Mit zitternden Knien und von Aufregung geröteten Wangen saß Yuzurika an einem der kleinen Tische im Hotelrestaurant. Die letzten Tage waren die absolute Hölle gewesen. Andauernd hatte sie sich andere Gründe überlegt warum Herr Muno sie feuern könnte. Ihr waren die seltsamsten Dinge eingefallen. Sogar so banale Dinge wie ihm gefielen ihre Schuhe nicht oder so ein Blödsinn, aber woher sollte sie wissen wie diese Geschäftsleute ticken? Sie hatte keinen blassen Schimmer nur einer Sache war sie sich sicher: Sie würde hier arbeitslos wieder heraus kommen.
Die Minuten die verstrichen kamen ihr vor wie eine Ewigkeit und sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Verdammt, warum hatten Chefs immer die Angewohnheit unpünktlich zu sein?
Mit jeder Minute die verging sank ihre Stimmung. So wichtig konnte sie also nicht sein. Vielleicht musste er sich auch erst noch einen Text zu recht legen wie er ihr es am schonensten beibringen würde. Oder noch schlimmer, er musste die Kündigung noch fertig schreiben.
Nervös wanderte ihr Blick immer in Richtung des Restauranteingangs.
Endlich, 10 Minuten später betrat Herr Muno das Restaurant. Als er Yuzurika erblickte lächelte er und winkte ihr zu. Schnellen Schrittes kam er zum Tisch.
"Einen wunderschönen guten Tag wünsche ich ihnen Frau Sumeragi." Gut gelaunt schüttelte er ihre Hand. Yuzu war verwirrt. War diese Freude echt oder was war los? Sie konnte sich nicht vorstellen dass sie selbst so gut gelaunt sein würde wenn sie gleich vor hätte jemanden zu kündigen. Ein Funken Hoffnung keimte in ihr auf. Vielleicht hatte er dies ja tatsächlich nicht vor.
Doch es blieb ihr immer noch nichts anderes übrig als zu warten. Das Essen verlief gemütlich und sie redeten über relativ belanglose Dinge. Beim Dessert wurde der Gesichtsausdruck ihres Chefs plötzlich ernst. Also doch. Der Augenblick vor dem die junge Frau sich so gefürchtet hatte war gekommen.
"Also Frau Sumeragi, der Grund warum ich eigentlich mit ihnen reden wollte ist folgender." Yuzurika musste schon mit den Tränen kämpfen bevor er überhaupt wirklich etwas gesagt hatte. Schnell senkte sie den Blick, sie wollte sich ja nicht verraten. "Ich habe eine für sie, hoffe ich doch zumindest, erfreuliche Nachricht und eine die vielleicht einerseits nicht so erfreulich ist, ihnen andererseits allerdings neue Möglichkeiten eröffnet." Verwirrt sah Yuzurika ihn an. Jetzt verstand sie gar nichts mehr. Was sollten das nur für Neuigkeiten sein? Schlecht und doch irgendwie gut. Ihre Nervosität wich Neugierde.
Das leuchten in den Augen ihres Chefs ließ darauf schließen das ER die Neuigkeiten durchaus als gut empfand und hoffe sie würde dies auch tun. Kritisch beäugte Yuzurika Herr Muno. Wenn er nur endlich mit der Sprache rausrücken würde.
"Stört es sie wenn ich rauche?" "Nein, ist schon okay, lassen sie sich von nichts abhalten" lachte Herr Muno.
In Yuzurikas Kopf herrschte absolute Leere.
Warum war sie denn jetzt eigentlich hier?
"Ähm, Herr Muno, ich möchte jetzt nicht unhöflich erscheinen, aber mich würde jetzt doch schon langsam interessieren was das für Neuigkeiten sind."
"Ach herrje, das hätte ich jetzt total vergessen, ich bin heute einfach viel zu zerstreut." Ein verlegenes Lächeln huschte über seine Lippen. "Okay, um endlich zur Sache zu kommen: Ich eröffne ein neues Hotel. Da ich weiß dass sie noch keine Ausbildung gemacht haben möchte ich ihnen anbieten in dem neuen Hotel eine zu machen." Yuzurikas Gedanken überschlugen sich. Das war ja der absolute Wahnsinn. Damit hatte sie bei aller Welt nicht gerechnet. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. "Kleinen Moment noch Frau Sumeragi, freuen sie sich nicht zu früh. Ich habe mich dazu entschlossen ihnen dieses Angebot zu machen da sie eine absolut zuverlässige und gewissenhafte Mitarbeiterin sind. Außerdem gefällt mir ihr ausgeflippter Stil und ich denke das kommt in dem neuen Hotel gut an, da es eher als recht günstige Bleibe für die jüngeren Leute gedacht ist. Jetzt kommt der Harken an der Sache. Das Hotel ist ca. 600km weit weg von hier." Yuzurikas Lächeln erstarb. 600km? Das war verdammt weit. Es war einfach zu weit um hier weiter Wohnung zu bleiben. Sie wusste jetzt nur zu gut was das schlechte an der Nachricht war.
Herr Muno hatte die Veränderung in Yuzu´s Gesichtsausdruck bemerkt und fügte vorsichtig hinzu " Sie müssen sich natürlich nicht gleich entscheiden sie haben 2 Monate Bedenkzeit. Mehr kann ich ihnen leider nicht geben weil ich sonst keine Zeit mehr hab jemand anderen wie sie zu finden." Langsam aber sicher fing Yuzurika sich wieder. "Ja klar, ich werde mir das alles durch den Kopf gehen lassen, immerhin hab ich so eine Chance auf die Ausbildung die ich schon immer machen wollte."
