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Am nächsten Morgen schlief ich extra lange. Ich wollte Carmen aus dem Weg gehen, ja es ist feige aber ich wusste immer noch nicht, was ich ihr auf ihre Fragen antworten sollte. Carmen war in einem ihrer Kurse, als ich mich in die Küche wagte. Nach einem Kaffee und einer Schale Müsli versuchte ich eine Lösung zu finden. Vielleicht, sollte ich mit Rob reden. Am besten ich ruf ihn mal an. Ich hatte mein Handy schon in der Hand, als mir einfiel, dass ich ja gar keine Nummer von ihm hatte. Ich wusste auch nicht wo er wohnt. Das musste sich ändern. Ich grübelte noch eine Zeit lang und ging dann ins Bad um mich für meine Kurse fertig zu machen.

Rob wartete vor der Uni auf mich. Ich musste dran denken ihn nach seiner Handynummer zu fragen, aber als erstes wollte ich eine Umarmung. Ich hatte vergessen, oder verdrängt, dass er ja Gedankenlesen konnte. So landete ich in seinen Armen. Der Teil war das Beste an diesem Gedankenlesen, er wusste sofort was ich wollte auch wenn ich mich nie trauen würde danach zu fragen. Nicht so gut gefiel mir die Tatsache, dass er alles wusste, nichts, aber auch gar nichts konnte ich vor ihm verheimlichen. „Mach dir keine Sorgen mehr wegen Carmen, ich habe mit Marie die ganze Nacht diskutiert. Wir sind der Meinung, dass wir nur zwei Möglichkeiten haben. Entweder wir verschweigen Carmen alles oder wir erzählen es ihr.“ „Ich weiß nicht, ob ich etwas vor ihr verbergen kann, sie kennt mich zu gut. Manchmal habe ich das Gefühl, sie könnte ebenfalls Gedankenlesen.“ „Das kann sie nicht. Da bin ich mir sicher. Aber sie ist sehr intuitiv. Es ist als ob sie an den kleinsten Reaktionen von dir erkennt wie es dir geht und ob du die Wahrheit sagst.“ „Also fällt die Möglichkeit mit dem Lügen aus. Ist es denn so schrecklich, wenn wir ihr die Wahrheit über euch erzählen?“ „Ich erklär dir alles später, wir müssen jetzt erst einmal in unseren Kurs.“
Wieder ein Kurs, dem ich nicht folgen kann. Diesmal ist es aber nicht Robs Schuld. Auf jeden Fall nicht direkt. Warum ist es schlecht für Carmen die Wahrheit zu kennen? Und wenn es schlecht für Carmen ist, warum dann nicht für mich, oder war es das doch? Welche anderen Dinge wusste ich bisher nicht von Rob? Warum tranken sie alle nur Tierblut, lag es daran, dass sie niemanden töten wollten oder ist das mit dem Tierblut bei allen Vampiren so? Mein Fragenkatalog wurde immer länger. Ich musste unbedingt wenigstens die Hälfte der Fragen beantwortet haben. Da wurde ich von Rob vorsichtig angestupst. „Der Kurs ist zu Ende und du hast nichts mitbekommen, zum Glück hast du einen Freund, der alles mitgeschrieben hat. Ich habe nur die kläglichen Versuche des Profs witzig zu sein ausgelassen. Wir müssen zu noch einem Kurs, danach beantworte ich dir ALL deine Fragen.“ „Okay, ich werde versuchen jedes Wort der nächsten Vorlesung mitzubekommen.“
Mit einer ganzen Menge Willenskraft schaffte ich es alles zu verstehen. „Du hast dich wirklich bemüht. Jetzt werde ich all deine Fragen beantworten, aber nicht hier. Äh, wie wäre es wenn du mit zu mir kommst und meine Eltern kennenlernst. Sie würden sich wirklich freuen und wir müssten keine Angst vor Lauschern haben, so wie hier.“ Ich sah ihn verständnislos an. Er drehte seine Augen nach links und ich sah den Schuljungen, der ganz unauffällig in unsere Richtung schaute. Als er meinen Blick bemerkte, drehte er sich schnell um. Sollte das unauffällig sein? „Klar, lass uns zu dir gehen, ich muss mich nur umziehen, willst du mitkommen? Carmen wird wahrscheinlich da sein, da wärst du als Ablenkung ganz gut.“ „Was ist mit deinen Sachen denn nicht in Ordnung, dass du dich umziehen willst?“ Männer, gerade er sollte doch wissen, wie Frauen tickten. „Meine Klamotten sind für die Uni gut, aber nicht um deine Eltern kennenzulernen.“ „Okay, ich versteh es nicht aber dann halt erst zu dir.“
In der Wohnung angekommen, lief ich als erstes in Carmens Zimmer, wo sie an ihrem Schreibtisch saß und zeichnete. Sie drehte sich etwas erschrocken um. „Carmen, du musst mir helfen! Ich soll Robs Eltern kennenlernen, was soll ich nur anziehen? Was mache ich mit meinen Haaren?“ Sie sah mich kurz abschätzend an, schnappte sich meine Hand und rannte mit mir in mein Zimmer und gleich in den fast leeren Kleiderschrank. „Okay etwas das klassisch elegant ist aber dennoch jugendlich wirkt. … Ich hab es! Deinen türkisen Pullover mit der schwarzen Stoffhose. Dazu ziehst du deine schwarzen Absatzschuhe an. Ich denke, das geht. Deine Haare lässt du offen, sie bezaubern jeden und du fühlst dich damit am wohlsten.“ „Danke, danke, danke. Ich weiß nicht was ich ohne dich tun sollte. Ich muss mich jetzt wohl beeilen, Rob wartet im Wohnzimmer auf mich. Du könntest nicht kurz zu ihm gehen?“ Sie verdrehte die Augen und war schon fast aus der Tür bevor ich mich ans umziehen machte. Keine fünf Minuten später kam ich ins Wohnzimmer. Carmen und Rob unterhielten sich über den Film, den wir gestern im Kino gesehen hatten. Als Rob mich sah erhob er sich und wir verabschiedeten uns von Carmen. Auf dem Weg zu seinem Zuhause wurde ich immer kribbeliger. Was ist wenn sie mich nicht mögen? Ist es ihnen recht, dass Rob mit einem Menschen zusammen ist? Rob tat mir den Gefallen und tat so, als ob er meine Gedanken nicht hören würde. Dafür war ich ihm dankbar, denn ich war mir darüber im Klaren, dass es total verrückt war was ich gerade tat.

Nach etwa zehn Minuten standen wir vor seiner Haustür. Ich blickte diese ängstlich an. „Wenn du zu große Angst hast mit vier Vampiren allein zu sein, dann können wir uns auch wo anders unterhalten.“ Als ob ich nicht wüsste, dass sie mir nichts tun werden. Ich bin nur feige, weil ich Angst vor ihrer Reaktion auf mich habe und auf meine Reaktion auf ihre Familiensituation. Seit dem Tod meiner Eltern konnte ich immer Familien aus dem Weg gehen, den einzigen Elternteil den ich erlebte, war Carmens Vater und die Beziehung der beiden war für mich nach einem Abendessen zu viel. Rob nahm mich fest in die Arme, etwas zu fest. „Ich bekomme keine Luft mehr!“ zischte ich mit meinem letzten Atem. Er ließ mich abrupt los. Ich schnappte nach Luft und fing an mich zu beruhigen. Es wird schon irgendwie klappen und wenn es mir zu viel wird, dann holt Rob mich da schon raus. Rob hatte meinen Entschluss mitbekommen und öffnete die Haustür. Das Haus war ein typisches Stadthaus. Relativ schmal, aber dafür hoch gebaut. So wie es aussah waren es 4 Stockwerke und eventuell ein Keller. Die Eingangshalle, anders konnte man den Eingang nicht beschreiben, war riesig und etwas düster. Es führte eine riesige Treppe in den ersten Stock. Wir waren erst wenige Schritte in der Halle, als von oben ein Wind herunter wehte und plötzlich erschien Marie direkt vor mir. Mein Herz machte einige Aussetzer. Rob sah mich erschrocken an, er hatte meine Herzrhythmusstörungen wohl gehört. Hatten Vampire nicht außergewöhnlich gute Sinne? „Ja haben wir. Ich kann deinen Herzschlag sogar aus einiger Entfernung von anderen unterscheiden. Dies gelingt mir aber nur, weil ich deinen Herzrhythmus so genau verfolge, wenn ich bei dir bin. Es ist die schönste Melodie auf dieser Erde.“ Nach diesen Worten fühlte ich wieder einen Wind aufkommen, dieses Mal war ich vorbereitet, dass jemand vor mir aus dem Nichts auftauchen wird. Es waren zwei Personen. Ich denke mal seine Eltern. „Das sind meine Eltern Grace und James. Und dies ist meine Sarah.“
Seine Mutter Grace sah wie 27 aus. Sie hatte ebenso wunderschöne perfekte Locken wie Marie, jedoch schienen ihre in einem haselnussbraun. Ihre Augen hatten die bekannte goldene Farbe. Sie war in etwa so groß wie ich. Ich konnte sie mir gut in diesem Kostüm, das sie trug, in einem Antiquitätenladen vorstellen. James entsprach ganz und gar nicht dem Bild eines Psychologen wie ich es mir vorstellte. Er trug weder eine Brille, noch hatte er weiße Haare und er trug auch keines dieser englischen Tweedjacketts mit diesen Flicken am Ellbogen. Nein, er hatte ebenfalls haselnussbraunes Haar, welches er kurz und akkurat trug. Ebenfalls goldene Augen, war sehr athletisch und trug ein dunkelblaues Polohemd zu einer hellen Jeans. Er war höchsten 35.
