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Es war wieder soweit. Mein geliebter Chef schickte mich auf Reisen und das obwohl ich erst von einer zurückgekehrt war. Ich sollte die touristischen Attraktionen der Tundra beschreiben. Nach drei Monaten der Eintönigkeit, wollte ich nur nach Hause. Ich hatte schon völlig vergessen, wie meine Wohnung aussah. Mein Chef war jedoch anderer Meinung. Ich würde das schon machen, meinte er und das obwohl ich ihm meinen genervtesten Blick zugeworfen hatte. Ich fügte mich dann doch. Jeder braucht nun einmal was zu Beißen und packte meine Koffer für einen Abstecher in den Dschungel.
Das sind meine Reiseaufzeichnungen oder das Überbleibsel meiner Motivation?


Eintragung: Unsere Ankunft


Wir sind jetzt hier. Hier im Dschungel. Mir gefällt es nicht. Es ist so heiß und feucht. Man kann kaum atmen. Überall Insekten und Vögel. Sehr viele Pflanzen. Ich will gar nicht wissen, wie viele giftig sind. Wie nicht anders zu erwarten war werden wir mitten in der Pampa übernachten und das 8 Wochen lang. Das wollte ich immer schon mal ausprobieren. Ich hasse den Dschungel. Wie konnte ich mir nur so was antun. Ich muss krank gewesen sein oder total besoffen. Irgendwie komme ich mir etwas deplaziert vor. Ich passe einfach nicht hierher, das ist definitiv nicht meine Welt. Ich höre sie schon rufen, also ich höre für heute auf. Ich soll jetzt wohl helfen oder so. Eintrag Ende.



Eintragung: Der 2. Tag



Würg! Genauso fühle ich mich gerade. Die erste Nacht war schrecklich. Es hat die ganze Zeit geregnet. Was heißt geregnet. Die Wassermassen waren erstaunlich. Zu allem Übel hatte mein Zelt ein Loch. Ich hasse den Dschungel.


Eintragung: 3. Tag


Heute sind wir doch ernsthaft in den Dschungel gegangen. Da soll sich mal jemand auskennen. Da sieht doch alles gleich aus. Sie wollten mir, dass soll man sich mal vorstellen, doch glatt die verschiedenen Pflanzen, Bäume und Vögel erklären. Ich musste mich übergeben. Das stimmt wirklich. Es hatte allerdings nichts mit den Erklärungen zu tun, wirklich nicht. Aber jetzt kommt’s: Anstatt das sie sich um mich kümmerten liefen sie einfach weiter! Langsam regenerierte sich mein Kreislauf wieder und um diesen grässlichen Gallegeschmack loszuwerden kramte ich in meinem Rucksack nach einem Kaugummi. Ich fand einen, eingequetscht zwischen Wasserflasche und Autan. Ökologisch, wie ich bin, ließ ich das Papier langsam zu Boden gleiten und marschierte los um meine Begleiter ausfindig zu machen. Optimistisch, wie ich war, suchte ich nach 3 Stunden immer noch. Ich nahm nämlich einfach mal an, dass durch die hohe Luftfeuchtigkeit meine Uhr nicht mehr richtig lief.
Meine Konzentration allerdings auch nicht. Nach 5 weiteren Stunden oder so, es kann auch sein, dass es nur 2 waren, setzte ich mich auf einen Stein denn ich musste mich ausruhen. Die Entscheidung war nicht sehr überlegt. Meine Erschöpfung besiegte mich und ich schlief ein.