"Was ich gerne auch noch dazu sagen möchte: Sie würden dort keine Wohnung brauchen sondern könnten in den Hoteleigenen Mitarbeiterwohnungen wohnen. Die sind ca. 5 Minuten Fußweg vom Hotel entfernt und würden sie deutlich weniger kosten als wenn sie sich so eine Wohnung nehmen." Herr Muno gab ihr noch eine Menge weiterer Informationen und nach einer halben Stunde drohte Yuzurikas Kopf zu explodieren. Die beiden redeten noch eine weitere Stunde, verabschiedeten sich voneinander und die junge Frau fuhr in Gedanken vertieft nach Hause. Sie schloss die Tür auf und wollte gerade direkt ins Bad gehen und duschen als sie im Wohnzimmer Licht sah. Ein wenig ängstlich, aber doch neugierig schlich sie so lautlos wie nur möglich Richtung Glastür und lugte hinein. Es war zum Glück nur Kusanagi. Er hatte den Tisch gedeckt und überall im Raum standen Kerzen. Er war einfach so süß. "Hey mein Schatz, bin wieder zuhause." Freudig lief er ihr entgegen und küsste sie. Yuzurika durchzuckten Schmerzen als sie daran dachte dass sie vielleicht bald von hier weg gehen müsste, bzw. würde.
Sie ließ sich von dem jungen Mann, der heute zudem wieder mehr als gut aussah, zu dem Tisch führen und er servierte das Essen. "Womit hab ich das denn verdient mein Schatz?" lächelte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Erstens, du hast das eine so verdient. Du bist viel arbeiten und hast viel Stress und ich liebe dich, und zweitens, du hast dir soviel Stress um das Essen mit deinem Chef gemacht, also hast du jetzt definitiv etwas Entspannung verdient. "
Er sah glücklich aus wie er so dastand und sie beobachtete. Yuzurika spürte wie die Tränen langsam kamen und versuchte alles um sie zurück zu halten.
Trotzdem sprudelte alles aus ihr heraus. "Er möchte dass ich weg von hier gehe" stieß sie mit Tränen erstickter Stimme hervor. Kusanagi sah sie an und wusste nicht was er sagen sollte. "Wie, wo, was? "
Yuzurika holte tief Luft um sich zu fassen und redete weiter. "Herr Muno hat mir angeboten eine Ausbildung zu machen." "Ja aber das ist doch super Süße, das wolltest du doch immer" Seine Stimme klang freudig und das brach Yuzurika noch mehr das Herz. "Ja klar wollte ich dass immer, die Bedingung für die Ausbildung ist aber dass ich in ein anderes Hotel soll. Eines das ca. 600 km weit weg von hier ist." Ihre Stimme brach und sie sah stumm auf den Teller der vor ihr stand. Auch Kusanagi sagte nichts. Was er wohl gerade dachte? Sie hatten gerade erst wieder zusammen gefunden und nun würde sie ihn vielleicht schon wieder verlassen. Sie konnte sich vorstellen wie enttäuscht er von ihr sein würde. Sie war ja selbst von sich enttäuscht. Andererseits, es war schon immer ihr Traum gewesen eine Ausbildung als Hotelfachfrau zu machen und jetzt hätte sie die Chance dazu. Wie blöd wäre sie diese nicht zu nutzen?
Sie musste diese Möglichkeit ergreifen sonst würde sie es später bereuen, da war sie sicher.
"Ich werde es machen" Schnell hob sie den Kopf um Kusanagis Reaktion zu sehen doch sein Blick war ausdruckslos. Yuzurika fühlte sich schlecht. Sie hatte etwas gefunden was sie glücklich machte und musste es nun aufgeben für etwas was sie noch glücklicher machen würde. Doch dann kam ihr die rettende Idee.
"Warum kommst du nicht mit? Du würdest dort bestimmt auch Arbeit finden, da bin ich zuversichtlich." Hoffnungsvoll strahlte sie ihn an. Zögernd schüttelte er den Kopf. "Yuzu, das geht nicht. Ich habe hier meinen Job den ich über alles liebe und nicht aufgeben möchte so wie du dort deinen Job haben wirst. Du glaubst mir nicht wie gern ich alles stehen und liegen lassen würde nur um mit dir zu kommen, aber ich kann es wirklich nicht, so sehr ich auch will." Der traurige Ausdruck der in seine Augen getreten war, war unerträglich. Was sollte sie denn nun tun? Sie wollte ihn nicht verlassen und weg gehen. Sie wusste nicht ob sie schon so weit waren das ganze in eine Fernbeziehung zu wandeln. Es war viel passiert und sie konnte sich nicht vorstellen dass ihre Liebe das überleben würde, aber sie schwor sich, wenn er das auch wollte würden sie es versuchen. Doch ihr Entschluss zu gehen stand felsenfest. Durch nichts würde sie sich nun noch davon abbringen lassen. Durch nichts und niemanden.
"Okay, wechseln wir das Thema, ich habe keine Lust weiter darüber nachzudenken." Ein gequältes Lächeln huschte über ihre Lippen.
Der Abend verlief noch wunderschön. Kusanagi war ein super Koch, das Essen schmeckte einfach fabelhaft. Um den Abend gemütlich ausklingen zu lassen sahen sie sich noch einen Film an und legten sich dann schlafen.
Als Yuzurika am nächsten Morgen erwachte rief sie als erstes Satsuki an um ihr von den Neuigkeiten zu erzählen.
Satsuki reagierte zwar einerseits sehr traurig über die Nachricht, aber auf der anderen Seite freute sie sich wirklich für ihre Freundin. Sie wusste genau dass es immer Yuzurikas Traum gewesen war diese Ausbildung zu machen und wenn das nun die Gelegenheit dafür sollte sie diese auch wahrnehmen. Klar war der Gedanke nicht schön das Yuzu weg ziehen müsste, aber da musste sie nun mal durch und Prioritäten setzen. Außerdem war Yuzurika ja nicht ganz aus der Welt, die würden sich nur eben wesentlich seltener sehen. Da Yuzurika und Kusanagi recht lang geschlafen hatten musste sie sich nun ein wenig sputen um rechtzeitig zur Spätschicht, die um 14 Uhr begann, zu kommen. Ihr erster Gang führte zu Herr Muno.
