und zog mich fest an seine Brust. „Du machst dir Sorgen um mich. Dabei ist mir nichts Schlimmes passiert. Weißt du eigentlich, welch große Angst ich um dich hatte? Nicht nur in dem Auto, sondern auch als du in diesem Bett lagst und dich einen ganzen Tag lang nicht gerührt hast. Ich hätte auf dich hören sollen.“ Nicht schon wieder. Ich atmete einmal tief durch und nahm dann sein Gesicht in beide Hände, damit er mir genau zuhörte. „Ich weiß, du machst dir Vorwürfe. Aber ich bin der Überzeugung, dass die Situationen in meinen Träumen immer eintreten werden. Dagegen kann man sich nicht wehren. Nenn es Schicksal, wenn du meinst. Ich kann lediglich durch meine Träume den Ausgang dieser Situationen verändern. Das erste Mal hatte ich keine Ahnung wie ich sie ändern sollte. Da wusste ich noch nicht, dass ich es kann. Alles passierte genau wie in meinem Traum. Zum Glück war der Ausgang dieses Traums für mich ungewiss. Ich sah nicht, dass du mich retten würdest. Ich wusste nur, dass du da sein würdest. Gestern, oder vielleicht war es auch vorgestern Nacht, wusste ich was mich erwartet und ich hatte einen Plan wie ich ein alternatives Ende herbeiführen konnte. Also hör auf dir Gedanken zu machen. Wenn wir nicht in dieser Nacht gefahren wären, dann vielleicht in einer anderen Nacht, in der ich nicht so gut vorbereitet gewesen wäre. Okay?“
Er hatte immer noch tiefe Sorgenfalten auf der Stirn. Ich strich ihm diese glatt und küsste ihn zaghaft auf die Lippen. Es war der erste Kuss, der allein von mir ausging. Ben reagierte mit seiner gesamten Leidenschaft. Er schlang die Arme fest um mich und vertiefte unseren Kuss. Langsam ließ er seine Hände meinen Rücken hinunter gleiten und umfasste meine Hüften um mich noch näher zu ihm zu ziehen. Hinter uns hörte ich wie die Tür aufgemacht wurde und jemand überrascht einatmete. Mein Vater entschuldigte sich hastig und verließ so schnell wie er gekommen war auch wieder den Raum. Ich musste leicht lächeln. Ich lehnt meine Stirn an Bens und übermittelte ihm meine Gedanken. ‚Lass uns da heute Abend weiter machen.’ „Liebend gern. Aber warum nicht jetzt?“ „Ganz einfach. Alle in diesem Haus sind wach und mindestens dein Urgroßvater könnte uns unbeabsichtigt hören. Außerdem würde ich mich freuen, wenn wir das in ein Bett verlegen könnten. Wenigstens beim ersten Mal.“ Er lächelte mich strahlend an und konnte einfach nicht anders als mich noch einmal zu küssen. „Okay, dieses eine Mal höre ich auf dich.“ Ich stand von seinem Schoß auf und verließ die Bibliothek um meinen Vater zu suchen.
Ich fand ihn im Salon. Er saß mit Jack auf einem Sofa und unterhielt sich über alte Zeiten. Als er mich bemerkte lief er rot an. Das war wirklich niedlich. Mein Vater schämt sich, weil er mich in dieser Situation überrascht hatte. „Hey Dad, was wolltest du denn eben in der Bibliothek?“ Unbehaglich strich er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich wollte mit dir ein wenig über deine Herkunft sprechen. Ich dachte, du hättest vielleicht Fragen, die bisher nicht beantwortet wurden.“ Darüber war ich begeistert. Ich hatte tatsächlich eine Menge Fragen. „Wollen wir uns hier unterhalten oder wollen wir vielleicht ein wenig in den Garten gehen?“ Er stimmte zu und wir gingen in den Garten.
Der Garten war wohl eher ein kleiner Park. Jetzt sah ich auch zum ersten Mal das Haus von Außen. Es war ein wirklich riesiges Haus, oder wie ich es nennen würde Anwesen. Die weiße Fassade des Hauses strahlte in der Nachmittagssonne. Die vielen Fenster glitzerten in der Sonne und eine Terrasse lud zum Sonnenbaden ein. Ein kleiner Kiesweg führte uns in einen abgetrennten Bereich des Gartens. „Dies ist ein kleines Labyrinth und in der Mitte findet sich ein wunderschöner Rosengarten mit einer Bank. Sollen wir uns da unterhalten?“ Das wollte ich unbedingt sehen und zog meinen Vater in das Labyrinth. Als wir nach vielen Irrwegen in Zentrum ankamen überwältigte mich der Geruch der Rosen.
Wir ließen uns auf den Bank nieder und mein Vater begann zu erzählen. „In der Zeit, in der die Prophezeiung verfasst wurde, war ich noch sehr jung. Ich hatte gerade meine Lehre bei einem der bekanntesten Zauberer der damaligen Zeit absolviert, als die ersten Vampirangriffe stattfanden. Mir gelang es mithilfe eines Zaubers, der meine wahre Identität verschlüsselte zu entfliehen. Ich hatte es nur ganz knapp geschafft. Meinem Meister ist dies nicht geglückt. Er starb an jenem Tag. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nichts von dieser Prophezeiung gehört. Erst ein Werwolf, bei dem ich Unterschlupf fand, erzählte mir davon. Meine Tarnung konnte ich viele Jahrhunderte aufrecht erhalten. Es waren traurige Jahre. Ich blieb die meiste Zeit allein mit meinen Büchern. Für andere wäre es zu gefährlich mir nahe zu sein. Doch dann an einem Dienstagabend hielt ich wieder einmal die selbstauferlegte Einsamkeit nicht länger aus. Ich beschloss in ein Cafe zu gehen und dort zu lesen. Allein die Illusion nicht allein zu sein half mir. Dann setzte sich diese wunderschöne blonde Frau zu mir an den Tisch. Sie fragte gar nicht erst ob sie sich setzen dürfe, sie tat es einfach. Wir kamen langsam ins Gespräch. Sie fragte mich nach dem Buch, welches ich las. Ich hatte mich auf den ersten Blick unwiderruflich in sie verliebt. Wir trafen uns in den folgenden Monaten immer öfter. Eines Abends gestand sie mir, dass sie sich in mich verliebt hatte. In dem Moment war ich der glücklichste Mensch auf der Welt. Voll überschwang gestand ich ihr meine Gefühle und wir küssten uns zum ersten Mal. Ein halbes Jahr später wurde deine Mutter mit dir schwanger. Wir heirateten noch im gleichen Monat. Ich versuchte mich davon zu überzeugen, dass die Vampire mich schon nicht finden werden.“ Hier unterbrach ich meinen Vater. „Hast du in dem Moment daran gedacht, dass die Prophezeiung durch mich erfüllt werden würde?“ „Nein, nicht einen Moment hatte ich an diese Prophezeiung gedacht. Erst als ich deiner Mutter zweieinhalb Jahre nach deine Geburt gestehen wollte, was ich war viel mir die Prophezeiung ein. Ich entschloss mich deiner Mutter erst später etwas von meinem Dasein als Zauberer zu erzählen. Doch leider konnte ich das nicht mehr. Eines Abends, auf dem Rückweg von meiner Arbeit, lief ich mehreren Vampiren über den Weg. Sie sogen aufgeregt die Luft um sie herum ein. Sie hatten mich gewittert. Somit wussten sie auch, was ich war. Mein sechster Sinn hatte mich gerettet. Dadurch wurde ich gezwungen sofort zu verschwinden. Meine Fährte führte sie in eine andere Stadt und von dort teleportierte ich mich nach England um dort unterzutauchen. Jetzt weißt du genau warum ich euch verlassen musste.“ Traurig sah ich ihm in die Augen. „Dad, ich verstehe es doch. Genau das Gleiche musste ich auch machen, als diese Vampirfrau mich angriff. Ich habe dir schon längst verziehen, auch wenn es eigentlich nichts zu verzeihen gibt. Du hast ja noch regelmäßig nach uns gesehen.“ Er zog mich glücklich in seine Arme.
