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Gehirnfernsehen


1.

Ich sitze in einem abgedunkelten Raum mit Bildschirmen und warte auf den Doktor. Mein Kopf ist verdrahtet und schwer, ich betrachte mein Gehirn im Schnitt. Dreht man am Knopf, fährt die Kamera glatt durch die Windungen, bis zwei weisse Augenbälle erscheinen. Das sieht gruselig aus, wie ein Marsianer. Dieses graue, vergnubbelte Ding mit den 2 Geleebällen ist mein Ich, nein oder war ich vor 10 Minuten, war ich das wirklich? Hätte man mir ein anderes Ich reingeschmuggelt, zack-reingebeamt würde ich das merken? Neenicht. Menschen sind oft nicht dass, wofür man sie hält, denke ich und frage mich, ob das auch für mich gilt... Velleicht haben irgendwo Leute ihren Spass mit Persönlichkeitszapping, bei launischen Typen wird einfach öfters gezappt.

Ich drücke gerade noch ein paar Knöpfe: Wasmachtdaswasmachtdaswasmachtdas? Irgendwie fühle ich mich nun anders. Wer bin ich, wo bin ich? Warum habe ich Hunger auf Regenwürmer ?
"Tut mir leid, an sich selber dürfen Sie nicht rum spielen..." Eine Hand legt sich schwer auf meine Schulter. Das Gesicht dazu kann ich nicht sehen, es liegt im Dunkeln, verdammt, was... "Sooo, das Backup drauf gespielt..., alles klar?" Zzzippp. Muss wohl eingenickt sein. "Ach ja, klar, Herr Doktor, ich hab hier schon mal auf sie gewartet." "Kein Thema, also dass hier sind Sie."....

2.

Seit ich von meinem Arzt so Glückspillen bekommen habe , berührt mich der Libanonkrieg im Fernsehkasten gar nicht mehr so. Erst sehe ich einen Fahrradfahrer, den eine Katjuscha vom selbigen geholt hat, nur die Füsse sind noch übrig. „Sauberer Schuss“, denke ich. Dann ein Schiff mit Flüchtlingen, dass nach Zypern fährt „da wollte ich auch schon immer mal hin, toll.“
Ich nicke kurz ein. Bob Geldorf weckt mich und sagt mir, dass im Sudan auch diese Nacht wieder tausende Kinder auf der Flucht sind und wünscht mir einen geruhsamen Schlaf.
So ein netter Mensch. Ich lächle still in mich hinein. Die Nacht ist dann wirklich ausgezeichnet.

And I find it kind of funny
I find it kind of sad
The dreams in which I'm dying are the best I`ve ever had


Ich wache auf. Erst ein wenig Müsli, dann die gute Tablette. "Reis and Schein!", wie der Engländer sagt. Mir wird kurz schlecht, dann kalt und heiss und dann geht es wieder. Dann pumpe ich das Fahrrad auf und radle los. Mir wird gar nicht bewusst, wie sich die Landschaft verändert. Lauter ocker Steine, auch Dreck und noch mehr Steine um mich rum. Verdammt heiss auch, Steinofen! Endlich ein paar Gebäude, seltsam, keiner da. Doch, Ziegen. „Mäh!“ grüsse ich. Die schlackern mit den Ohren und kauen echt unbeeindruckt. Ein schrilles Pfeiffen schreckt mich auf, dann fliegt etwas grosses dunkles auf mich zu und es wird Nacht.

Die Apfel- und die Birnbäume erblühten,
Nebelschwaden lagen über dem Fluss,
da ging Katjuscha hinaus aufs Ufer,
auf das hohe, steile Ufer
.“

Noch ein Erwachen. Vor mir liegt ein Sack, der mir erzählt er käme von Care und enthielte Weizenmehl. Sauber. Mehlbomben auf Zivilisten.
Das Säcke reden können, ist mir seit längerem bekannt, sollte aber allgemein verboten werden.
Ich sehe einen Mann mit blauen Helm auf mich zulaufen. „Tut mir leid, ist mir aus der Hand gerutscht“ „ Ein Mehlsack?“ „Scheisse, nein, Mörtel!“, lacht er. Alles verändert sich wieder.
Ich liege neben einem Baugerüst in der Witzleben-strasse. Naja.