"Herein" "Guten Morgen Herr Muno" begrüßte sie ihren Chef freundlich. "Oh ihnen auch einen schönen Morgen, was kann ich für sie tun Frau Sumeragi?" fragend blickte er sie an. "Es geht um das Angebot mit der Ausbildung. Ich werde es annehmen." "Haben sie sich das auch gut überlegt? Ich meine ich freue mich über die Antwort, aber ich hatte nicht so schnell mit einer gerechnet." Nervös biss die junge Frau sich auf die Unterlippe. "Ja, ich habe es mir sehr genau überlegt. Es war keine leichte Entscheidung, aber sie steht fest. Ich werde die Chance ergreifen und wenn ich dazu wegziehen muss ist das eben so." "Wie gesagt, ich freue mich sehr darüber. Alles Weitere würde ich sagen klären wir dann in den nächsten Tagen und Wochen, wenn es dann soweit ist." So, nun war es beschlossene Sache und sie konnte selbst wenn sie wollte keinen Rückzieher mehr machen. Mit strahlenden Augen verließ sie das Büro. Sie hatte es geschafft. Endlich hatte sie eine Ausbildung. Im September würde es los gehen. Bis dahin waren es noch 2 Monate. Sie hatte also noch den Juli und den August den sie mit ihren Freunden, ihrer Familie und Kusanagi verbringen konnte.
Auf den Abend hatte sie ihre Eltern zum Essen zu sich nach hause eingeladen um ihnen von der Ausbildung zu erzählen. Sie war ziemlich gespannt wie die beiden darauf reagieren würden.
Die Schicht im Hotel verging schnell und zuhause hatte die junge Frau noch genug zu tun. Um 17 Uhr stand sie dann schließlich in der Küche und bereitete das Essen für den Abend vor. Nicht das Yuzurika kochen konnte, aber zumindest gab sie sich alle Mühe es zu versuchen. Mehr schlecht als recht hatte sie eine Stunde später ein kleines Menü gezaubert und hatte sogar noch Zeit kurz duschen zu gehen bevor ihre Eltern auftauchen würden. Punkt halb 7 klingelte es. Ihre Eltern waren genau das Gegenteil von Yuzurika selbst was Pünktlichkeit betraf. Yuzurika war eigentlich nur dann pünktlich wenn es ein wirklich, wirklich wichtiger Termin war, etwa ein Vorstellungsgespräch oder ähnliches.
Gute gelaunt öffnete sie sie Tür und strahlte ihre Eltern an. Das Essen schmeckte doch recht gut und verlief ruhig und ohne Streit. Was für ein Wunder. Die lange Zeit in denen sie nichts mit ihren Eltern zu tun hatte, hatte sich wohl gelernt. Vorher war es undenkbar gewesen mit den beiden an einem Tisch zu sitzen ohne das es früher oder später irgendwelche Diskussionen gab über irgendwelche belanglosen Dinge die viel zu sehr aufgeputscht wurden. Nachdem alle satt und zufrieden waren schnitt Yuzurika das Thema an. "Mama, Papa, ich muss euch etwas sagen." Irgendwie traute sie sich nicht so recht, aber da musste sie durch, sie hatte es selbst so gewollt. Die beiden saßen ihr gegenüber, sagten nichts sondern warteten.
Hätten sie nicht wenigstens fragen können? Dann wäre es ihr wesentlich leichter gefallen mit der Sprache raus zu rücken.
"Also es ist so. Ihr wisst ja das ich in einem Hotel arbeite und das auch sehr gerne tue. Ich habe jetzt vom Hotelleiter das Angebot bekommen eine Ausbildung zu machen. Allerdings wäre diese in einem anderen Hotel. 600 km weit weg von hier." Im ersten Moment wussten ihre Eltern nicht was sie sagen sollten. Man sah ihnen am Gesichtsausdruck an das sie sich nicht sicher waren ob sie sich nun freuen oder ihre Tochter fragen sollten ob sie denn noch normal sei. Die Sekunden schritten dahin und Yuzurika überlegte sich ob es sinnvoll gewesen war ihnen davon zu erzählen. Klar, früher oder später hätten sie es sowieso mitbekommen. Nun ja, jetzt war es nicht mehr zu ändern, sie hatte es ihnen gesagt und musste jetzt mit den Reaktionen leben. Ihre Mutter ergriff als erstes das Wort "Das freut mich für dich mein Schatz. Ich bin nicht begeistert davon dass du von hier weggehst. Nicht weil ich dich dann nicht mehr bei mir habe was schon weh genug tut, nein, einfach weil ich Angst habe dass es dich nicht glücklich macht. Ich weiß wie sehr du an deinen Freunden hängst und ich bin mir nicht sicher ob du es schaffst sie zu verlassen." Wie recht ihre Mum doch hatte. Yuzurika war schon immer ein sehr offenes und Freunde bezogenes Mädchen gewesen. Schnell verstaute sie diese Gedanken in die letzte Ecke ihres Gehirnes und dachte nicht weiter daran. Es würde früh genug der Tag kommen an dem sie sich damit beschäftigen müsste. Doch noch nicht heute. "Och Mama, ich weiß das es nicht leicht sein wird, aber ich muss es einfach tun. Ich möchte diese Ausbildung machen. Danach werde ich ja wieder hier her kommen, aber Herr Muno möchte mich eben in dem neuen Hotel lernen lassen. Er ist der Meinung ich würde dort bestimmt gut rein passen weil es ein Hotel eher für jüngere Leute werden soll und er denkt ich bin dafür perfekt geeignet das ganze dort etwas publik zu machen. Ich muss das einfach nutzen. So eine Chance bekomme ich kein zweites Mal, da bin ich mir sicher." "Ich weiß kleine, und wir freuen uns ja auch für dich, das kannst du uns glauben." Diesmal war es ihr Vater der sich zu Wort meldete und sie stolz anlächelte. Die drei saßen noch einige Zeit zusammen und redeten über Gott und die Welt.
Müde, aber froh nun endlich allen erklärt zu haben dass sie weggehen würde, fiel Yuzurika ins Bett. Sie war kurz davor einzuschlafen als sie hörte wie leise die Wohnungstür geöffnet wurde. Kusanagi kam doch noch vorbei. Jetzt war der Tag ja perfekt. Sie tat als würde sie schlafen als Kusanagi sich zu ihr legte und liebevoll den Arm um sie legte. Sie genoss noch einige Minuten seine Wärme und seinen Atem den sie auf dem Rücken spürte und schlief dann ein.
"Ich habe mir das ganze noch einmal überlegt Yuzurika" mit ernstem Blick stand Kusanagi vor ihr.
