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An einem ganz normalen Abend in einem ganz normalen September eines ganz normalen Jahre

Leseprobe zu "Mann zu verschenken"

»Oooh... Jaaa…mmmh oh, ist das geil Jaaa.«

Ich stöhnte, was mein Repertoire hergab. Ich drehte meinen Kopf leicht nach hinten und wagte einen kurzen Blick. Ja, er hatte die Augen geschlossen. Das bedeutete, ich musste nicht mehr das ganze ausgefeilte Programm der begehrenswerten, lasziven, leidenschaftlichen Bettgespielin abspulen. Eigentlich ja schon seit zehn von unseren sechzehn Ehejahren nicht mehr, aber ich tat ihm den Gefallen, dann war er grundsätzlich besser gelaunt.Während er so hinter mir lag und sein Bauch bei jedem Stoß an meine wohlgeformte Hüfte klatschte, stöhnte ich im Rhythmus mit. Das wiegte ihn in Sicherheit und ich konnte in Ruhe den nächsten Tag durchgehen: Kinder für die Schule wecken. Butterbrote schmieren, obwohl die beiden eigentlich schon viel zu alt dafür waren und ich damit rechnen musste, dass die Brote dekorativ in einem Schulhofmülleimer landeten. Und weil ich dies vermutete, gab ich ihnen noch immer ein wenig Essensgeld mit »für alle Fälle«.

Danach musste die Buntwäsche gemacht werden, eingekauft, Hemden in die Reinigung gegeben, gestaubsaugt und die im Internet bestellten Stiefel bezahlt werden. Ach ja, und Frau Meising von nebenan bekam noch zwei Eier zurück. Wenn die Brut dann mittags gefüttert war, hatte ich einen Termin im Salon Helga. Ja, mein Gott, ich kann ja auch nichts dafür, dass der so heißt. Aber ich geh’ halt gerne dorthin, weil eine Freundin Geschäftsführerin des Salons ist. Marlene würde mich wieder fragen, wie es mit Marius liefe. Ich würde, wie zuletzt immer häufiger, sagen: »Wenn er doch mal laufen würde.« Wir würden lachen, ich verließe mit neuer Haarfarbe, aber gleichem Schnitt den Salon und Marius würde zu Hause eine Bemerkung über meinen neuen, todschicken Schnitt fallen lassen.

Klatsch, klatsch…

Marius’ Becken klatschte an meinen Hintern. Mann, der ließ sich heute wieder Zeit. Seit er gelesen hatte, dass Frauen angeblich auf einen langen Geschlechtsakt stehen, kam ich unter einer halben Stunde nicht mehr davon. Mit mehreren Stellungswechseln, weil er sonst zu schnell kam. Von diesen verschiedenen Stellungen fand ich rein theoretisch genau eine akzeptabel. Aber dummerweise war die auch für ihn ausgesprochen reizvoll, das bedeutete für ihn ein schnelles Ende - ohne mich.

Auf der gut lesbaren Nachttischuhr mit Leuchtschrift verblieben noch sieben Minuten. Ob wir heute vielleicht ein bisschen früher Schluss machen könnten? Ich lauschte stöhnend dem gleichmäßigen Klatschen und gab Gas. Ich knetete meine Brüste, das machte ihn an. Och, und wenn ich schon dabei war, konnte ich heimlich meine monatliche Krebsvorsorge machen und meine Brüste nach Knoten abtasten.

So, jetzt war es aber wirklich Zeit, zum Abschluss zu kommen. Noch ein bisschen heftiger stöhnen, schneller atmen, heftigere Bewegungen, dann sprang ich schnell vor ihn und reckte ihm meinen Po entgegen. Fertig.

Marius drückte mir einen Kuss auf den Nacken und kuschelte sich an mich. Weil er gelesen hatte, dass Frauen nach dem Sex kuscheln wollen. Kuschel…Kuschel…

Nach einigen Minuten erschlaffte sein Körper und das gleichmäßige Atmen, das durch das Entspannen seines Gaumensegels in sonores Schnarchen überging, verkündete mir den Eintritt in die wohl verdiente Nachtruhe.