Seine Mutter begrüßte mich mit einer leichten Umarmung und den Worten „Es ist so schön dich endlich persönlich kennen zu lernen, bisher hat Robert uns ja nur von dir erzählt und er hat nicht übertrieben.“ Okay was auch immer er seinen Eltern von mir erzählt hat es kann nichts Persönliches gewesen sein, dafür kannte er mich ja noch nicht gut genug. Mit dem Satz seines Vaters waren meine Hoffnungen da hin. „Stimmt Robert, sie ist wirklich so liebenswürdig und etwas unsicher, wie du gesagt hast. Aber es ist auch wirklich amüsant ihren Gedanken zu folgen.“ Ich war geschockt. Wieso konnte James auch Gedanken lesen? Wie sollte ich das aushalten, ich kann doch nicht einfach aufhören zu denken, oder vielleicht doch. Eine andere Möglichkeit wäre, nie wieder in die nähe eines Gedankenlesers zu kommen aber dem einen wollte ich ja gar nicht aus dem Weg gehen. Sie musterten mich alle und zwei von ihnen lauschten gespannt meinen Gedanken. Sie fingen schallend an zu lachen. Natürlich wurde ich sofort rot. Marie spürte wie unwohl ich mich fühlte und zog mich am Arm zur Treppe. „Hör gar nicht auf die, ich werde versuchen dir zu helfen sie aus deinem Kopf zu verbannen. Ich weiß nur nicht ob ein Mensch das erlernen kann.“
Wir waren schon fast in einem Raum, als Rob neben mir auftauchte und seine Schwester anknurrte, ja er knurrte wie ein Hund, der zu lange gereizt wurde. Robs Mine verzog sich wieder zu einem lächeln, also hatte er meine Gedanken gehört. Darauf konnte ich einfach nur seufzen. „Marie lass Sarah in Ruhe, sie ist hier, weil wir überlegen wollen was wir mit Carmen machen und außerdem hat sie mindestens Tausend Fragen.“ Etwas leiser fügte er hinzu „und ich wollte ihr gerne mein Zimmer zeigen.“ Ich sah ihm in die Augen und nickte. „Marie, dass mit dem Ausblenden kannst du mir ja vielleicht auch später erklären, oder?“ Eine Antwort wartete Rob gar nicht mehr ab, denn plötzlich lag ich wie ein kleines Baby bei ihm auf dem Arm und wir bewegten uns in ungeheuerlicher Geschwindigkeit auf eine Treppe zu. Im vierten Stock ließ er mich vor einer Tür wieder hinunter. Dies war bestimmt sein Zimmer. Er öffnete die Tür und ließ mich zuerst eintreten. Sein Zimmer war wunderschön. Es war ganz schlicht aber gemütlich in Erdtönen dekoriert. An den Wänden waren viele Regale mit hunderten von Büchern. Einem gemütlich aussehendem Lesesessel, der meinem sehr ähnlich sah und einem wunderschönem großen Himmelbett. Ich drehte mich einmal und ließ mich dann mit einem seufzen in dem Sessel fallen. „Das ist wunderschön. Hier kann man sich richtig wohlfühlen. Okay etwas dunkel, aber etwas anderes hätte ich auch nicht erwartet.“ Er freute sich, wie gut mir sein Zimmer gefiel. „Okay, dann fang mit deinen Fragen an.“ „Warum ist es für Carmen nicht gut von euch zu wissen und warum für mich schon?“ „War klar, dass du die schwierigste zuerst stellst. Ich werde es dir erklären. Es gibt nicht nur gute Vampire auf der Welt, eigentlich gibt es nur sehr wenige Ausnahmen, wie wir es sind. Die meisten trinken Menschenblut, auch wenn sie ihre Spender meistens nicht töten.“ Hier unterbrach ich ihn. „Wieso töten sie die Spender nicht?“ „Weil es zunächst einmal zu auffällig wäre, wenn ständig Menschen verschwinden würden und zum anderen sind sie egoistisch. Ihr seid zwar für sie nachwachsende Rohstoffe, aber so wird nie Blutmangel herrschen, da ihr das entnommene Blut ja in wenigen Tagen wieder erneuert habt. Aber jetzt weiter im Text. Für diese Vampire wäre es komisch, dass wir uns mit Menschen abgeben. Darum ist es auch für euch beide gefährlich, da diese Vampire neugierig werden könnten. Wenn sie dann jedoch herausfinden, dass ihr von der Existenz von Vampiren wisst werden sie euch töten. Es gibt gewisse Regeln und Gesetze an die sich jeder Vampir halten muss und die Geheimhaltung unserer Existenz ist das wichtigste Gesetz.“ Beim Gedanken an meinen Tod erschrak ich leicht. Er hatte meine Reaktion bemerkt und blickte mich nun entschuldigend und ängstlich an. Ich stand auf und ging auf ihn zu. „Hey, es ist doch nicht deine Schuld was du bist. Mir ist lieber ich weiß bescheid, als angelogen zu werden.“ Er sah immer noch so bekümmert aus, dass ich ihn einfach umarmte und mich tröstend an ihn schmiegte. Er atmete erleichtert auf. „Okay stell deine nächste Frage.“ Ich zog ihn zu dem Sessel und setzte mich auf seinem Schoß. So fühlte ich mich sicherer und ich konnte ihm besser in die Augen sehen. „Du hast von Gesetzen gesprochen, gibt es keine Gesetzeslücke, die wir ausnutzen könnten?“ „Nein, die gibt es nicht.“ Er belog mich, das wusste ich genau. „Ja schon gut, es gibt etwas, aber du wärst immer noch Tod. Ich müsste dich verwandeln, dann wärest du selbst an die Gesetze gebunden. Aber das kommt nicht in Frage. Ich werde dich nicht zu diesem Leben verdammen. Niemals.“ Er wollte mich nicht. Das versetzte mir einen tiefen Stich ins Herz. Wie kann er behaupten mich zu lieben aber nicht den Rest seines Lebens mit mir verbringen wollen? Nur weil der Rest möglicherweise die Ewigkeit dauert. Moment lebten Vampire eigentlich wirklich ewig? „Natürlich werde ich den Rest deines Lebens mit dir verbringen. Ich werde dich niemals verlassen. Ich liebe dich mehr wie mein Leben.“ Den Rest MEINES Lebens. Das machte mich ein wenig traurig. Eigentlich sollte ich doch glücklich sein. Den meisten Menschen blieb nicht so viel Zeit. Vielleicht sollte ich einfach jede Sekunde genießen.