"Das kann mit uns nicht funktionieren. Ich mein wie sollte es auch? Du wärst ewig weit weg von hier. Ich liebe dich wirklich, aber das hat keinen Sinn."
Tränen sammelten sich in den Augen der jungen Frau. Mit aller Kraft versuchte sie sie zurück zu halten doch es ging nicht. Die Worte des jungen Mannes brachen ihr das Herz - schon wieder.
"Aber, aber...du kannst doch gar nicht wissen ob es klappen würde, wir haben es ja noch nicht einmal versucht. Lass es und bitte versuchen, gib uns diese Chance" flehte sie ihn an. "Nein, es geht nicht, damit tun wir uns beide keinen Gefallen. Yuzurika stand da uns wusste nicht was sie darauf erwidern sollte. In ihrem Kopf herrschte absolute Leere. Er hatte ja recht, aber bedeutete sie ihm so wenig das er es nicht einmal versuchen wollte?
"Schatz...bitte..." ihre tränen erstickte Stimme brach und sie starrte auf den Boden. Im Augenwinkel realisierte sie wie Kusanagi traurig den Kopf schüttelte, auf dem Absatz kehrt machte und ging.
Erschrocken schreckte Yuzurika auf. Zum Glück, es war nur ein Traum gewesen. Prüfend sah sie zu Kusanagi der neben ihr lag und schlief. Liebevoll hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange, legte sich wieder hin und versuchte weiter zu schlafen. Ihr ging soviel durch den Kopf. Hatte sie die Entscheidung vielleicht doch zu voreilig getroffen? Sie war sich nicht sicher. Ihre Mutter hatte recht, nur das wollte sie sich nicht eingestehen. Sie war eine starke, junge Frau die in ihrem Leben schon so einiges erlebt und gemeistert hatte, aber immer mit ihren Freunden an ihrer Seite. Das musste sich dumm anhören und ein absolutes Klischee sein, aber ohne ihre Freunde gebe es sie mit Sicherheit nicht mehr. Damals als sie versucht hatte sich umzubringen, mehrmals, waren sie immer für sie da gewesen. Zu dieser Zeit hatte sich heraus kristallisiert wer wirklich ihre Freunde waren und wer nur mit ihr abhing um halt mit dabei zu sein. Yuzurika und ihre Freundinnen waren nicht wirklich beliebt gewesen in der Schule. Auch nicht unbeliebt, aber sie waren mit Abstand die gewesen die den meisten Blödsinn angestellt hatten. Bei ihnen in der Clique wurde es nie langweilig, irgendjemand hatte immer eine lustige Idee was man machen könnte und der Rest war immer sofort dabei. In dieser Phase ihres Lebens hatte sie leider feststellen müssen, dass lang nicht jeder der behauptet ein Freund zu sein auch einer ist. Nach ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie war ihr Freundeskreis auf ein Minimum reduziert. Am Anfang war das wirklich schwer für das junge Mädchen, denn sie war es gewohnt immer viele Leute um sich herum zu haben, aber im laufe der Zeit war sie sogar froh darüber das es so gekommen war.
Jetzt konnte sie sich wenigstens absolut sicher sein das ihre wirklichen Freunde auch in den schlechtesten Zeiten für sie da waren und ihr immer versuchen würden zu helfen. Umgekehrt war es genau so. Yuzurika würde für jede ihrer jetzigen Freundinnen durchs Feuer gehen wenn es sein musste. Logisch gab es auch mal Streit zwischen ihnen, aber das war ja normal. In einer Freundschaft war es nun mal wichtig ehrlich zu einander zu sein und dass war nicht immer und für jeden positiv. Doch jede wusste genau sie andere meinte es nicht böse und deswegen war alles immer wieder ganz schnell vergessen. Und jetzt, nachdem sie soviel miteinander durch gemacht hatten sollte sie weg gehen? Jetzt, wo sie mehr denn je auf ihre Freunde angewiesen war? Wie kam sie nur auf die sinnfreie Idee das zu tun?
Du bist absolut unfähig!
Wie kannst du nur so rücksichtslos sein und deine Freunde im Stich lassen?
Du bist absolut zu nichts zu gebrauchen!
War ja klar dass du irgendwann abhaust!
Nie kannst du dich für irgendetwas entscheiden!
Auf dich ist einfach kein Verlass!
Du hast eigentlich alles was du brauchst, doch das reicht dir nicht!
Immer willst du hoch hinaus und jammerst wenn du fällst!
Du bist doch selbst Schuld du musst so einen Mist ja nicht machen!
Wunder dich bloß nicht wenn sie sich dann alle von dir abwenden!
Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. Mit aller Gewalt kämpfte sie dagegen an um Kusanagi nicht zu wecken. Es dauerte nicht lang und sie hatte sich in den Schlaf geweint. In dieser Nacht quälten sie das erste mal seit langem wieder Albträume. Sie wusste einfach nicht was sie tun sollte.
Am nächsten Tag, als sie völlig verschlafen und fertig im Hotel ankam und sich zur Schichtübergabe meldete sah die Sekretären sie ein wenig verdutzt an.
"Guten Morgen Frau Sumeragi. Was machen sie denn hier?" Verwirrt neigte Yuzurika den Kopf ein wenig zur Seite "Wie meinen sie das denn? Ich bin zum arbeiten hier, warum denn sonst? Hab ich was verpasst?" "Haben sie den nicht ihre Anrufe abgehört?"
Anrufe abgehört? Was sollte das denn jetzt? Nein, die hatte nicht wirklich darauf geachtet dass der Anrufbeantworter wohl geblinkt hatte.
"Nein, ich habe nicht wirklich auf das Telefon geachtet heute morgen, warum, was ist den los? Ich verstehe gerade gar nichts mehr." Genervt legte sie den Kopf in den Nacken. "Los, raus damit, was habe ich angestellt?" Die Sekretärin musste lachen "Angestellt? Gar nichts, ganz im Gegenteil. Ich sollte ihnen von Herr Muno ausrichten um ihnen die Sache mit der Ausbildung etwas zu erleichtern würde er ihnen die zwei Monate bis diese beginnen würde bezahlten Urlaub geben. Ich muss sagen ein bisschen neidisch bin ich ja schon...ich mein zwei Monate bezahlten Urlaub? Das hat nicht jeder gespielt beleidigt schob sie die Unterlippe vor und setzte einen schmollenden Blick auf. Yuzurika traute ihren Ohren nicht. Unsicher fragte sie noch einmal nach "Was hast du gesagt? 2 Monate bezahlten Urlaub? Bist du dir da sicher?" "Ja klar bin ich mir da sicher." Sie musste über Yuzurikas Ungläubigkeit lächeln.
