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Wir kamen in der Nacht in Kairo an. James hatte für uns alle Hotelzimmer gemietet. Wir checkten ein und trafen uns alle in James und Graces Zimmer zu einer Art Krisengipfel. „Was erwartet uns eigentlich genau beim Rat?“ fragte Carmen an James gerichtet. „Ich stelle euch vor. Erzähle wie ihr verwandelt wurdet. Ich werde alles erzählen müssen, da die anderen Vampire bestimmt berichterstattet hatten. Aber ich werde auch erzählen, dass deine Wandlung Sarah beschlossene Sache war. Davon wird Grace uns alle nachher überzeugen. Deine Wandlung Carmen, war hingegen nur ein Unfall. Ursprünglich wollten wir einfach nach dem Semester mit Sarah verschwinden, damit du keinen Verdacht schöpfst. Aber durch das Eingreifen des Rates mussten wir, um dein Leben zu retten dich auch verwandeln. Das wird die Geschichte sein. Ich denke, damit kommen wir durch.“ Die Geschichte klingt plausibel, jeder von uns wird dank Grace davon überzeugt sein, aber was ist mit Grace? James antwortete auf meine Gedanken. „Du wirst sie von der Geschichte überzeugen, indem du dir ihre Kräfte ausleihst.“ „Klar, dann haben wir alle die gleichen Erinnerungen und niemand kann heraus finden wie es wirklich war. Aber wir auch nicht.“ „Dafür haben wir vorgesorgt. Ich habe die wahre Geschichte in Portland in einem Banksafe für uns hinterlegt. In drei Monaten werde ich einen Brief erhalten, der mich daran erinnert, dass etwas wichtiges dort ist. Danach können unsere Erinnerungen wieder zu Recht gerückt werden.“ Das beruhigte mich, ich wollte lieber die wahre Geschichte kennen, als ein Märchen, indem alles immer mit einem ‚und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende’ zu Ende geht. Dieses Leben war kein Märchen, es war auch keine Horrorgeschichte, es war das wahre Leben.
Rob hatte wieder einmal meine Gedanken belauscht und zog mich an sich und strich mir beruhigend über meine Wange. Er wusste einfach immer genau, wie er mich beruhigt, tröstet oder aufmuntert. Er schaffte es auch ganz gut mich auf die Palme zu bringen, aber das gehört dazu. „Wenn wir das mit der Vorstellung überstanden haben, was passiert dann bei diesem Training?“ „Es ist als erstes wie in der Schule. Ihr sitzt in einem Raum und euch werden die Regeln und Gesetze vorgelesen und erklärt. Danach werden eure Kräfte von einem Vampir herausgefunden, möglicherweise geschieht es auch schon im Sitzungssaal. Er kann die verborgenen Talente in einem Vampir lesen. Das wird bei euch auch gemacht, trotz eures wissen. Es kann nämlich durchaus sein, dass ein Talent weit tiefer reicht, als es zunächst den Anschein macht. Euer Training wird speziell auf eure Kräfte abgestimmt. Zuletzt müsst ihr euch noch in einer Einführung in die Jagd und des Kampfes unterweisen lassen.“ Das versetzte mir einen Schock, soweit ein Vampir einen erleiden kann. Wir sollten mit denen jagen gehen? Aber die jagen doch Menschen, ich will aber keinem Menschen etwas antun. Auch wenn sie die Opfer heutzutage nicht mehr töten. Das brachte mich auf einen ganz anderen Gedanken, was würden wir hier während unseres Aufenthalts jagen? Mir fielen nicht viele Tiere ein, die in der Wüste herumlaufen und auch nur annährend groß genug zum jagen wären, außer natürlich Kamele. Aber die leben, soweit ich weiß meistens in der Obhut von Menschen in Gruppen zusammen. James, der meine Gedanken gehört hatte antwortete schlicht „Wir werden vom Blut von Schlachtbetrieben trinken. Man kann es hier kaufen. Jedoch werden hier meistens Ziegen geschlachtet und deren Blut hat einen ganz anderen Geschmack, wie der den ihr bis jetzt kennengelernt habt.“ James lächelte etwas und reichte Carmen und mir jeweils einen Becher mit dem Ziegenblut. Wir mussten immer noch viel trinken, damit wir den Menschen in unserer Nähe widerstehen konnten. James hatte recht, es schmeckte anders aber schlecht war der Geschmack nicht. Alle sahen uns erwartungsvoll an. Was war denn? Carmen schien das Blut nicht so zu schmecken, sie verzog das Gesicht. Die anderen lachten sich darüber kaputt. Das war wohl die Reaktion, die sie von mir auch erwartet hatten. Nun ja wie soll ich es ausdrücken? Pech gehabt, ich fand den Geschmack nicht so schrecklich.
Nach weiteren Fragen und Antworten, die mir meistens nicht ausreichend erschienen, sollte ich zuerst versuchen die Erinnerung von Carmen unserer Geschichte anzupassen. Es war eine Art Testlauf, damit ich sicher sein konnte auch Grace zu manipulieren. Es klappte alles wie es sollte. Die neue Geschichte war in unserem Gedächtnis verankert. Wir zogen uns auf unsere Zimmer zurück. Carmen und Marie teilten sich ein Zimmer und Rob teilte sein Zimmer mit mir. Da wir vollständig gewandelt waren, konnten wir auch nicht mehr schlafen. Somit hatten wir einige Stunden, die Rob mit mir im Arm verbrachte. Wir liebten uns, kuschelten, redeten und machten Pläne für die Zukunft. Es hatte etwas von der Ruhe vor dem Sturm.

