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»Sehen wir uns die Jungs doch mal genauer an.«
Das Schiff der Hesch näherte sich langsam der Outbound-Station und folgte dem Leitstrahl. Kastor schaltete den Zoom der Außendarstellung höher. Das Schiff war eigentlich nur eine schlangenförmige Stange mit angeflanschten Aufbauten und vielen Antennen, das alles in völlig asymetrischer Bauweise. Nichts wiederholte sich, nichts war zweimal vorhanden. Vor allem die Frachtbuchten waren für Menschen ein seltsamer Anblick. Zwischen den Antennen hing das Frachtgut im freien Raum. Man konnte keine Befestigungen ausmachen, keine Netze, keine Gurte. Diese Bauweise hing mit der hochstehenden Energie- und Traktorstrahltechnik der Hesch zusammen. Kastor wußte, dass die Hesch eine sehr stolze Rasse waren und dies in einer Weise zeigten, die Menschen mitunter seltsam anmutete.
Die Menschen hatten auf der Gebiet der Projektorstrahlen, mit denen man Güter bewegen und sichern konnte gute Erfolge erzielt, es würde ihnen aber nie einfallen Fracht nur mit Energiebändern zu sichern. Es war zwar nicht unbedingt nötig die Schiffe mit einer geschlossenen Aussenhaut zu versehen, aber um menschlicher Ästhetik genüge zu tun und vor allem für ein sicheres Gefühl im Inneren waren die durchgängigen Verkleidungen die beste Bauart gewesen. Davon abgesehen waren die Raumer der Menschen die mit Abstand farbenprächtigsten Gefährte in der Galaxis. Die Handelsflotte der Erdregierung hatte sich zwar auf ein schlichtes Weiss verlegt, aber die privaten Schiffe waren abenteuerlich lackiert und trugen damit als Nebeneffekt dazu bei, dass die Menschen als eine der verspieltesten und musischsten Rassen galten. Wer hätte das im Zeitalter vor der interstellaren Raumfahrt gedacht?
Es wurde Zeit Zandrynne zu rufen. Verhandlungen mit den Hesch führte man besser nicht alleine, sie hätten es als Beleidigung aufgenommen, wenn man ihre Delegation nicht mit der kompletten Besatzung des Handelsposten begrüssen würde. Ja, Zandrynne...

Immer öfter fiel Kastor auf, dass er sich darauf freute mit Zandrynne zusammen zu sein. Wie konnte das sein? Er war seit drei Jahren mit ihr auf dieser Station und hatte erst nach einem Jahr bemerkt, dass sie ein Droide war. Damals hatte er zufällig auf einem Kontrollmonitor der Ladebucht für Frachtroboter beobachtet, dass Zandrynne sich über einen Port unter der Fingerkuppe ihres kleinen Fingers an das System angeschlossen hatte und offenbar ihren Energiehunger gestillt hatte.
Er hatte sie nicht darauf angesprochen und war zunächst wie vor den Kopf gestossen, da er nicht wusste, dass man Androiden im Bereich des Handels mit anderen Rassen einsetzte. Ein Jahr lang hatten sie wie zwei gleichberechtigte Angestellte der Handelsmarine zusammengearbeitet. Einmal hatten sie sogar seinen Geburtstag gefeiert. Warum hatte sie ihm verschwiegen, dass sie ein Androide war?
Er nahm zunächst Kontakt mit dem nächsten Hauptposten der Flotte auf und legte eine offizielle Beschwerde ein. Die Antwort war eine Entschuldigung, man hatte schlicht vergessen ihn darüber zu informieren und Zandrynne ging davon aus, dass er es wußte. Er bekam eine genauere Typenstatistik über sie. Zandrynne war ein Droide neuester Bauart, inklusive einer individuellen Persönlichkeitsroutine...