"Aber, das...das kann ich doch nicht machen. Das wäre ja unfair allen anderen gegenüber" stieß Yuzu hervor. Die hübsche Frau zwinkerte ihr beruhigend zu "Süße, jeder hier gönnt es dir. Keiner der Mitarbeiter hier musste schon einmal so weit von seinem eigentlichen zuhause weg wegen eines Jobs und wir sind ehrlich gesagt auch froh drüber. Ich muss gestehen, ich selbst würde es nicht machen, weil ich mich nicht trauen würde. Hier ist dir keiner Böse, wirklich." Die Worte schienen Yuzurika tatsächlich etwas aufzubauen und ihr kam eine Idee. "Okay, danke schön, das freut mich zu hören. Ich komme aber später noch einmal kurz vorbei. Bis dann" Sie winkte der jungen Frau kurz zu und verließ das Hotel. So schnell sie konnte fuhr sie zum nächsten Supermarkt und kaufte Obst, Süßigkeiten und Zutaten zum Kuchen backen. Den Mittag verbrachte sie damit zu Backen und einen hübschen, riesigen Korb mit allen möglichen Schokoladen Sorten und Süßigkeiten herzurichten. Gegen Abend, als sie mit dem Ergebnis endlich zufrieden war fuhr sie zurück zum Hotel. Sie stellte die Sachen ins Personalbüro und ging wieder. Ihre Kollegen würden schon wissen von wem das kam.
Eigentlich hätte sie nach hause fahren sollen und ihre Wohnung aufräumen, ihre Küche zumindest sah aus wie ein Schlachtfeld, doch sie entschied sich dazu zu Satsuki zu fahren.
Stürmisch drückte sie auf den Klingelknopf, doch dann war sie sich nicht ganz sicher ob sie an der richtigen Tür geklingelt hatte.
Die Tür öffnete sich und ein junger Mann stand im Rahmen. Er war ca. 1,85 m groß und sah ziemlich gut aus. Schnell schloss Yuzurika den Mund. "Oh, Entschuldigung, ich muss mich wohl verdrückt haben, ich wollte eigentlich zu Satsuki" "Na dann bist du hier ja doch richtig, nur Satsuki ist noch arbeiten, ich denk so in einer halben Stunde wird sie ca. da sein. Willst du rein kommen solang?" "Ähm...nein, ich werde noch kurz was einkaufen gehen und dann später noch mal vorbei kommen, aber danke." Yuzurika machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Haus in dem ihre Freundin die Wohnung hatte.
Die Tür war nicht einmal richtig hinter ihr geschlossen griff sie auch schon zum Handy und rief Satsuki an. "Hey Yuzurika, na, alles klar bei dir?" "Ob alles klar bei mir ist? Eigentlich schon, aber wie kommst du auf die Idee mit zu verheimlich werd dieser super heiße Typ ist der mir gerade die Tür geöffnet hat als ich eigentlich zu dir wollte?" Am anderen Ende der Leitung ertönte ein Kichern.
"Du sollst nicht lachen, sondern mir sagen wer das ist" "Okay, wir machen es so, wir treffen uns in einer halben Stunde zum Kaffee trinken, dann erklär ich dir alles." "Na da bin ich aber mal gespannt."
Yuzurika machte sich gleich und ohne Umwege auf den Weg zu dem kleinen Cafe in dem sie sich treffen wollten und bestellte sich schon einmal etwas zu trinken. Kurze Zeit später tauchte auch Satsuki auf. Als sie Yuzurikas fragendes Gesicht sah konnte sie nicht anders und musste wieder lachen.
"Okay, die Sache ist einfach die. Ich war gestern Abend noch kurz beim Chinesen um die Ecke um mir was zu essen zu holen weil ich keine Lust hatte was zu kochen. Wie es eben so ist, hatte ich mein Essen, wollte gerade bezahlen und stellte fest dass ich meinen Geldbeutel zuhause vergessen hatte. Man, das war peinlich, das kannst du mir glauben. Neben mir stand ein junger Mann, Kamui heißt er übrigens, der das ganze mitbekommen hatte und mir anbot meine Rechnung mit zu übernehmen. Ich war etwas perplex, nahm das Angebot aber an. Allerdings bestand ich darauf das er danach kurz mit mir nach hause kommen sollte das ich ihm das Geld wieder geben kann. Ja...er kam mit zu mir und ist seit dem dort" zwinkerte sie.
"Aha aha aha, da hast du dir aber einen echten Schnukkel angelacht, dass muss man schon sagen."
"Aber jetzt mal etwas anderes, warum wolltest du eigentlich zu mir? Was bestimmtest oder einfach so?"
Yuzurika erzählte ihr von ihrer Unterhaltung mit der Sekretärin heute Morgen und Satsukis Augen begannen zu leuchten "Na das hört sich doch mal echt klasse an. Na dann fangen wir gleich mal damit an deine letzten Wochen hier so schön wie möglich zu gestalten." Die beiden zahlten sie Rechnung und gingen zu Satsukis Wohnung. "Hey Kamui" begrüßte Satsuki ihre Eroberung und gab ihm einen Kuss. "Ich habe noch eine Freundin mitgebracht, aber ihr habt euch ja bereits mehr oder weniger kennen gelernt. Das ist Yuzurika." Yuzu streckte ihm die Hand entgegen. "Sorry wegen vorhin, ich habe nicht damit gerechnet dass jemand anders als Satsi mir die Tür öffnet" entschuldigte sie sich. "Kein Problem, hat sich ja jetzt geklärt."