Um sechs Uhr morgens fingen wir an uns auf den Besuch beim Rat vorzubereiten. Wir cremten uns ein, zogen uns an und versammelten uns alle um Punkt sieben im Foyer des Hotels. Eine Limousine wartete schon auf uns. So konnten wir wenigstens alle gemeinsam in einem Auto befördert werden und die Scheiben waren verdunkelt. Die Sonne schien bereits mit einiger Intensität vom Himmel. Nach einer etwa zehn Minuten langen Fahrt kamen wir am National Museum von Kairo vorbei und in direkter Nachbarschaft befand sich der Rat. Ob es etwas mit den ersten Vampiren zu tun hatte? Ich meine mich dunkel erinnern zu können, in einem Buch von Anne Rice einmal davon gelesen zu haben, dass die ersten Vampire ein Pharao und seine Frau waren. Aber da dies auch nur ein Roman war, war ich mir nicht sicher ob er auf guter Recherche oder einer Menge Fantasie beruhte. Ich zuckte innerlich mit den Schultern, war ja auch nicht so wichtig.
Ich war nervös, richtig nervös. Marie tat mir etwas leid, da sie all unsere Gefühle gebündelt ertragen musste. Vielleicht half es, wenn ich mich unter dieser gedanklichen Glaskuppel verberge. Rob nickte mir kurz zu. Schien aber über meinen Entschluss nicht glücklich zu sein. Ich wusste ja, dass er es nicht mag, wenn er meine Gedanken nicht kennt. Ich baute diese Kuppel auf und die anderen machten es mir wohl nach oder hatten es längst getan. Denn Marie sah besser aus. Sie war nur noch mit ihren und Carmens Gefühlen beschäftigt, da Carmen noch nicht wusste wie sie diese Kuppel aufbauen konnte. Wir wurden durch eine große Halle geführt. Ich fühlte mich unwohl mit all diesen ‚bösen’ Vampiren in meiner unmittelbaren Umgebung. Vor uns konnte ich eine große Flügeltür erkennen, die reich verziert war. Sie sah aus wie eine dieser Türen, die zu einem Thronsaal führten. Als die Türen sich öffneten, sah ich dass ich mit dem Thronsaal recht hatte. Auf einem Podest standen fünf Throne, alle hatten unterschiedliche Verzierungen passten aber irgendwie zusammen. Es hatte was von Destiny’s Child. Ich meine, die haben auch alle irgendwie das gleiche an aber auch wieder nicht. Ich nahm Robs und Carmens Hand. Ich hatte echt Angst. Links und Rechts von uns standen einige Vampire, die uns schweigend musterten. Mit etwas Konzentration konnte ich, dank Rob, die Gedanken von den Schaulustigen, denn etwas anderes waren sie nicht, lesen. Einige hofften, dass der Rat mit unserer Wandlung nicht einverstanden wäre, sodass wir vor Ort vernichtet werden würden. Andere wiederum fanden es interessanter zu erfahren, welche Kräfte wir denn wohl haben würden. Diese waren mir eindeutig sympathischer. Carmens Gedanken rasten von Angst zu ihrem Vater und zurück zur Angst. Mit ihrem Vater mussten wir noch eine Lösung finden. Vielleicht…
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als der mittlere der fünf anfing zu sprechen. „Ah James mit seiner Familie, ich hatte euch schon erwartet. Dann sind dies bestimmt Sarah und Carmen.“ Wir nickten beide gleichzeitig zur Bestätigung und Begrüßung. Es muss lustig ausgesehen haben, wie wir uns absolut synchron bewegten. „Ihr wurdet beide erst sehr spät verwandelt. Fast zu spät. Wir hatten schon jemanden zu euch geschickt um euch zu warnen, James.“ Mit einem fragenden Gesichtsausdruck wandte er sich an James. „Wieso habt ihr ihnen verraten was ihr seid und habt sie dann nicht verwandelt?“
James trat einen Schritt vor und sah dem Fragenden in die Augen. „Das sollte also eine Warnung sein? Es haben fünf Vampire auf die beiden gewartet. Aber ich werde euch erklären, was wir geplant hatten. Wir hatten nur Sarah eingeweiht, sie sollte am Ende des Semesters gewandelt werden, damit ihre Mitbewohnerin Carmen keinen Verdacht schöpft. Die beiden sind so eng befreundet, da entschlossen wir ihr eine Erklärung für Sarahs verschwinden am Semesterende zu liefern. Wir wären umgezogen und Sarah wäre uns aus Liebe zu Rob gefolgt. Sie hätten sich noch ein paar E-Mails geschrieben und hin und wieder telefoniert aber der Kontakt wäre langsam zum einschlafen gekommen. Dieser Plan wurde leider durchkreuzt, als eure Vollstrecker vor dem Campus auftauchten. Wir mussten Carmen einweihen und uns ihren Vater irgendwie vom Hals halten.“ An dieser Stelle griff ich ein. „Entschuldigen Sie bitte, wenn ich mich an dieser Stelle ungefragt einmische. Ich hätte einen Vorschlag, wie wir mit Carmens Vater weiter umgehen sollten. Darf ich diesen bitte erläutern?“ Ich blickte jedes Ratsmitglied flehend an.
Ich merkte wie angespannt Rob wirkte, er kannte meinen Plan ebenfalls nicht. „Wenn du dich öffnest, darfst du uns deinen Plan erläutern.“ Ich muss wohl ratlos ausgesehen haben, ich hatte nicht den blassesten Hauch einer Ahnung was er mit öffnen meinte, als Rob es mir erklärte. „Du sollst deine, wie nennst du es immer, ‚Glaskuppe zerbrechen’“ Ach so. Ich stellte mir wieder diesen Hammer vor und hatte mich damit geöffnet. Hoffentlich klappt das, ich hasse es doch vor Publikum zu reden. Aber wenn es darum ging mich für andere einzusetzen konnte ich das auch vor Publikum. „Carmen hat ihrem Vater eine Geschichte von einer überstürzten Heirat erzählt, für ihn ist dies unverzeihlich. Darum dachte ich mir, dass Carmen ihrem Vater nur ab und zu eine E-Mail schickt um ihm zu zeigen, dass es ihm gut geht. Jedoch wird es keinen anderen Kontakt geben. Wenn ihr Vater sich uns nährt können wir immer noch untertauchen, sodass er uns nicht findet. Damit wäre ihr Vater beruhigt und ich gebe es zu, Carmen würde es damit auch viel besser gehen.“ Ich wusste, dass wenn auch nur der geringste Kontakt besteht, sie sich besser mit ihrem neuen Leben würde arrangieren können. Meine Gedanken wurden wohl vom Rat auch gelesen, denn der mittlere antwortet „Du scheinst dir sicher zu sein, dass es deiner Freundin damit besser geht. Du sprichst aus Erfahrung nehme ich an.“ Ich verzog traurig mein Gesicht. „Ja meine Eltern sind vor einem halben Jahr bei einem Autounfall umgekommen. Danach hätten mir nur wenige Worte von ihnen geholfen.“ Die Ratsmitglieder sahen sich alle nacheinander an und der mittlere teilte uns die Entscheidung mit. „Wir sind mit der Wandlung der beiden einverstanden. Deinen Vorschlag, Sarah, nehmen wir an. Carmen du hast die Erlaubnis deinem Vater zu schreiben, aber jeder andere Kontakt hat den Tod deines Vaters zur Folge. Euer Training beginnt jetzt gleich.“
Ein Vampir kam von der Seite auf mich und Carmen zu. „Würdet ihr euch bitte loslassen und mindestens einen Meter voneinander hinstellen.“ Wir taten was von uns verlangt wurde, auch wenn es uns schwer viel. Er musterte zuerst Carmen einige Minuten lang. Es war sehr still, nicht einer wagte es sich auch nur zu bewegen. Der Vampir schien aus seiner Konzentration hervorzukommen. Dann sagte er zum Rat gewandt „Sie hat das Talent der Telekinese. Sie ist in der Lage Dinge und Personen durch Willenskraft zu bewegen.“ Die Mitglieder des Rates nickten, wie es schien, erfreut. Der Vampir wandte sich nun mir zu. Er fiel wieder in seine Konzentration und starrte mich dabei an. Das war mir ganz schön unangenehm. Es schien länger zu dauern als bei Carmen. Minute um Minute verging. Dann blinzelte er etwas verwirrt und drehte sich abermals zum Rat um. „So ein Talent ist mir noch nicht untergekommen. Sie kann sämtliche Kräfte der Vampire nutzen, die in ihrer Umgebung sind. Noch braucht sie direkten Kontakt aber sie hat das potenzial, dies auf mehrere Kilometer im Umkreis zu erweitern.“ Ich blickte erstaunt hoch. Mehrere Kilometer? Ein erschrecktes zischen ging durch den Raum, nur einige wenige hatten überhaupt keine Reaktion gezeigt. Kann aber auch sein, dass ich diese nur nicht wahrgenommen hatte. Der Rat schien erschrocken zu sein. Der mittlere fasste sich als erstes wieder. „Sarah, du bist mit einem machtvollem Talent ausgestattet, würdest du es in Betracht ziehen dich uns anzuschließen?“ Wie meinte er das denn jetzt. Ich könnte mich denen nie anschließen. Es gab zu viele Gründe die dagegen sprechen. Zuerst konnte ich Rob nicht verlassen. Dann war da meine Schwester Carmen. Der Rest der Familie White und zu guter Letzt die Tatsache, dass ich mich nur von Tierblut ernähren wollte und nie einem Menschen etwas tun möchte. Meine Gedanken wurde wohl wieder einmal verfolgt. „Das mit der Ernährung wäre kein Problem. Aber deine anderen Gründe können wir verstehen. Besonders deine Gefühle für Rob und Carmen.“ Ich war erleichtert. Mir viel ein riesiger Fels von meinem nun totem Herzen. Es wurde akzeptiert, dass ich meine Familie nicht verlassen konnte, wenn auch widerwillig. „Euer Training beginnt jetzt. Würdet ihr euch durch diese Tür begeben?“ Ich schreckte hoch und nahm gerade noch war wie auf die linke Tür, die mir bisher nicht aufgefallen war, gedeutet wurde. Carmen nahm sich meine Hand und wir gingen gemeinsam durch die Tür.
Wir kamen in eine Art Klassenzimmer. Es gab eine Tafel und zwei Stühle. Wir setzten uns. Kaum das wir saßen kam eine Vampirfrau durch die Tür neben der Tafel. Sie hatte ein Buch in der Hand. Sie stellte sich vor und begann uns die Regeln zu erklären. Es lief größten Teils darauf hinaus, dass wir unsere Existenz geheim halten mussten. Nach einigen Stunden kannten wir sämtliche Regeln und Gesetze. Mithilfe unserer neuen Vampirgehirne würden wir auch nicht eine vergessen. Die Vampirfrau schickte uns durch die Tür, durch die sie den Raum betreten hatte. Wir betraten einen Flur. Hier erwarteten uns schon zwei Vampire. Sie mussten Zwillingsbrüder sein. Sie waren wie jeder Vampir unglaublich schön. Ihre Haare waren mittelblond und kurz. Ihre Augen waren von einem strahlendem silbergrau. Die anderen hatten uns erzählt, dass die Augenfarbe von der Ernährung bestimmt wird. Sobald man das erste fremde Blut zu sich genommen hat, verändert sich die Augenfarbe entweder zu gold, wie bei uns oder zu silbergrau, wie bei den beiden vor mir. Sie waren beide etwas größer als ich und kräftig gebaut. Ich hörte wie Carmen neben mir überrascht den Atem anhielt. Ein Blick in ihr Gesicht und ich wusste, dass sie die beiden sehr gutaussehend fand.
„Wir sind Tom und Paul. Wir werden mit euch eure Kräfte trainieren. Da es für unsere Arbeit von Vorteil ist, wenn ihr euch wohlfühlt werden wir uns erst einmal etwas besser kennenlernen. Wir wissen auch, dass ihr etwas zu trinken braucht. Daher werden wir mit euch zu eurem Hotel fahren. Ihr könnt dort etwas trinken. Bei einem gemeinsamen Essen mit euch und dem Rest eurer Familie können wir uns dann entspannen. Morgenfrüh beginnen wir dann mit dem Training.“ Paul streckte einen Arm in die Richtung des Ausgangs und bedeutete uns so vor zu gehen. Ich war erleichtert, dass wir, auf jeden Fall bis jetzt nicht, von unserer Ernährungsweise abweichen mussten. Draußen wartete eine weitere Limousine auf uns. Wir stiegen ein und kamen kurze Zeit später an unserem Hotel an.
Die Familie White erwartete uns schon im Foyer. Rob kam direkt auf mich zu und küsste mich. Er hatte mich genauso sehr vermisst wie ich ihn. Dabei waren wir nur wenige Stunden getrennt. Seit meiner Wandlung waren wir nie länger als 20 Minuten voneinander getrennt.