Die ersten Droiden waren von der Erotikindustrie entwickelt worden. Ein Konsortium aus den drei grössten Erotikfilmproduktionsfirmen hatte vor über fünfhundert Jahren einem Forschungslabor den Auftrag erteilt die perfekten Liebesdiener und –dienerinnen zu entwickeln. Die Regierungen von Mars, Titan und letzlich auch der Erde hatten das Projekt dann großzügig subventioniert, da man sich erhoffte damit der Prostitution endgültig einen Riegel vorzuschieben. Die Prostitution konnte damit nicht ausgemerzt werden, aber nachdem die Droiden einen gewissen Reifegrad erreicht hatten, wurden ganz andere Einsatzgebiete für sie erschlossen. Zunächst hatte man sie in allen Arten des Dienstleistungsgewerbes eingesetzt und sogar der englische König hatte seine traditionellen Palastwachen irgendwann durch Droiden ersetzen wollen, konnte sich aber nur zwei von ihnen leisten. Die Menge an Droiden war immer überschaubar geblieben, ihre Herstellung war einfach zu teuer und menschliche Arbeitskraft im Endeffekt billiger. Ausserdem gab es ein ganz klares Problem: Droiden waren zwar belastbarer als Menschen, aber durch die Vorgabe, sie so menschenähnlich wie möglich zu machen, waren auch sie fragile Lebewesen. Das beste Beispiel war ihre Haut. Man hatte sie speziell gezüchtet, nur waren alle Versuche sie unverwundbarer zu machen darin geendet, dass sie ganz einfach nicht mehr die gleiche Flexibilität aufwies - man hätte sie weglassen können, aber der ursprüngliche Entwicklungsansatz hatte sie als Kühlsystem für den ganzen Mechanismus vorgesehen. Eine Neuentwicklung hätte sich kommerziell nicht gelohnt.
Und schließlich waren sie nicht im eigentlichen Sinne intelligent, sie waren nur darauf programmiert Intelligenz und Persönlichkeit zu simulieren. Dabei waren sie im Laufe der Jahrhunderte zwar immer besser geworden, vor allem als der Basiscode der Persönlichkeits- programmierung im öffentlichen Datennetz aufgetaucht war und Jugendliche im ganzen Sonnensystem Spaß daran gefunden hatten ihre eigene Persönlichkeit auf die Grundroutine zu programmieren. Ein Open-Source Projekt war entstanden und die Industrie ging dazu über, gute Ideen und Problemlösungen zu übernehmen. Freilich hatte kein Jugendlicher seine Routinen tatsächlich in einen Droiden einspeisen können, das war in etwa so kompliziert wie eine Operation am offenen Herzen, aber viele der Jugendlichen hatten die Persönlichkeits- systeme mit holographischen Projektionen gekoppelt und sich so sehr eigenwillige Spiegelbilder geschaffen. Allerdings war dieser Trend schnell wieder abgeflaut, durch die spezielle Programmierung hatten die Jugendlichen schnell den Spaß daran verloren, sich mit ihrer eigenen Renitenz herumzuschlagen. Die Erkenntnisse für die Industrie aber blieben.

Als Kastors Lebenspartnerin den befristeten Ehevertrag nicht mehr verlängern wollte, kam er zu dem Schluss sich zunächst einmal aus der menschlichen Gesellschaft ausklinken zu wollen. Den Schmerz, der daraus entstanden war, dass sie ihn ohne Vorwarnung verlassen hatte wollte er ganz alleine verarbeiten und der einsamste verfügbare Ort mit Bezahlung war der auf diesem Handelsposten. Bei seiner Ankunft war er zunächst verärgert darüber, dass er nicht alleine war, aber beschweren konnte er sich nicht - er war davon ausgegangen, dass die Outboundstationen bei dem heutigen Automatisierungsgrad nur von einer Person als Rumpfbesatzung besetzt werden würden. Zandrynne war schon an Bord der Station gewesen und auf die Frage hin, wie lange sie wohl den Posten behalten wollte, hatte sie mit einem Augenzwinkern geantwortet: »Das weiss ich noch nicht.«
Kastor fragte sie nicht, warum sie diesen Job gewählt hatte, genauso wie er keine Lust darauf hatte, dass sie ihn nach seinen Beweggründen ausfragte. Also hatte er sich mit der Situation arrangiert und nach einer Weile, spätestens nachdem er festgestellt hatte wie groß die Station tatsächlich war, hatte er es akzeptiert - hier gab es genug Platz um alleine zu sein.