3.

Ich bin krank. Ich habe eine Missverständnislücke. Aber was fase ich da. Ich denke, jeder macht was aus dem andern. Der Ton rutscht langsam herunter, er ist zu dünn, zwei Finger breit. Die Welt als Hörbuch. Alles klimpert so schnell vorbei wie ein Postkartenständer aber viel zu schnell und ich soll mir was raussuchen. Aber ich will nicht wirklich die Hand da rein stecken.
Das tut bestimmt weh. Ach ich habs, ich nehm den Fuss! Wah, was für ein Schlamassel. Jetzt regnet es Ansichten.

Ich nehm nun keine Pillen mehr vom Arzt, die machen mich duhn. Die stapeln sich jetzt im Schrank immer höher, ja sie quellen schon heraus und liegen im Zimmer wie Sand. Manchmal bin ich Dagobert und tauche hinein. Schaumkronen chemischer Freude rasseln über den Balkon.

Von den Siechellen habe ich einen Eimer gestellt, einen rot emaillierten. Zum Sonne einfangen, für die Brille und für die Frösche aus dem Schwimmpool, das Blau kommt vom Curacao, wie man weiss. Goldbrassen setzen auch Segel. Sie schauen sich die Kacheln von unten an und ich fang Fang locker vom 5 Meterkickboard aus, rollend. Easy!

Und dann dreht sich das alles um 360°? Ach Sonnenwende. Leise geht der Mond zu Grunde. Das kommt vom Gold! Morgens nicht in den Mund nehmen!
Was dann?

4.

Den Hunger auf Regenwürmer verspüre ich immer noch ab und an.

Die Woge


Harmonie und Vollkommenheit blühen im Augenblick.
Im schmalen Grat zwischen gestern und morgen.
Auf dem Kamm der Woge reitest Du durch Täler.
Immer auf dem Weg und doch schon angekommen.
Wo ist die Woge?
Was Du beobachtest, ist nur für Dich.
Es rinnt durch die Finger und war doch da.
Erinnere Dich an den Augenblick.
Dann blicke durch Deine Augen.
Vielleicht zum ersten Mal.