Wir trafen uns alle eine halbe Stunde später im Restaurant des Hotels wieder. Carmen und Marie hatten sich extra schick gemacht. Ihre eigenen Kreationen sahen einfach traumhaft aus. Marie trug ein dunkelblaues Kleid, welches mit ihren roten Locken hervorragend zusammen passte. Carmen hatte sich für ein rotes Kleid entschieden. Es harmonierte perfekt mit ihrer hellen Haut und ihren braunen kurzen Haare. Ich kam mir etwas underdressed vor. Ich hatte mich für eine schwarze Marlenehose und einer schicken türkisen Bluse entschieden. Tom und Paul warteten schon im Restaurant auf uns. Sie hatten sich für schwarze Anzüge entschieden. Rob und James trugen auch Anzug. Grace hatte sich zu meiner Beruhigung ebenfalls für eine schwarze Hose und eine Bluse entschieden. So waren wir wenigstens zu zweit. Tom erzählte uns, dass sie beide schon seit siebzig Jahren beim Rat arbeiteten und ihnen ihre Aufgabe sehr gefällt. Carmen und ich sahen uns an und fingen an zu lachen. James und Rob wussten natürlich schon warum wir lachten. Sie mussten sich ein lachen verkneifen. Nachdem wir uns beruhigt hatten erklärte Carmen „Ihr seid alle schon so alt. Älter als unsere Eltern, sogar älter als unsere Großeltern. Wir hatten gerade den gleichen Gedanken. Nämlich, äh …“ Sie sah mich hilflos an. Ich wusste auch nicht wie wir das jetzt nett ausdrücken sollten. Rob erlöste mich. „Sie haben sich vorgestellt, wie wir alle in einem Altenheim beim Abendessen sitzen. Vor unseren Tellern mit Suppe und uns unsere Erlebnisse aus längst vergangen Zeiten erzählten. Ich glaube das lustigste war für die beiden aber ihr gleicher Gedanke.“ James warf ein „Ich weiß auch nicht wie die beiden das machen, sie können ja nicht ihre Gedanken lesen wissen aber trotzdem was der andere denkt oder fühlt.“ „Ist doch klar, Carmen und ich kennen uns zwar erst seit September aber wir waren sofort auf einer Wellenlänge. Sie ist halt meine Schwester. Deswegen weiß ich auch genau was sie denkt. Bei Zwillingen soll das ja ähnlich sein.“ wandte ich mich an Tom und Paul. Die beiden sahen sich an und lächelten uns an. „Stimmt, wir wissen auch durch einen Blick oder eine Geste was der andere Denkt oder fühlt. Bei uns hat es nur länger gedauert es zu verfeinern.“
Tom lächelte Carmen immer wieder bezaubernd an. Paul hatte anscheinend ein Auge auf Marie geworfen. Ich glaube da bahnt sich noch was an. Eine Band fing an Musik zu spielen und ich wünschte ich könnte mit Rob tanzen. Rob erhob sich und streckte mir galant die Hand entgegen. „Möchtest du mit mir tanzen?“ Ich lächelte und ergriff seine Hand. Wir schwebten geradezu über die Tanzfläche. Rob war ein begnadeter Tänzer. Ich bekam gar nicht mit, wie sich die anderen zu uns gesellten. Erst als der Song endete und wir zurück zu unserem Tisch gingen sah ich, wie James mit Grace, Tom mit Carmen und Marie mit Paul auf den Tisch zugingen. Ich blickte zu Rob hoch und der lächelte mich verschmitzt an. Was das wohl zu bedeuten hat? Als wir alle wieder Platz genommen hatten fragte Carmen „Was genau werdet ihr denn morgen mit uns anstellen?“ Paul antwortete „Ich werde morgen mit dir trainieren, wie du deine Kräfte einsetzt. Wir werden zuerst mit kleinen Gegenständen üben und dann immer größere versuchen anzuheben und zu bewegen. Tom wird mit Sarah üben, wie sie mit seiner Kraft Dinge unsichtbar machen kann. Später versuchen sie es dann ohne direkten Körperkontakt.“ Rob fing an zu knurren. Ihm gefiel der Gedanke an den Körperkontakt nicht. Selbst Carmen schien das gar nicht zu gefallen. Das machte mich so richtig wütend, sie vertrauen mir beide nicht. Aber wie konnte Carmen auch nur annähernd in diese Richtung denken. Ich zog Carmen, die neben mir saß hoch. Sie wusste ich wollte mit ihr reden. „Würdet ihr uns mal kurz entschuldigen. Wir gehen uns die Nasen pudern.“ Marie sprang auf und sagte sie würde uns begleiten. Sie hatte meine Wut gespürt und wollte wohl verhindern, dass wir uns gegenseitig an die Gurgel gingen. So standen wir zu dritt im Waschraum. Carmen zuckte zusammen als sie meinen wütenden Blick bemerkte. „Glaubst du allen ernstes, ich würde Tom näher kommen, als seine Hand zu halten. Selbst da werde ich versuchen Abstand zu halten. Und weißt du auch warum ich das tue?“ Ich ließ sie gar nicht antworten, ich war sauer, so richtig sauer. „Weil ich deinen Blick gesehen habe. Du hast dich auf den ersten Blick in Tom verliebt. Ich würde dir nie weh tun. Außerdem liebe ich Rob, glaubst du allen ernstes ich würde einen anderen auch nur nahe genug an mich herankommen lassen?“ So langsam beruhigte ich mich wieder.
Marie schien das ganze urkomisch zu finden. Das stachelte meine Wut erneut an. „Marie, ich weiß nicht worüber du lachst. Du hast dich doch genauso wie Carmen auf den ersten Blick in Paul verliebt. Warum habt ihr euch wohl sonst so aufgerüscht?“ Jetzt sah sie mich erschrocken an. „Falls es dir nicht aufgefallen ist. Ich stand genau neben dir in Robs Armen als du dir Paul angesehen hast. Soll ich dir den genauen Wortlaut deiner Gedanken wiedergeben?“ Sie war jetzt genauso sauer wie ich. Lag wohl auch etwas an ihrer Fähigkeit. „Nein, das brauchst du nicht und dank dir wissen alle am Tisch jetzt genau, was wir deiner Meinung nach Denken und Fühlen.“ Das brachte mich sofort runter. Ich hatte dieses verdammte Vampirgehör vergessen. Für beide hatte ich nur einen beschämten Blick und nahm sie in die Arme. „Das wollte ich wirklich nicht. Es tut mir so leid.“ Carmen war noch etwas entsetzt verzieh mir aber. Marie war nicht mehr wütend sie schämte sich nur etwas wegen ihrer Gedanken, die ich zum Glück nicht wiederholt hatte. Wir lächelten uns an. Sie nahmen mich noch einmal in den Arm und wir gingen alle zurück. Wenn wir noch rot werden könnten wären wir alle rot wie Tomaten. Rob grinste mich strahlend an. Ihm gefiel wohl, was er gehört hatte. Tom und Paul ging es da wohl nicht anders, denn sie strahlten bis über beide Ohren jeweils Carmen und Marie an. Tom fragte mich breit grinsend „Dann hast du also schon Erfahrung mit deinen Kräften?“ Ich schämte mich noch ein bisschen mehr. „Ja habe ich, aber Carmen auch. Sie kann schon Türen öffnen und schließen und Dinge zu sich holen.“ Sie schienen beide beeindruckt zu sein. „Wann müssen Carmen und ich denn morgen da sein?“ „Wir dachten wir treffen uns alle um acht hier im Hotel. Dann nehmen wir euch mit zum Institut.“ Rob und ich verabschiedeten uns danach.
In unserem Zimmer angekommen fing er an zu lachen. „Du hast es echt geschafft dein Vampirgehör zu vergessen?“ zog er mich auf. Ich grummelte nur vor mich hin. Er nahm mich in den Arm und flüsterte mir ins Ohr. „Was meintest du damit, niemand käme nah genug an dich heran?“ Ich drehte mich um und schmiegte mich an seine Brust. „Damit meinte ich, dass jeder der es versucht mich zu küssen oder zu betatschen es bitter bereuen würde. Ich habe auf Drängen meinen Eltern damals einen Selbstverteidigungskurs gemacht. Bevor du lachst, mir ist klar, dass mir das bei einem Vampir nicht viel helfen wird. Aber ein gezielter Tritt wird denke ich immer noch ganz schön schmerzen.“ Er zog mich noch ein paar Millimeter näher an sich und küsste mich.

Am nächsten Morgen wollte ich bevor wir los mussten noch kurz mit Carmen allein sprechen. Ich zog sie auf die Hotelterrasse. „Es tut mir leid, das ich gestern so wütend auf dich war und alles herausposaunt habe.“ Sie fing an zu lachen. „Damit hast du Marie und mir einen großen Gefallen getan. Tom und Paul haben uns heute Abend zum Essen eingeladen. Wir haben jede ein Date. Also wirst du dich heute Abend mit Rob allein amüsieren müssen.“ Ich umarmte sie und freute mich riesig für beide. Wir gingen zurück ins Foyer und wurden schon erwartet.
Das Training war ganz schön anstrengend. Tom gab sich nicht mit ein paar Kleinigkeiten zufrieden. Nachdem ich immer größere Dinge verschwinden und wieder auftauchen lassen konnte, musste ich es versuchen ohne seine Hand zu berühren. Je weiter er sich von mir entfernte desto schwieriger wurde es für mich. Nach gut vier Stunden Training schaffte ich es seine Kräfte von einem anderen Raum aus zu benutzen. Wir beschlossen eine Pause zu machen. Bei der Gelegenheit wollte ich ihn auf Carmen ansprechen. Wir holten uns ein Wasser und setzten uns einen Moment hin. Der perfekte Moment für eine Drohung. „Du gehst heute mit Carmen aus?“ Er nickte mit einem glücklichem Lächeln. „Ja, dank dir werden wir ausgehen. Ich hätte mich sonst vermutlich nicht getraut sie zu fragen.“ „Gut, dann bist du dir auch darüber im Klaren, was ich mit dir anstelle, wenn du sie verletzt? Egal ob physisch oder psychisch.“ Er schluckte einmal laut. „Ich werde mir die Kraft von Carmen ausleihen und werde einen deiner Körperteile an einen anderen Ort befördern. Ach, das gleiche gilt für deinen Bruder, wenn er nur mit Marie spielt. Das wäre dann nur meine Rache, wozu Rob dann in der Lage ist weiß ich nicht.“ Er wurde noch ein wenig blasser, als er sowieso schon war. „Ich würde Carmen nie wehtun, niemals. Für Paul gilt das gleiche, er würde Marie auch niemals wissentlich verletzen.“ „Ob es wissentlich geschieht ist nicht wichtig, wenn ihr unüberlegt gehandelt habt ereilt euch die gleiche Strafe. Überlegt euch also gut was ihr tut.“ Den letzten Teil unseres Gesprächs hatten Carmen und Paul wohl mitbekommen. Denn Carmen kam gleich auf mich zugestürzt und fing an mich anzuschreien. „Womit hast du Tom gedroht? Warum kannst du dich nicht raushalten?“ Ihre Augen sprühten nur so vor Wut. „Beruhige dich, ich finde es toll, dass ihr ausgeht. Habe ich etwas gesagt als du Rob gedroht hast? Du denkst wohl, dass hätte ich nicht mitbekommen. Bevor wir zu seinen Eltern gegangen sind, habe ich recht?“ Sie nickte widerwillig. „Ich habe Tom wahrscheinlich ähnlich drastisch bedroht. Ich werde ihm und seinem Bruder“ da konnte ich meine Drohung an Paul ja gleich persönlich überbringen, „einen für sie sehr wichtigen Körperteil mithilfe deiner Telekinesekräfte an einen anderen Ort befördern. Das gleiche würdest du mit Rob auch machen, also stell dich jetzt nicht so an.“ Sie musste lachen. „Stimmt damals wollte ich ihm diesen Körperteil noch abreißen und in einen Mixer stecken. Aber mit meiner neuen Kraft brauche ich mir nicht mal die Hände dreckig machen.“ Wir fingen beide an zu lachen und wurden nur panisch von Tom und Paul angesehen. „Hey, keine Angst, solange ihr vorsichtig mit den beiden seid, passiert euren Körperteilen auch nichts.“ Sie blickten einander an und fingen schnell an zu nicken. Meine Drohung war angekommen.
Um sie wieder aufzuheitern und etwas abzulenken meinte ich „Wie wäre es wenn wir mal versuchen, ob ich Carmens und deine Kraft auch zusammen benutzen kann.“ Also nahm ich Carmens Hand und sagte ihr sie solle Toms Hand nehmen. Ein weiterer Versuch meine Drohung abzuschwächen. Ich versuchte den Tisch an dem wir bis eben gesessen hatten zuerst anzuheben und ihn dann verschwinden zu lassen. Es klappte. Da viel mir ein, dass ich noch gar nicht wusste, welche Kräfte Paul eigentlich hatte. „Welche Kräfte hast du eigentlich Paul?“ „Die gleichen wie Tom, da wir Zwillinge sind, ist das nicht sehr verwunderlich.“ Klang einleuchtend. „Carmen kannst du den Tisch auf die andere Seite des Raums stellen“ fragte Paul. Ich übergab Carmen den Tisch gedanklich und sie ließ ihn rüberschweben. Als sie ihn abgestellt hatte machte ich ihn wieder sichtbar. Beide waren sehr überrascht, dass wir so unsere Kräfte bündeln konnten. Den Rest des Nachmittags trainierten wir zusammen. Um fünf machten wir Feierabend. Schließlich hatten sie ja alle noch ein Date. Im Hotel angekommen überlegte ich mir mit Rob, was wir denn machen könnten. Ich wollte gerne einmal die Pyramiden sehen. Also erfüllte mir Rob meinen Wunsch. Wir fuhren mit einem Taxi bis an den Stadtrand und von da aus liefen wir in Vampirgeschwindigkeit zu den Pyramiden. Sie sahen beeindruckend aus. Wir schlenderten um sie herum und sprachen darüber was wir an diesem Tag so erlebt hatten. Als ich ihm von meinen Drohungen erzählte war er begeistert. Nicht so begeistert war er, dass Carmen jetzt wusste wie sie ihn, ohne sich die Hände dreckig zu machen, bestrafen musste wenn er mir wehtun würde. „Wenn ich es jemals doch tun sollte habe ich weit schlimmeres verdient als das.“ sagte er ernst. Ich drehte sein Gesicht zu mir, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte. „Ich werde es niemals zulassen, dass du mir wehtust. Vorher werde ich dir wehtun. Jetzt, wo ich mir deine Kräfte immer unbemerkt von dir ausleihen kann, solltest du dich mit Gedanken an anderen Frauen vielleicht lieber zurück halten.“ Ich grinste ihn an, damit er wusste, dass es nicht ernst gemeint war. Er hatte verstanden.