Ich starrte in die Dunkelheit. Nein, schlafen konnte ich noch nicht. Also schälte ich mich aus seinem Arm und schlich aus dem Zimmer. Wie jeden Abend warf ich noch einen Blick in die Kinderzimmer. Zuerst bei Max. Er lag auf dem Rücken in seinem Bett und schnarchte. Na ja, Apfel und Stamm und so weiter. Seit er in der Pubertät war, kam ich in seinem Zimmer nicht mehr einen Schritt voran, ohne die Hilfe eines Schneepflugs in Anspruch nehmen zu müssen. Wehmütig dachte ich an die Zeit zurück, als ich ihm noch einen liebevollen Gute-Nacht-Kuss geben durfte und er mich mit seinen kleinen Ärmchen festhielt. Ich musste mich förmlich herauswinden, was ihn amüsiert aufquietschen ließ. Süßer, kleiner Max. Ich entschied mich, ihm heute einen heimlichen Gute-Nacht-Kuss zu geben. Vorsichtig schob ich seine Schultasche, die Sportschuhe und die leeren CD-Hüllen mit dem Fuß zur Seite und trat an sein Bett. Sanft strich ich ihm über seine Haare. Wenn er schlief, sah er aus wie Papa, nur dass Papa auch im wachen Zustand nie den Eindruck vermittelte, wirklich wach zu sein.

Max drehte sich grummelnd weg. Also kein Kuss. War vielleicht auch besser, denn seine eigene Mutter nachts nackt an seinem Bett stehen zu sehen, könnte ihn später unendlich viele Therapiestunden kosten.

Nun öffnete ich leise die Tür zu Chrissys Zimmer. Sie sah wunderschön aus. Ihre langen blonden Haare umrahmten ihr ebenmäßiges Gesicht. Bald würde sie sich zum ersten Mal in einen Jungen verlieben und mich um Rat fragen. Wir würden zusammen shoppen gehen und ich dürfte ihr zeigen, wie man sich dezent, aber effektvoll schminkt. Im Salon Helga würden wir gemeinsam eine neue Haarfarbe aussuchen und...Ein lautes Grunzen aus dem elterlichen Schlafzimmer schoss jäh einen Pfeil in meine rosa Wolke und riss mich zurück in die brutale Realität. Puff. Kurz darauf fand ich mich ernüchtert in meiner Hightechküche wieder. Die meisten Geräte konnte ich nicht mal ansatzweise bedienen. Aber allein die Anwesenheit von Entsafter, Milchaufschäumer, elektronischer Knoblauchpresse und Dampfeierkocher gaben Marius ein Gefühl von Männlichkeit.

Oder war der Antrieb seiner Vorliebe für elektrische Haushaltsgeräte insgeheim auf die Hoffnung gegründet, ein Multifunktionsrührknetgemüsezerkleinerer würde sich positiv auf meine Kochkünste auswirken?

Ich öffnete den Kühlschrank. Getränkefach auf. Halbe Flasche Prosecco. Sehr gut. Mich fröstelte. Wenig verwunderlich, stand ich doch in einer kühlen Septembernacht splitterfasernackt in einer gefliesten Küche und hatte eine gekühlte Flasche Alkohol in der Hand. Vielleicht sollte ich mir mal was überziehen.

»Schahatz, was machst du denn da?«. Marius stand oben an der Treppe, auch nackt. Seine Haare standen grauschwarz in alle Richtungen. »Ist dir nicht kalt?« Dabei betastete er sein Gemächt, als wolle er kontrollieren, ob noch alles da war. Musste er auch, denn sehen konnte er sein Geschlechtsteil nicht mehr. Zumindest nicht ohne Spiegel. »Alles gut, ich lese noch ein bisschen, geh doch wieder ins Bett, ich komm’ gleich.«

Sein Gesicht verzog sich zu einem breitem Grinsen: »Bist du das nicht schon?«. Nö. Ich schlüpfte in einen Morgenmantel, kuschelte mich aufs Sofa in eine Decke und versuchte, die kleine Leselampe neben dem Sofa zu dimmen. Einmal tippen, an. Zweimal tippen, aus.

 

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Tag der Veröffentlichung: 17.06.2013

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