Wasser - Oper - Das Wollen

 
Ich als nüchterner, kopfgesteuerter Analyst stehe bisweilen zausschopfen und ratlos vor der Fülle um mich. Ein kafkaesker Versuch zum Verständnis: An einem Bootssteg am Fluss halte ich an, knie nieder und tauche einen Finger in den Strom. Das Wasser weicht meinem Finger, umfliesst ihn. Die Trennung ist schmerzlich, ich werde traurig. Warum berührt das Wasser mein Innerstes nicht? Gedanken wandern... Weil keine Öffnung dem Element einlass gewährt? Von dieser Idee freudeerfüllt schöpfe ich beide Hände voll und will schon trinken. Plötzliches Grauen erfüllt mich. Was, wenn Gift darinnen wäre?
..........
Irgendwo gab es da mal ein Filmzitat: Die italienische Oper liebte oder hasste man. Der Protaeckist nimmt seine Damsell in being mit und wells Kitsch ist, kommt sie völlig verheult raus. Ob es ihr nicht gefallen hat? Ich war noch nie in einer Oper. Ob Oper mir gefällt, möchte ich bei so einer heiken Frase erst in zwanzig Markscheinen entscheiden. Bis dahin besuche ich populente Wettmahre, mit leicht gleitenden Maiden unter Seide. Dort gibt es Korallen, die mächtigsten Stämme der Welt, und Bretter. Manchmal quiekt ein Schwein oder ein Pavian. Sie machen es. Der Pavian wird ganz rot hintenrum. Ich schweife ab. Funky tinsel. Der Fernseher bringt es ja nicht rüber. Man muss dabei sein. Und dann sitzt man da, mit einer Tüte Eingemachtem, ist zutiefst erschüttert von soviel Makeup und kann es nicht glauben: Die Fürstin ist tot. Das kann doch nicht gut sein. So gothic ist das. Da zähle ich noch Daumen (tau-frisch-sass-die-Frau-zu-Tisch) bis ich Dust bin, Stardust (grau). Dann packt sie mich, die mitleidige halbmondwangige Moira mit ihren dicken Zöpfen, in gelbe Würfel mit selbstklebenden Fohlen, Etikett: Spätlese, leicht verdorben (schon immer). Schnittersichtig ist es zur Freude gediehen, say it again, pain! Eis schüttelt und rührt mich . Ich will die Fürstin wieder sterben sehen. Völlig verheult gehe ich nach Hause. Ob es mir nicht gefallen hat?
............
"Immer wieder mal mache ich mir Gedanken darüber, wie das, was man niederschreibt von Tag und Laune abhängt. Das ist der Fingerabdruck, den jeder Eintrag, jede Geschichte hat und, vielleicht letztendlich das, was eine Sache wirklich interessant macht. Ab und an drängt es einen, Wörter aus der Luft zu kondensieren, den Staub, den Niederschlag zwischen den Fingern zu spüren, das Greifen wollen für den gleitenden Blick anzuziehen, dass er baden geht, schmatzt, sich beschmiert und Spielzeuge baut aus dem feinen süssen Brei, den schroffen Steinen und dürren Stöcken, den bitteren Pillen, den gestreiften Morgenmänteln und den glänzenden Kastanien, frisch aus der Schale." Diesem schamlosen Selbstzitat folgt das protzige Vakuum, dass jeder billige Tastenklepper kennt, er hat eine grosse Ahnung, ein Gefühl, aber das Fassenlernen endet in schlechten Kopien, es tut weh, er schreit, er wird alt. Verzweifelt klammert er sich an die paar Blätter, entblösst sie unterm Mantel wie ein Exhibitionist, das Desinteresse wiehert und schüttelt den Kopf: schon wieder so einer. Der Klepper spannt die Texte auf Rahmen, die Leinwänder reissen und reparieren sollen es Glitzersteine, die die Kittmasse verblenden. Er weiss, er will es besser, Texte sind keine Abgüsse, sondern filigrane Uhrwerke. Es gibt auch diese billigen Uhrwerke aus Plastik für Kinder. Die funktionieren auch. Man kann sie ganz leicht zusammenschrauben. Aber es muss ja unbedingt eine Seamaster sein. Noch vor der Zeit, vor der Zeit.
.....
Als Kind habe ich einen Selbstversuch gestartet, der mir ein für alle Mal zeigen sollte, ob es Magie gibt oder nicht. Ich stellte ein Glas Wasser auf den Tisch, setzte mich hin und starrte es finster und eindringlich an. "FALL UM!", zischte ich. Als das nicht funktionierte, musste ich mit dem Fuss leider nachhelfen.

Ein unaufrichtiges Schicksal

 
Es war ein Ort der Wärme,
wie ein Kaminfeuer flackerte ein blasses Gesicht
Jähe Angst riss dich fort.
Jetzt steh nicht so traurig herum.
Schließ deinen Mantel,
Zieh den Hut tief ins Gesicht.
Durch dunkle Gassen wirst du wandern
und der Himmel speit sein Wasser über dich.