Am nächsten Morgen wurden wir wieder im Foyer erwartet. Doch dieses Mal war auch Marie da. Sie verabschiedete sich mit einem Kuss von Paul und wir fuhren ins Institut. Heute sollten wir lernen unsere Kräfte auf lebendige Objekte zu übertragen. Ich würde mit Toms Kraft Tiere und danach andere Vampire versuchen unsichtbar zu machen. Carmen würde lernen Dinge und Personen, die in Bewegung sind zu stoppen und umzulenken. Zu diesem Zweck erwartete uns auch schon unsere Lehrerin, Jean hieß, vom Vortag in unserem Übungsraum. Wir hatten beschlossen zusammen zu trainieren. Zuerst übten wir jeder für sich. Nach einigen Versuchen an Tieren konnte ich diese verschwinden und wieder erscheinen lassen. Als nächstes wäre Jean dran. Es gelang mir nach einigen wenigen Versuchen, mit direktem Körperkontakt zu Tom, sie verschwinden zu lassen. Tom war überrascht und wohl auch ein wenig eingeschnappt. „Mir ist es noch nie gelungen ein größeres Lebewesen verschwinden zu lassen, als einen faulen Hund, der sich nicht bewegt hat.“ Es schien so, als ob ich seine Kraft noch verstärkt hatte, aber wie? Wenn es mir gelang, seine Kraft für meinen Gebrauch zu verstärken, konnte ich das auch bei ihm tun? „Tom, was hältst du davon, wenn ich versuchen würde deine Kräfte zu verstärken? Dieses Mal versuchst du es mit der Lehrerin.“ Er sah mich mit großen Augen an. „Du meinst, du könntest das vielleicht übertragen?“ „Ich weiß es nicht. Aber ein Versuch kann ja nicht schaden.“ Ich konzentrierte mich darauf meine Kraft zu ihm hinüber zu schieben. Ich stellte es mir wie in einem dieser Fantasyfilme vor. Eine Leuchtende Kugel, die vor mir schwebt. Durch die Zufuhr von Energie wuchs die Kugel. Ich schob sie gedanklich zu Tom rüber, bis er von der Kugel umgeben war. „Jetzt Tom.“ Er konzentrierte sich auf die Lehrerin und diese wurde unsichtbar. Nach einiger Zeit machte er sie wieder sichtbar. Tom lächelte mich stolz an. „Es hat geklappt. Ich habe gespürt, wie ich stärker wurde. Ich war mir sicher, dass ich es schaffen werden.“ Paul und Carmen hatten zwar unseren Versuch nicht mitbekommen aber Toms Begeisterung haben sie bemerkt. „Was ist denn passiert?“ „Ich habe gerade Jennifer unsichtbar werden lassen“ teilte Tom gleich begeistert seinem Bruder mit. Der wirkte reichlich überrascht. „Das ist doch keinem von uns bisher gelungen. Wie hast du das gemacht?“ Tom lächelte mich an und Paul schien zu verstehen. „Sie hat das mit Hilfe deiner Kräfte geschafft?“ Jetzt lachte Tom Paul aus. „Nein, sie hat mir einen Teil ihrer Kraft gegeben und damit konnte ich das.“ Paul wandte sich nun begeistert an mich. „Wie hast du das gemacht? Woher wusstest du, dass du das kannst?“ Ich grinste. „Ich wusste nicht, dass ich es kann. Es war ein Experiment. Tom meinte, ich hätte seine Kräfte für meinen Gebrauch verstärkt. Da dachte ich mir, vielleicht kann ich ja auch Toms Kräfte verstärken. Offensichtlich kann ich das.“ Jetzt wirkte er wie ein kleines Kind, das dem Bruder sein Spielzeug wegnahm. „Das muss ich auch ausprobieren. Bitte, bitte, bitte. Ich will das auch mal versuchen“ Carmen fing an zu lachen. Sie hatte wohl auch gerade das Bild eines aufgeregten kleinen Jungens vor sich. „Okay, Kleiner ich werde versuchen, das noch mal zu machen.“ „Was meinst du mit Kleiner?“ fragte Paul empört. Carmen antwortete für mich. „Das du dich wie ein Kleinkind benimmst.“ Ich nickte ihm zum Zeichen, das ich beginnen würde zu. Wieder stellte ich mir die Kugel vor, schob sie zu Paul und gab ihm das Zeichen. Auch ihm gelang es die Lehrerin unsichtbar zu machen. Nach weiteren Übungen, diesmal zusammen mit Carmen, entschieden Tom und Paul unser Training als Beendet zu betrachten.
Da es schon später Nachmittag war durften wir in unser Hotel zurück. Wir entschieden heute Abend alle zusammen in einen Club zu gehen und zu tanzen. Es war ein schöner Abend. Rob und ich tanzten viel. Carmen und Marie schienen sich mit ihren Errungenschaften ebenfalls gut zu amüsieren und Grace und James hatten sich für einen gemütlichen Abend schon vorher abgesetzt. Nach einigen Stunden tanzen, lachen und feiern entschieden wir uns alle den Abend ruhig in der Hotelbar ausklingen zu lassen. Ich dachte schon einige Zeit über unsere Zukunft nach. Ich konnte mir eine Zukunft ohne Paul und Tom aber nicht wirklich vorstellen. Ebenso wenig, wollte ich auch nur daran denken Marie und Carmen hier bei ihnen zu lassen. Marie schien meine Trauer zu spüren und fragte „Hey Sarah, was ist denn los? Warum so melancholisch?“ „Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie es nach unserem Training weiter geht. Bleiben wir alle hier? Muss ich euch beide hier lassen? Oder werdet ihr traurig und mit gebrochenem Herzen mit uns zurück in die USA gehen?“ Sie sah mich ratlos an. Ich wusste, dass sie auch keine Antwort darauf hatte. Am ehesten konnte ich mit der Möglichkeit leben hier zu bleiben, nur dann würde ich bestimmt für den Rat arbeiten müssen. Ich weiß nicht, ob ich mit dem Vollzug der Gesetze immer klar kommen würde. Kein Menschenleben würde ich auslöschen, das hatte ich mir nach der Wandlung geschworen. Zählten Vampire auch zu diesen Menschenleben? Technisch gesehen wohl nicht. Aber nachdem ich Tom und Paul kennengelernt hatte, war ich mir nicht mehr so sicher, ob es nicht auch Mord wäre jemanden wie sie zu töten. Tom und Paul hatten in der Zeit, in der ich gegrübelt hatte, wohl eine stumme Konversation. Rob blickte nämlich erstaunt und erfreut auf. „Das würdet ihr tun?“ Hä, was hatte ich nicht mitbekommen? Die anderen beiden Frauen schienen auch ratlos zu sein. Tom erklärte es uns. Er nahm Carmens Hand und sah ihr in die Augen. „Was hältst du davon, wenn wir euch zurück begleiten. Wir könnten unsere Jobs aufgeben. Selbst der Rat hätte nichts dagegen, wenn wir die Jobs wegen der Liebe aufgeben.“ Carmen und Marie fingen beide an vor Freude zu strahlen. Sie warfen sich in die Arme ihrer Jungs und weinten vor Glück. Ich sah Rob freudestrahlend an. Nach einem letzten Blick auf die vier erhoben wir uns und gingen leise nach oben.