Eintragung: 4.Tag



Ich schlug meine Augen auf und was ich sah war Dunkelheit. Ich befürchtete, ich sei erblindet, bis ich entdeckte, dass irgendein Lebewesen auf meinem Gesicht saß. Ich schrie. Ziemlich laut sogar. Das Ding auf meinem Gesicht sprang auf und landete auf meinem Rucksack. Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, besah ich mir das Lebewesen etwas genauer. Es sah merkwürdig aus, so was hatte ich noch nie gesehen. Es hatte gewisse Ähnlichkeit mit dem Plüschhasen, den ich als Kind in den Fluss neben dem Atomkraftwerk geschmissen hatte. Solche ... Dinger.. nenn ich meistens Mischwesen. Mischwesen sind Lebewesen wie Ameisenbären, Mulis und so was... Mischwesen halt. Na ja, so ne Art Langhaar-Meerschwein mit komischen Ohren. Es blickte mich an, hielt den Kopf dann schräg und sprang wieder. Und das auf meinen Kopf. Es machte es sich bequem und egal was ich versuchte, es blieb auf meinem Kopf. Ich ließ es da oben und kramte in meinem Rucksack nach meinem Snickers, das ich immer dabei habe. „Wenn’s mal wieder etwas länger dauert“…Immer diese verdammte Schleichwerbung. Keine Ahnung, woher die immer auftaucht...


Eintragung: 5. Tag oder so...


Ich habe dieses komische Wesen jetzt bestimmt schon 300 Jahre auf meinem Kopf! Was ich
jetzt bräuchte wäre eigentlich eine Dusche, also eine richtige, aber in diesem Dschungel gibt es ja so etwas nicht! Ich bin sehr viel gegangen, aber irgendwie bemerkte ich keine Veränderung der Umgebung. Das konnte natürlich auch daran liegen, dass ich seit 5 Stunden im Kreis lief.
Irgendwann bin ich dann doch auf so eine Art Trampelpfad gekommen. Unter anderen Umständen hätte ich Luftsprünge gemacht, rumgeschrieen und solche Sachen, aber ich war viel zu erschöpft, um es überhaupt wirklich wahrzunehmen. Ich ging nämlich einfach weiter. Doch was dann passierte war...wie erkläre ich das jetzt am besten...sehr merkwürdig, um nicht zu sagen skurril, abartig!
Die Situation war folgende: Ich lief also erschöpft und friedlich fluchend umher und versuchte doch allen ernstes einen Ausweg aus meinem Dilemma zu finden. Zumindest so lange bis ich stolperte und in, man wird es kaum glauben...in ein Loch fiel. Ich fiel also, sogar ziemlich lange. Irgendwann hörte ich auf zu schreien und besah mir die vorbeirasende Wand. Mir kam es so vor, als ob ich mindestens schon 2 Tage oder so fallen würde. Wenn man so eine Weile vor sich hinfällt, dann verliert man ein bisschen sein Zeitgefühl. Hatte ich überhaupt mal eins? Egal. Ich hatte mich gerade einigermaßen an den Gedanken gewöhnt, als fallender Engel in die Geschichtsbücher einzugehen, aber leider war es nicht so. Ich stoppte. Also eigentlich glaubte ich damals, dass ich in der Luft hing. Umgeben von Dunkelheit und irgendeinem undefinierbaren Gestank, einsam und allein hing ich da herum. Naja, ich war nicht wirklich allein, dieses Ding auf meinem Kopf war ja auch noch da. Dann passierte das Wunder, es wurde Licht! Ich empfand die Helligkeit allerdings
als nicht so angenehm. Immerhin schien sie mir direkt ins Gesicht. Mein Untermieter blinzelte nur verschlafen, ließ sich aber ansonsten nicht weiter stören.
Das grelle Licht war nach wie vor auf mich gerichtet. Ich dachte an Rettung, wie naiv ich damals doch war, aber das einzige was ich bekam war eine Spritze mit Beruhigungsmitteln, woraufhin ich natürlich schon wieder einschlief!


Eintragung: Ich habe überhaupt keine Ahnung ob es jetzt der 2. der 5. oder der 63. Tag ist