Am besten fange ich gleich damit an. Ich nährte mich seinem Gesicht. Kurz bevor sich unsere Lippen berührten hielt ich inne. Ich wollte ihm eine Möglichkeit für einen Rückzug geben. Die nahm er aber nicht in Anspruch sondern schloss die Lücke und küsste mich zunächst vorsichtig. Nach einiger Zeit strich er mir mit seiner Zunge über die Lippen und erbat sich Einlass. Diesen gewährte ich ihm großzügig. Niemand hatte mich bisher so geküsst, so perfekt. Einige Sekunden später musste ich dringend Luft holen. Er wich leicht zurück und lächelte mich an. Ich schnappte nach Luft und war verblüfft, dass er nicht einmal etwas schneller atmete. „Wir verbrauchen einfach nicht soviel Sauerstoff, wie es der menschliche Körper tut. Willst du den genauer Ablauf wirklich erklärt bekommen?“ „Nein nicht wirklich. Biologie war noch nie mein Lieblingsfach.“ Er beugte sich wieder vor um mich erneut zu küssen. Dieses Mal presste er mich eng an sich um mir noch näher zu sein. Ich drehte mich etwas, damit ich ihm genau gegenüber saß. So konnte er mein Herz an seiner Brust spüren, dieses raste mittlerweile wie nach einem Marathonlauf. Er löste sich von meinen Lippen und glitt tiefer zu meinem Hals und von dort noch tiefer bis sein Ohr an meinem Herzen lag. Ich legte meine Wange an seinen Kopf und mein Herzschlag normalisierte sich langsam wieder. Ich spürte wie seine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen. Nachdem mein Herz wieder im gewohnten Takt schlug hob er den Kopf an und sagte „Du kannst jetzt weiter fragen.“
„Seid ihr wirklich unsterblich, verfügt ihr über diese Heilkräfte, sodass ihr euch in Sekundenschnelle von einer Verletzung erholt?“ „Ob wir wirklich ewig leben werden weiß ich nicht aber es gibt Vampire, die mehrere Tausend Jahre alt sind und sich nicht ein winziges bisschen verändert haben. Nur ihre zusätzlichen Gaben sind stärker geworden und sie können in die direkte Sonne ohne sich zu verbrennen. Aber das mit den Wunden stimmt auf jeden Fall, willst du es sehen?“ „Nein! Auf keinen Fall ich glaube dir auch so. Wie alt bist du eigentlich?“ Er lachte „Ich bin auf jeden Fall zu alt für dich. Ich bin 147 Jahre alt. Ich war 21 als ich verwandelt wurde.“ „Wie wurdest du verwandelt?“ „Ein Vampir griff mich und Marie in einer Seitengasse am helllichten Tag an. Ich vermute, dass er zu lange in der Sonne war und schwere Verbrennungen hatte. Die Heilung kostet uns Blut, musst du wissen. Also verfiel er wohl in eine Art Blutrausch. Er wurde von James vertrieben, der hatte in seinen Gedanken gesehen, dass er uns töten wollte. Uns konnte nicht mehr anders geholfen werden und da James in meinen Gedanken gesehen hatte wie sehr ich mich sorgte, ob Marie ganz allein klar käme, wusste er das wir keine Eltern mehr hatten und entschloss sich uns zu wandeln.“
Ich dachte einige Zeit darüber nach, wie er sich damals gefühlt hatte. Hatte er seine Fähigkeit irgendwie von James übertragen bekommen? Schließlich konnten beide Gedankenlesen aber warum kann Marie es dann nicht? „Es ist nicht ganz richtig, wir erben unsere Fähigkeiten nicht von unserem Erschaffer, sondern es ist wohl in der menschlichen DNS. Jeder hat Anlagen für bestimmte Kräfte, die durch die Wandlung frei gesetzt werden. Deshalb sind Maries und meine Kräfte sich ja auch ähnlich. Sie liest Gefühle und ich Gedanken.“ „Wenn also jeder Kräfte bekommt, welche hat dann Grace?“ „Grace kann andere manipulieren. Sie kann sie dazu überreden Dinge zu tun oder zu glauben. Sie behauptet zwar, dass sie keinen ihrer Kunden zwingt etwas zu kaufen, aber sie könnte es. Hast du noch weitere Fragen?“ Ich stellte noch ungefähr eine Stunde lang Fragen, bis Marie auftauchte. Sie wollte wissen, was wir jetzt mit Carmen machen sollten. Ich hatte keine Ahnung. Mir gefiel die Vorstellung sie anzulügen nicht, aber noch weniger gefiel mir der Gedanke an ihren Tod, weil irgendwelche neugierigen Vampire auftauchten. Nach einer endlosen Diskussion, in die sich nach einiger Zeit auch seine Eltern einmischten, kamen wir zu dem Ergebnis, dass ich sie erstmal anlügen werde. Es war die bessere Alternative.
Gegen zehn brachte mich Rob zurück nach Hause. Ich fragte ihn ob er nicht noch etwas bleiben könne. „Ich bleibe gern, aber musst du nicht langsam mal etwas schlafen?“ Ich hatte etwas Angst vor Alpträumen, nach dem wir fast den ganzen Tag nur über Vampire geredet hatten und wollte nur ungern allein sein. „Okay, ich bleibe, mach dein Fenster auf, wenn du Bettfertig bist. Wenn Carmen eingeschlafen ist komme ich zu dir und passe auf dich auf.“ So schnell war ich noch nie fürs Bett umgezogen. Carmen war schon in ihrem Zimmer und kam nur zum Gute Nacht sagen auf den Flur raus, als ich zu meinem Zimmer ging. Keine zehn Minuten später hörte ich, wie mein Fenster geschlossen wurde. Er kam zu meinem Bett und ließ sich neben mir auf der Matratze nieder. Ich kuschelte mich an ihn und war schnell eingeschlafen.

Am nächsten Morgen erwachte ich total ausgeruht eine Minute bevor mein Wecker klingeln sollte. Rob beugte sich zu mir und küsste mich. „Das war interessant, du träumst ganz schön wirres Zeug und das meiste handelte von mir.“ Er konnte also auch meine Träume sehen, wenn ich schlafe, das ist ja peinlich, ich träumte doch in letzter Zeit immer nur von ihm. Ich bekam noch einen Kuss und dann stand er auf. „Ich werde jetzt gehen Carmen ist schon seit einiger Zeit wach und will dich gleich mit einem Kaffee wecken kommen. Sie will endlich Antworten, also stell dich schon mal aufs Lügen ein.“ „Wieso, was will sie denn genau wissen?“ „Sie will wissen, warum Marie so merkwürdig war, als sie aus deinem Zimmer kam und was du ihr verschwiegen hast als du ihr von unserem Kinobesuch erzählt hast.“ „Irgendwelche Ideen, wie ich ihr die Fragen beantworten soll?“ Er überlegte einen Moment, wie wäre es wenn du ihr von deiner Panik erzählst, dass ich dich versetzt haben könnte. Als du Marie fragtest ob ich denn auch kommen würde, hätte sie dich angeschrien. Bei der anderen Frage darfst du dir etwas einfallen lassen.“ Mit einem weiteren Kuss verschwand er durch mein Fenster.