„Ich habe versucht mindestens einmal in der Woche nach dir und deiner Mutter zu sehen. Es war so schwer mit ansehen zu müssen, wie die Männer in unserem Ehebett lagen. In jeder Nacht, in der ich dich Besuchte, legte ich mich für eine Zeit lang zu dir nur um dir beim Schlafen zuzusehen. Es fiel mir so schwer dir nicht über deinen kleinen Kopf zu streicheln um dich wissen zu lassen, dass ich da war.“ Dad hatte wieder Tränen in den Augen. Es zerriss mir das Herz, dass er das alles durchmachen musste und alles nur wegen so einer dämlichen Prophezeiung. Ich lehnte mich an ihn und sagte ihm „Ich habe in manchen Nächten von dir geträumt. Immer im Zusammenhang mit deinem Geruch. In diesen Träumen war ich glücklich. Jetzt weiß ich, dass du dann tatsächlich bei mir warst.“ Eine Zeitlang saßen wir schweigend, einander im Arm haltend, auf dieser Bank und genossen die Ruhe und die Nähe zueinander. Mein Vater hatte mich genauso vermisst wie ich ihn.
„Kannst du mir erzählen, was typisch für Zauberer ist. Ich weiß dass Vampire bei Sonnenaufgang in einen Schlaf fallen und Werwölfe sind alle sehr groß in ihrer menschlichen Gestalt. Gibt es bei uns auch so etwas?“ Er schien einen Moment lang nachzudenken. „Ich weiß nicht ob es deine Frage beantwortet, aber jeder Zauberer kann eins der Elemente beherrschen. Ich kann zum Beispiel den Wind beschwören. Wir haben eine größere Macht als die Hexen, so können wir andere manipulieren, Illusionen erschaffen und die Erinnerungen von anderen beeinflussen. Aber ich habe noch nie gehört, dass ein Zauberer seine Gedanken anderen mitteilen konnte oder bemerkte, wenn man versucht seine Gedanken zu lesen. So gesehen bist du außergewöhnlich.“ Tja, wohl nicht nur das ist an mir außergewöhnlich. „Ähm, Dad, ich … ich habe mit Melinda ja meine Zauberkräfte trainiert, das weißt du ja.“ Er nickte zustimmend schien aber nicht zu erahnen worauf ich hinaus wollte. „Sie hat dir wohl nicht erzählt, was wir trainiert haben, oder?“ „Nein, meine Kleine, das hat sie nicht. Aber ich hatte auch nicht danach gefragt. Ich weiß, dass du teleportieren kannst.“ ‚Meine Kleine’ das gefiel mir. „Nun ja, wir haben trainiert die Elemente zu beherrschen und ich konnte alle beherrschen. Feuer, Wasser, Erde und Luft. Ich kann auch Tieren und Menschen zwingen etwas zu tun, auch wenn ich sie lieber darum bitte. Aber das mit den Illusionen und den Erinnerungen haben wir noch nie ausprobiert. Könntest du es mir in den nächsten Tagen beibringen?“ Jetzt hatte ich meinen Vater verblüfft. Er war mehrer Minuten lang sprachlos.
„Du beherrscht bereits die Manipulation von Tieren und Menschen? Und du kannst wirklich alle vier Elemente beschwören? Das kannst du doch nicht alles innerhalb von so wenigen Wochen gelernt haben. Selbst außerordentlich begabte Zauberer können dies alles erst nach vielen Jahren des Übens. Kein Wunder, dass die Vampire Angst vor dir haben.“ Das machte mich verlegen. Ich sollte den Vampiren Angst einjagen? Ich glaube eher, es ist die Prophezeiung die sie ängstigt. „Wenn du deine gesamte Kraft wieder hast kannst du mir das ja vielleicht alles Mal zeigen. Aber bitte zaubere in den nächsten drei Tagen nicht. Ich weiß nicht, ob es sonst Auswirkungen auf deine Kräfte hätte oder womöglich sogar auf deine Gesundheit.“ Ich versprach es ihm, als mir etwas einfiel.
„Wenn du schon über zweihundert Jahre alt bist, wieso bist du dann nicht mehr gealtert seit dem du dreißig bist?“ Er fing an zu lachen. Sein Lachen hallte bestimmt bis zum Haus. „Normalerweise altern wir nicht mehr ab einem Alter von 21. Aber durch die vielen Jahre des Versteckens und des nicht Anwendens meiner Kräfte bin ich, wenn auch sehr sehr langsam gealtert. Aber seit ich wieder regelmäßig meine Kräfte trainiere altere ich auch nicht mehr.“ Das heißt dann wohl, dass ich auch nicht mehr älter werde. Ich werde nie Falten bekommen und was am besten ist. Ich werde nie Ben verlassen müssen, da er ebenso unsterblich ist wie ich, es sei denn er gibt die Unsterblichkeit auf. Wir würden für immer zusammen bleiben können. Mein Vater erzählte mir an diesem Nachmittag noch einige Geschichten von berühmten Zauberern und ihren Fähigkeiten.