Ich habe seit 2 Minuten ernsthafte Schwierigkeiten mich verbal zu verständigen. Warum?
Na ja, es könnte daran liegen, dass mir jemand eine Waffe in den Mund hält. Als erstes war ich etwas geschockt und verwirrt. Falls welche von euch jetzt denken. Hey, Moment mal, diese Szene kenn ich doch. Dann habt ihr sogar recht. Mich erinnert sie auch an Fight Club. Na ja, oder so. Vor mir stand allerdings nicht Tyler Durden. Nein, vor mir stand eine etwa 16jährige Jugendliche. Das wäre ja noch nichts weltbewegendes gewesen. Hätte sie sich nicht als Tochter von Schneewittchen vorgestellt. Meinen darauffolgenden Lachanfall fand sie gar nicht so komisch. Deshalb sitze ich ja auch schon seit etwa 5 min. mit der Waffe im Mund in einer dunklen Gasse auf dem Boden. Anstatt mir einen Ausweg aus dieser heiklen Situation zu suchen, befürchtete ich mir auf diesem feuchten Boden eine Blasenentzündung einzufangen. Ich bin das verzweifelte Röcheln meiner Selbst. Das hatte sogar Vorteile, den die von PMS-Syndromen befallene Tochter von Schneewittchen, nahm für einen kurzen Augenblick die 9mm aus meinem Mund. Nur um mir dann diese verdammte Waffe an meinen Kopf zu donnern. Das hat wehgetan! Was dann geschah liegt im Dunkeln verborgen. Denn ich gleitete in einen Zustand völliger Antriebslosigkeit...


Eintragung: Es könnte bereits der 84. Tag sein



Ich bin bewusstlos geworden, das kann doch jedem mal passieren, oder? Als ich aufwachte, hatte ich Kopfschmerzen und mein Ohr tat irgendwie verdammt weh. Aber es scheint sich ja keiner dafür zu interessieren wie es mir geht. Ist ja gut, ich weiß Bescheid, eine Runde Mitleid für die Nervensäge, aber mal ehrlich. Das kann doch hier nicht wirklich ernstgemeint sein. Was soll das hier eigentlich? Wenn man sich jetzt mal den Lauf dieser Geschichte anschaut erkennt man...nichts. Ich meine, am Anfang war ich im Dschungel, ok, da war ich selber schuld und ich bereue meine Entscheidung, aber dann falle ich in ein Loch und werde mit Beruhigungsmitteln zugedröhnt, dann diese Gasse mit Schneewittchens Tochter und jetzt das. Ich stehe in einer Halle mit ungefähr...1, 2...äh... 300 Säulen, die im Halbkreis angeordnet sind. Hier ist alles weiß, aber es ist kein schönes weiß, nein es ist dieses weiß, dass so hell ist, das die Augen schmerzen und man nur blinzeln kann. Der Boden war aus weißem Marmor, die Säulen waren weiß, die Wände, die Decke, einfach alles. In der Mitte befand sich eine Art Altar, natürlich auch weiß. Der Anblick hatte bestimmt was belustigendes. Ich, in meinen Safariklamotten in olivgrün, mit meinem Rucksack auf dem Rücken und dem Vieh auf dem Kopf inmitten all dieser Pseudo-Matrix-Konstrukt-Umgebung. Ja, wirklich! Dann kam doch tatsächlich ein Bildschirm aus dem Altar.


Eintragung: Mittlerweile ist es mir echt egal, wie viel Zeit vergangen ist, ich will nur noch nach Hause!