"Yuzu, was hältst du davon wenn ich uns was Koche? Ich hab total Hunger und ihr?" Yuzu und Kamui nickten zustimmend. "Oh, warte mal Satsi, kann ich vielleicht Kusanagi anrufen und fragen ob er auch Lust hat zu kommen? Der wartet bestimmt auch schon dass ich mich bei ihm melde." ""Klar, von mir aus, je mehr desto besser würde ich sagen."
Eine Stunde und viel gute Laune später waren sie mit Essen fertig. "Was haltet ihr davon jetzt noch ganz gemütlich ins Kino zu gehen oder so? Ich war schon ewig nicht mehr im Kino und wenn ich richtig informiert bin laufen im Moment ein paar gute Filme." Es war Kusanagi der den Vorschlag machte. Die anderen drei sahen sich an und waren auf Anhieb dafür. Satsuki setzte sich an ihren PC und fing an durch zu sehen was so alles im Kino lief. Als sie sich schließlich nach heftigen Diskussionen für einen Film entschieden hatten setzten sie sich bei Kamui ins Auto.
Das war einer der Abende über die Yuzurika sich immer freute. Es musste nicht immer die mega Party sein, auch einfach mal zusammen sitzen, was essen oder sonst was war okay. Meistens war das sogar schöner als irgendwo in einem überfüllten Restaurant oder einer Disco zu sitzen wo man sich nicht einmal richtig unterhalten konnte.
In den nächsten Tagen hörte Yuzurika noch nichts von ihrem Chef, was sie etwas nervös machte, klar, es war noch Zeit bis die Ausbildung anfing, aber sie konnte es einfach nicht leiden diese Ungewissheit zu haben.
Trotzdem hieß es abwarten und hoffen dass er bald von sich hören ließ.
Aber irgendwie musste ja auch alles noch organisiert werden, sprich, der Umzug und dieser Kram.
Die folgenden Wochen vergingen viel zu schnell. Es war Ende August und Yuzurika hatte nun schon ihre Möbel und alle wichtigen Sache in ihre neue Wohnung gebracht. Jeden Abend wenn sie alleine in ihrer Wohnung saß kamen ihr de Tränen und sie weinte sich in den Schlaf. Sie hatte noch 3 Tage die sie mit den Menschen die sie liebt verbringen konnte. 3 Tage!
Der Sommer war wunderschön gewesen. Jeden Tag war sie mit jemandem unterwegs der ihr sehr am Herzen lag. Manchmal auch mit allen zusammen. Würde sie es wirklich schaffen sie alle zu verlassen?
"Guten Morgen Süße" Kusanagi blickte sie verschlafen an. "Warum bist du schon wach? Es ist 5 Uhr morgens, komm leg dich hin und schlaf noch etwas." Mit traurigen Augen sah Yuzurika ihn an. "Ich kann nicht schlafen" seufzte sie. "In 3 Tagen ist Dienstag. Ich habe Angst davor euch alle zu verlassen."
Liebevoll legte er seinen Arm um sie, drückte sie an sich und gab ihr einen Kuss in den Nacken. Yuzurika kuschelte sich an ihn und konnte so doch noch ein wenig schlafen.
Und da war er wieder, dieser Traum. Sie versuchte aufzuwachen, sie wollte nicht dass diese Szene wieder in ihrem Gehirn herumgeisterte. Viel zu oft kam dies in den letzten Tagen vor. Jede Nacht träumte sie den gleichen Traum. Kusanagi würde sie verlassen.
Einfach so, ohne der Sache eine Chance zu geben.
Sie lag noch eine Stunde wach in ihrem Bett bis sie schließlich aufstand. So leise es ihr möglich war schlich sie in die Küche. Es viel ihr schwer Zeit in der Wohnung zu verbringen, in der nur noch das aller nötigste stand. Sie fischte aus dem Kleiderstapel der auf dem Boden lag ihre Tasche raus und ging zum Bäcker. Wieder zuhause angekommen stellte sie vor das Kusanagi mittlerweile auch wach war. Das prasselnde Wasser aus der Dusche verursachte in ihr den Drang ins Bad zu gehen und auch zu duschen, doch sie riss sich zusammen und richtete das Frühstück. Wenige Momente später stand er auch schon neben ihr. Das junge Paar war kaum fertig mit frühstücken, als Kusanagi auch schon aufstand.
"Yuzu, ich muss dann leider weg, ich hab heute noch viel zu erledigen. Wir werden uns wohl heute nicht mehr sehen." Schnell gab er ihr einen Kuss und verließ die Wohnung.
Was hatte er da gerade gesagt? Was konnte er den so wichtiges zu erledigen haben, das er einen der letzten Tage mit seiner Freundin dafür opfern würde? Das konnte doch jetzt wirklich nicht war sein. Betrübt kauerte Yuzurika sich auf ihrem Bett zusammen und hörte Musik. "Piep, piep, piep" Die junge Frau zuckte zusammen als sie aus einem ihrer unzähligen Tagträume erwachte. "Mist, wo ist den mein verdammtes Handy" murmelte sie vor sich hin.
"Ja?" "Hey Yuzu, ich bin’s" ertönte die Stimme ihrer besten Freundin am anderen Ende der Leitung. "Huhu Satsi, was gibt’s?" Satsuki druckste etwas herum. "Ähm, es ist so...ich muss kurzfristig mit meiner Mum ins Krankenhaus fahren. Ich kann leider nicht zu dem Essen heute Mittag kommen."
Nun auch das noch. In Gedanken malte Yuzurika sich noch mehr Ideen aus die den Tag noch mehr versauen könnten. "Ach so, okay...passt schon, deine Familie geht vor, des ist ja klar. Na dann, bestell ihr liebe Grüße von mir und gute Besserung." "Mach ich Süße, es tut mir echt leid"
Yuzurika ließ sich rückwärts auf ihr Bett fallen. So, die beiden Menschen mit denen sie ihre letzten tage hier verbringen wollte hatten sie also versetzt. Und jetzt? Was sollte sie mit ihrer Zeit anfangen? Ziemlich schlecht gelaunt und zu nichts motiviert schnappte sie sich wieder ihre Tasche und beschloss ein wenig durch die Stadt zu laufen. Vielleicht würde sie ja dort für die anderen kleine Abschiedsgeschenke finden.