Der nächste Morgen begann wie gewohnt. Wir wurden von Tom und Paul ins Institut gefahren. Doch im Eingangsbereich erwarteten uns vier Vampire, die gefährlich aussahen. Sie waren groß, sehr muskulös und hatten viele Narben. Das waren wohl unsere Trainer für Verteidigung, Angriff und die Jagd. Ich musste jetzt meine dringendste Frage einfach stellen. „Ich weiß, dass ihr mit uns jagen geht. Müssen das denn Menschen sein? Können wir nicht einfach Tiere jagen?“ Sie sahen uns ungläubig an. Sie verstanden meine Bitte wohl nicht ganz. „Ich und Carmen, werden uns wohl nie von Menschen ernähren. Wir trinken nur Tierblut.“ Sie sahen mir kurz in die Augen und fingen dann an sich über mich lustig zu machen. „So was will ein Vampir sein? Nur Tierblut. Das schmeckt ja nicht mal. Diese Hippies mit ihrem Weltfrieden.“ Nach einigen dieser Bemerkungen schaltete sich Carmen ein. „Es mag ja sein, das ihr den Menschen weh tun könnt. Wir können es nicht. Ist es jetzt möglich oder müssen wir die Menschen jagen? Wenn wir Menschen jagen, werden wir aber nicht von ihnen trinken.“ Sie sahen skeptisch aus, ob wir uns denn soweit beherrschen könnten. „Ihr werdet wohl Menschen jagen müssen, aber wir können euch ja nicht zum trinken zwingen. Dann lernt ihr die Ernährung ohne zu töten eben nur durch Beobachtung.“ Mir wurde übel. Ich sollte dabei zusehen, wie sie unschuldige Menschen verletzten. „Zuerst beginnen wir jedoch mit dem Kampftraining. Ihr dürft ab jetzt eure zusätzlichen Fähigkeiten nicht mehr einsetzen. Wir werden euch angreifen und ihr versucht euch zu verteidigen. Setzt alles ein, was ihr instinktiv tun wollt.“ Das Training war hart und auch schmerzhaft. Zum Glück verheilten unsere Wunden sofort wieder. Meine Selbstverteidigungskenntnisse kamen mir erstaunlicherweise sogar sehr gelegen. Selbst einige der Bewegungen aus Actionfilmen konnte ich anwenden. Carmen schlug sich ebenfalls wacker. Nach mehreren Stunden der Kämpfe, waren unsere Trainer zufrieden. Zum Glück konnten Vampire nicht erschöpfen. Es ging nämlich direkt weiter.
Es war bereits dunkel geworden. Das hieß dann wohl auf zur Jagd. Juchhu, wie ich mich doch freue. Menschen grundlos zu quälen war ja so richtig mein Ding. Wir suchten uns einen Club und warteten, dass ein Mensch allein nach Hause oder zu seinem Auto ging. Ungefähr eine Dreiviertelstunde warteten wir, bis ein Mädchen sich auf den sehr dunklen Parkplatz begab. Zuerst dachte ich sie wäre allein, doch eine schwarze Gestalt folgte ihr. Die Gestalt fasste das Mädchen von hinten und hielt ihr etwas vor das Gesicht. Es roch scharf nach Chemikalien. Sie sollte betäubt werden, da war ich mir sicher. Ich sah zu Carmen rüber und sie dachte das gleiche. Wir würden ihr helfen. Wir schlichen uns schnell an den schwarz gekleideten Mann heran. Er nahm nur einen Windhauch wahr. Schon standen wir hinter ihm und rissen ihm die Arme auf den Rücken. Wir hatten unsere Kräfte wohl leicht unterschätzt, denn wir hörten zwei Knochenbrechen. Der Mann schrie vor Schmerz auf. Das Mädchen hatte Carmen, bevor sie auf den Boden fallen konnte schon aufgefangen und legte sie behutsam auf den Boden. Unsere vier Begleiter gesellten sich nun zu uns. Der Mann, den ich immer noch fest hielt, wurde mir aus den Armen genommen. Ihm wurde gegen den Kopf geschlagen, sodass er sein Bewusstsein verlor. „Was habt ihr euch dabei gedacht? Ihr hättet entdeckt werden können. Was macht ihr, wenn sich der hier an zwei kleine Mädchen erinnert, die ihm beide Arme gebrochen haben?“ „Wir haben uns gedacht, wir beschützen dieses unschuldige Mädchen. Wenn er uns gesehen hätte, was er bis jetzt nicht hat, hätten wir ihn von Grace manipulieren lassen. Aber dazu wäre es auch ohne euer eingreifen nicht gekommen. Unser Plan war es ihn bewusstlos zu schlagen, dann hätten wir Rob und Tom angerufen. Zusammen hätten wir ihn zur Polizei gebracht. Aber da ihr ja hier seid. Könnt ihr ihn ja zur Polizei bringen und es erklären.“ „Oder wir trinken von ihm und lassen ihn dann hier liegen.“ „Dann wacht er auf und schnappt sich ein anderes Mädchen.“ Letzt endlich konnten wir unsere Lehrer dazu überreden ihn der Polizei zu übergeben, wenn sie vorher etwas von ihm trinken durften. Die Bissspuren würde man nicht mehr entdecken können, da der Speichel, diese sofort verschließt. Nach unseren Aussagen konnten wir gehen. Wir müssten morgen noch einmal aufs Revier und unsere Aussagen unterschreiben. Unsere Lehrer waren etwas enttäuscht, dass wir nicht auch etwas Menschenblut getrunken haben, aber ansonsten waren sie mit uns zufrieden. Unser Training war abgeschlossen. Etwas mitgenommen von den Ereignissen aber auch glücklich kehrten wir ins Hotel zurück.
Tom und Rob warteten schon auf uns. Wir hatten ihnen bescheid gegeben, dass wir auf dem Rückweg waren. Die guten Neuigkeiten, dass Tom und Paul mit uns zusammen zurück fahren würden, konnte Tom nicht lange für sich behalten. Carmen viel ihm erleichtert um den Hals. Wir gingen in die Hotelbar und erzählten den Jungs von unserem Tag. Rob war begeistert, wie wir es geschafft hatten ohne Menschenblut trinken zu müssen das Training abgeschlossen hatten. Als wir ihnen die Geschichte von dem Mann und dem Mädchen erzählten, lachten sie so lange bis ihnen die Tränen kamen. „Wie konntet ihr die nur davon überzeugen, den Mann bei der Polizei zu melden? Die sind doch sonst die, die Mädchen verschleppen. Ihr beide seid echt unglaublich“ brachte Tom gerade so heraus nachdem er sich beruhigt hatte. Tom teilte uns danach noch eine weitere Entscheidung der beiden Brüder mit. „Wir werden versuchen ebenso wie ihr nur von Tierblut zu leben. Es scheint eure Kräfte nicht zu beeinflussen und es fiel uns eigentlich schon immer schwer den Menschen weh zu tun. Ein Trost war es für uns, dass wir sie nie töten mussten.“ Carmen war hoch erfreut. So glücklich war sie seit ihrer Verwandlung nicht mehr. Es war also beschlossene Sache, wir würden morgen Abend mit zwei neuen Familienmitgliedern nach Hause in das Haus im Wald zurückkehren.

Endlich waren wir wieder zu Hause. Carmen schrieb als erstes ihrem Vater eine E-Mail und war froh, ihn nicht direkt belügen zu müssen. Es stimmt ja immerhin, dass sie jemanden kennengelernt hat. Sie erklärte ihrem Vater auch, dass sie ihn noch nicht geheiratet hat. Schwierig wurde es nur für sie, als sie ihm erklären musste, dass sie nur noch E-Mail-Kontakt mit ihm haben würde.
Paul und Tom gewöhnten sich langsam an ihre neue Ernährung. Sie vermissten manchmal den Geschmack von menschlichem Blut, waren aber im Großen und Ganzen mit der neuen Ernährungsart zufrieden. Ihre Augenfarbe hatte sich fast in denselben Goldton verwandelt wie unsere. Marie, Carmen, Rob und ich hatten uns von der Uni abgemeldet. Es war beschlossen, wir würden umziehen in eine andere Stadt. Für uns hieß das Highschool. Je jünger wir uns irgendwo einschrieben, desto länger konnten wir am gleichen Ort bleiben. Grace räumte ihr Geschäft und James vermittelte seine Patienten an andere gute Ärzte. Nach gut drei Monaten in unserem Haus im Wald hatte Grace eine Kleinstadt für uns ausgesucht, in der wir zukünftig leben würden. Grace und James wären die Onkel und die Tante von Paul und Tom, sie hatten sie nach dem Tod ihrer Eltern aufgenommen. Rob und Marie wären die viel jüngeren Geschwister von James. Carmen und ich wären Adoptivkinder von James und Grace. So begannen wir unser neues Leben in North Stratford an der Ostküste. Einen Tag bevor wir umziehen wollten erhielt James den Brief von der Bank. Unsere Erinnerungen stellte Grace danach wieder her. Mein Leben war perfekt. Doch ob es so bleiben würde stand noch in den Sternen.

Der Umzug ging recht schnell, wozu hat man sonst Vampirkräfte. Wir machten uns in einer Kolonne auf den Weg einmal komplett durch die USA. Eingerichtet waren wir ebenso schnell, wie wir ausgezogen waren.
Der erste Schultag stand uns morgen bevor. Carmen, Marie und ich würden uns für sechzehn ausgeben müssen, vom aussehen her war das hart an der Grenze. Die anderen wären ein Jahr älter. Grace würde als Verkäuferin in einer Boutique anfangen. Noch zögert sie ein neues Geschäft zu eröffnen. James konnte in einer Gemeinschaftspraxis einsteigen und so wieder als Psychologe arbeiten. Neue Papiere hatte Rob für uns alle besorgt. Paul und Tom würden ab sofort mit Nachnamen Miller heißen und wir anderen hätten alle den Nachnamen Thompson.
Der erste Schultag machte mir ein wenig Angst. Wie sollte ich mich verhalten. Genau das fragte ich abends auch Rob. „Wir werden morgen alle angestarrt werden. Das interessanteste was hier in den letzten drei Jahren passiert ist, ist unser Umzug hierher. Es ist am einfachsten, wenn du schüchtern bleibst und etwas abweisend. Du warst bisher nie auf einer Highschool. Am Besten du hältst dich an Marie und Carmen, die kennen das ja.“ Ich versuchte meine Bedenken an die Seite zu schieben. Bis Morgen hatten wir noch einige Stunden nur für uns. Jagen mussten wir auch noch. Ganz besonders Tom, Paul, Carmen und ich. Wir wollten ja nicht morgen schon alle wieder wo anders hinziehen müssen. Ich sah mich noch einmal in unserem Zimmer um. Rob und ich hatten unsere Möbel gut kombiniert. Na gut, ich gebe es zu die meisten Möbel sind von mir, da Rob verstand dass ich an ihnen hing. So stand mein Bett an der hinteren Wand in der Mitte. Das wichtigste waren unsere Lesesessel, die standen am Fenster, neben dem zwei Bücherregale standen. So bildete sich eine kleine Nische zum Lesen. Die Wände hatten wir als Kompromiss in einem schönen dunklen Türkis mit Hellblau gestrichen. In unserem Zimmer gab es drei Türen. Eine führte auf den Flur, die zweite führte in ein wunderschönes Bad und die dritte Tür in einen sehr großen Kleiderschrank. Überall hatten wir kleine Dekoelemente verteilt. Es sah richtig gemütlich aus. Ich stand widerwillig von Robs Schoß auf und zog ihn zur Tür. „Tom, Carmen, Paul, Marie, kommt ihr mit auf die Jagd? Bevor morgen noch etwas passiert?“ sagte ich. Rufen brauchte ich es nicht, da ich wusste, dass sie mich auch so hören würden. Wir gingen runter ins Wohnzimmer. Die anderen warteten schon auf uns. Gemeinsam gingen wir jagen.