9. Kapitel
Nach einem gemeinsamen Abendessen mit meinem Vater, Jack und Melinda gingen Ben und ich noch einwenig in diesem wunderbaren parkähnlichen Garten spazieren. Ich zeigte ihm auch den Weg durch das Labyrinth in den wunderschönen und romantischen Rosengarten. Wir setzten uns auf die Bank und ich schmiegte mich gleich an Ben. Wir sahen uns den Sternenhimmel an und Ben zeigte mir einige Sternenbilder. Immer wenn ich von so einem Abend in einem Roman gelesen hatte fand ich es übertrieben kitschig. Aber ich musste gestehen, Kitsch gefiel mir sehr gut. Ja, es war wirklich kitschig, wie ich mich unter einem Sternenhimmel in einem himmlisch duftenden Rosengarten von Ben küssen ließ, aber es war auch einer der schönsten Momente in meinem Leben. Gegen Mitternacht zog mich Ben entschlossen wieder in Richtung Haus. „Du hattest mir heute Nachmittag in der Bibliothek etwas versprochen.“ Ich wurde leicht verlegen. Ben schien es zu bemerken und musste sich ein Lachen verkneifen. Mist, ich hatte vergessen, dass er ein Werwolf war und deswegen im Dunkeln viel besser sehen konnte als ich.
„Hey, das ist doch kein Grund sich zu schämen. Viel eher sollte ich mich schämen, weil ich mir den ganzen Nachmittag lang ausgemalt habe, wie du ohne deine Kleider wohl aussehen magst.“ Das war dann ein wenig zu viel des Guten, ich wurde knallrot. Ich war mir sicher wie ein Feuermelder zu leuchten. Jetzt konnte er sein Lachen nicht mehr unterdrücken. Er lachte herzhaft über mich. Das machte mich wirklich wütend. Immerhin wusste er, dass ich so etwas noch nie gemacht hatte. Meine Empörung, wie er mich einfach auslachen konnte wuchs. Jetzt zog ich zum allerersten Mal in meinem Leben einen beleidigten Schmollmund, dass brachte ihn erst so richtig aus der Fassung.
Ich stapfte zutiefst beleidigt ins Haus. Kurz vor meiner Zimmertür wurde ich von zwei starken Armen umschlungen. Ben zog mich an sich und hauchte mir ins Ohr „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht auslachen. Aber du siehst so süß aus, wenn du dich schämst. Aber am besten hat mir dein Schmollmund gefallen. Als ich den sah, wollte ich sofort deinen Ärger weg küssen. Bitte, verzeih mir ungehobeltem Klotz.“ Es ist echt schwer jemandem weiterhin böse zu sein, wenn er an deinem Nacken knabbert. Das war echt gemein. Ich seufzte einmal und drehte mich dann zu ihm um. „Na gut, ich verzeihe dir. Aber dafür musst du heute in meinem Bett schlafen.“
Zweimal ließ er sich das nicht sagen. Er hob mich schwungvoll auf seine Arme und trug mich die letzten Meter in mein Bett. Dort angekommen, ließ er mich vorsichtig auf das Bett gleiten. Ben legte sich sofort neben mich und küsste mich leidenschaftlich. Seine Hände strichen mir beinahe vorsichtig über mein Haar. Von dort ließ er die Hände zu meiner Hüfte sinken. Langsam fuhr seine Hand unter meine weiße Bluse. Seine Hände waren so angenehm warm auf meiner Haut. Er hatte wohl bemerkt, dass er die Bluse wohl doch erst aufknöpfen sollte, bevor er sie mir auszog. Einwenig rückte er von mir ab, um an die vielen kleinen Knöpfe zu kommen. Irgendwann war seine Geduld wohl einfach erschöpft, denn nach dem dritten geöffneten Knopf zog er einmal ruckartig an beiden Hälften und die restlichen Knöpfe sprangen in alle Richtungen davon. Den Aufprall der Knöpfe hörte ich schon nicht mehr, da Ben mich augenblicklich wieder an sich zog und mich küsste. So langsam wurde auch ich ungeduldig. Ich war schon immer der Meinung, dass gleiches Recht für alle gelten sollte. Langsam öffnete ich ihm mit geschickten Fingern, die leicht zitterten, die obersten zwei Knöpfe und zog es ihm dann einfach über den Kopf. Endlich konnte ich ihn Haut an Haut spüren.
Ben wich einige Zentimeter zurück um mich anzusehen. Bewundernd ließ er seinen Blick über mich schweifen. „Du bist noch viel schöner als ich es mir erträumt hatte. Deine Haut ist so weich und zart.“ Ich wünschte mir, dass wir beide endlich unsere Kleidung losgeworden waren. Ich spürte ein prickeln auf der Haut, als sich plötzlich keine störende Kleidung mehr zwischen uns befand. Einen Moment war ich verwirrt, wie konnte Ben so schnell den Rest unserer Kleidung loswerden. Dann ging mir ein Licht auf. Das war ich. Wenn auch nicht absichtlich. Ben blickte mir überrascht in die Augen. Er hatte es wohl auch gemerkt. „Du kannst es offensichtlich nicht mehr erwarten. Immer bist du so ungeduldig.“ Nach diesen Worten stürzte er sich gleich wieder auf meine Lippen und küsste mich noch leidenschaftlicher als zuvor. Soweit dies möglich war. Mein Denkvermögen setzte nun endgültig aus.
Erst viel später war ich wieder dazu in der Lage, wieder normal zu denken. Bis dahin war mein einziger Gedanke ‚WOW’. Ich lag in Bens Armen und ordnete meine Gedanken, als er mich fragte „Wie hast du eigentlich unsere Klamotten verschwinden lassen?“ Ich musste grinsen. „Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ich wünschte mir nur dich endlich ganz zu spüren ohne hindernde Kleidung und eine Sekunde später waren die Sachen weg.“ Wir schwiegen wieder einige Minuten und waren einfach glücklich. „Ach nee, jetzt habe ich ein Versprechen gebrochen.“ ärgerte ich mich. Ben schien erschrocken. „Welches Versprechen? Hattest du ein Keuschheitsversprechen gegeben und wolltest bis zur Hochzeitsnacht warten?“
Das schien er ernsthaft zu denken. Ich konnte nicht anders und lachte bis ich fast vom Bett fiel. „Nein, … ich hatte doch heute Morgen versprochen in den nächsten Tagen nicht zu zaubern. Tja, mein Unterbewusstsein hat sich nicht daran gehalten.“ Zuerst schien er erleichtert zu sein, doch dann fiel ihm ein „Ob das jetzt schlecht für deine Kräfte war, oder gar für deine Gesundheit? Wir müssen sofort Melinda fragen.“ Er war schon dabei aufzustehen. Geradeso konnte ich ihn noch zurück aufs Bett ziehen. Mir war klar, dass er sich ziehen ließ, sonst hätte ich keine Chance gehabt. „Es geht mir wunderbar, erst wenn du aufstehst geht es mir nicht mehr gut. Also lass uns einfach hier liegen bleiben. Ich ruh mich aus. Da wird schon nichts passiert sein. Warum sollte mir auch was passieren können, ich bin doch so mächtig, wie ihr immer betont.“ Seine Abwägungen konnte ich ihm vom Gesicht ablesen. Mir Ruhe zu gönnen schien ihn zu überzeugen. So ließ er sich wieder in die Kissen sinken und zog mich in seine Arme. „Gut dann ruh dich aus und schlaf ein wenig.“ Er küsste mich noch auf meine Stirn und dann war ich wirklich eingeschlafen.