Zwei-Seiten-Torheit


Da lese ich die zwei Seiten der Geschichte und denke mir hmm, hmm. Gibt es ein Weil? Hmmm, hmm und dann nicke und lächle ich. Wie doch alles ineinandergreift. Fleisch und Eisen und Stein und Holz (beispielhaft). Liebe böse Freunde, ihr grausamen Kinder! Man kann hinsehen und lächeln, dabei kurz aufstossen oder wegsehen aus dem Fenster, auf die alten Leute mit ihren Hunden. Ich lasse täglich bestimmt mehrere Menschen verhungern, irgendwo, bestimmt. Aber ich kümmere mich auch um jemanden (bin also nicht wirklich böse). Ich weiss Bescheid. Bescheid wissen kann aber jeder. Weiss auch jeder. ich würde sogar gern glauben, wenn das nicht so lächerlich schiene. I want to believe. Ich bin auch gebildet, ja, was machen mit der Bildung? Bildung macht doch schwindelig. Schwindelig vor Ohnmacht. So kurz zum greifen nah ist (siehe Nichtabbildung Seifenblase). So klar, so kurz davor. Nur ankommen geht nicht (leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass). Ich werde immer schneller, ja begabt, wenn ichs bedenke (und wehe jemand sagt was anderes). "Platz" (siehe Nichtabbildung Seifenblase). Koffeinträume das alles, rhytmisches Pochen der Schläfen, Zucken der Finger. Zerrinnt in Zahlenkolonnen. Ist nicht vergleichbar, nur ähnlich. Papierausscheidung. Ich sollte Papier essen und mein Essen verschenken. Gib meinem Leben einen Sinn, sage ich. Die weisse Masse sucht in der grauen Masse, dann zuckt (siehe Nichtabbildung Abbildung) und sagt:
'Das wars Solo, man kann doch nicht ewig warten, es kommt da keiner. Nur du gehst. Das sagen wir dir. Du sitzt in einem Treibhaus.'
'Das weiss ich doch,' antworte ich, 'die alten Leute draussen haben Pelze und die Hunde auch, das seh ich doch.'
'Dann geh doch raus!'
'Woraus?', frage ich.
'Kauf dir einen Hund.'
'Ach, das ist es?'
'JA. Der Hund führt dich.'

Kalte Gefühle

 
Auf dem Brett serviert,
blass und frisch seziert,
Eiskalte Gefühle.
Und die Reste in die Spühle.
Ich hab nachts beim Regen,
lange wach gelegen,
in die Finsternis geschaut.
Mir war kalt in meiner Haut.

Die Handlung, die Wandlung


Die trotzige Behauptung: das Handeln offenbare den Charakter. Was ist nun ein Charakter? Ist es ein Unterschied, ob man liebevoll zubereitete Moral, die man dankenswerterweise kindgerecht aufgegessen hat in sich fühlt oder sich Moral als Erwachsener aneignen muss? Die Moral als Muttersprache. Das Moralgebäude ist mit vielfachen logischen Fallstricken bespannt. Vom "Das macht man eben so." bis zum "Deshalb macht man das so." ist es beim Lernen der Syntax ein Weg. Dazwischen kommt "Ist das wirklich gut für den anderen und für mich? Warum? Warum tut es dann weh? Wieso darf ich nicht verdrängen? Werde ich manipuliert? Ist Manipulation schlecht?" Beim nüchternen und schonungslosen Durchdenken prallt man grauenhafterweise gegen unangenehmen Egoismus, Feigheit und auch schwarze Monster, die vorgaben, die Realität zu sein. Das heisst auf der einen Seite sind sie hübsch, nur auf der anderen schwarz und hässlich (wer hat das gesagt?) "Hoppla, Herr Monster!", entschuldigt man sich und verbeugt sich linkisch und zieht den steifen Zylinder gerade so, als solle etwas hineingeworfen werden. Besser, sie alle zu entlassen, die innerern Klassenkameraden? Ja, denn sie sind verdorben, edle Schimmel sind sie. Sie hinterlassen Leere. Das fordert Mut vor sich selbst und ist so seltsam, dass man sich wiederum fragt: Warum? Wieso darf ich nicht Krüppel bleiben? Oder bin ich heil und werde zum Krüppel? Wo ist die Wahrheit? Wird mir mein Ich genommen oder wird mein Ich? Ist am anderen Ende des Ichs das Du, das Wir oder wieder nur ein Ich und welches? Gebe ich mir etwa selbst die Hand? Aber ja doch, ich bin ja alle. Halt, ich darf nicht alle sein. Der Imperativ hat es mir verboten. Der innere. Da ist noch ein anderer. Die beiden kämpfen, ich bin das Schlachtfeld. Halt nochmals. Klingt das nicht passiv? Nein, denn ich lasse kämpfen. Ich habe sie beide bezahlt. Bald bin ich alle. Bald bin ich wie alle anderen. Die Synapsen werden mir aus den Ohren herauswachsen wie Tentakel und mich mit allen Wesen verbinden. Ich werde unsere Fehler verstehen.