Keine Minute später kam Carmen mit einem Becher Kaffee in mein Zimmer gestürmt. Ich sah ihr an, dass sie antworten wollte. „Hey ich habe dir einen Kaffee gebracht, ich dachte wir könnten zusammen frühstücken, wir müssen ja beide erst um zehn in der Uni sein.“ Ich stand auf warf mir meinen Bademantel über, schnappte ihr den Kaffee weg und ging mit ihr in die Küche. „Wie wäre es wenn wir erst essen und du mich danach beim Tischabräumen löcherst?“ Sie nickte widerwillig. Eine kleine Gnadenfrist. Was erzähle ich ihr denn jetzt. Am besten ich bleibe so nah wie möglich an der Wahrheit und das mit dem kleinen Streit zwischen Marie und mir klingt gut. Den Rest sollte ich vielleicht spontan entscheiden. „Wir haben uns ja gestern nicht mehr gesehen, wie war es denn bei Robs Eltern?“ „Ich glaube sie mochten mich, deine Klamottenauswahl war jedenfalls hilfreich. Sie sind aber auch beide sehr nett. Was hast du eigentlich gestern so den ganzen Tag getrieben?“ „Einige Kommilitonen sind mit mir in diesen kleinen Stoffladen gegangen, da haben wir so tolle Stoffe gefunden, dass ich den Rest des Tages Kleider aus diesen Stoffen entworfen habe. Jetzt muss ich nur noch entscheiden, welchen Entwurf ich verwirkliche.“ „Vielleicht kann ich dir ja bei der Entscheidung helfen. Ich kann dir aber nur sagen was mir gefällt. Marie könnte dich ja auch beraten.“ „Wo wir schon mal beim Thema Marie sind, was ist da zwischen euch denn vorgestern losgewesen? Sie kam ganz traumatisiert aus deinem Zimmer.“ „Ich – ich war mir sicher, dass Rob mich einfach sitzen lässt. Dass er wirklich auftaucht, damit hatte ich nicht gerechnet. Das ist mir auch rausgerutscht, als ich mich im Spiegel bewundert habe. Ich habe so was gesagt wie ‚Ich sehe so gut aus, nur schade das du dir die ganze Arbeit umsonst gemacht hast.’ Das fand Marie gar nicht witzig, sie war auf einmal total sauer. Sie meckerte mich an, dass ihr Bruder nicht so sei und auf jeden Fall auftauchen wird besonders da er sich so auf den Abend mit mir freuen würde, egal ob ihr dabei wäret oder nicht.“ Carmen schien mir das zu glauben. „War ja klar, dass dich deine Nerven im Stich lassen. Aber hast du wirklich gedacht, Marie lässt dich so über ihren Bruder denken?“ „Nein, ich hatte einfach nicht mehr daran gedacht, dass sie Geschwister sind.“ „Warum seid Rob und du denn jetzt nun wirklich erst in die spätere Vorstellung gegangen. Wir haben ihn auf dem Weg zum Nähkurs kurz gesehen, also kannst du mir nicht erzählen, er wäre nicht pünktlich gewesen.“ „Er war ja auch pünktlich, aber es stimmt was ich dir erzählt hatte. Meine Panik, dass er mir nur absagen wollte überrollte mich. Nachdem ich mich beruhigt hatte, sprachen wir über unsere Gefühle, auch wenn das so ausgedrückt total komisch klingt. Danach haben wir noch etwas über uns geredet um uns etwas besser kennen zu lernen und dann sind wir in diese spätere Vorstellung gegangen.“ „Was hast du denn neues über Rob erfahren?“ „Er liest gerne. Wir haben festgestellt, dass wir viele Bücher beide gelesen hatten. Dann hat er mir noch von seinen richtigen Eltern erzählt und wie Marie und er zu Grace und James ihren Adoptiveltern gekommen sind.“ Das war nahe an der Wahrheit, darüber hatten wir ja auch gesprochen nur nicht an dem Abend. Sie schien aber mit meiner Erklärung zufrieden zu sein. „Hast du denn schon jemanden kennen gelernt, Carmen?“ „Bei mir in den Kursen sind die meisten Männer schwul oder sie sind einfach arrogant. Sonst bin ich noch niemandem begegnet der mir gefallen könnte. Aber da du dir ja den am besten aussehenden Mann der gesamten Uni geschnappt hast werde ich wohl noch etwas suchen müssen.“ Wir fingen beide an zu lachen. Wie schön, dass es wieder normal zwischen Carmen und mir war. Nach weiterem Getratsche machten wir uns auf den Weg zu unseren Kursen.
Rob wartete wie immer schon vor dem Eingang auf mich. Ich umarmte ihn und wir küssten uns zur Begrüßung und dann gingen wir in unseren Kurs.
So vergingen mehrere Wochen. Wir lernten uns alle besser kennen. Man könnte uns als beste Freunde bezeichnen. Wir vier waren fast unzertrennlich. Rob blieb fast jede Nacht bei mir, es sei denn er musste auf die Jagd. Er freute sich über die gute Unterhaltung in der Nacht durch meine wirren Träume. Ich war glücklich wie es lief.
Robs Eltern hatten Carmen, ihren Vater und mich zum Thanksgiving Essen eingeladen. Carmen und ich waren schon total aufgeregt. Was sollten wir anziehen. Marie versicherte uns, dass es nicht formell zugehen werde. Wir sollten in etwas schickerer Alltagskleidung erscheinen. Gesagt getan. Ich entschied mich eins von den Outfits zu tragen, die Marie mir entworfen und geschenkt hatte. Carmen entschied sich ebenfalls für eine Eigenkreation. Dieses Mal ließ ich Carmen meine Haare aufstecken und das Ergebnis war sensationell. So gingen wir zum Haus der Whites. Carmens Handy klingelte, als wir vor der Tür standen und gerade klingeln wollten, auch wenn ich wusste, dass es unnütz war. Es war Carmens Vater, sein Flugzeug musste unerwartet wegen des Wetters zwischenlanden und er würde es nicht mehr schaffen. Sie war traurig. Dies war dann ihr erstes Thanksgiving ohne ihren Vater. Ich nahm sie in die Arme und flüsterte ihr ins Ohr „Dann spielen wir heute die zwei armen Waisenkinder, die bei einer freundlichen Familie für die Feiertage aufgenommen worden sind, okay?“ Sie grinste schief und war immer noch traurig, aber sie bemühte sich die Traurigkeit zu vertreiben. Wir klingelten und eine vor Energie sprühende Marie riss die Tür auf.
Sie wussten alle was passiert war, da sie uns ja gehört hatten. Deswegen versuchten sie uns noch freundlicher zu begrüßen. Ich lenkte etwas von Carmen ab indem ich fragte „Was muss ich denn jetzt bei einem traditionellem Thanksgiving Essen machen. In den Filmen sitzen die immer nur am Tisch und essen danach wird dann Football gesehen. Läuft das jetzt auch so ab?“ Alle sahen mich einen Moment an und brachen dann alle in Gelächter aus. Ich war etwas beleidigt. Ich konnte ja nichts dafür, dass ich noch nie Thanksgiving gefeiert hatte, dafür haben sie ja auch noch nie ein traditionelles Weber’sches Weihnachtsfest gefeiert. Bei ihnen kam ja der Weihnachtsmann, dachte ich verächtlich. Da ging mir auf, dass ich es auch nie wieder feiern werde. Bevor ich jetzt ganz in Depressionen versinke sollte ich mich ablenken, aber wie? Rob und James kamen mir zu Hilfe, sie hatten meine Gedanken gehört, weil ich immer noch nicht gelernt hatte sie vor ihnen zu verbergen. Marie meinte es könnte sein, dass dies nur Vampiren gelang.
Ich wurde an den Essenstisch gezogen und zwischen Rob und James platziert. Mir gegenüber saß Carmen und neben ihr Marie. Grace saß am Kopfende James gegenüber. Rob nahm meine Hand, seine Art mir zu sagen, dass er mich verstand und wir später darüber reden werden. James riss mich aus meinen Gedanken. „So, da dies Sarahs erstes Thanksgiving ist werden wir traditionell mit den Danksagungen beginnen. Ich bin dankbar dafür, dass meine Familie im letzten Jahr gewachsen ist.“ So ging es einmal herum. Ich war als letzte an der Reihe. „Ich bin dankbar, dass ich hier ein neues Leben anfangen konnte, welches mich glücklich macht.“ Alle sahen mich mit Tränen in den Augen an. So traurig war mein Dank auch nun wieder nicht. Ich war ja wirklich die meiste Zeit glücklich. James schnitt jetzt den Truthahn an. Nach dem Essen verzogen sich Marie und Grace in die Küche um dort aufzuräumen und wir anderen gingen ins Wohnzimmer. James fragte mich „Willst du dir nun das Spiel ansehen?“ „Klar warum nicht, ihr müsst mir nur die Regeln erklären.“ Sprachlosigkeit schlug mir entgegen. Sie vergaßen einfach immer wieder, dass ich nicht von hier komme. „Ja, ich habe noch nie ein Footballspiel gesehen. Bei uns wird Fußball gespielt, aber davon verstehe ich nicht sonderlich viel. Ich verstehe nur etwas vom Tanzen und da fast jede Richtung, also seht mich nicht wie eine Außerirdische an.“ Sie fingen alle an zu lachen. Rob zog mich zu sich auf den Sessel und sagte „Ich werde versuchen es dir zu erklären.“ Mit einem Kuss versuchte er mich zu besänftigen, was ihm auch gelang. Ich kuschelte mich an ihn und versuchte dem Spiel zu folgen. Mit einigen Hinweisen von James und Rob fing ich an das Spiel zu verstehen. In der Halbzeit kamen Marie und Grace zu uns und wir schauten friedlich alle das Spiel an. Als Carmen und ich aufbrechen wollten begleitete uns Rob.

Zum Glück kann ich nur sagen. Kurz vor dem Campus blieb Rob plötzlich stehen. Er sagte uns wir sollten hier auf ihn warten. Ich tat was er sagte und Carmen sah mich mit großen Augen an. Sie konnte ja nicht ahnen, dass es einen guten Grund hatte warum wir stehen bleiben mussten. Aber sie ahnte, dass es besser war auf Rob zu warten. Der erschien wie aus dem nichts neben mir. Carmen erschrak heftig. Ich zuckte nur leicht zusammen, weil ich mich so langsam daran gewöhnte. „Wir müssen sofort zurück. Am Eingang zum Campus warten welche von denen ich dir, Sarah, schon erzählt habe auf euch. Beeilt euch.