Ich träumte von dem herrlichen Garten. Ich sah mich und Ben genau wie gestern auf den Wegen entlang schlendern. Ben verzog auf einmal das Gesicht. Es wirkte fast schmerzhaft. „Was ist denn los Ben?“ hörte ich mich sagen. Er zischte nur ein Wort. „Vampir!“ Ich bekam wirklich Angst, aber nicht um mich, sondern wie immer um Ben. Meinem Traumich schien es genauso zu ergehen. Ich sah mich die Augen schließen. Ben ging einige Schritte von mir weg um Platz für seine Verwandlung zu haben. So schnell, wie er sich verwandelt hatte konnte ich nicht gucken. Er sprang vor mich, um mich zu beschützen. Genauso, wie ich es machen würde. Mein Traumich beschrieb mit den Händen einen Kreis um sich herum. Ein helles Licht blendete mich für einen Augenblick und dann sah ich, wie Ben und ich von einer silbern glitzernden Hülle umgeben waren. Direkt vor dieser Kuppel tauchte eine einzelne Gestalt auf. Doch irgendetwas war anders an diesem Vampir. Ich kam nur nicht drauf was. Mein Traum endete abrupt und ich lag weinend in Bens Armen. Er hatte mich mal wieder aus einem Alptraum oder einer Alpvision befreit. Wieso kann ich nicht einfach mal eine angenehme Vision haben? Immer nur diese schrecklichen. Aber ich bin wieder einmal gewarnt. Doch einen Zeitpunkt kenne ich nicht. Obwohl es mir so vorkam, dass es bald geschieht. Das fühlte ich einfach. Ich erzählte Ben alles bis ins kleinste Detail. Nur meine Angst um ihn ließ ich aus. Erschöpft schlief ich kurze Zeit später wieder ein.
Am nächsten Morgen wurde ich von einem Sonnenstrahl geweckt, der mir auf dem Gesicht tanzte. Um mich herum herrschte eine angenehme wärme. Ich kuschelte mich noch einwenig mehr in sie hinein. Da bemerkte ich erst, dass es Ben war, der mich schützend im Schlaf umarmte. Langsam kamen meine Erinnerungen an die vergangene Nacht wieder hoch. Ein strahlendes Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Es ging mir einfach großartig, trotz dieses Traums. Ich war glücklich und auf eine merkwürdige Art auch erholt.
Ich sprühte nur so vor Energie. Also denke ich, dass meine Zauberabstinenz damit wohl vom Tisch war. Ich rekelte mich in Bens Armen und er schien auch langsam wach zu werden. Als ein noch verschlafener Ben anfing meinen Hals zu küssen konnte ich ein Lachen nicht mehr unterdrücken. Strahlend drehte ich mich zu ihm um. „Guten Morgen, Schlafmütze!“ Er wusste ja nicht, dass ich nur wenige Augenblicke vor ihm aufgewacht war. Nach einigen Küssen meldete sich mein Magen lautstark zu Wort. Ich hatte Hunger. Ben zog mich aus dem Bett und begutachtete mich erst einmal ausführlich. „Wenn ich jetzt jeden Morgen neben so einer Sirene aufwache, dann bin ich der glücklichste Werwolf der Welt.“ Ein wenig beschämt ging ich zum Kleiderschrank und zog eine bequeme Jeans und eine veilchenblaue Tunika aus dem Schrank.
Mit meinen Errungenschaften ging ich ins Bad. Zum Glück war Melinda für mich losgezogen und hatte mir Klamotten besorgt. Wir hatten ja alle keine Klamotten hier. Für Melinda war es ein großes Geschenk uns alle komplett neu einkleiden zu dürfen. Nachdem ich mich angezogen und meine Haare gebändigt hatte, gingen wir runter in die Küche. Dort wurden wir schon erwartet. Mein Vater sah mich immer noch besorgt an. So als ob ich jeden Augenblick einfach umfallen würde. Ich ging auf ihn zu nahm ihn in den Arm und stellte mich auf Zehenspitzen um ihn ins Ohr flüstern zu können. „Mir geht es wirklich gut. Ich bin wieder voller Energie, also hör auf dir Sorgen zu machen.“ Ben hatte alles mit angehört, sein Wolfsgehör. Wir setzten uns alle um zu frühstücken.
Als alle gegessen hatten, sagte Ben „Sam hatte heute Nacht wieder so einen Traum. Wie es aussieht, taucht hier ein Vampir auf um uns anzugreifen. Mir macht Sorgen, dass sie nur einen geschickt haben. Vielleicht war das nur ein Ablenkungsmanöver.“ Die anderen sogen erschrocken die Luft ein. Mein Vater schien der einzige zu sein, der ruhig blieb. „Wie sah der Vampir genau aus?“ Ich überlegte einen Augenblick und versuchte mir meinen Traum noch einmal vor Augenzuführen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Alle zischten auf einmal erschrocken. Ich riss die Augen auf und sah, dass sich eine Art Blase genau über dem Frühstückstisch gebildet hatte, in der mein Traum ablief. Nun gut, es war das Anfangsbild. Wieder hatte mein Unterbewusstsein Magie angewendet. Das Bild war stehen geblieben, als ich die Augen aufriss, deswegen konzentrierte ich mich auf den Rest. Als ich an die Stelle mit der silbrigen Hülle kam, erschraken wieder alle. Ich ließ mich nicht aus dem Konzept bringen und zeigte ihnen auch noch den Rest.
Mein Vater kam als erster wieder zu sich. „Wow! Anders kann man deine Macht nicht mehr beschreiben. Du kannst sogar magische Schutzschilde erschaffen.“ Sein ganzer Vaterstolz zeigte sich auf seinem Gesicht. „Ach, und um den Vampir braucht ihr euch keine Gedanken machen. Er ist ein Freund von mir. Ab und zu kommt er mich besuchen oder er warnt mich, wenn sie mir zu nahe kommen.“ Das verblüffte mich nun jetzt echt. Mein Vater war mit einem Vampir befreundet, wobei ihn alle anderen dieser Rasse töten wollen und nun vor allem mich.“ Mein Vater schien meine Skepsis zu erahnen. „Er tut uns wirklich nichts. Du musst wissen, dass einige Vampire sich von dieser Ausrottungssache distanziert hatten.