Pünktlich um zehn vor acht standen wir auf dem Parkplatz der Highschool. Wir mussten uns alle zuerst im Sekretariat melden. Dort erhielten wir unsere Stundenpläne und einen Plan der Schule. Ich sah auf meinen Stundenplan und bekam einen Schreck. Ich musste die ersten vier Stunden alleine durchhalten. Ich sah die anderen erst in der Mittagspause wieder. Ich bekam leichte Panik, ich sollte in einen Geschichtskurs. Was sollte ich jetzt machen. Von amerikanischer Geschichte weiß ich nicht sehr viel. Ich sah Rob hilfesuchend an. Er kam zu mir nahm mich in den Arm und flüsterte „Bleib ruhig. Du beantwortest einfach keine Fragen, sei schüchtern. Heute Abend lerne ich mit dir.“ Er schenkte mir noch ein Lächeln und dann mussten wir los. Ich konnte mit Carmen zusammen gehen, ihre Klasse lag nur zwei Türen weiter. Sie verabschiedete mich an der Klassentür und ich atmete noch einmal tief ein und ging hinein. Der Lehrer hatte schon angefangen. Alle starrten mich an. „Entschuldigen Sie, ich bin Sarah Thompson, ich bin neu an der Schule.“ Der Lehrer begrüßte mich und schickte mich zu einem Platz in der letzten Reihe. Neben mir saß ein Junge, der mich neugierig anstarrte. Als ich saß führte der Lehrer seinen Unterricht fort. Ich kam nicht mit. Ich kenne einige geschichtliche Ereignisse aber die meisten hatten mit der Rechtssprechung zu tun. Davon wollte hier aber keiner etwas wissen. Ich werde eine Menge lernen müssen. Die Stunde verging ereignislos, wenn man von den vielen neugierigen Blicken absah. Mein Sitznachbar fragte nach dem klingeln schüchtern „Äh, Sarah, was hast du denn als nächstes.“ „Englisch bei Mrs. Sanders.“ Er schien enttäuscht. „Ich habe jetzt Mathe, aber ich könnte dir den Weg zum Klassenraum zeigen.“ Ich stimmte zu, was ihn zum lächeln brachte. Der Englischunterricht war schon leichter für mich. Sie besprachen gerade einen Roman, den ich bereits auf Deutsch gelesen hatte. Nach Englisch hatte ich Sport. Zum Glück hatte ich kein Sportzeug dabei. Ich wusste noch nicht wie ich mich da verhalten sollte. Endlich Mittag, endlich wieder bei Rob sein.
Er wartete schon am Eingang zur Cafeteria auf mich. Er nahm mich gleich in die Arme. Wir sahen uns in die Augen und drehten uns dann zum Eingang um. Wir schnappten uns etwas zu essen und setzten uns zu den anderen. „Wie hast du es bisher gemeistert?“ „Ganz gut, glaube ich. Keinem ist aufgefallen, dass ich nichts von amerikanischer Geschichte verstehe.“ Alle fingen an zu lachen, weil es für sie so abwegig war, das ich das alles nicht wusste. Ich begann zu essen und wartete einfach bis sie sich beruhigt hatten. Marie sagte zu mir „Freust du dich schon auf Mathe? Ich nicht, aber wenigsten haben wir das alle drei gemeinsam.“ Ich freute mich tatsächlich auf Mathe, ich war schon immer recht gut darin. Die Jungs hatten gleich gemeinsam Physik. Als wir alle aufgegessen hatten, brachten die Jungs uns zu unserem Klassenzimmer. Solche Gentleman, wenn sie nicht in den Raum unserem gegenüber müssten. Wir verabschiedeten uns jede mit einem Kuss. Sämtliche Schüler, die in diesem Augenblick vorbeikamen, sahen uns ungläubig an. Sie hatten wohl noch nicht mitbekommen, dass wir nicht Blutsverwandt waren. Der Junge, der vorhin in Geschichte neben mir saß, war der erste der mich danach fragte. „Hast du gerade deinen Bruder auf den Mund geküsst?“ „Nein, er ist nicht mein Bruder, von Gesetzeswegen her ist er mein Onkel. Aber keine Panik, er ist der jüngere Bruder meines Adoptivvaters. Carmen wurde ebenfalls adoptiert.“ Ich zeigte auf Carmen, die sich neben mich setzte. „Und Marie hier, ist die Schwester von Rob meinem Freund. Ach ja, Paul und Tom sind die Neffen von Grace, ihre Eltern sind bei einem Unfall gestorben. Ich glaube jetzt kennst du die Familienverhältnisse. Noch etwas, dass ihr gerne wissen möchtet.“ Die Frage war für alle, die sich mittlerweile interessiert zu uns umgedreht hatten. Viele sahen beschämt weg oder waren auf einmal sehr beschäftigt. Der Lehrer betrat in diesem Moment den Klassenraum. „Ah, wie ich sehe sind meine neuen Schüler schon hier und haben einen Platz gefunden. Ich bin Mr. Albright. Dann können wir ja anfangen.“ Marie und Carmen hatten keine Lust und unterhielten sich leise. Ich folgte dem Unterricht und dachte gleichzeitig darüber nach, dass ich hierfür nicht großartig lernen müsste. Der Schultag ging auch schließlich mit einem Klingeln zu Ende. Wir konnten nach Hause gehen, endlich. Auf dem Parkplatz warteten wir auf die Jungs. Plötzlich hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden. Marie sah mich an, als ob sie damit rechnete, dass ich paranoid wurde. Ich drehte mich um und suchte nach der Quelle meines Gefühls konnte sie aber nicht ausfindig machen. Da ich nichts entdecken konnte, war ich mir sicher, dass ich mich irrte. Die Jungs nährten sich endlich und wir fuhren zu unserem Haus. Das Gefühl verfolgt zu werden setzte wieder ein. Aber ich konnte wieder nichts entdecken.
Am Abend lernte Rob wie versprochen mit mir. Ich saß mit ihm zusammen in meinem Lesesessel und er erzählte mir von der Amerikanischen Geschichte. Es war schön seiner Stimme zu lauschen und sich nah an ihn zu kuscheln. Einige Stunden später kannte ich den gesamten Lehrstoff, der vorangegangenen Klassen. So vergingen mehrere Wochen. Wir gingen zur Schule, redeten viel, jagten, trainierten unsere Kräfte und liebten uns immer wieder. Das Gefühl beobachtet zu werden hatte ich relativ oft. Ich überzeugte mich einfach davon, dass ich mir es nur einbildete.

Am 27. April sollte ich jedoch eines besseren belehrt werden. Ich hatte eine Stunde eher Schluss als die anderen. Daher entschied ich mich nach Hause zu laufen. Auf dem Weg zu unserem Haus musste ich durch einen wunderschönen Wald laufen. Das Gefühl beobachtet und verfolgt zu werden setzte wieder ein. Ich blickte mich einmal um und entdeckte mehrere Vampire, die auf mich zu schnellten. Flucht, war mein einziger Gedanke. Also lief ich schneller. Ich versuchte einen Halbkreis zu laufen, um wieder näher an die Schule zu kommen. Aber die anderen erkannten meine Absicht und kesselten mich ein. Meine Flucht hatten sie damit vereitelt. Was wollten die eigentlich von mir. Ich starrte in Augen aus Stahl, die sich um mich verteilt hatten und jetzt immer näher kamen. Gegen alle hätte ich keine Chance und solange ich nicht wusste welche Kräfte sie besaßen, konnte ich sie auch nicht anwenden. Am Kräfte erkennen, arbeitete ich noch. Der kräftigste von ihnen sprach mich an. „Da haben wir dich endlich einmal alleine erwischt. Weißt du eigentlich wie schwer das war?“ Ich schüttelte den Kopf, weniger zur Antwort als um wieder klar denken zu können. „Warum wolltet ihr mich denn allein erwischen. Wollt ihr mich töten?“ Meine Verfolger fingen an zu lachen. „Nein, wir werden dich mitnehmen. Wir benötigen deine Hilfe.“ „Warum habt ihr nicht einfach gefragt, vielleicht hätte ich euch ja geholfen. Aber ich wüsste nicht, wobei ich euch helfen sollte.“ „Das erfährst du noch früh genug. Kommst du freiwillig mit oder müssen wir nachhelfen?“ Ich ahnte, was sie meinten. Sie würden mich angreifen, wenn ich mich weigern sollte, und einen Holzpflock ins Holzrammen, denn dies lähmt Vampire. Ich entschied mich für das Folgen. Mir wurden die Augen verbunden und ein Kopfhörer mit lauter, schlechter Punkmusik aufgesetzt. So war ich einigermaßen Orientierungslos. Erst recht als sie mich hoch hoben und trugen. Blieb noch mein Geruchssinn. Viel half er mir nicht. Zuerst roch ich weiterhin den Wald. Nach wenigen Minuten erreichten wir eine Straße und dort wurde ich in ein Auto gesetzt. Ich erstarrte vor Angst. Die anderen konnten meinem Geruch spätestens jetzt nicht mehr folgen. Sie wüssten, dass andere Vampire mich mitgenommen hatten aber nicht wohin oder wer das getan hatte. Ich blieb in meiner Starre und dachte an all die schönen Momente mit Rob und meiner neuen Familie zurück.

Im Hinterkopf hatte ich die Sekunden, Minuten und Stunden gezählt, die wir unterwegs waren. Wir fuhren insgesamt 3 Stunden 56 Minuten und 34 Sekunden bis der Wagen anhielt. Die Tür links von mir wurde geöffnet und ich heraus gezerrt. Wieder einmal wurde ich getragen. Wir mussten in Vampirgeschwindigkeit laufen, denn ich fühlte den Wind im Gesicht. Danach wurde ich auf einem harten Boden abgesetzt. Direkt danach wurden mir die Kopfhörer abgenommen. Ich versuchte mich mithilfe meines Gehörs zu orientieren. Das Gebäude musste eine alte Fabrik für Lacke sein, ich konnte die Chemikalien zur Farbherstellung noch riechen. Ich wurde an eine Wand gekettet. Warum waren diese Vampire so dumm? Ketten konnte ich doch zu jeder Zeit los werden. Schräg hinter mir fing jemand an zu lachen. „Du glaubst doch nicht, dass ein Vampir wirklich so dumm wäre, dich mit normalen Ketten zu fesseln. Es ist eine spezielle Metalllegierung, die nicht von Vampiren zerbrochen werden kann. Übrigens, mein Name ist Romanow und bin dein Gastgeber“ Okay, der konnte schon mal Gedankenlesen. Rob hatte mir erzählt, dass viele Vampire diese Kräfte in verschiedenen Formen entwickeln. Nicht an Rob denken, redete ich mir selbst zu, das macht dich nur noch trauriger und unfähiger klar zu denken. Als erstes brauchte ich meine Glaskuppel. Ich errichtete diesen Schutz in Gedanken und schmiedete weitere Pläne. Okay, dass mit den Gedankenlesen hilft mir vielleicht die Pläne meiner Entführer zu erfahren. Ich konzentrierte mich und versuchte die Kraft des Gedankenlesens ausfindig zu machen. Eben stand Romanow noch schräg links hinter mir. Aber da war niemand mehr. Mist. Was mache ich denn jetzt? Am besten Fragen. „Warum bin ich hier? Bitte nicht wieder diese Antwort, ihr bräuchtet meine Hilfe. Wobei braucht ihr die, das ist die Frage.“ Schon wieder war ein Lachen zu hören, dieses Mal klang es hämisch. Aber ich bekam eine Antwort. „In der Tat wir benötigen deine Hilfe. Wir brauchen dich, damit du dir die Kräfte von einigen Vampiren ausleihst und uns so zum Sieg verhilfst.“ Es ging also um einen Kampf, bei dem ich helfen sollte. Aber gegen wen wurde gekämpft? „Gegen wen kämpft ihr denn?“ Die gleiche Stimme wie zuvor antwortete. „Wir wollen den Rat stürzen, es kann nicht sein, dass einem Vampir vorgeschrieben wird, dass er seine Opfer nicht töten darf. Das liegt in unserer Natur und die darf keiner Missachten.“ Sie wollten, dass ich gegen den Rat antrete, damit sie wieder Menschen töten durften? Das ist nicht den ihr Ernst. „Wie kommt ihr darauf, dass ich euch dabei helfen würde?“ Ein hämisches Lachen, welches eher einem Grunzen glich, schallte durch die Halle. Alle anwesenden Vampire, insgesamt 7 von denen ich die Atemzüge hören konnte, lachten bzw. grunzten. „Ganz einfach, wenn du dich weigern solltest werden wir deine gesamte Familie, einen nach dem anderen hierher bringen und vor deinen Augen töten. Anfangen werden wir mit deiner Freundin Carmen.“ Nicht Carmen! Ruhig bleiben, Sarah, du brauchst mehr Informationen. „Was macht ihr mit mir, wenn ich euch geholfen habe. Da ich mich nur von Tierblut ernähre, werdet ihr mich wahrscheinlich ebenfalls töten, so wie den Rat. Ich lebe ja auch nicht nach eurer Überzeugung.“ „Kluges Kind, wenn du dich unserer Lebensweise nicht anschließen solltest werden wir dich töten.“ Also würde ich so oder so getötet werden. Wenn ich aber kooperiere und ihnen eine Nachricht für meine Familie mitgebe, in der ich sie dazu auffordere sich den neuen Regeln zu fügen kann ich vielleicht ihre Leben retten. „Ich werde euch helfen, aber nur unter einer Bedingung. Ihr lasst meine Familie weiter nach ihrer Überzeugung leben. Schließlich müsst ihr so auch nicht eure Nahrung mit ihnen teilen.“ „Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage, du wirst nicht zu ihnen zurückkehren und von Tierblut leben.“ „Ich habe doch mit keiner Silbe erwähnt, dass ich dann zu ihnen zurück will, oder. Eher gehe ich davon aus, dass ihr mich töten werdet. Es besteht immerhin das Risiko, dass ich mich gegen euch wende.“ „Du bist wirklich ein kluger Verhandlungspartner. Stimmt, du wirst in jedem Fall sterben. Deine Familie wird dir aber trotzdem folgen, wenn sie sich weigern nach unseren Vorstellungen zu leben.“ „Darf ich ihnen dann einen Brief schreiben, indem ich sie dazu auffordere sich euch anzuschließen, damit mein Opfer nicht umsonst war?“ „Das sei dir erlaubt.“ Mit diesen Worten hörte ich einen Windzug und der offensichtliche Anführer war verschwunden.
Niemand sprach mehr mit mir. Sie ignorierten mich einfach. Sollte mir recht sein. Ungefähr 6 Stunden später wurde ich wieder angesprochen. „Du musst dich auf deine Mitarbeit vorbereiten, wir werden dich nun von der Augenbinde und den Ketten befreien. Vorausgesetzt du lässt deine ‚Glaskuppe’ einstürzen.“ Ich gab keine Antwort sondern beseitigte einfach die Glaskuppe. Endlich konnte ich wieder aufstehen und meine Arme konnte ich auch wieder bewegen. Ich drehte mich einmal im Kreis, um meine Umgebung zu erfassen. Es war tatsächlich eine alte Fabrik. Am Ende der Halle war eine Tür, die offen stand. Dahinter konnte ich einen Schreibtisch erkennen. „Das wird dein Arbeitsplatz sein. Du musst Gesichter und die dazugehörigen Fähigkeiten auswendig lernen. Jede dieser Kräfte musst du dir ausleihen können.“ „Das Auswendiglernen ist kein Problem, die Anwendung könnte aber zu einem werden. Ich bin noch nicht stark genug, über mehrere Meter die Kräfte zu entleihen, besonders nicht, wenn ich die Personen nicht kenne. Dazu brauche ich noch etwas Training.“ Ich schien sie mit meiner Ehrlichkeit zu überzeugen. Es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig, wenn sie wollten, dass ich ihnen erfolgreich helfe, brauchte ich noch eine Menge Training. „John, Steve, ihr werdet mit ihr trainieren.“ Zwei Vampire von mittlerer Statur erschienen direkt vor mir. Sie waren durchschnittlich. Selbst für Menschen wären sie durchschnittlich. Wenn ihr Geruch sie nicht verraten hätte, hätte ich sie nie als Vampire wahrgenommen. „Ich bin Steve, ich kann Gedankenlesen und das ist John, er kann Erinnerungen löschen.“ Ah, man vertraute mir nicht. Was hatte ich auch erwartet? Aber zum üben würde es reichen. Wir trainierten den ganzen restlichen Tag und die ganze Nacht hindurch. Letztendlich konnte ich die Kraft des Gedankenlesens über mehrere hundert Meter Entfernung einsetzen. Das Löschen von Erinnerungen beherrschte ich sogar noch besser. John konnte drei Kilometer entfernt sein und ich konnte immer noch Löcher in Steves Erinnerung reißen.