Überspannt


Ich hab es geschafft, die Feder ist überspannt und gebrochen. Nutzlos klimpert sie im Abwärtsgang. Auf schiefer Ebene fahre ich hinab mit schwerer Fuhre. Der Motor bremst und läuft heiss. Metallischer Geruch drückt die Brust. Funken blitzen, die Hülle zerfällt, die Räder springen, hulahopp, hopp, hopp. Alte Tonbänder spielen, eine Puppe weint im Rauch. Ich bin wach, hellwach, das Wasser ist kalt, die Optik kristallklar, Wale singen mir ein Schlaflied. Doch ich kann nicht schlafen, ich muss noch weit gehen. Mit einer Fussfessel, an der Kette, an der Kugel.

Spiegelbilder


Der eine Blick durchs Kaleidoskop findet nicht vorhandene Muster. Sterne und Herzen: Das Muster ist Ursache der Täuschung. Muster übereinander gelegt, ergeben Überlagerungen, Wege im Wirrwar. Diese Wege sind stabiler als die Muster. Sie entstehen aus der Vielfalt. Sie ergeben sich dem Beobachter mit der Zeit. Sie entstehen im Beobachter mit der Zeit. Der Blick hinaus ist ein Blick hinein.

Youre safe until the Fire starts


Szenerie Eins: Wieder sitze ich in einem Käfig, der ist in einem grossen, leeren Saal, Geräusche und bunter Nebel fliehen von irgendwo. Dann setzt sich eine brünette Frau vor mich und erschüttert mich mit ihrem Nikotin-Nihilismus. Gar nichts sei als man selbst, und das könne man alles ändern. Es gäbe das Feste ERST nach der Beule. Sie gibt mir ihre Zigarette für das Schloss. Es gäbe auch keinen Nutzen, keinen Sinn, nur Emotionen. Tu was du willst. Weg mit mir, mit dir, keine Bilder mehr jetzt. Sei ein wildes Tier.

Szenerie Zwei: Eine weisse Ebene. Ich bin wieder allein. Ich sehne mich nach meinem Käfig, während sich unter mir schon alles in Falten zieht. Das ist die Ziehharmonika des Lebens. (mal ist es lang, mal ist es kurz). Eine laute Melodie. Auf einer wuchtigen Bassnote fliege ich davon.

Szenerie drei: Hoppla. Was ist denn das?