Also, der Bildschirm ging an und was sah ich? Nichts! Überhaupt nichts! Nach einer Viertelstunde erschienen dann doch Farben auf dem Bildschirm, die alle 2 Minuten wechselten. Blau, rot, gelb, schwarz, ist zwar keine Farbe, aber egal; grün, orange, rosa? Und dann wieder blau. Es ist ein schönes, dunkles, tiefes blau und es sieht fast so aus, als ob es sich bewegen würde? NEIN! Das kann nicht sein! Diese Halle macht mich noch verrückt! Hörst du, du dämliche Halle, du machst mich verrückt! Verrückt! Ach Mann, ich will nach Hause! Gott sind die Fliesen kalt! Noch nie was von Bodenheizung gehört?! Kurz fragte ich mich, ob der Übergang ins Präsens verdächtig war, aber ich wurde abgelenkt. Flimmern, flackern, Mondenfeuer. Das ist kein lyrisches Gelaber. Das war wirklich so! Da tanzte ein kleiner brennender Mond vor mir rum! Oh Mann, ich will in mein Bett! Das Flackern und Flimmern hatte ich mir doch nicht eingebildet. Es war da. Existenz ist wichtig, oder? Das Blau flackerte und auf einmal erschien eine Wiese. Eine grün-weiße Gänseblümchenwiese und da stand ein Mädchen. Unter anderen Umständen würde man sie als süß, niedlich oder putzig beschreiben, wenn sie nicht einen halben Meter über dem Boden schweben würde. Sie hatte ja schon das typische Aussehen: dunkelblonde Haare, grüne Augen, Jeans und T-Shirt, etwa 8 Jahre alt. Überrascht, aber doch irgendwie auch neugierig, ging ich näher um mir die ganze Sache etwas besser betrachten zu können. Als ich vor dem Altar stand, blickte mich das Mädchen direkt an und fragte: „Was bist du?“ Ich war, na ja, sagen wir, also, ähm, ach Mann, so ne Frage habe ich halt nicht erwartet, OK? Die 8jährige wiederholte ihre Frage noch mal, diesmal fordernder! Also gut, was bin ich? Na ja, ich bin…ich! Ich bin ein Mensch und das sagte ich ihr auch. Anstatt sich damit zufrieden zu geben, fragte sie weiter: „Was ist ein Mensch?“ Diese Frage konnte sie doch nicht ernst meinen? Was ist ein Mensch? Na ja, das Einzige was mir spontan einfiel war: Ein Mensch ist eine auf Kohlenstoff basierende intelligente Lebensform?!
Die Kleine meinte aber nur: „Warum fragst du mich? Weißt du denn nicht was ein Mensch
ist?“ Natürlich weiß ich was ein Mensch ist! Nur wie erklärt man das einem 8jährigen, schwebenden Etwas? Ich versuchte es daraufhin mit einer anderen Erklärung: Der Mensch ist eine Spezies, die ihre „Intelligenz“ ausnutzt um zu zerstören, oder so. Aber das ist doch jetzt echt egal, das ist mir egal. Ich will nur endlich wieder nach Hause. Ich bin nämlich müde, hungrig, ich will ne Dusche und mächtig viel Tequila zum vergessen! Das sagte ich auch dem Ding. Sie fing daraufhin an zu lachen! Was soll das? Habe ich irgendetwas an mir, das so komisch ist, mal abgesehen von dem Vieh auf meinem Kopf?!


Eintragung: Ach, ist doch jetzt auch egal!


Diese Kleine lachte immer noch. Kann mir mal jemand erklären, was hier eigentlich los ist? Nein? Hm. Tja. Also. Ähm. Ok, ich gebe auf. Ich setzte mich dann doch auf den sehr kalten Boden und starrte eine Säule an. Ich versuchte sie zum Umfallen zu bewegen, aber ich glaube, sie wollte nicht. Jetzt mal ganz ehrlich, so unter uns. Müsste jetzt nicht irgendwas passieren? Das ist doch genau so ein typischer Moment. Und was war? Die Kleine hörte auf zu lachen und sah mich ernst an. Ich stand auf und ging näher, da sie auf mich den Eindruck machte, etwas sagen zu wollen. Sie fing an zu sprechen, aber ihre Stimme klang anders. Sie klang wie die eines Mannes. Irritiert sah ich das Mädchen an. „Was?“ Sie wiederholte ihre Frage: „Wir landen bald!“ Wieder diese Männerstimme. Es wurde ganz dunkel um mich herum, aber nicht wie Dämmerung oder so ein Dimmerlicht, nein, das wäre ja normal. An den Säulen lief schwarze Farbe, oder was auch immer das war, herunter. Wurde immer dichter, wie so eine wabernde Masse und ich versank darin. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Was danach geschah...tja...das was immer geschieht. Ich wachte auf und saß im Flugzeug. Kaum waren wir gelandet, buchte ich bereits den schnellstmöglichen Rückflug.


Tja, jetzt habe ich Urlaub und zwar zu Hause. Ich entdecke jeden Tag neues in meiner Wohnung und das obwohl ich eigentlich schon seit drei Jahren hier wohne. Die Reiselust wird mich schon wieder packen, aber momentan bin ich gnz zufrieden hier.

Impressum

Texte: soka.amy84
Bildmaterialien: soka.amy84
Tag der Veröffentlichung: 05.12.2012

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