Sie werden seit dem von ihren eigenen Leuten verfolgt und getötet. Sie hoffen, dass die Prophezeiung nicht das Ende der Vampire bedeutet, sondern das Ende der ‚bösen Vampire’. Sie selbst leben seit Jahrhunderten von Tierblut und töten niemanden mehr. Die einzige Ausnahme machen sie, wenn sie angegriffen werden.“ Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Ich hatte mich doch gerade damit abgefunden, dass alle Vampire mich töten wollen und ich sie deswegen alle vernichten müsse.
Aber jetzt. Es gab Vampire, die gut waren. Sie töteten nicht. Einer von ihnen half sogar meinem Vater zu überleben. Hoffentlich konnte ich diese verschonen. Das war dann wohl mal wieder ein typisches Beispiel für ‚die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß’. Jedoch war ich offensichtlich nicht die einzige, die überrascht war. Ben, Jack und Melinda schienen ebenso überrascht und geschockt wie ich.
Alle schwiegen eine Zeit lang. Mein Vater schien zu verstehen, dass wir uns alle erst mit dem Gedanken an ‚gute Vampire’ anfreunden mussten. Jack war der erste, der sprach. „Richard, ich hätte nie gedacht, dass es so etwas geben kann. Nun gut sie hoffen auf Verschonung, aber ich bin mir nicht sicher, dass sie ihren unbedingten Überlebensinstinkt verdrängen können.“ Er sah meinen Vater skeptisch an. „Bist du dir sicher, dass es kein Spion ist, der in Erfahrung bringen soll, wo sich die Auserwählte aufhält. Vielleicht haben sie ja irgendwie erfahren, dass du eine Tochter hast und haben deswegen das Interesse an dir verloren. Es ist eh merkwürdig, wie sie Samantha so plötzlich ausfindig machen konnten.“
Das konnte mein Vater wohl nicht einfach so auf sich sitzen lassen. „Okay, eure Zweifel sind berechtigt. Aber Fred und die anderen helfen mir bereits seit hundertfünfzig Jahren vor meinen Verfolgern zu verschwinden. Keiner von ihnen weiß von Sam oder ihrer Mutter. Ebenso kann keiner von ihnen erfahren haben, indem er mir gefolgt ist. Mein zusätzlicher Sinn hätte mir gesagt, wenn mich ein Vampir verfolgt hätte. Und du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich meine Kleine dieser Gefahr ausgesetzt hätte, oder? Aber wie sie von ihr erfahren konnten würde mich auch brennend interessieren.“ Heftig atmend kam mein Vater langsam wieder runter. Er hatte sich ganz schön in Rage geredet.
Ich konnte es ja verstehen. Jack hatte ihm gerade unterstellt, dass er mich absichtlich in Gefahr bringen würde, wobei er doch soviel auf sich genommen hatte um mich zu beschützen. Meine Füße bewegten sich automatisch auf meinen Vater zu. Ich nahm ihn fest in die Arme und sagte zu ihm und vor allem zu den anderen. „Dad, ich glaube dir, dass dieser Vampir ein wirklicher Freund für dich ist. Wenn du ihm vertraust, dann werde ich das auch tun. Aber die Frage, wie sie mich entdeckt haben bleibt, da kann ich Jacks Misstrauen ja verstehen. Vielleicht kann dieser Fred uns ja dabei helfen.“ Die anderen schienen noch einen Augenblick über das eben gehörte nachzudenken. Da ich keine weiteren Diskussionen miterleben wollte, setzte ich mich wieder an den Tisch. Fragend sah ich in die Runde. „Wer hilft mir denn jetzt dabei dieses Schutzschild zu lernen? Offensichtlich kann ich es ja.“
Alle waren wohl über den Themenwechsel froh. Denn man konnte sie erleichtert aufatmen sehen. Ich sah zuerst zu Melinda. Doch diese schüttelte bedauernd mit dem Kopf. „Ich kann dir dabei nicht helfen. Weder kann ich so etwas erschaffen, noch habe ich jemals jemanden gesehen, wie er ein Schutzschild erschaffen hatte. In den wenigen Büchern, die ich entdecken konnte fand ich auch nichts dazu.“ Dann blieb nur noch mein Vater. Hoffnungsvoll sah ich ihn an. Aber auch er schien ein wenig ratlos. Ich hatte meine Hoffnungen schon fast aufgegeben, als das Gesicht meines Vaters sich schlagartig aufhellte. „Ich beherrsche zwar auch nicht die Schutzschilde und weiß auch nicht genau, wie sie herauf beschworen werden können, aber ich meine schon einmal in einem meiner Bücher darüber gelesen zu haben. Ich sehe am besten gleich mal nach.“ Ganz in Gedanken und nicht eine Antwort abwartend verließ er die Küche um, so vermutete ich, in der Bibliothek nach dem Buch zu suchen.
Einen Moment sahen wir uns schweigend an. „Wenn Richard heute nicht mit dir trainiert, dann werde ich das wie sonst auch tun. Deinen Kraftreserven scheint es ja wieder bestens zu gehen. Lass uns raus in den Garten gehen. Die Sonne scheint heute so schön.“ Meldete sich Melinda zu Wort und durchbrach damit die Stille. Ich nickte zustimmend. Wir gingen alle in den Garten. Ben und Jack begleiteten uns. Auf eine große Rasenfläche hinterm Haus ließen wir uns nieder.
Melinda meinte, ich sollte erneut versuchen ihnen einen meiner Träume zu zeigen. Danach sollte ich es mit anderen Erinnerungen versuchen. Ich konzentrierte mich. Aber da ich mir nicht sicher war, wie diese Blase heute Morgen über dem Frühstückstisch entstanden ist stellte ich mir einfach vor, wie sie diesmal vor den Augen der anderen entstand. Es schien immer so zu funktionieren. Ich musste mir vorstellen, was ich mir wünschte und meine magischen Kräfte machten dann den Rest für mich. Hoffentlich schaffte ich es bald meine Kräfte ohne lange Konzentrationsphase einzusetzen. Vermutlich gelang mir eine Anwendung so nebenbei erst, wenn ich viel geübt hatte. So wie man das Einmaleins in der Grundschule zuerst auswendig lernt und es einem später ins Blut übergeht und man nicht mehr darüber nachdenken muss, dass 3x4 = 12 ist. Wir übten noch zwei weitere Stunden lang alle Dinge, die ich bisher gelernt hatte oder unterbewusst geschehen ließ.
