Prolog
Voller Vorfreude auf den heutigen Tag stand ich auf, zog schnell meine Reitsachen an, band mein braun-rot-gelocktes, fast hüftlanges Haar zusammen und lief die Treppe hinunter. Heute war endlich Samstag und ich konnte den ganzen Tag mit meiner Araberstute Suleika verbringen! Doch schon auf der Treppe schwand meine gute Laune, denn aus der Küche drang lautes Geschrei zu mir. Hastig lief ich weiter und betrat den Raum: „Mom, Dad, könnt ihr nicht mal aufhören euch ständig zu streiten?“ Kurz darauf betrat meine 11-jährige Schwester Blaire das Zimmer und fügte hinzu: „Genau, dauernd seit ihr am Streiten, das hält man doch kaum aus!“ Dad funkelte noch einmal wütend Mom an, dann stürmte er aus dem Zimmer. Blaire schnappte sich schnell einen Apfel, verließ auch die Küche und ging wieder in ihr Zimmer, wahrscheinlich um an ihrem neusten Bild weiter zu malen. Das konnte sie richtig gut, musste ich mir oft neidisch eingestehen. Ich nahm mir auch einen Apfel und fragte: „Mom, kannst du mich zum Stall fahren?“ „Ok, setzt dich schon mal ins Auto, ich komme gleich“, antwortete meine Mom, Rachel. Schnell zog ich meine Reitstiefel an und verließ das Haus.
Mom setzte mich auf dem Hof ab und fuhr dann weiter zum Einkaufen. Wenn sie wieder zu Hause ist, fängt sie sicher gleich wieder Streit mit Dad an, dachte ich sauer. Naja, darum würde ich mich später kümmern. Jetzt war erst einmal Suleika an der Reihe. Ich lief über den Hof und steuerte zielstrebig auf ihre Box zu. Dann putzte ich Suleika erst mal gründlich und erzählte ihr von all meinen Probleme. Danach ging ich mit ihr in die Halle und übte Dressur für den nächsten Wettbewerb, am Samstag, an dem ich teilnehmen wollte. Nachmittags kam noch meine beste Freundin Taylor vorbei, und wir ritten gemeinsam aus. Ich kannte Taylor zwar erst seit 2 Jahren, aber seitdem hingen wir eigentlich ständig miteinander rum. TayTay hatte zwar kein eigenes Pferd, versorgte aber den Isländerwallach von Alec, der nicht immer genug Zeit hatte sich um sein Pferd zu kümmern. Ich traf mich meistens am Wochenende im Stall mit ihr, da sie nicht auf meine Schule ging und wir uns sonst nicht so oft sahen. Meist ritten wir aus, alberten herum oder gaben uns gegenseitig Ratschläge, was wir verbessern könnten. Und dabei ging es nicht immer nur um Pferde.
Als ich abends nach Hause kam (TayTays Mom hatt mich freundlicherweise mitgenommen) saßen meine Eltern mit ernster Miene im Wohnzimmer. Ich betrat den Raum und fragte: „Was ist los? Ihr schaut so bedrückt.“ Dad antwortete: „Geh schnell hoch, zieh dich um und bring Blaire dann mit runter, wir müssen etwas Wichtiges mit euch besprechen!“ „Okeeeyy?!“, meinte ich fragend und ging misstrauisch die Treppe in den 1. Stock hoch, eo ich mein Zimmer hatte. Da Mom und Dad nichts Genaueres gesagt hatten, beschloss ich, dass es nicht so dringend sein konnte und ging noch ins Badezimmer, um zu duschen. Nachdem ich geduscht hatte, stellte ich mich vor den Spiegel und betrachtete meinen Körper. Eigentlich war ich ganz zufrieden mit meinem Aussehen, ich war schlank, aber nicht so dünn, dass man überall meine Knochen sah. Mit meinen Augen war ich besonders zufrieden, ich liebte dieses grün! Nur über meine Nase regte ich mich öfter auf, ich fand sie zu gerade und zu spitz...