Rob hielt ein Taxi an und wies den Fahrer an uns zu ihm zurück zu bringen. Carmen wollte wissen, was los sei. „Ich werde es dir später erklären, erst einmal tun wir das was Rob sagt.“ Rob hatte in der Zwischenzeit James informiert. Als wir vor dem Haus der Whites hielten standen schon alle draußen um uns ins Haus zu begleiten. Drinnen angekommen sah ich, dass schon einige Koffer neben der Treppe standen. Das verwirrte mich. Marie kümmerte sich um Carmen und führte sie zu einem Stuhl um sich zu setzen. Rob nahm mich in die Arme und umarmte mich fest. Nachdem er sich von mir gelöst hatte drehte er sich zu Carmen um. „Wir müssen alle von hier verschwinden. Wir erklären dir alles wenn wir angekommen sind. Bis dahin vertrau uns bitte. Wir wollen alle nur das Beste für euch.“ Keine drei Minuten später waren wir mit zwei Wagen unterwegs. Als wir aus der Stadt heraus waren kamen wir in ländliche Gebiete, der Wald wurde immer dichter. Nach einigen Stunden fahrt, bei Höchstgeschwindigkeit kamen wir an einem Haus mitten im Wald an. Carmen war bereits eingeschlafen und ich konnte nur noch so gerade die Augen aufhalten. Marie trug Carmen ins Haus und Rob nahm mich auf seine Arme. Wir wurden beide in dasselbe Bett gelegt. „Damit Carmen am Morgen sich nicht erschreckt, wenn sie ganz allein in einem fremden Bett aufwacht.“ Das verstand ich, aber „Bleibst du trotzdem hier bei mir, wenigstens, bis ich eingeschlafen bin?“ Er antwortete nicht sonder legte sich neben mich und ich kuschelte mich an ihn. Carmen erwachte am nächsten Morgen mit einem Schrei. Ich drehte mich erschrocken zu ihr um. Als ich ihren Gesichtsausdruck sah umarmte ich sie schnell und flüsterte immer wieder „Es wird alles gut. Rob und die anderen passen auf uns auf. Uns wird nichts passieren.“ Nach einigen Minuten hatte sie sich beruhigt und verlangte antworten. Ich wusste nicht was ich jetzt machen sollte und sagte ihr „Die bekommst du am besten von Rob oder James.“ Ich hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als Rob schon erschien und sagte sie würden uns alles in der Küche erklären.

Da saßen wir nun alle am Küchentisch. Carmen und ich neben einander. James begann zu erklären. „Carmen, es gibt etwas über meine Familie das du noch nicht weißt. Wir sind …“ Hier unterbrach ich ihn. Ich hatte das Gefühl es wäre besser, wenn ich es ihr erklärte. „Carmen, du erinnerst dich doch noch, wie erschrocken Marie aus meinem Zimmer kam, als sie mir mit meinem Outfit fürs Kino geholfen hatte, oder?“ Sie nickte zögerlich. „Also es ist nicht ganz so gewesen, wie ich es dir erzählt hatte. Es stimmt, ich machte mir große Sorgen ob Rob auftaucht. Aber als ich mich im Spiegel sah wollte ich Marie mit einer Umarmung danken. Da ist mir etwas Merkwürdiges aufgefallen. Sie fühlte sich so anders an. Am besten du fühlst es selbst.“ James, der neben Carmen saß hatte in meinen Gedanken gehört, dass er ihr seine Hand entgegenstrecken sollte. Dies tat er auch. Carmen berührte zögerlich seine Hand und erschrak genauso wie ich es getan hatte. „Die Hand ist ja kalt und sie fühlt sich an wie ein glatter Stein!“ rief sie erschrocken und sprang von ihrem Stuhl auf. „Was seid ihr?“ Ich versuchte sie zu beruhigen. Ich fasste sie an der Schulter und drehte sie zu mir, sodass ich ihr in die Augen sehen konnte. „Du weißt doch, dass ich dich nie in Gefahr bringen würde und dass du mir vertrauen kannst?“ Sie nickte. „Dann weißt du auch, dass ich davon überzeugt bin, dass Marie und Rob uns nie etwas tun würden. Hör mir zu bevor du schreiend wegläufst. Sie sind alle … Vampire.“ Hastig redete ich weiter, damit sie das wichtigste mitbekam. „Aber sie leben von Tierblut. Sie töten keine Menschen. Hast du das verstanden?“ Carmen wurde kreidebleich. Sie wich vor den anderen zurück und zog mich mit sich fort. Als wir in dem Zimmer ankamen, indem wir geschlafen hatten, ließ sie sich erschöpft auf den Boden sinken. Sie fing an zu weinen. Ich umarmte sie fest und versuchte sie zu trösten. Nach etwa fünf Minuten hatte sie sich beruhigt. „Okay, es gibt also Vampire und du hast mir nichts gesagt weil?“ „Weil ich nach einem Gespräch mit Rob und Marie, in dem es um die anderen Vampire ging, der Überzeugung war, dass es so besser und vor allem sicherer für dich war. Was sich geändert hat kann ich dir nicht sagen. Ich dachte, wenn du nichts von der Vampirsache weißt, würden sie dich in Ruhe lassen. Mit Sicherheit weiß ich nur, dass gestern Abend vor dem Campus einige Vampire auf uns gewartet haben. Warum sie da waren weiß ich nicht. Sie hatten, so vermute ich den Auftrag uns zu töten, da sie glauben, dass wir beide von der Existenz von Vampiren wissen. Rob hatte mir einmal erzählt, dass es Gesetze gibt. Eins besagt, dass alle Wissenden getötet werden müssen. Darum haben uns die anderen hier hin gebracht, um uns zu schützen.“ Carmen musste das alles erst einmal verarbeiten. Sie sah mir in die Augen und schien dort nach Anzeichen einer Lüge zu suchen. Doch wie ich wusste konnte sie keine entdecken. Sie atmete einmal tief durch und fragte schließlich „Was sollen wir denn jetzt tun? Wir können uns doch nicht ewig vor ihnen verstecken.“ Ich wusste keine Antwort und war genauso mutlos wie sie. „Vielleicht sollten wir die anderen fragen, was wir jetzt am besten tun sollen.“ Wir standen auf und gingen Hand in Hand zu den anderen in die Küche zurück. Sie hatten natürlich alles mitbekommen. Marie kam auf uns zu und streckte zögernd die Arme nach Carmen aus. Diese ließ sich von ihr umarmen, ließ meine Hand aber nicht los. Ich war wohl so etwas wie ihr Anker in dieser neuen Welt der Mythen. Marie schien sich sehr zu freuen, dass Carmen keine Angst vor ihr hatte, denn sie hatte Tränen in den Augen. Ja Vampire können weinen, da sie mit der menschlichen Nahrung auch Wasser aufnehmen.