Mit Zandrynne kam Kastor eigentlich nur während der Dienstzeiten in Kontakt. Es kam ihm vor, als hätte sie aus ähnlichen Gründen die Einsamkeit der Station gewählt, aber irgendwann hatte er sie dazu eingeladen, in seiner Kabine seinen Geburtstag zu feiern. Sie hatten sich an diesem Abend gut unterhalten und er einiges an Alkohol getrunken.
Nachdem er aber wusste, dass sie ein Androide war, hatte er ein paar Monate Abstand gehalten. Es gab auch keinen Anlass von seiner Befehlsgewalt Gebrauch zu machen, sie erledigte ihren Job tadellos. Sie bewies sogar Einfühlungsvermögen bei den Hesch - Verhandlungen die sie führte folgten immer gute Handelsabschlüsse. Da sie sich auch ihm gegenüber immer korrekt und freundlich verhielt, fing er irgendwann an sie mit anderen Augen zu sehen. Nach zwei Jahren auf der Station wurde es ihm ab und zu langweilig und wenn er Zandrynne dann traf, versuchte er sie Gespräche zu verwickeln. Sie verhielt sich dabei absolut menschlich.
Ihre Persönlichkeit war besser programmiert, als bei allen anderen Androiden die er bis dahin getroffen hatte, nun ja, er hatte sich auch nicht wirklich mit den anderen unterhalten. Sie erwies sogar als wirklich witzig und ihre Art hatte etwas sehr erfrischendes. Immer einen Scherz auf den hübschen Lippen, immer einen kecken Ausdruck in ihren braunen Augen.
Er fing an sich für sie zu interessieren und sie über das Kamerasystem zu beobachten. In den Kabinen waren keine Kameras installiert, nur die öffentlichen Räume wurden überwacht. Er wunderte sich auch nicht darüber, dass sie ab und zu die Toiletten aufsuchte, Androiden mußten Speisen und Getränke konsumieren, um Stoffe zu gewinnen die wichtig für ihre organischen Bestandteile wie die Haut waren. Aber die Verwertung der aufgenommenen Speisen war so gut, dass kaum Abfallstoffe anfielen.
Zandrynne suchte sehr oft die Toilette auf, blieb ungewöhnlich lange darin und sie benutzte auch immer nur eine der größeren öffentlichen, zudem eine, die in einem sehr abgelegen Teil der Station lag. Kastor wurde darauf aufmerksam, sah sich das Treiben noch eine Woche lang an und fasste dann einen Entschluss.
Kastor postierte sich in der Nähe der Toilette, aber weit genug weg, um von Zandrynne nicht bemerkt zu werden. Hoffte er zumindest. Er sah auf dem Monitor wie sie die Toilette aufsuchte und über zwei Stunden später erst wieder verließ. Als er sah, dass sie in Richtung der Zentrale ging, sprang er auf und ging eilig zu der Toilette. Zuerst machte ihn der Öffnungsmechanismus darauf aufmerksam, dass er im Begriff war eine Damentoilette zu betreten, aber er hielt ihn natürlich nicht auf.
Kastor öffnete die Tür und das Licht in der Toilette flammte auf. Was er sah konnte er nicht glauben. In der Mitte des Raumes standen mehrere Farbbehälter und auf einer Folie lagen einige Pinsel. Zandrynne musste das alles hergeschafft haben, als er sie noch nicht beobachtet hatte, aber das war nicht das was ihn verwunderte. Die Wände des etwa drei Meter hohen Raumes waren fast komplett bemalt. Zandrynne hatte offenbar einen Sinn für Kunst. Da waren Hesch zu sehen, da waren Zerwaner, die offenbar mit Sankoanern friedlich einen Sonnenaufgang bewunderten, ein Umstand der in der Realität nie vorkommen wurde, beide Rassen waren sich nicht sonderlich grün. Daneben waren viele Tiere, irdische wie extraterrestrische, alle liefen durch ein Tal auf einen Hügel zu, auch das würde nie passieren, manche der Tiere würden dermassen übereinander herfallen, dass der Kampf eines Löwen mit einer Antilope die Anmutung eines Picknicks hätte. Auf dem Hügel konnte er zwei offenbar menschliche Gestalten erkennen.
Kastor ging näher und betrachtete die Malereien, sie waren ausserordentlich fein, aber die Farben stimmten einfach nicht. Einen hellgrünen Hesch hatte er noch nie gesehen. Hesch waren insektoid und er war bisher nur schwarzen und dunkelbraunen Vertretern ihrer Art begegnet. Alle Farben stimmten nicht mit der Realität überein. Blaue Löwen, tiefrote Kazwesch, alles war anders. Künstlerisch. Er betrachtete den Hügel genauer und nahm vor allem die zwei Menschen auf ihm unter die Lupe. Sie saßen friedlich nebeneinander und hielten sich bei den Händen. Welchen Sinn hatte dieses Kunstwerk, denn ein Kunstwerk war es zweifellos? Das ganze Bild vermittelte eine absolut friedliche Stimmung.
»Eigentlich wollte ich nicht, dass du es siehst und ich hätte es Morgen entfernt.«
Kastor erschreckte sich heftig und drehte sich um. Zandrynne stand mit verschränkten Armen im Türrahmen. Er schaute zu ihr und dann wieder zu dem Wandbildnis.
»Wieso hast du das gemalt? Ist das in einer deiner Programmroutinen vorgesehen?«
In dem Moment, in dem er es ausgesprochen hatte wurde ihm klar, dass er sie seit langen wieder als Androiden angesprochen hatte. In den letzten Monaten hatte er mit ihr wie mit einem Menschen gesprochen. Sie schaute ihn hilflos an, ließ die Arme hängen und hob langsam die Schultern.
»Ich weiss es nicht. Ich hatte das Gefühl etwas tun zu müssen und habe dann angefangen dieses Bild zu malen.« Sie blickte zu Boden. »Es hat mir sogar Spaß gemacht, aber ich wollte es entfernen und wieder zur Tagesordnung übergehen.«
Kastor drehte sich wieder zu dem Bild um, betrachtete es eine kleine Weile und sagte dann:
»Ich finde du solltest es nicht entfernen. Es gefällt mir und wenn wir Besuch haben wir es auch den anderen gefallen. Du hast einen Beitrag zur Verschönerung der Station geleistet. Wenn du willst, kannst du das auch noch in anderen Räumen machen.« Er schaute sie an.
»Ich glaube nicht, dass ich das will. Aber wenn du es sagst, dann lassen wir dieses hier an der Wand.« Sie drehte sich um und ging und ließ den verblüfften Kastor in der Toilette stehen.