Am nächsten Tag wurde ich zufrieden gelassen. Es hatte wohl keiner Zeit zum trainieren. Macht nichts. Wieder unter meiner Glaskuppe beschloss ich die Fähigkeit die Kräfte um mich herum zu erkennen zu trainieren. Am Abend kannte ich sämtliche Talente der Vampire um mich herum. Da gab es einen, der das Feuer beherrschen konnte, eine konnte ebenso wie Carmen Dinge schweben lassen, aber diese fortbewegen konnte sie nicht, und noch viele weitere Fähigkeiten, die mir eventuell helfen konnten.
In der Nacht erschien Romanow wieder. Er führte mich an den Schreibtisch am Ende der Halle und schloss die Tür hinter mir ab. Ich lernte, wie von mir verlangt, die Kräfte und Gesichter auswendig. Sicherlich würde ich abgefragt werden. Natürlich behielt ich Recht. In den Morgenstunden wurde die Bürotür geöffnet und Steve erschien um mich abzufragen. Meine Kuppel musste ich wieder zerstören. Zur Zufriedenheit von Steve und dem Rest der Truppe konnte ich alle Fakten aufzählen. Ich wurde wieder an meinen Platz in der großen Halle zurück gebracht und erneut angekettet.
Man brachte mir Blut, natürlich Menschenblut. „Das werde ich nicht trinken! Wenn ihr wollt, das ich bei eurem Angriff bei Kräften bin, sollte mir einer Tierblut besorgen.“ Nach einer langen Diskussion zwischen dem Anführer und dem Rest der Truppe wurde jemand zum Schlachthof geschickt um mir Tierblut zu besorgen. Meine Gedanken hielt ich mit Gedankenexperimenten und anderen Ablenkungen im Zaum. Ab und zu gelang es mir nicht länger meine Gedanken an Rob und meine Familie zu verdrängen. Irgendwann wurde es den Gedankenlesern in der Gruppe wohl zuviel. Sie erlaubten mir wieder meine Glaskuppe. Das war es, was ich mir erhofft hatte. So konnte ich meinen Plan verfeinern, der langsam Gestalt annahm.
Den vierten Tag meiner Gefangenschaft verbrachte ich zum Teil im Flugzeug. Sie waren auf dem Weg zum Rat. Anstatt jedoch direkt nach Ägypten zu reisen landeten wir im Nachbarland. Von hier aus fuhren wir in altersschwachen LKWs nach Kairo. Als ich bemerkte, dass wir näher an das Institut heran kamen, versuchte ich mich auf Vampire in der Umgebung zu konzentrieren. Ich machte einen Ausfindig. Durch eine Verstärkung von Steves Kraft schickte ich diesem die Nachricht, dass der Rat angegriffen werden sollte. Er schien mir zuerst nicht zu glauben, doch durch einige Erinnerungen meinerseits konnte ich ihn überzeugen. Steve sah mich auf einmal merkwürdig an, hatte er etwas mitbekommen? Er schüttelte unmerklich den Kopf und sah in eine andere Richtung. Noch einmal gut gegangen. Eine weitere halbe Stunde verbrachten wir in den Wagen. Romanow war vor fünfzehn Minuten zu uns in den Wagen gestiegen, um mir seinen Schlachtplan zu erläutern. Er würde mich die ganze Zeit festhalten. Der Rest seiner Truppe würde kämpfen und ich sollte sie unterstützen. Wir würden uns dabei auf dem Weg zum Rat begeben. Diesen sollte ich mit den ausgeliehenen Kräften außer Gefecht setzen und ihm so die Möglichkeit zum töten bieten.

Wir fuhren vor dem Institut vor. Es schien, als ob der von mir benachrichtigte Vampir den Rat nicht rechtzeitig warnen konnte. Ich war bedrückt, versuchte aber mir nichts anmerken zu lassen. Die ersten aus der Gruppe brachen die Türen auf und stürmten das Gebäude. In der Vorhalle war niemand. Im langen Gang, der zum Anhörungssaal führte war eine Barrikade errichtet. Meine Botschaft war angekommen. Nach einer kurzen Überraschung fingen die Kämpfe an. Ich musste meine Rolle spielen, sonst hätte mich Romanow einfach in Stücke gerissen und angezündet. Einige Kämpfe musste ich zu Gunsten der Angreifer beeinflussen. Ich half aber immer nur so, damit der Verteidiger eine Chance hatten zu entkommen und somit zu überleben. Romanow schien es nicht groß aufzufallen. Er schob mich langsam aber sicher immer weiter in Richtung der Flügeltüren. Als er diese geöffnet hatte schloss er sie direkt hinter uns wieder. Der Rat saß auf seinen Plätzen und schien uns zu erwarten. „Ah, Romanow wir hätten es uns ja denken können, dass du dahinter steckst.“ Er antwortete „Ja, da hättet ihr mit rechnen müssen, wenn ihr euch in meine Angelegenheiten einmischt. Aber dazu werdet ihr ja von nun an keine Gelegenheit mehr haben. Sarah, jetzt.“ Das war mein Stichwort.
Zeit für Teil 2 meines Plans, der war aber nicht weniger Gefährlich. Er wollte, dass ich den Rat lähmte, stattdessen war er derjenige, der gelähmt wurde. Er schien im ersten Moment sprachlos zu sein. Doch er erholte sich schnell und schrie mich voller Wut an. „Du stellst dich also auf ihre Seite. Glaubst du allen ernstes, dass die dich nach dieser Demonstration deiner Einsatzfähigkeit als Waffe am Leben lassen?“ „Nein, damit rechne ich schon längst nicht mehr. Aber sie werden bestimmt meine Familie in Ruhe lassen.“ Es lief bis hierhin alles gut, doch dann entfernte sich der Vampir mit der Kraft der Lähmung zu weit von mir. Romanow stürzte sich auf mich und riss mir zuerst meinen linken Arm ab. Ich schrie vor Schmerz auf. Meine kläglichen Versuche mich zu schützen durchkreuzte er sehr schnell. Meinen zweiten Arm hatte er nun auch noch abgetrennt. Mit Tritten versuchte ich ihn auf Abstand zu halten, aber auch das Gelang mir nicht. Er verletzte mich erneut. Was danach passierte bekam ich nicht mehr mit, um mich herum wurde alles schwarz.