Wir setzten uns alle an den Tisch und überlegten. Grace warf ein „Wenn wir euch verwandeln, dann lassen die euch in Ruhe.“ Rob, der neben mir saß, fing an zu knurren. Das erschreckte Carmen sehr. Ich drückte beruhigend ihre Hand. „Wir werden sie nicht zu solch einem Leben verdammen. Sie sollen ein normales Leben führen.“ Jetzt mischte sich auch Marie ein. „Und wie stellst du dir ihr normales Leben vor? Sollen sie sich den Rest ihres Lebens verstecken? Oder willst du die beiden einfach in irgendeiner Stadt mit neuen Identitäten alleine lassen?“ Sie war richtig wütend, aber auf wen weiß ich nicht. Ich wusste nur, dass ich Rob nicht verlassen konnte, egal was das für mich bedeutete. Rob atmete tief durch. Er musste sich wohl erst beruhigen. „Ich weiß auch nicht was das Beste ist. Aber willst du dass deine besten Freundinnen als Monster leben müssen?“ Das konnte ich so nicht stehen lassen. „Wer ist ein Monster, keiner der hier anwesenden auf jeden Fall. Wage es nicht noch einmal so einen Schwachsinn zu erzählen.“ James und Grace lächelten und Marie lachte lauthals. Selbst Carmen, für die das alles neu war, stimmte mir zu. „Soweit ich weiß, seid ihr keine Monster jedenfalls seid ihr nicht mehr Monster wie ich oder Sarah. Ihr tötet keine Menschen, sondern ihr beschützt zumindest zwei von ihnen.“ Ich strahlte sie an. Sie kam mit der Situation besser klar, wie ich dachte. „Da es um unseres weitere Leben geht sollten vielleicht auch Carmen und ich die Entscheidung treffen, wie es weiter geht. Welche Möglichkeiten haben wir?“ James fasste die Situation treffend zusammen. „Ihr habt drei Möglichkeiten. Die erste besteht darin, dass ihr mit uns als Menschen kommt und wir uns vor den anderen Vampiren verbergen. Das ist zwar etwas schwierig auf Dauer aber durchaus möglich. Die zweite Möglichkeit ist, wir bringen euch beide an einen anderen Ort, statten euch mit neuen Identitäten aus und reisen zum Rat der Vampire und bezeugen, dass wir euch getötet haben. Grace könnte uns mit ihrer Kraft davon überzeugen, sodass wir glaubhaft vor dem Rat wären. Die dritte Möglichkeit ist ihr lasst euch von uns verwandeln und reist mit uns zum Rat um zu beweisen, dass ihr jetzt ebenfalls an die Gesetze der Vampire gebunden seit. Aber bei allen drei Möglichkeiten, musst du Carmen, so leid es mir tut, deinen Vater verlassen und kannst ihn nie mehr sehen.“ Carmen fiel vor Trauer in sich zusammen. „Wie lange haben wir um uns zu entscheiden?“ fragte ich. „Sagen wir bis morgen Mittag. Dann müssen wir uns für eine Situation entscheiden.“ „Okay, Carmen und ich werden das in Ruhe diskutieren und ich will von euch allen das Versprechen uns nicht zu belauschen. Auch unsere Gedanken sind Tabu verstanden?“ Alle Vampire nickten zustimmend, wenn auch einige widerwillig. Ich ging mit Carmen in unser Zimmer. Ich zog sie zu unserem Bett und umarmte sie erst einmal fest um sie zu trösten. Ich wusste genau wie sie sich fühlte. Es war das gleiche Gefühl, das ich am Grab meiner Eltern verspürte. Unglaubliche Trauer, ihren Vater verlassen zu müssen und sie fühlte sich allein. Kein Mensch würde ihr jetzt mehr beistehen. Doch das stimmte nicht. „Hey, ich weiß du fühlst dich allein, aber du hast vergessen, bei jeder Möglichkeit bin immer ich bei dir, okay. Du bist ab jetzt meine Familie. Wir sind Schwestern, egal was passiert. Ich bleibe bei dir.“ Jetzt konnte sie ihre Tränen nicht mehr unterdrücken. Sie warf sich schluchzend in meine Arme. Ich fing ebenfalls an zu weinen. Irgendwann beruhigten wir uns. Carmen fiel gerade ein, was ich von den anderen verlangt hatte. „Was meintest du damit ‚auch unsere Gedanken sind Tabu’?“ „Wie sage ich das jetzt am besten? Rob und James können beide Gedankenlesen. Jeder Vampir hat eine spezielle Kraft. Marie kann Gedanken erspüren und Grace kann jeden dazu veranlassen zu tun und zu denken was sie will. Carmen dachte kurz nach und schien meine Antwort zu akzeptieren. Kurz danach fingen wir an zu diskutieren. Carmen verstand, dass ich Rob nur äußerst ungern verlassen wollte. Was für eine Untertreibung, ich würde daran zerbrechen, aber das behielt ich für mich. Ich würde es tun, wenn es keine anderen Möglichkeiten gäbe. Wir entschlossen uns vorerst als Menschen mit ihnen mitzugehen. Wenn wir wollten oder es nötig sein sollte, konnten wir uns ja immer noch verwandeln lassen. Froh endlich einen Plan zu haben, machten wir uns an die Durchführung. Carmen rief ihren Vater an und sagte ihm sie habe einen netten Mann kennen gelernt und würde mit ihm nach Las Vegas reisen um ihn zu heiraten. Sie würden danach in die Flitterwochen verschwinden und sie würde sich melden, sobald sie wieder da war. Ihr Vater war stocksauer. Carmen wusste, dass dies unverzeihlich für ihren Vater war. Er würde vorerst nicht mehr mit ihr reden wollen. Nun gut, er würde wahrscheinlich nach Las Vegas reisen um die Hochzeit zu verhindern. Nur finden würde er sie nicht und dann würde er nicht mehr mit ihr reden.
Rob war erleichtert, als er wusste, dass wir Menschen bleiben würden. Unzufrieden war er nur darüber, dass wir weiter in Gefahr sein würden. Aber er konnte ja nicht alles haben. Wir blieben noch bis zum frühen Abend in dem Haus im Wald. Als wir abfuhren ließen Carmen und ich unsere Handys ausgeschaltet dort zurück. Wir hatten wohl zu viele Krimis gesehen. Wir fuhren in Richtung Kanada. Dort wäre es für die Whites leichter uns auch tagsüber zu beschützen. Ich fragte mich nur, ob die anderen das nicht vermuten würden.
Gegen Mitternacht leuchteten plötzlich Scheinwerfer hinter uns auf. Rob, der mit mir und Carmen in einem Auto fuhr, fing an zu knurren und zu fluchen. Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, wäre es sehr lustig gewesen. Schon wurde unser Auto gerammt. Nach mehreren Zusammenstössen konnte Rob das Auto nicht mehr auf der Straße halten. Wir kamen von der Fahrbahn ab. Der Wagen rollte seitlich den Abhang herunter. Unser Weg endete vor einer Tanne. Ich fühlte noch den Aufprall aber dann war alles um mich herum schwarz.

Ich erwachte in einem Zimmer, indem es nur dieses Bett und einen Stuhl gab. Carmen war bei mir und Rob beugte sich gerade zu mir herunter. „Wie geht’s dir? Hast du große Schmerzen?“ Was für eine dumme Frage, er wusste doch wie es mir geht. Wo war ich eigentlich und warum hatte ich diese Schmerzen? Was war passiert. Ich weiß nur noch, dass wir in dem Auto saßen und plötzlich hinter uns zwei Scheinwerfer anginge. Ach ja, die Vampire hatten uns verfolgt. Offensichtlich waren wir entkommen. Aber wie. Ich sah wie immer mehr Bäume auf uns zu kamen und dann weiß ich nichts mehr. Offensichtlich wollte mir Rob auf meine Gedanken nicht antworten also musste ich ihn wohl fragen. „Warum sind wir hier und wie sind wir entkommen?“ Ich erschrak maßlos, als ich meine eigene Stimme hörte. Denn es war nicht meine Stimme, sie war viel zu hell und sie glich ehr der Stimme von Marie als meiner eigenen. Rob bemerkte meinen Schock und versuchte mich zu beruhigen. „Ganz ruhig. Wir mussten euch verwandeln, sonst wärt ihr beide gestorben. Ihr hatte schwere Verletzungen durch den Aufprall. Es war Rettung in letzter Sekunde. Die anderen Vampire haben uns in Ruhe gelassen, als sie sahen, wie ich zuerst dich und dann Carmen verwandelte. Sie hatten ihre Einhaltung der Gesetze und verschwanden. Danach haben wir euch in dieses Motel gebracht. Es tut mir so leid. Aber ich konnte dich nicht verlieren. Es tut mir leid, dass ich so egoistisch gehandelt habe. Obwohl es eher ein reiner Überlebenstrieb war dich zu retten. Da ich wusste wie du für Carmen fühlst, konnte ich sie nicht einfach sterben lassen. Ich konnte dir nicht den gleichen Schmerz zufügen, wie es der Tod deiner Eltern getan hatte.“ Ich konnte ihm nur um den Hals fallen und küssen. Das alles hatte er nur für mich getan. Entgegen seiner Überzeugung hatte er gehandelt nur um mich nicht zu verlieren. In dem Moment erwachte auch Carmen neben mir. Sie schien genauso verwirrt zu sein wie ich. Sie sah mich erschrocken an. „Sarah, bist du das wirklich?“ Genau wie ich erschreckte ihre neue Stimme sie ebenfalls sehr. Rob erklärte ihr auch was passiert war und entschuldigte sich, sie verwandelt zuhaben nur damit ich nicht leiden musste. Sie sah mich an und fing an zu lachen. „Warum entschuldigst du dich dafür, dass du meine Schwester so sehr liebst das du ihr alles gibst was sie will und bracht. Dafür muss ich dir eher danken. Außerdem hast du mir mein Leben gerettet wenn auch auf unkonventionelle Art und Weise.“ Ich riss sie in meine Arme und wir lachten bis die anderen ins Zimmer gestürmt kamen, um nach uns zu sehen. Plötzlich bemerkte ich ein brennen in meiner Kehle. Es fühlte sich an, als ob ich mit heißem Wüstensand gegurgelt hätte. Marie meinte „Wir sollten jetzt alle jagen gehen. Die beiden haben riesigen Durst. Sonst passiert noch etwas Schlimmes.“
Zum Glück fing direkt hinter unserem Fenster der Wald an. Wir stiegen alle aus dem Fenster und machten uns auf in den Wald. Zuerst zeigten sie uns wie wir so schnell laufen konnten wie sie. Es war mehr ein Instinkt als Können. Meine Beine bewegten sich automatisch in der Geschwindigkeit, wie die der anderen. Auch Carmen hatte damit keine Schwierigkeiten. Wir hatten einen riesigen Spaß an der Geschwindigkeit. Einige Kilometer später wurden wir von Rob überholt und aufgehalten. „Wollt ihr noch weiter, oder können wir mit der Jagd beginnen?“ Carmen und ich sahen uns an und waren uns einig, dass wir hungrig bzw. durstig waren. „Gut. Am besten ihr seht erst einmal zu und versucht dann selbst euer Glück.“ Wir beobachteten genau, wie Rob sich auf den leichten Wind konzentrierte und mithilfe seines Geruchsinns Beute ausfindig machte. Er lief in westliche Richtung direkt auf eine Herde Rehe zu. Er blieb im Gebüsch hocken und erklärte uns „Die Gelegenheit ist günstig, dass ihr direkt mit macht. Am besten konzentriert ihr euch auf euer Gehör. Versucht ausfindig zu machen wo der Puls der Tiere am deutlichsten und kraftvollsten ist. Danach rennt ihr auf das Tier zu und umschließt es mit euren Armen. Versucht es nicht los zu lassen. Eure Zähne werden sich automatisch verlängern. Dann beißt an der Stelle zu, die ihr vorher ausfindig gemacht hattet. Euer Instinkt wird den Rest erledigen. Ich gebe euch ein Zeichen.“ Wir verteilten uns an einer unsichtbaren Linie entlang. Rob gab das Zeichen und wir stürzten uns jeder auf ein Reh. Wir hatten es geschafft. Wir sahen beide schlimm aus. Unsere Sachen waren total mit Blut befleckt. Aber unser größter Durst war vorerst gestillt. James meinte jedoch wir sollten noch ein wenig weiter Jagen, nur um sicher zu gehen, wenn wir wieder in die Nähe von Menschen kamen. Nach zwei weiteren Rehen für jede von uns machten wir uns auf den Rückweg. Am Motel angekommen mussten Carmen und ich uns zu aller erst umziehen. Die anderen hatten nicht einen Flecken abbekommen. Übung macht wohl den Meister.