Kastor beobachtete sie in der folgenden Zeit nicht mehr, er hatte das Gefühl, dass er damit ihre Privatsphäre verletzen würde. Ein Android mit Privatsphäre, dem Gefühl etwas tun zu müssen und dann auch noch Spaß an der Malerei. Bei dem Gedanken musste er schmunzeln. Das alles war vor drei Monaten gewesen. In ihren Gesprächen hatten sie nie mehr von dem Bild gesprochen, er hatte es aber noch viele Male betrachtet. Es vermittelte ihm ein gutes Gefühl. Vor allem bei dem Gedanken, dass ein Androide so etwas geschaffen hatte, fühlte er sich gut. Wenn Menschen andere Wesen erschaffen konnten, die aus dem Nichts heraus ein Gefühl für Kunst entwickeln konnten, hatte die Menschheit doch etwas richtig gemacht.
Vor allem aber wurde ihm jetzt klar, dass er Gefühle für Zandrynne hatte. Etwas in ihm sträubte sich zwar noch gegen diese Erkenntnis, aber warum sollte er dieses Wesen nicht liebgewinnen. Zandrynne war offensichtlich etwas Besonderes.
Kastor schob den Gedanken beiseite und schaute sich die Liste der Waren an, die die Hesch gleich liefern würden. Er hatte den Laderobotern vor Stunden schon die Anweisungen erteilt, alle Austauschwaren für die Hesch vakuumfest zu verpacken und in die Ladebucht zu schaffen. Es waren hauptsächlich molekularverdichtete Behälter mit High-Tech-Schmiermitteln. Tonnen davon. Die Hesch würden gut geschmiert werden. Er grinste als Zandrynne die Ladebucht betrat.
»Hallo. Die Hesch sind gleich da. Willst du die Formalitäten regeln?«
Die Hesch legten grossen Wert auf die Einhaltung und die reibungslose Abwicklung des Protokolls. Sie waren streng organisiert und erweckten immer einen gestressten Eindruck. Verhandlungen mit ihnen währten nie lange und waren immer fair.
»Ja, alles klar, mache ich.«
Sie standen jetzt nebeneinander und warteten darauf, dass der Raumer der Hesch endgültig angedockt hatte. Kastor betrachtete Zandrynne von der Seite. Wie schön sie doch war. Ihre Designer hatten an alles gedacht. Sie hatte sogar einen Schönheitsfleck über der Lippe und ihre helle Haut bildete einen verführerischen Kontrast mit ihren schwarz und rot gefärbten Haaren. Sie roch sogar gut.
Ein Signal verkündete das erfolgreiche Andocken der Hesch und das große Ladeschott fuhr auf. Kontakte mit den Hesch erforderten ein gewisses Nervenkostüm. Nicht jeder kam damit zurecht, dass sich auf einmal hunderte, etwa drei Meter große Käfer in einen Raum ergossen.
Außerdem hatten sie im Gegensatz zu Zandrynne einen widerlichen Körpergeruch.
Die Hesch machten sich sofort daran die Pakete abzutransportieren, sie hatten keine Laderoboter, ihr Volk war so organisiert, dass die Arbeiter alle Befehle ohne Murren ausführten. Ausserdem hatten sie erstaunliche Körperkräfte. Die Halle war schon zur Hälfte leer und ein Teil der Arbeiter begann damit sie wieder mit den Waren der Hesch, Baustoffe von ausserordentlicher Qualität, zu füllen, als der Schiffskommandant näher kam.
Er baute sich mit seinen zwei Leibwächterdrohnen vor den beiden auf und zischelte: »Es ist immer wieder ein Vergnügen mit den Menschen Handel zu treiben. Alles ist wie abgesprochen vorhanden, wenn Sie nur noch hier ihr Zeichen setzen würden.« Die Hesch hatten die menschliche Sprache schnell gelernt. Zandrynne legte ihren Daumen auf eine leuchtende Fläche seines Tablettrechners.
»Uns ist es eine Ehre ihre Baustoffe verwenden zu dürfen. Bis zum nächsten Mal.«
Der Hesch klackte zufrieden und kehrte hinter den letzten Arbeitern auf sein Schiff zurück.
Die Transaktion war innerhalb von fünf Minuten getätigt. Die Hesch hatten es immer eilig.