Der leere Kasten



Herr Dr. psych. Spinnebein trommelte gelangweilt mit den Fingern auf den Tisch und blickte in seine leere Praxis. Er hatte einen grossen Tisch und ein paar Stühle drumherum. Die "Bekloppten", wie er seine Patienten insgeheim liebevoll nannte, konnten sich einen der Stühle aussuchen, je nachdem, wieviel Distanz sie brauchten. Dann gab es noch einen Wasserspender mit spitzen Wasserhütchen und eine Tafel zum dran herum malen. Eine Couch gab es nicht. Dr. S. mochte es nicht, wenn die Patienten einschliefen. Herr S. trug einen Kittel, als niedergelassener Psychologe eigentlich eher eine blöde Angewohnheit. Dann klopfte es endlich und ein neuer Patient, den er noch gar nicht kannte, betrat den Raum. S. stand auf und gab ihm die Hand, die ihm der andere, etwas mechanisch, wie S. schien reichte und schlaff auch noch. Der Blick des Patienten war stur auf seine Füsse gerichtet. Er war ein hoher und auch recht beleibter Herr mittleren Alters mit Halbglatze. Roboterhaft schnurrte er ein "Gutentachherrdokter" herunter und setzte sich auf den Stuhl, der am nächsten zu den stand, auf den sich Herr S. gesetzt hatte. "Also Kontaktangst hat der schon mal nicht", dachte S. und fragte: "Sie sind also Herr...?" "Wast mein Name, Johann." Wieder dieses Schnurren. S. lief es kalt den Rücken herunter. 'Sei ein Profi!', rief er sich zur Ordnung. "Ah, ja und weswegen haben sie diesen Termin verabredet Herr Wast?" "Hmm nun ja, sie können sich vorstellen wie peinlich mir das ist..." "Nur keine Scheu." "Also mich, mich, ähhhh...." "Ja?" "Mich befallen Persönlichkeiten anderer Menschen Herr Dokter. Sie befallen mich wie Krankheiten." "Ja, das ist nicht unbekannt, Herr Wast, da seien Sie beruhigt. Wie wachen Sie denn morgens auf?" "Ja ganz normal mit dem Wecker." "Ah nein, als wer oder was wachen Sie denn morgens auf?" "Ja, morgens ist es auch sehr schlimm, da bin ich praktisch leer." Herr Wast griff sich an den Kopf "Ein ganz leerer Kasten ist das dann." "Ah, Sie meinen also, morgens gar keine eigene Persönlichkeit zu haben, in der Nacht wird alles gelöscht und Sie.." "Genau so ist es..." "...müssen sich ihre Person im Laufe des Tages erwerben? Wie ein geschlüpftes Küken?" "Muss ich, ja, und dass ist mir peinlich." "Aber das braucht Ihnen doch nicht peinlich zu sein." "Ich habe Skrupel." "Hmmm?" "Und es ist unangenehm, ich habe ja oft keine Handhabe, was ich da abbekomme. Wie eine Krankheit ist das, ich schaue nur jemanden an und es geht ratzfatz! Plötzlich sind Sie eine Backwarenverkäuferin. Busfahrer. Oder ein Bettler. Oder..." er schüttelte sich, "...ein Pantomime. Und wenn dann jemand den Schwindel entlarvt, muss ich wieder wechseln. Das kann ganz schön chaotisch werden. Also ich war da mal in einem Stadion zwischen zwei Fanblocks..." "Soso, hörn Sie mal, Herr Wast. Ich verschreibe ihnen eine verspiegelte Brille. Das dürfte Ihnen helfen, bis wir für Sie was dauerhaftes gefunden haben." "Oh, danke Herr Dokter." "Noch eins Herr Wast." "Ja?" " Schauen Sie mir doch bitte mal in die Augen. Wer sind sie gerade?" "Aber...Sie wissen nicht..." "Ich bitte Sie! Ein Experiment!" "Bittesehr. Jetzt werde ich. Ich werde Sie." "Hochinteressant! Hochinteressant! Das will ich sehen, warten Sie!" Her S. kramte nach seiner Videokamera. Als er aufsah, war Herr Wast verschwunden! "Na sowas. Bin ich jetzt überarbeitet oder was?" murmelte er. Er sinnierte eine Weile auf seinem Stuhl, dann rief er: "Schwester! Haben wir noch einen Termin?" 'Zu langsam!', lachte eine schnurrende Stimme in seinem Kopf. Die Schwester steckte den Kopf ins Zimmer. "Haben Sie mich gerufen? Wo ist denn der Herr Dokter hin?" "Ja das ist mir jetzt wieder peinlich, aber...", sagte Herr Wast, sah sie bübisch an und legte den viel zu kleinen Kittel sauber über den Stuhl, "...es geht immer so verdammt schnell."