Zuletzt übten wir auch das Erscheinen lassen von Dingen und das fortschicken dieser Dinge. Ich stellte es mir schwierig vor, nur einen Teil eines Objekts verschwinden zu lassen, daher ließ ich eine Orange und einen Abfalleimer erscheinen. Die anderen sahen mich ein wenig komisch an. Sie ahnten nicht was ich versuchen wollte. Ich konzentrierte mich auf die Schale der Orange. Ein leichtes prickeln ging durch meinen Körper, wie bei jeder Anwendung meiner Magie. Als ich meine Augen öffnete hatte Melinda die geschälte Orange in den Händen, genau so wie ich es mir vorgestellt hatte. Nach einem Blick in den Abfalleimer stellte ich fest, dass auch die Schale der Orange an ihrem Platz war. Mit einem Strahlen auf dem Gesicht wandte ich mich an Melinda und fragte sie, wie die Orange denn schmecken würde. Skeptisch nahm sie sich einen Orangenschnitz und probierte ihn vorsichtig. Was sie genau erwartete weiß ich nicht. Jedoch schien ihre Vermutung sich nicht zu bestätigen. „Die schmeckt perfekt, Sam. Wie hast du es nur geschafft eine so süße Orange herbei zu zaubern?“ Ich zuckte die Schultern und erklärte ihr mein Vorgehen. „Ich habe mir eigentlich nur den Geschmack einer guten Orange vorgestellt und so eine Orange herbeigerufen.“ Ben und Jack wollten sich von dem Geschmack selbst überzeugen, denn jeder nahm sich ein Stück der Orange und biss ebenfalls zuerst vorsichtig ab.
Meine Gedanken waren jedoch schon ein Stück weiter. Konnte ich auch eine Orange herbei zaubern, die zum Beispiel nach Banane schmeckte. Ein Versuch war das Ganze schon wert. Dieses Mal brauchte ich mich nicht erst lange zu konzentrieren. Einen Wimpernschlag nach meinem Entschluss lag eine weitere Orange vor mir auf einem Teller. Wieder entfernte ich die Schale und probierte diesmal selbst als erste. Ich war überrascht, wie gut mir auch dies gelang. Auffordernd hielt ich den anderen den Teller unter die Nase. Als sie sich die Orange, dieses mal ohne zu zögern, in den Mund steckten sahen sie mich irritiert an. Über ihre Gesichter musste ich laut lachen. Eine ganze Zeit lang konnte ich mich nicht wieder einkriegen. Dieser Verdutzte Ausdruck auf den Gesichtern war einfach unbezahlbar. Als mir mein Bauch schon vor lauter Lachen weh tat beruhigte ich mich langsam. In genau diesem Moment tauchte auch mein Vater auf. Ich sagte den anderen in Gedanken ihm nichts zu verraten und bot meinem Vater auch von der veränderten Orange an. Er verzog genau wie die anderen das Gesicht. Dieses Mal lachten Melinda, Ben und Jack auch mit.
Nachdem wir uns alle wieder beruhigt hatten konnte Dad mir erzählen was er in den Büchern gefunden hatte. Er hatte eine Beschreibung entdeckt, wie ein Zauberer ein Schutzschild entstehen ließ, jedoch konnte er keine genaue Anleitung für mich auftreiben. Da ich langsam genug vom Training hatte verschoben wir den Versuch lieber auf morgen. Wir setzten uns alle zum Kaffee auf die Terrasse. In der Sonne glitzerte mein wunderschöner Anhänger. Meinem Vater schien er erst in diesem Moment aufzufallen. Seit Melinda mir sagte, dass es ein mächtiges Amulett sei, habe ich ihn nicht mehr abgelegt. Deswegen wunderte ich mich auch, dass er Dad noch nicht eher aufgefallen war.
„Wo hast du denn dieses Amulett her? Das ist doch seit Jahrhunderten verschollen.“ Ich konnte ihm gar nicht antworten, denn er war anscheinend in einem Selbstgespräch vertieft. „Wenn der Amethyst jetzt wieder auftaucht, dann ganz sicher nicht ohne Grund. Doch wie konnte er so lange unentdeckt bleiben. Wurde er ihr vielleicht von Anastasia geschickt. Wenn sie das getan hat, dann nicht ohne Grund. Ich sollte einmal in den Büchern nachschlagen welche Bedeutung er hat und welche Kräfte dem Amulett der Allumfassenden Liebe zugeschrieben werden…“ Den Rest seines Selbstgesprächs konnte ich nicht mehr verstehen, da mein Vater aufgestanden war und sich langsam in Richtung Bibliothek verzog. Unsere Anwesenheit schien er vollkommen vergessen zu haben. Wir anderen warfen uns belustigte Blicke zu.
Ben beschloss, dass er nicht eine Minute länger hier am Tisch sitzen wollte. Denn er hob mich ohne Vorwarnung einfach aus meinen Stuhl und warf mich über seine linke Schulter. Er trug mich lachend ins Labyrinth. Auf der Bank im Zentrum ließ er mich vorsichtig wieder hinunter. Er setzte sich neben mich und küsste mich gleich stürmisch. „Ich konnte es keine Sekunde länger erwarten, dich endlich zu küssen und nur für mich zu haben.“ Wir kuschelten uns aneinander und verfolgten den Sonnenuntergang, der sich direkt vor uns abspielte.
Wieder so eine typische kitschige Szene aus einem dieser Liebesromane. Aber der Moment war für mich weder kitschig noch übertrieben. Er war perfekt. Ich war absolut glücklich. Als die Sterne am Himmel erschienen löste ich mich von Ben und sah ihm in die Augen. „Sollten wir nicht langsam wieder hineingehen? Auch wenn es jetzt nicht wirklich romantisch ist, aber ich habe schrecklichen Hunger. Lass uns noch etwas essen und dann ins Bett gehen.“ Arm in Arm schlenderten wir über die Wege zurück zum Haus. Etwa auf halben Weg zwischen Haus und Labyrinth verzog Ben genau wie in meiner Vision das Gesicht.
10. Kapitel
Dank meiner Vision wusste ich ja was ich zu erwarten hatte, aber ich beherrschte diesen Schutzschild doch noch gar nicht. Jedoch war auch jetzt nicht die Zeit mich darüber zu ärgern. Ich wusste, dass ich mich konzentrieren musste. Okay, bisher hat alles immer mit bloßer Vorstellungskraft funktioniert, also klappte es jetzt bestimmt auch. Ich führte mir das Bild meiner Vision vor Augen. Ich stellte mir vor, wie uns diese wunderschön glitzernde silberne Hülle umgab. Diese Hülle sollte die Eigenschaften des Schutzes vor körperlichen Angriffen aber auch die Möglichkeit für uns anzugreifen vereinen. Meine Hände vollführten die gleichen Bewegungen wie in meiner Vision. Als ich zögernd die Augen öffnete konnte ich das schimmern der Hülle sehen.