Als sie schon eine Weile unterwegs war kam sie an dem kleinen Piercingstudio vorbei in dem sie schon des Öfteren gewesen war. Blitzartig kam ihr der Gedanke sich Piercen zu lassen. Bevor sie es sich anders überlegen konnte oder sich dann doch nicht traute betrat sie den gepflegten und sauberen Empfangsbereich.
Die Piercerin sah sie und kam ihr schon freudestrahlend entgegen "Oho, das Frau Sumeragi sich auch mal wieder blicken lässt". Sie zwinkerte und umarmte sie. Die beiden Frauen erzählten ein wenig und schließlich sah die Piercerin Yuzu fragend an "Aber warum bist du denn überhaupt hier? Womit kann ich dir weiter helfen?" "Ein Lippenpiercing"
Ein grinsen erschien auf dem Gesicht der Piercerin "Na das ist doch mal eine super Wahl, steht dir mit Sicherheit super. Wo genau möchtest du ihn den haben?" Yuzurika deutete schweigend auf die rechte Seite ihrer Unterlippe. Sie war jetzt wieder bei diesem Punkt angekommen bei dem sie sonst meistens den Rückzieher machte weil sie sich doch nicht traute. Es war ihr zwar jedes Mal ein Rätsel warum, sie würde sich ja nicht das erste Mal Piercen lassen, aber irgendwie hatte sie bei jedem neuen Piercing eine rießen Angst. "Okay Süße, ich hol schnell die Sachen die wir dafür brauchen." Hastig verließ sie den Raum und kam kurz darauf mit Schachteln und Tüten bepackt zurück. Wie immer war das eine Sache von 5 Minuten und der Piercing war drin und Yuzurika fühlte sich etwas lächerlich weil sie wieder so einen Aufstand gemacht hatte. Sie Kramte das Geld aus ihrem Geldbeute, bezahlte und machte sich auf den Weg weiter durch die Stadt zu schlendern. Als sie in der Nähe des Hauses ihrer Eltern war beschloss sie spontan ihnen einen Besuch abzustatten. Fest drückte sie auf den Klingelknopf, doch nicht regte sich. Na ja, vielleicht hatten sie es nicht gehört oder waren nur nicht schnell genug an der Tür, weil sie gerade beim Essen waren oder so. Sie drückte den Knopf noch einmal, doch auch diesmal passierte nichts. Ein wenig frustriert ging sie weiter zum Supermarkt, kaufte sich einen Berg an Süßigkeiten und vergrub sich wieder zuhause in ihrem Bett.
Sie musste eingeschlafen sein, denn als sie das nächste Mal die Augen öffnete war es schon dunkel draußen.
Sie hatte nicht einmal die Zeit richtig wach zu werden, öffnete sich auch schon die Wohnungstür und Kusanagi stand vor ihr.
"Hey Süße, ich hab’s doch geschafft alles schneller zu erledigen als gedacht. Hab dich so vermisst" sagte er und nahm sie in den Arm.
"So, jetzt mach dich aber mal fertig ich muss dir was zeigen." "Och man, ich will aber nicht aus dem Haus" nuschelte Yuzurika und kuschelte sich fester an ihren Freund. "Doch komm mit, es wird dir sicher gefallen." Etwas missmutig, aber ohne großen widerstand zu leisten tat sie was Kusanagi sagte. Schnell sprang sie unter die Dusche, packte ihre Paar wichtigsten Dinge zusammen und folgte ihm. Als sie ca. 10 Minuten gefahren waren hielten sie an und Kusanagi verband ihr die Augen. Nach weiteren 45 Minuten die sie, was Yuzurika allerdings nicht wusste, eigentlich nur sinnlos durch die Gegend gekurvt waren hielt Kusanagi erneut an und half Yuzurika aus dem Auto zu steigen.
Vor ihnen erstreckte sich die große Lagerhalle in der Yuzurika und Satsuki sich früher immer versteckt hatten und alle möglichen Dummheiten ausgeheckt hatten. Wie viel Zeit sie hier in ihrem Leben wohl schon verbracht hatte? Oft saßen die beiden einfach nur stundenlang auf den alten, verstaubten Kisten rum, rauchten heimlich und erzählten. Sie führten Gespräche über Dinge die eigentlich vollkommen belanglos waren, doch in diesen Momenten waren sie eben unendlich wichtig.
Wenn es einer von beiden nicht gut ging, egal aus welchem Grund, weil es in der Schule nicht gut lief, stress mit den Eltern, Liebeskummer, war sie immer hier zu finden, das wussten alle beide ganz genau.
Diese Lagerhalle hatte ihnen immer ein gewisses Gefühl von Sicherheit gegeben. Warum? Das konnten die beiden sich bis heute selbst nicht erklären.
Langsam betraten die beiden die Lagerhalle. Yuzurika, die die Augen immer noch verbunden hatte, konnte sich absolut nicht vorstellen wo sie waren. "Jetzt nimm mir doch endlich dieses blöde Ding ab" quengelte sie. "Sofort mein Schatz" flüsterte er ihr ins Ohr und führte sie in die Mitte des Raumes.
Als er ihr die Augenbinde endlich abnahm traute die junge Frau ihren Augen kaum. Alle ihre Freunde und sogar ihre Eltern waren da. Die Lagerhalle war schick hergerichtet mit Ballons, einer Musikanlagen und Tischen auf denen es von Leckereien und Getränken nur so wimmelte. Die ganzen Gäste trugen lustige Partyhüten und machten sich im Prinzip total zum Affen und das nur um ihr einen schönen Abend zu bereiten.