Wir fuhren mit dem verbliebenem Auto und einem Leihwagen wieder zurück zu dem Haus im Wald. Unterwegs erklärten uns Marie und Rob soviel wie möglich über unsere neuen Fähigkeiten. Die Geschwindigkeit hatten wir schon entdeckt, sowie auch den verbesserten Gehörsinn. Dies waren die Dinge, die sich bei neuen Vampiren zuerst entwickelten. Es würde noch dauern bis unsere Verwandlung komplett vollzogen sein wird. Rob war beunruhigt, da er und James meine Gedanken nicht mehr hören konnten. Ich konnte mir nicht erklären woher das kam. Er meinte es fühle sich genauso an, wenn Marie ihn ausblenden würde. Sie hatte mir ja genau erklärt, was sie machte. Sie stellte sich vor, sie würde eine Glaskuppel umgeben, die Rob außen vor lässt. Ich merkte, dass mich auch so eine Kuppel umgab. Vielleicht hatte ich sie intuitiv errichtet. In meiner Vorstellung malte ich mir aus, wie die Kuppel mit einem Hammer getroffen wird und in tausende Scherben zerbrach. Rob war ganz begeistert „Jetzt kann ich dich auch wieder hören.“ Carmen und ich schliefen wieder ein. Die Jagd und die ganze Aufregung waren wohl doch etwas viel auf einmal. Ich wurde wach, als Rob mich aus dem Auto hob. Er lächelte, als er in meine Augen sah. „Hast du etwas dagegen, wenn du heute Nacht in meinem Bett schläfst?“ „Nein, aber was ist mit Carmen, bleibt Marie bei ihr?“ „Ja, mache ich. Dann habt ihr beiden Turteltauben etwas Zeit für euch.“ gab Marie mit einem breiten Grinsen zur Antwort. Warum Rob mich immer noch trug wusste ich nicht. Ich war ja jetzt schließlich wieder wach. Aber eigentlich wollte ich gar nicht laufen. Es war schön von ihm getragen zu werden. Ich fühlte mich bei ihm so sicher.
In seinem Zimmer angekommen ließ er mich langsam auf sein Bett gleiten. Er legte sich zu mir und ich kuschelte mich, so wie ich es immer tat an seine Brust. Da viel mir auf, dass er sich nicht mehr hart oder kalt anfühlte. Er war genauso warm wie ich. Oder ich so kalt wie er. Seine Haut fühlte sich genauso weich an wie meine. Es war sehr erregend ihn so zu fühlen. Er zog mich zu sich hoch und küsste mich verlangend. Das war das erste Mal, dass er mich mit solch einer Leidenschaft küsste. Der hatte ich nichts entgegen zu setzen. Ich war in meiner eigenen Leidenschaft gefangen. Seine Hand glitt unter mein T-Shirt und er zog es mir über den Kopf. Ich sah ein glitzern in seinen Augen, welches ich noch nie zuvor dort gesehen hatte. Wir gaben uns ganz unserer Leidenschaft hin.

Am nächsten Morgen weckte mich ein leichter Windhauch auf meiner Haut. Ich behielt meine Augen geschlossen und genoss Robs Atem auf meiner Haut. „Guten Morgen. Wie geht es dir jetzt?“ „Mir geht’s gut. Wieso?“ „Ich wollte nur wissen, ob sich etwas verändert hat.“ Mhm, mal überlegen. Als erstes alle Sinne testen. Zuerst konzentrierte ich mich auf die Geräusche meiner Umgebung. Ich konnte die anderen unten in der Küche atmen hören. Der Gehörsinn war also noch genauso gut wie gestern Abend. Der Nächste Sinn war mein Geruchsinn. Ich konnte riechen, dass Grace oder Marie Pfannkuchen und Kaffee für uns gemacht hatten. Ich konzentrierte mich weiter und konnte den Wald vor dem Fenster riechen. Hatte sich also auch verbessert. Jetzt noch meine Sicht. Langsam öffnete ich die Augen und konnte trotz der Dunkelheit ganz genau Robs Gesicht erkennen. Nur konnte ich es klarer sehen als jemals zuvor. Er war noch schöner als ich ihn in Erinnerung hatte. Ich konnte, als ich meine Umgebung betrachtete die Maserung der Holzvertäfelung erkennen sowie die genaue Struktur der Bettwäsche. „Ja es hat sich etwas verändert. Ich sehe, rieche und höre besser als zuvor. Was sich noch verändert hat weiß ich nicht.“ Er lächelte. „Dein Geruch hat sich verändert. Du riechst nicht mehr ganz so menschlich.“ Habe ich vorher etwa gestunken? Er musste lachen. „Nein hast du nicht.“ Das beruhigte mich etwas. „Aber es hat sich noch mehr an dir verändert. Deine Haut fühlt sich jetzt an wie meine und deine Augen wechseln langsam in den Goldton. Und du bist nicht mehr so warm.“ Die größte Veränderung wurde mir jetzt klar war, das mein Herz nicht mehr schlug. Aber das tat es seit gestern Nachmittag nicht mehr. Nur ist es mir vorher nicht aufgefallen. Ich erhob mich und ging auf den Spiegel, der an Robs Tür hing, zu. Ich bekam einen kleinen Schreck. Meine Gesichtszüge waren weicher und gleichmäßiger geworden und meine Augen verwandelten sich langsam in den Goldton. An manchen Stellen blitzte das Blau jedoch noch hervor. Meine Haut war blasser und meine Haare fühlten sich gesünder an als sie es je waren. Wie sie wohl im Licht aussahen. Ich hatte noch nicht ganz zu Ende gedacht, als das Licht anging. Meine Haare glitzerten wie der Sonnenschein auf einer Wasseroberfläche. Ich war richtig fasziniert. Ich war wohl nicht die einzige, denn Rob tauchte hinter mir auf und sah sich das Glitzern ganz genau an. Sein grinsen wurde immer breiter. „Du warst vorher schon die schönste Frau der Welt, jetzt siehst du aus wie eine Göttin.“ Wenn ich es noch gekonnt hätte, wäre ich rot angelaufen. Ich riss mich von meinem veränderten Anblick los und suchte meine Klamotten. Ich fand sie nirgends. „Was soll ich denn jetzt anziehen?“ „Das mit deinen Sachen tut mir leid. Ich war beim ausziehen wohl nicht so vorsichtig wie ich hätte sein müssen. Ich habe sie schon entsorgt. Wie wäre es wenn du vorerst ein T-Shirt und Shorts von mir trägst, auch wenn dir beides viel zu groß ist?“ „Oder du besorgst mir etwas von Grace zum anziehen, wir haben ungefähr die gleiche Größe“ sagte ich mit einem zwinkern. Er seufzte und machte sich auf, mir etwas zum Anziehen zu besorgen. Keine 5 Sekunden später war er wieder da. Ich zog mich schnell an und wir gingen runter in die Küche.