Auf der anderen Seite stand der Vampir aus meiner Vision. „Sie sind also Fred, habe ich recht?“ Er schien überrascht zu sein. Sein Blick glitt von mir zu Ben, der in seiner Wolfsform zum Angriff bereit vor mir stand, dann zu der schützenden Hülle und zurück zu mir. „Du bist also die Auserwählte. Woher weißt du wie ich heiße?“ Ich musste einfach schmunzeln, wie lässig der Vampir direkt vor mir, auf mich und Ben reagierte.
Fred war hellblond. Seine Haare reichten ihm bis über die Schultern. Die hellgrauen Augen glitzerten im Mondlicht. Moment hellgrau? Das war also anders an ihm zu den anderen Vampiren, die hatten immer blutrote Augen. Seine ebenmäßigen Gesichtszüge und seine weiße Haut, die im Mondlicht reflektierte, rundeten das perfekte Bild eines Menschen ab. Er war alles in allem wunderschön. Aber ich fand ihn zu perfekt.
„Ich habe genau von dieser Situation geträumt. Als ich meinem Vater ein Bild von Ihnen zeigte, erkannte er sie als Fred. Warum sind Sie hier?“ Keinen Augenblick ließ ich meinen Verteidigungsmechanismus vernachlässigt. Ich konnte die Hülle ganz nebenbei kontrollieren. Fred schien einen Moment zu überlegen bevor er zu einer Antwort ansetzte.
Ben schien Schritte hinter uns zu hören, denn er machte eine kurze Bewegung zum Haus hin. Er wollte mich wohl warnen. Ich überprüfte, ob meine Schutzhülle absolut reißfest war und drehte mich dann vorsichtig nach hinten.
Mein Vater schritt auf uns zu. „Samantha, ich habe dir doch gesagt, dass Fred ein Freund ist. Da braucht ihr doch nicht so ein Theater veranstalten.“ Ich atmete einmal erleichtert durch. „Ich weiß, dass er uns nichts antun wird. Da ich dir vertraue, aber ich konnte ja nicht sicher sein, dass es wirklich Fred ist, der vor uns stehen wird.“ Ich schloss meine Augen und stellte mir vor, wie der Schild sich langsam zurückzieht, bis mich und Ben ein schmaler Ring umgab. Dieser löste sich mit einem hellen Lichtblitz auf. Die anderen blinzelten einmal um ihre Augen wieder an die Lichtverhältnisse anzupassen.
„Wir sollten im Wohnzimmer weiter reden.“ sagte mein Vater. Mit einer ausholenden Bewegung zeigte er auf das Haus hinter uns. Ben blieb in seiner Wolfsform, da er keine Klamotten mehr hatte, die wurden bei seiner Verwandlung zerfetzt. Ich teilte ihm gedanklich mit ‚Ich besorge dir ein paar Klamotten und lege sie dir auf der Terrasse bereit. Bis gleich.’ Schon hatte ich mich in unser Zimmer teleportiert. Das klappte schon mal aus dem FF. Ich brauchte mich nicht mehr erst lange konzentrieren. Ich zog schnell eine neue Jeans und ein schwarzes Hemd aus dem Kleiderschrank. Jetzt noch Boxershorts, Socken und neue Schuhe. Mit meinem Kleiderstapel ging ich durchs Wohnzimmer auf die Terrasse. Dort kamen gerade auch mein Vater, Fred und Ben an.
„Ah Sam, da bist du ja wieder. Wie ich sehe hast du nur schnell für Ben etwas zum anziehen besorgt. Am besten wir gehen schon mal ins Wohnzimmer und setzen uns. Dort können wir ja auf Ben warten.“ Er drehte sich leicht in Bens Richtung um sein Einverständnis einzuholen. Dieser nickte leicht mit seinem riesigen Kopf. Sein schwarzes Fell glänzte im Lichtschein, der aus dem Wohnzimmerfenster auf ihn fiel.
Es fiel mir schwer mich wieder auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Ich liebte ihn nicht nur in seiner Menschengestalt, sondern auch in der Wolfsgestalt. So hatte er mich bereits einmal verteidigt und würde es vermutlich immer wieder tun. Ihm war ich wohl genau so wichtig, wie er mir. Ich blickte ihm einen Augenblick lang in diesen wunderschönen hellblauen Augen. Sie hatten die gleichen goldenen Muster um die Pupille herum wie in seiner menschlichen Gestalt. Nur waren seine Augen jetzt größer. Mich loszureißen viel mir extrem schwer. Erst als mein Vater sich räusperte und ich seinen fragenden Blick bemerkte war der Bann gebrochen. „Ja, ich komme schon mit ins Wohnzimmer. Bis gleich Ben.“
Wir ließen uns auf den Sofas nieder. Mein Vater und Fred setzten sich auf die Couch, die mir gegenüber stand. So konnte ich neben Ben sitzen. Das war wohl auch die Absicht meines Vaters. Denn ein Grinsen huschte über sein Gesicht. „Ich denke, dass es für Ben angenehmer ist, wenn er in deiner unmittelbaren Nähe ist. Das wird ihm helfen sich zu beherrschen.“ Warum Ben sich beherrschen sollte wusste ich nicht. Vielleicht viel es Werwölfen einfach schwer in der Gegenwart von Vampiren sie selbst zu bleiben und sich nicht zu verwandeln. Ich zuckte innerlich die Schultern und wartete darauf, dass Ben zu uns stieß, damit wir endlich Antworten bekamen.
In genau diesem Moment öffnete sich die Terrassentür und ein komplett angezogener Ben erschien im Licht. Das Lächeln, welches sich bei seinem Anblick auf mein Gesicht stahl, konnte ich nicht aufhalten. Er ließ sich äußerlich lässig, aber mit einer ungeheueren inneren Anspannung neben mir nieder. Beruhigend strich ich ihm über den Arm und nahm letztendlich seine linke Hand in meine rechte und strich mit meinen Daumen über seinen Handrücken.