Nach der Überprüfung der Waren standen sie zusammen am Schott zum Hauptkorridor. Zandrynne wollte gerade gehen, aber Kastor hielt sie am Arm fest. Er hatte einen wieder einen Entschluss gefasst und diesmal war er genauso unsicher was nun passieren würde, aber er musste es einfach versuchen, er konnte nicht anders.
Zandrynne schaute verwundert auf seine Hand an ihrem Arm und blickte ihm dann in die Augen. »Was...« Er ließ sie nicht ausprechen sondern zog sie zu sich heran um sie zu küssen. Sie wollte ihn wegstoßen, aber er hielt sie fest und versuchte weiter sie zu küssen.
»Zandrynne, ich glaube ich habe mich in dich verliebt.« stammelte Kastor. Sie versuchte weiter ihn wegzudrücken, ein kleines Handgemenge entwickelte sich.
»Du musst das verstehen, Zandrynne, du bist so...« keuchte er.
»Ich bin nicht darauf programmiert mit dir eine Bindung egal welcher Art einzugehen.«
Kastor hielt sie immer noch fest, sie wehrte sich.
»Du warst auch nicht darauf programmiert, das Gemälde zu malen. Zandrynne. Ich....«
Die Auseinandersetzung wurde heftiger und Zandrynne wehrte sich jetzt stärker. Er versuchte immer noch sie festzuhalten, doch sie wand sich zusehends aus seinem Griff.
»Kastor lass mich los, sonst muss ich mich wehren.« Sie drehte sich zur Seite und bekam einen Arm frei.
»Eigentlich darfst du dich nicht gegen mich wehren.« Sie antwortete nicht, sondern konzentrierte sich auf ihre Befreiung. Kastor war jetzt wie von Sinnen.
Endlich hatte sie sich befreit und anstatt wegzulaufen packte sie Kastor an der Schulter, nahe am Hals. Er merkte, dass sie einen festen Griff hatte, versuchte aber weiterhin auf sie einzudringen. Sie wusste sich jetzt nicht mehr zu helfen, griff mit der anderen Hand nach seinem Brustkorb und fand unter dem Rippenbogen was sie gesucht hatte. Ein kurzer Ruck und Kastor fiel schlapp zu Boden und bewegte sich nicht mehr.