Schnell wischte sie die Tränen weg die begannen ihr über die Wangen zu laufen. Tränen die gleichzeitig Freude und Trauer ausdrückten. Der Reihe nach ging sie zu allen und fiel ihnen um den Hals und bedankte sich 1000-mal für alles. Zum Schluss war Satsuki dran. Yuzurika umarmte ihre beste Freundin und hätte sie am liebsten nie mehr los gelassen. Das besondere an der Freundschaft der beiden war, dass keine je wirklich sauer auf die andere war. Jeder verstand die Standpunkte des anderen und akzeptierte diese. Jede hatte ihr eigenes Leben was sie zu leben hatte und teilte dieses soweit sie konnte und wollte mit der anderen. So hatten sie beide ihre Freiheit ohne die Freundschaft dadurch zu gefährden. Und was dass absolut wichtigste für ihre Freundschaft war: Ehrlichkeit. Nicht in dem Sinne das man sich immer alles gleich und sofort sagen musste (was sie natürlich trotzdem taten) sondern in der Hinsicht dem anderen auch zu sagen wenn einen etwas an ihm störte. In den vielen Jahren in denen die beiden sich nun schon kannten gab es natürlich nicht immer nur gute Zeiten. Oft war es der Fall das sie sich stritten weil sie sich durch einen Haufen von Missverständnissen wühlten, doch da die beiden sich absolut bedingungslos vertrauten bekamen sie das alles immer wieder hin. Und darüber war Yuzurika unendlich froh.
Der Abend war wirklich super schön, das einzige was Yuzurika ein wenig ärgerte war die Tatsache das sie keinen Alkohol trinken durfte wegen ihres frisch gestochenen Piercings, doch selbst dieses Verbot ignorierte sie irgendwann und genoss einfach das hier und jetzt ohne an die folgenden Tage zu denken.
Als der Abend langsam zu Ende ging, trat Kusanagi in die Mitte der Halle und bat alle für einen Moment ruhig zu sein.
"So Leute, ich glaube die Überraschung ist und wirklich gelungen, denn ich vermute unsre liebe Yuzu hat nichts geahnt, hab ich nicht recht?" Yuzurika nickte und wurde rot. Sie hatte gedacht alle hätten sie für heute im Stich gelassen, dabei hatten sie so etwas Tolles auf die Beine gestellt, sie schämte sich fast für die Gedanken die sie vor einigen Stunden noch dachte. Gut, sie hatte einerseits ja auch allen Grund sich darüber Gedanken zu machen. "Wie auch immer, ich wage zu behaupten es hat ihr ziemlich gefallen, nein, falsch, es gefällt ihr ziemlich, doch ich denke der Abend kann noch schöner werden." Alle, die sie da so in der Runde standen grinsten und Yuzurika wusste beim besten Willen nicht warum. Was hatten sie denn jetzt noch geplant? Ihr viel nichts, aber wirklich gar nichts ein was das hier noch hätte toppen können.
Wieder verband Kusanagi ihr die Augen und führte sie zu einem Stuhl. Vorsichtig und in der Hoffnung nicht herunter zu fallen so schusselig wie sie war setzte sie sich hin. Als zu ihrer Überraschung Satsuki ihr die Augenbinde abnahm war sie absolut baff. Ganz dicht vor ihr, auf dem Boden kniete Kusanagi.
In seinen schönen Händen hielt er ein kleines Kästchen welches mit blauem Samt bezogen war. Yuzurika traute ihren Augen kaum. Würde jetzt wirklich das was sie dachte passieren? "Oh mein Gott, oh mein Gott oh mein Gott" stammelte sie und hoffte die anderen würden es nicht hören. Ihr Herz begann zu hüpfen und das Blut rauschte ihr in den Ohren. Sie hatte Angst ihr würde schwarz vor Augen werden und sie würde umkippen, deswegen krampften sich ihre Finger um die Stuhllehnen. Kusanagi tat nichts weiter als sie ruhig anzublicken und zu warten bis sie sich soweit wieder gefasst hatte. "Yuzurika, ich weiß, es gab einiges zwischen und was nicht unbedingt super lief. Ich habe mich wirklich wie ein Arschloch benommen und mir ist klar dass ich das auch nicht wieder gut machen kann. Doch ich bin der Meinung dass die Tatsache dass wir trotz all dem wieder zusammen gefunden haben ein gutes Zeichen ist." Er sah sie mit einem Blick an der so voll von Liebe war das Yuzurika ganz schwindelig wurde. "Somit will ich dich hier und jetzt fragen" Langsam öffnete er das kleine Kästchen und ein wunderschöner Ring mit einem kleinen Smaragd der in der Mitte eingelassen wurde kam zum Vorschein "ob du meine Frau werden möchtest."
"Ja" mehr brachte die junge Frau nicht zu Stande. Es war das erste Mal in ihrem Leben das ihr nicht tausende von Gedanken durch den Kopf gingen mit denen sie sich befassen musste oder wollte. Das einzige was in diesem Moment jede Faser ihres Körpers und ihres Gehirns schrie war: Ja.
Ihre Freunde und Familie die das ganze schweigend mit angesehen hatten fingen an zu klatschen, doch Yuzurika bekam das nicht einmal mit. Ihre ganze Welt drehte sich um ihn. Kusanagi. Ihren Verlobten.
Zögerlich, aus Angst er könnte kaputt gehen, löste Kusanagi den Ring aus dem Samtkissen. Ohne die Sache schon ganz realisiert zu haben streckte Yuzurika ihm ihre zitternde Hand entgegen und als er ihr den Ring über den Finger streifte wusste sie genau jetzt, genau zu diesem Zeitpunkt, war sie der glücklichste Mensch auf Erden.
Als Kind und Jugendliche hatte sie sich den Heiratsantrag immer anders vorgestellt. Gemütlich, zu zweit beim Essen in einem schicken Restaurant. Zuhause, bei einem romantischen Film, Kerzenlicht und kuscheln auf der Couch.
Doch so, genau so, war es perfekt gewesen. Im Kreis der Leute die sie mochte und über alles liebe. Es gab keinen besseren Ort, keine bessere Zeit und keine besseren >Zuschauer< dafür. So wie es war, war es toller und romantischer als sie es sich in ihren unzähligen Träumen vorgestellt hatte.
Die Nacht verging viel zu schnell und als schließlich alle zuhause und auch Yuzurika und Kusanagi in ihrem Bett lagen wünschte sich die junge Frau so sehr das die Welt einfach stehen bleiben und sich nie wieder weiter drehen würde. Ihr letzter Blick bevor sie einschlief ging zu den Sternen und sie dankte ihnen dafür dass ihr Leben so wurde wie es jetzt war.
Fortsetzung folgt ( Teil 5: Liebe)
Tag der Veröffentlichung: 17.01.2011
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