Dort wurden wir mit einem anzüglichen Lächeln begrüßt. Ich hatte das gute Gehör total vergessen. Mist. Ich schämte mich schrecklich. James und Rob fingen laut an zu lachen und alle anderen stimmten ein. Na toll. Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und nahm mir einen Pfannkuchen und etwas von dem Kaffee. Rob streichelte mir beruhigend über die Haare. Carmen sah mich auffordernd an. Plötzlich hörte ich sie sagen „Du erzählst mir nach dem Frühstück alles. Schließlich sind wir jetzt Schwestern.“ Ich antwortete ihr „Klar aber wir müssen weit genug vom Haus weg.“ Alle Augen ruhten plötzlich auf mir. Carmen schien sehr erschrocken zu sein. „Was ist denn, du hattest mir doch befohlen dir alles nach dem Frühstück zu erzählen.“ Was sollte denn das jetzt. Mit meinem Gehör war doch alles in Ordnung. „Du hast auf Carmens Gedanken geantwortet.“ „Nein, habe ich nicht. Ich kann deine Gedanken oder die der anderen doch auch nicht hören.“ „Versuch es einmal. Konzentrier dich genau auf mich und versuche zu hören, was ich denke.“ Ich versuchte es. Aber ich hörte gar nichts. Rob schien etwas enttäuscht zu sein. Er strich mir über den Kopf und küsste mich auf die Stirn bevor er sich neben mich setzte. ‚Schade, dass sie mich nicht auch hören kann, dann könnten wir …’ „Wieso sprichst du nicht zu Ende was könnten wir wenn ich deine Gedanken hören könnte?“ Er sprang überrascht auf. „Du kannst mich ja doch hören. Versuch es noch mal.“ Also versuchte ich es wieder, aber wieder gelang es mir nicht. „Macht nichts Schätzchen, dass kommt mit der Zeit noch.“ Sagte Grace zu mir und umarmte mich. Zum gleichen Zeitpunkt wünschte ich mir eigentlich nur, dass sie mich doch alle damit für ein paar Minuten damit in Ruhe lassen sollten. Grace ließ mich abrupt los und setzte sich an den Frühstückstisch zu den anderen und sie begannen alle zu essen. Ich zuckte nur mit den Schultern und fing ebenfalls an zu frühstücken. Nach dem Frühstück fingen sie wieder damit an, ich solle es noch einmal versuchen. Wir gingen ins Wohnzimmer rüber. Dieses mal sollte ich es wieder bei Carmen versuchen. Ich dachte mir vielleicht ist es einfacher, wenn ich sie berühre. Also nahm ich Carmens Hand und konzentrierte mich auf sie. Plötzlich öffnete sich das Fenster und eine frische Herbstbriese wehte herein. Zum Glück standen wir alle weit genug vom Fenster weg, sodass niemanden die Sonnenstrahlen trafen, die durchs Fenster hereinfielen. Alle blickten geschockt aufs Fenster. Ich wünschte mir nur, dass es sich wieder schloss. Darauf schwang das Fenster wieder zu und der Fensterhebel bewegte sich in die Geschlossenposition. Als nächstes schlossen sich die Vorhänge fest. Es war genauso wie ich es mir bildlich vorgestellt hatte. Merkwürdig. Rob sah mich mit großen Augen an. Was ist denn? „Du hast das gemacht. Du hast das Fenster wieder geschlossen. Wie hast du das gemacht?“ Ich soll das gemacht haben, na klar. Obwohl, ich hatte mir den Raum ja gerade im Sonnenlicht vorgestellt als das Fenster auf ging. Und es schloss sich als ich es mir wieder vorstellte. Rob ging auf mich zu und fasste mich an den Händen. Sodass ich Carmen losließ. „Okay versuch dir vorzustellen, wie sich die Tür öffnet, wie das Licht aus der Küche hier herein scheint.“ Ich versuchte es aber es klappte nicht. ‚Schade, ich dachte sie könnte das, sie macht doch genau dasselbe wie zuvor. Sie stellt es sich bildlich vor.’ „Hey! Jetzt hör auf mich zu quälen. Ich versuche es doch und wenn du drängelst klappt das auch nicht schneller.“ „Woher weißt du das. Ich habe doch gar nichts gesagt. Du hast es in meinen Gedanken gelesen. Moment.“ ‚Immer wenn Sarah mich berührte konnte sie die Gedanken der anderen lesen. Als sie Carmen berührte konnte sie das Fenster öffnen und schließen…’ „Du meinst wenn ich Carmens Hand nehme, dann kann ich die Tür öffnen! Carmen komm hilf mir mal.“ Sie sah mich verdutzt an. Ich nahm einfach ihre Hand und konzentrierte mich auf die Tür. Sie öffnete sich wirklich. Carmen sah mich ehrfürchtig an. „Jetzt bist du dran. Stell dir vor wie die Tür sich wieder schließt, Carmen.“ Ich ließ sie los und sah sie auffordernd an. Sie konzentrierte sich und die Tür flog mit einem lauten Knall ins Schloss. Alle blickten von mir zu Carmen und zurück. Ich hatte glaube ich gerade herausgefunden, welche besondere Kraft Carmen hatte. Sie kann Dinge per Telekinese bewegen. Aber was kann ich. Ich kann die Dinge, die die Person die ich berührte konnte. Es war, als ob ich mir ihre Kräfte einfach auslieh. Mal sehen ob Carmen und ich gleichzeitig ihre Kraft benutzen konnten. „Carmen lass uns das mal zusammen versuchen. Du öffnest die Küchentür und ich die Flurtür. Auf drei. Eins. Zwei. Drei.“ Beide Türen gingen auf. Cool! Die anderen waren anscheinend sprachlos. Sie standen nur mit offenem Mund da. Ich sah Carmen an und wir fingen beide an zu lachen. Marie fing sich als erste. „Versuch es auch mal mit mir Sarah, mal sehen ob du meine Kraft auch benutzen kannst.“ Sie streckte mir ihre Hand entgegen und ich fühlte sofort die verschiedensten Empfindungen. Rob war stolz auf mich aber auch gleichzeitig verwirrt. Carmen war ungläubig, freute sich aber auch über ihr eigenes Können. Grace war geschockt genau wie James. Und Marie war aufgeregt. Ich erzählte ihr was ich fühlte und mit jedem Gefühl wuchs ihre Aufregung. Ihre Hand ließ ich schnell wieder los. Die verschiedenen Gefühle schlugen mir auf den Magen, es war wie Karussell fahren nur viel schneller. Ich ließ mich auf die Couch fallen um meinen Magen zu beruhigen. Marie lachte mich aus. So ging es mir beim ersten Mal auch. Schön für sie, dachte ich grimmig. Rob hatte meine Gedanken gehört und ließ sich neben mir nieder und zog mich in seine Arme. Er wollte mich trösten.
Mit jedem Tag wurden Carmen und ich stärker und nach drei Tagen waren wir komplett gewandelt. Wir waren jetzt Vampire. Die Gesetze der Vampire verlangten es, dass nach der vollständigen Wandlung jeder neue Vampir sich beim Rat vorstellen muss. Dort würden ihm sämtliche Gesetze erklärt und seine Kräfte sollten entdeckt und weiterentwickelt werden. Gut, entdeckt hatten wir sie ja schon. Blieb noch das weiterentwickeln. Ich fragte mich, wie dass denn funktionieren sollte. Am Ende der Woche brachen wir auf, um uns dem Rat vorzustellen. Dazu mussten wir nach Kairo in Ägypten reisen. Also saßen wir am Freitag alle in einem privaten Flugzeug, so konnten wir die Sonne aussperren ohne Aufsehen zu erregen. Der Flug war recht angenehm. Ich machte mir nur einige Sorgen, wie der Rat auf uns reagieren würde.

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Tag der Veröffentlichung: 31.05.2010

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