*

»Outbound XVII an Hauptstation. Wir haben einen Notfall.«
Nach kurzer Pause und mehreren Umschaltgeräuschen bekam sie Antwort.
»Zandrynne? Was ist passiert? Probleme mit den Hesch?«
»Nein, Kastor, er... er hat versucht mich anzugreifen. Ich musste ihn desaktivieren.«
»Was? Was hat er gemacht?«
»Er hat versucht mich zu küssen.«

*

»...kann man abschließend sagen, dass der Androide mit der Kreativitätsroutine wie erwartet nach einiger Zeit sein Potenzial ausgeschöpft hat. Er reagierte aber mit Verwirrung und setzte seine Bemühungen in diese Richtung nicht mehr fort.
Der zweite Testdroide mit der neuen Energieaufbereitung und der Humanerinnerung hat aber anders als erwartet reagiert. Seine Routinen sind in eine Richtung mutiert, die wir nicht erwartet haben, aber erwarten hätten müssen. Durch die Tatsache, dass er der Meinung war einmal romantische Gefühle zu einer Frau gehabt zu haben, hat die Emotio-Subroutine den Schluss gezogen, dass er dazu im Stande sein muss auch neue Gefühle zu entwickeln.
Der Hemmung, sich zu einem Androiden hingezogen zu fühlen, was einem Menschen durch die allseits bekannte psychologische Technohumanbarriere nicht möglich ist, war bei ihm nicht vorhanden. Er wurde deaktiviert und wird im Depot verwahrt. Eine Reaktivierung ist nicht vorgesehen. Die Handelsbeziehung zu den Hesch hat unter dem Vorfall nicht gelitten.«

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Tag der Veröffentlichung: 19.10.2008

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