Ich erwachte in einem weißen Raum. Das Bett auf dem ich lag, roch wie frisch gewaschen. Es war Nacht. Die Vorhänge am Fenster bauschten sich in der Abendbrise. Ich war offensichtlich im Himmel. Damit hätte ich nie gerechnet, dass jemand wie ich in den Himmel kommen sollte. Ich setzte mich auf und sah mir nun den Rest des Zimmers an. In der einen Ecke stand ein antiker Kleiderschrank. Direkt neben dem Bett stand ein großer Sessel, darin saß jedoch niemand. Zwei Türen führten aus dem Zimmer. Ich beschloss mich etwas umzusehen und stand auf. Hinter der ersten Tür befand sich ein Badezimmer. Eine Dusche würde mir jetzt gefallen, aber zuerst wollte ich genau wissen wo ich mich befand. Also öffnete ich die zweite Tür. Dahinter fand ich einen langen Flur, der sich nach links und rechts erstreckte. Hier roch es eindeutig nach Vampiren, viele Vampire. Vielleicht war ich doch nicht im Himmel. Erklären konnte ich mir das alles nicht. Auf eine Chance zur Erklärung brauchte ich nicht lange zu warten. Von rechts kam eines der Ratsmitglieder auf mich zu. „Ah Sarah, dir geht es wieder besser. Komm, gerade ist Besuch für dich eingetroffen.“ Ich folgte dem Ratsmitglied in den Anhörungssaal. Dort sah ich jedoch nur die anderen Ratsmitglieder, die mich mit einem Lächeln begrüßten. „Wir freuen uns so, dass es dir wieder besser geht. Mit deiner Warnung konntest du vielen das Leben retten insbesondere uns. Das war sehr selbstlos von dir. Romanow konnte festgenommen werden genau wie seine Anhänger. Sein Todesurteil wurde gestern vollstreckt. Er kann dir nichts mehr anhaben.“ Ich war erleichtert. Romanow war tot, damit war meine Familie nicht mehr in Gefahr. Mir traten Tränen in die Augen bei diesem Gedanken. Mit einiger Anstrengung schaffte ich es sie zurück zu halten. In dem Moment wurden die Flügeltüren hinter mir aufgerissen und noch ehe ich mich umdrehen konnte wurde ich von zwei Armen umschlungen.
Ich atmete erschrocken ein und vernahm einen mir wohl bekannten Geruch. Rob! Es war wirklich Rob. Ich drehte mich blitzschnell um und sah endlich in das Gesicht, welches die letzten Tage immer vor meinem geistigen Auge erschienen war. Meine Finger strichen wie von selbst über seine weichen Gesichtszüge und über seine Lippen. Ich brachte nicht ein Wort heraus sondern schmiegte mich mit einem Schluchzen an seine Brust. Damit, dies noch einmal tun zu können, hatte ich nicht mehr gerechnet. Meine Tränen flossen nun unwiderruflich meine Wangen hinunter. Robs Arme schlossen sich fester um mich. Er vergrub seinen Kopf in meinen Haaren und flüsterte mir dann ins Ohr „Endlich habe ich dich wieder. Die letzten Tage waren die Hölle. Ich wusste nicht wo du warst und warum du weg warst.“ Hinter uns räusperte sich jemand. Ich atmete noch einmal Tief Robs Geruch ein und drehte mich um. „Es scheint, als ob du sehr vermisst wurdest kleine Sarah. Wir denken es ist das Beste, wenn du dich erst einmal noch ein wenig ausruhst. Später können wir dann über deine Zukunft sprechen.“ Das machte mir jetzt Angst. Warum hatten sie mich nicht sterben lassen, wenn sie mich jetzt doch töten würden? Rob sog zischend Luft ein. Mist, ich hatte vergessen, dass er jedes Wort hören konnte. Die Ratsmitglieder lächelten mich nun an. „Du brauchst keine Angst zu haben, keiner von uns wird dich töten. Wir denken nur, dass einige zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen, damit so etwas nicht noch einmal geschehen kann. Aber jetzt verbringe erst etwas Zeit mit deiner Familie.“ Mit einem kurzen Nicken zog Rob mich hinter sich her.
Draußen vor dem Institut wartete eine Limousine auf uns und wir ließen uns auf die Rücksitze sinken. Direkt nach dem Einsteigen war ich auch schon in Robs Armen und wurde von ihm stürmisch geküsst. Wir hielten vor dem gleichen Hotel an, in dem wir während unseres Trainings gewohnt hatten. „Die anderen warten alle auf dich in James und Grace Suite. Aber zuerst musst du mich noch einmal küssen.“ Im Fahrstuhl kuschelte ich mich wieder an Robs Brust. So ganz kann ich immer noch nicht fassen, dass ich ihn wieder umarmen kann. Als ich die Tür zur Suite öffnete kam mir gleich Carmen entgegen gesaust. Sie zerquetschte mich fast, so doll umarmte sie mich. Marie konnte wohl nicht länger warten, denn sie umarmte einfach Carmen und mich zusammen. Ein weiteres Mal konnte ich meine Tränen an diesem Tag nicht zurück halten. Die anderen, die um uns herum standen hatten auch alle die Tränen in den Augen und James konnte eine Träne nicht am fließen hindern. Carmen schniefte und flüsterte „Mach das nie wieder, ab jetzt gehst du nirgends mehr alleine hin. Ich hatte solch eine Angst um dich. Zum Glück ist dir nichts passiert.“ Na ja, nichts kann man nicht sagen. Ich wurde entführt, mir wurden beide Arme ausgerissen und was danach passiert ist weiß ich nicht mehr. Was jetzt mit mir geschieht weiß ich genauso wenig. Rob und James zuckten bei diesen Gedanken zusammen. James konnte sich nicht zurück halten „Wer hat dich entführt und dir die Arme ausgerissen und warum überhaupt.“ Alle anderen sogen erschrocken die Luft ein. „Ich erzähle es euch. Ich wurde auf dem Rückweg von der Schule verfolgt. Die Vampire umzingelten mich und entführten mich. Romanow, so hieß ihr Anführer, wollte mit meiner Hilfe den Rat auslöschen, damit ihm niemand mehr vorschreiben konnte wie er zu leben hat…“
Als meine Geschichte endete nahm Rob mich wieder in den Arm und machte keine Anstalten mich je wieder los zu lassen. Er beugte sich zu meinem Ohr hinunter „Damit hast du vollkommen recht.“ Carmen machte seinen Plan zu Nichte, indem sie mich in ihre Arme riss. Aber er ließ die ganze Zeit meine Hand nicht los. Einige Zeit später zogen Rob und ich uns zurück auf unser Zimmer. Wir legten uns ins Bett und ich kuschelte mich an Rob. So lagen wir die ganze Nacht da. Ab und zu küssten wir uns oder sprachen miteinander, aber niemals war mehr wie ein Zentimeter Platz zwischen uns.

Um neun Uhr am nächsten Morgen begaben wir uns alle gemeinsam zum Rat. Sie konnten mich alle nicht aus den Augen lassen. Selbst Tom und Paul konnten es nicht. So standen wir alle vor diesen Flügeltüren, atmeten noch einmal tief ein und betraten den Anhörungssaal. Diesen Raum werde ich wohl niemals mögen. Der Rat saß versammelt auf ihren Thronen. Der mittlere, der als einziger jemals ein Wort an uns gerichtet hatte sprach auch jetzt wieder. „Schön dich wieder zu sehen kleine Sarah. Wie es aussieht hat deine Familie dich sehr vermisst, wenn sie dich jetzt nicht einmal aus den Augen lassen können.“ Ich antwortete „Nicht nur sie haben mich vermisst. Auch ich habe sie schrecklich vermisst.“ „Ja, du liebst sie alle sehr, nicht wahr. Du warst ja sogar dazu bereit für sie zu sterben. Aber soweit ist es ja zum Glück nicht gekommen. Dank dir und deinen Fähigkeiten.“
Jetzt sprach das Ratsmitglied ganz links. „Durch dein beherztes Eingreifen gelang es uns, eine gute Verteidigung aufzubauen. Hättest du uns nicht gewarnt wäre es bestimmt anders ausgegangen. Aber damit nicht genug, du hast auch noch Romanow davon abgehalten uns anzugreifen. Wir sind dir zu tiefsten Dank verpflichtet.“ Wieder einmal wäre ich rot geworden, wenn ich es noch könnte. Nun ergriff das Ratsmitglied ganz rechts das Wort. „Du hast ja selbst erkannt, dass es gefährlich für dich sein kann mit diesen Kräften allein zu sein. Daher haben wir uns entschieden, dir einen Teil deiner Kräfte zu nehmen. Danach bist du nach wie vor dazu in der Lage, Kräfte auszuleihen, aber nur noch wenn du direkten Körperkontakt hast. Wir schwächen deine Kräfte ab. Uns ist bewusst, dass dies wie eine Bestrafung erscheint, aber es ist nur zu deinem eigenen Schutz.“ Ich war überglücklich. Ich durfte bei meiner Familie bleiben, meine Kräfte wären für andere nicht mehr interessant und am Besten war, ich konnte weiterhin Robs Gedankenlesen wenn wir uns küssen.
Die anderen anwesenden Vampire rechneten wohl mit einem Einwand, denn sie sahen mich erwartungsvoll an. Ich lächelte jedoch nur den Rat an und sagte. „Das würde mich sehr freuen.“ Das mittlere Ratsmitglied sprach wieder zu mir. „Wir freuen uns, dass du es so gelassen aufnimmst. Für deinen Mut und dein Eingreifen haben wir noch eine Belohnung für dich. Du hast einen Wunsch frei, soweit die Erfüllung in unserer Macht liegt.“ Ich dachte kurz nach, was ich mir am meisten auf der Welt wünschte. Meine Eltern konnten sie nicht wieder lebendig machen. Ansonsten hatte ich alles was ich brauchte. Da kam mir eine Idee. „Ich hoffe ihr könnt mir diese Bitte erfüllen. Wäre es möglich, dass wir Carmens Vater in unser Geheimnis einweihen. Wenn er es nicht verkraften kann, könnte Grace ihm die Erinnerung an unser Geständnis ja wieder nehmen.“ Nach einer kurzen Beratung nickten sie alle zustimmend. „Diese Bitte sei dir gewährt. Ihr dürft Carmens Vater einweihen. Wir wünschen euch eine angenehme Rückreise und würden uns freuen, wenn ihr uns bald einmal wieder besuchen würdet. Sarah, du müsstest noch kurz mit uns kommen. Rob darf dich natürlich begleiten.“ Sie schienen zu ahnen, dass wir uns nur äußerst ungern trennen würden.
Rob und ich gingen mit dem Rat durch die Tür rechts von den Thronen. Wir kamen in einen runden Raum. Die Ratsmitglieder bildeten einen Kreis und bedeuteten mir mich in die Mitte zu stellen. Sie konzentrierten sich einige Minuten, streckten ihre Arme einander entgegen und nach etwa einer Viertelstunde warfen sie die Arme auf ein, mir nicht bekanntes Kommando, die Arme in die Mitte des Kreises. Dort stand ich immer noch und beobachtete sie. Ich fühlte keine wirkliche Veränderung durfte aber gehen. Gespürt hatte ich während der Zeremonie nichts, aber ich konnte Robs Kraft nicht mehr ausleihen, wenn er mich nicht berührte. Wie sie das gemacht hatten weiß ich nicht aber es hat funktioniert. Noch am selben Abend stiegen wir ins Flugzeug um nach Hause zu fliegen.

Carmen war überglücklich ihren Vater nicht mehr belügen zu müssen und ihn wieder in die Arme schließen zu können. Er nahm die Veränderungen von Carmen gut auf und war glücklich seine kleine Tochter wieder zu haben. Grace war einfach nur überglücklich ihre gesamte Familie wieder sicher zu Hause zu wissen. James war froh seine Familie glücklich zusehen. Marie war begeistert von Paul, ebenso wie er von Marie. Sie war aber auch froh, dass ihr Bruder nicht mehr litt. Tom und Paul fanden sich mit ihrer neuen Ernährung gut zurecht. Beide denken über einen Heiratsantrag nach, hatte Rob mir erzählt. Tja, Rob und ich waren einfach nur glücklich damit beieinander zu sein. Wir verbrachten niemals wieder auch nur eine Stunde voneinander getrennt. Und so lebten meine Familie und ich glücklich und zufrieden bis zum Ende unserer Existenz zusammen.

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Tag der Veröffentlichung: 07.06.2010

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