Jugendsünde


War einst ein Marionettenmann,
hing an seinen Zwirnen dran.
Den Lenker suchen er getraut,
ach hat da nur ein Kind erschaut.
Wenn ich keine Fäden hätt,
grübelte der Marionett,
wär jeder Tag voll Sonnenschein
und ich trüg mein Kreuz allein.
Könnte eigne Zügel lenken
von Leuten, die nicht selber denken.
Riss sich los, doch seine Achsen
warn der Schwerkraft nicht gewachsen.
Er fiel hin mit lautem Krachen
auf den Boden der Tatsachen.
Jetzt nur weiter, ganz allmählich,
dachte sich der Holzkopf fröhlich.
Lernt nun laufen Tag für Tag,
ein famoser Menschenschlag.
Moral: Komm schon Kind sei nicht bescheuert,
denn sonst wirst du ferngesteuert!

Ein Tag als Universitätschemiker

 Nach einem Gläschen Frühstücksether glaube ich, dass ich das, was ich mache wirklich kann und das es mir Spass macht. Auch immer wieder wahr: Keine Macht den Drogen...und keiner macht den Abwasch. Also wasche ich ab. Alles ist rosa und watteweich. Dann stecke ich etwas in den Stecker äh Steckdosedings, drehe einen Hahn auf und gehe den guten alten Dachpappenaufguss trinken, den mein Oberassistent, dem ich assistiere (besonders beim Kaffetrinken) jeden Tag mit der gleichen erdölnen Konstisenz einem Apparat entlockt, welchen er mir nicht zeigen will.Als ich wieder zum Stecker komme, fällt mir ein, dass da ein Gerät dranhing, das ist jetzt eingeschmolzen und alles voller Qualm, naja macht nichts, Gasmaske auf und lüften. Es rauscht in den Ohren ah so der Hahn...eine leise Explosion erspart mir, Fenster und Türen wieder zu schliessen, liegt jetzt alles draussen. "Kann man nichts machen", sagt der Oberassi. Weil jetzt sowieso alles kaputt ist und die Feuerwehr alles blockiert, gehe ich in mein Büro. Ah ein Zettel. Ach Praktikum heute. Na macht nichts, Zeit ist eh schon vorbei. Ich finde die Studenten in der Raucherecke und frage sie, was sie sich erlauben, nicht zum Praktikum zu erscheinen, was glatt eine Verdrehung der Tatsachen ist und ich hoffe sie merken es nicht. Doch sie merken es und protestieren. Ich sage ok, wenn ihr es niemandem erzählt, sage ich es auch niemandem und mache einen neuen Termin. Jetzt habe ich Zeit und nehme einen alten Artikel aus der Schublade und verschiebe die Absätze und mache, dass die Diagramme anders aussehen und dann schicke ich es nochmal an eine Zeitung, super, neue Publikation. Danach ist es schon Nachmittag und es gibt einen Vortrag, bei dem ich schlafen kann. Jemand rüttelt mich wach, es ist mein Chef und ich frage ihn nach einer Gehaltserhöhung. Wir lachen beide herzlich ..nein das war ein Traum, der kommt doch erst morgen aus dem Urlaub und ich bin der letzte im Hörsaal. Ich fülle noch schnell ein paar Ballons mit Helium und dekoriere sein Zimmer, dass er wieder fröhlich ist, nach dem ersten Schock. Jetzt noch die Pflanzen giessen, hups, falsche Flasche, verdammt, der Frühstücksether!! Heute ist nicht mein Tag... ich torkele nach Hause....die Handschuhe halten schön warm...oh gehören die nicht an die Glovebox. Wer weiß... 

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Tag der Veröffentlichung: 13.04.2010

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