Ich sah Fred jetzt fragend an. „Fred, wieso sind Sie also hier?“ Er lächelte freundlich. „Zuerst einmal sag bitte Du zu mir. Um deine Frage zu beantworten, ich bin hier um deinen Vater von dir zu erzählen. Aber das ist offensichtlich nicht mehr nötig. Richard, dass du eine so bezaubernde Tochter hast wusste ich ja gar nicht.“ Mein Vater musste lachen. „Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes bezaubernd, nicht? Aber jetzt wieder zurück zum eigentlichen Thema. Ich konnte dir nichts von ihr erzählen. Es hätte, wenn es jemand herausgefunden hätte deinen unmittelbaren Tod bedeutet. Außerdem muss ich gestehen, dass ich befürchtete du würdest sie eventuell verraten.“ Fred knurrte böse und warf meinem Vater einen empörten Blick zu. „Lass mich ausreden, bevor du mich erdolchst. Ich befürchtete, dass du sie verraten könntest, wenn sie dich gefangen nehmen und foltern. So konntest du nur mich verraten. Und du weißt wie erfolgreich die anderen Vampire mit ihrer Folter sein können.“ Fred schien ein wenig beruhigt zu sein. „Du hast ja recht. Einige haben sogar ihre eigenen Kinder verraten. Also verzeihe ich dir noch einmal Richard. Was werdet ihr denn jetzt tun? Sie wird auf der ganzen Welt gesucht. Übrigens sehr beeindruckend, wie du den Vampiren auf dem Waldweg entwischt bist und wie du dich und den Werwolf heute Abend schützen wolltest. Du bist wahrhaftig eine sehr mächtige Zauberin.“
Ich schämte mich ein wenig. Etwas Besonderes hatte ich doch gar nicht getan. Ich habe nur das Beschützt, was mir am wichtigsten auf der Welt war. Genau das würde jeder tun. So wie Ben es auch getan hatte. Ich schien ihm auf jeden Fall wichtig genug zu sein um mich mit seinem Leben zu verteidigen. Mein Vater durchdrang meine Gedanken, indem er sagte „Ja, meine Kleine ist wirklich etwas Besonderes. Auch wenn sie nicht die Auserwählte wäre, wäre sie für mich immer noch das schönste Wesen auf der Welt. Da könnt ihr Vampire mit eurer Perfektion auch nicht mithalten.“ Das war zuviel des Lobs, ich wurde knallrot. Ben bemerkte meine Verlegenheit und zog mich näher an sich und küsste mich auf mein Haar. „Dad hör auf, das sagt jeder Vater über seine Tochter.“ Jetzt lachten alle über mich. Na toll!
Um von mir abzulenken fragte ich Fred „Hast du eine Ahnung, warum sie mich ausgerechnet jetzt gefunden hatten? Immerhin bin ich die letzten 21 Jahre unentdeckt geblieben.“ Kurz dacht Fred nach. Dann schien ihm ein Licht aufzugehen. „Ich schätze, dass sie dich riechen konnten. Wie du sicher schon weißt riechen Zauberer anders als Menschen, Werwölfe oder Hexen. Aber erst wenn ein Zauberer seine volle Macht erhält verändert sich sein Geruch. Richard, wie du weißt ist das doch bei euch Zauberern mit dem vollendetem 21. Lebensjahr. Dass du das vergessen konntest.“ Jetzt lachte Fred meinen Vater ganz offen aus.
Die beiden schienen wirklich gute Freunde zu sein. Das erkannte ich an ihrem Verhalten einander gegenüber. Sie respektierten, was der andere war, vergaßen aber die Unterschiede vollkommen. Ich denke, dass man so etwas in 150 Jahren zustande bringt. Unglaublich, dass sie bereits so lange befreundet sind. „Okay, stimmt du hast Recht Fred, das hatte ich total vergessen. Aber du musst mir zugute halten, dass es auch schon lange Zeit her ist, seit ich 21 wurde. Mir kommt es so vor, als ob ich schon immer meine volle Macht hatte.“
Dann wurde ich also nur durch einen dummen Zufall entdeckt. Ein Vampir kreuzte durch Zufall meinen Weg und erkannte durch meinen Geruch, was ich war. Zu dumm, dass ich es nicht selbst wusste. Ob ich wohl mithilfe der Zauberei meinen Geruch verändern konnte. Einen Versuch war es wert. Ein wenig Konzentration und wieder spürte ich diese Prickeln auf der Haut.
Aber ich musste Melinda widersprechen. Der Rausch, den man vom Zaubern bekommt war nicht besser als Sex. Das weiß ich seit letzter Nacht.
Ben versteifte sich wieder neben mir und drehte sich abrupt neben mir um. „Was ist los Sam? Du riechst auf einmal anders. So menschlich. Geht es dir nicht gut?“ Er schien jetzt echt in Panik zu verfallen. Fred und mein Vater sahen mich ebenfalls geschockt an. „Ganz ruhig!“ Ich strich Ben beruhigend über den Rücken und sah ihm in die Augen, als ich weiter sprach. „Ich war nur neugierig, ob ich meinen Geruch verändern kann, damit mich die Vampire nicht mehr aufspüren können. Der Gedanke kam mir gerade.“ Ich konzentrierte mich und umgab mich wieder mit meinen gewöhnlichen Geruch. Erleichtert ließ sich Ben nach hinten in die Polster fallen und auch die anderen schienen erleichtert. „Es tut mir Leid Ben. Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Jetzt sah Ben mich böse an. „Tu. Das. Nie. Wieder! Ich habe einen fürchterlichen Schrecken bekommen, als dein gewohnter Geruch nicht mehr da war. Du hattest nicht nur deinen derzeitigen Geruch geändert, sonder deinen gesamten Geruch im Raum verändert. Es war, als ob du nie hier gewesen wärst. Kannst du verstehen, dass mich das nervös gemacht hat?“
Mein Vater hatte sich wohl auch beruhigt, denn er lud Fred ein es sich gemütlich zu machen. „Du kennst dich hier ja aus. Mach es dir gemütlich. Du kannst das gleiche Zimmer wie sonst auch nehmen. Es ist aber noch nicht verdunkelt. Denk also rechtzeitig daran die Jalousien zu schließen. Ich denke, dass wir anderen jetzt schlafen gehen sollten. Der Tag war lang und voller Überraschungen. Also Gute Nacht.“ Mit diesen Worten erhob er sich und verließ das Zimmer.
Ben zog mich ebenfalls hoch und in Richtung Schlafzimmer. Im Türrahmen drehte ich mich noch einmal zu Fred um. „Wir können uns ja morgen Abend noch weiter unterhalten. Ich habe noch eine Menge Fragen, vielleicht kannst du mir einige beantworten. Gute Nacht!“ Mit einem Lächeln verabschiedete ich mich von Fred, denn ich wurde bereits weiter gezogen.
Wenn ich weiterschreiben soll, werde ich die Kapitel hier anhängen.
Tag der Veröffentlichung: 13.06.2010
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