Später, als wir alle im Wohnzimmer saßen, fing meine Mom an zu sprechen: „Ihr habt doch sicherlich mitbekommen, dass die Stimmung in letzter Zeit nicht so gut zwischen uns“, sie deutete auf Dad und sich, „war, oder?“ Meine Schwester und ich bejahten worauf mein Dad weitersprach: „Nun, das finden wir auch nicht so toll und außerdem gehen wir euch damit ziemlich auf die Nerven...“ „Ja und? Was jetzt?“, fragte Blaire ungeduldig. „Naja, also wir haben beschlossen uns zu trennen...“ Die nachfolgende Stille zog sich in die Länge bis Blaire entsetzt fragte: „Wie bitte?! Hab ich das gerade richtig verstanden, ihr wollt euch trennen?“, und ich noch hinzufügte: „Das soll wohl ein Scherz sein, oder?“. „Ja, das hast du gerade richtig verstanden Blaire, und nein, Claire, das soll kein Scherz sein!“, antwortete Mom ruhig. „ Aber....aber wir bleiben doch hier wohnen, oder?“ Ein Moment herrschte Stille, dann antwortete Dad: „Kommt drauf an wen du mit „wir“ meinst.“ Fragend zog ich eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts, da ich noch etwas benommen von dieser plötzlichen Ankündigung meiner Eltern war. „Drücken wir es mal so aus: Ein Teil von uns zieht um, der andere bleibt hier.“ „Ah, und wer ist dieser Teil?“, fragte ich wenig begeistert. Ich meine, ich fand es zwar gut, denn dann müsste ich mir nicht mehr diese ständigen Streitereien anhören, aber gleich ausziehen? Von hier weg zu ziehen konnte ich mir gar nicht vorstellen, vor allem: was sollte dann aus Suleika werden? Diese ganze Geschichte kam einfach ein bisschen plötzlich... Dad antwortete: „ Ich werde auf jeden Fall ausziehen, euch überlassen wir die Entscheidung selbst.“ „Also ich will hier nicht wegziehen“, sagte ich bestimmt. „Ich auch nicht.“, kam es sogleich von meiner Schwester. „Ja, das haben wir uns schon gedacht, aber das ist noch nicht alles...“, sagte Mom bedeutungsvoll. „Was kommt den jetzt noch?“, stöhnte ich genervt. „Also genau genommen bist nur du davon betroffen, Claire...Es ist nämlich so, wenn du hier bleibst, musst du dich von Suleika trennen weil-“ „Aber warum? Das, das....das ist ja...!“, empörte ich mich. Meine Schwester machte währenddessen nur große Augen und Dad schaute aus dem Fenster. Was sollte das?, fragte ich mich. „Weil es nicht immer so gut in der Kanzlei läuft, kann ich es mir nicht leisten auch noch für ein Pferd aufzukommen. Wenn du allerdings mit deinem Dad gehen würdest, könntest du sie behalten, da das Kleiderlabel ja sehr gut läuft.“, erklärte Mom geduldig. „Na wenn das so ist...“ „Dann was?“, kam sofort die Nachfrage von Dad. Aha, er hatte also doch zugehört und nicht nur aus dem Fenster geschaut! Ich überlegte kurz bevor ich antwortete: „Naja, ich will Suleika unbedingt behalten, aber ich will mir keine neuen Freunde suchen müssen und so...“ Und außerdem müsste ich mir dann meinen Ruf zurück erkämpfen, dass ich nett, hübsch, schlau und KEINE Streberin war. In meiner Klasse war ich mittlerweile sehr beliebt und so ziemlich mit jedem befreundet. Ich seufzte und unterdrückte die in mir aufsteigenden Tränen. „Kann ich darüber in Ruhe nachdenken und euch dann Bescheid geben?“ Mom und Dad nickten. Daraufhin stand ich auf, verließ den Raum und ging nach oben in mein Zimmer. Dort angekommen, schmiss ich mich auf mein Bett und fing an zu schluchzen. Heute morgen war die Welt noch in Ordnung gewesen und jetzt? Jetzt sollte ich hier wegziehen! Das war....einfach nur scheiße. Es fühlte sich an als würde meine Welt in Trümmern liegen. Nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte, rief ich TayTay an. „Hi, Claire.“, begrüßte sie mich freundlich. „Hi.“ „Na, gibt’s irgendwas besonderes weswegen du anrufst?“ Ich stockte kurz, dann erzählte ich ihr die ganze Geschichte. „Und jetzt weiß ich nicht was ich tun soll. Soll ich mit Dad gehen und Suleika behalten oder hierbleiben?“, schloss ich meine Erzählung ab und kämpfte schon wieder mit den Tränen. Einen Moment lang blieb es still in der Leitung, dann antwortete Taylor: „Hmm...schwere Entscheidung, aber weißt du, ich glaub du weißt im Prinzip ganz genau was du willst. Überleg doch mal: Suleika ist dein Ein und Alles! Du willst sie doch nicht ernsthaft aufgeben, nur weil du Angst vor einer neuen Schule hast?!“ Das leuchtete mir ein und schweren Herzens stimmte ich ihr zu. Wir telefonierten noch eine Weile, dann beendete ich das Gespräch. Eigentlich war ich mir jetzt sicher, dass ich mich auf keinen Fall von Suleika trennen wollte, aber zur Sicherheit wollte ich nochmal eine Nacht darüber schlafen.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, stand mein Entschluss fest: Ich würde mit Dad ausziehen, auch wenn ich dann an der neuen Schule nochmal ganz von vorne anfangen musste. Am Frühstückstisch teilte ich meine Entscheidung gleich Dad mit: „ Ich komme mit dir Dad.“, sagte ich und lächelte dabei traurig. „Schön, und du Blaire? Hast du auch nochmal drüber nachgedacht?“, kam es von Dad zurück. „Ich bleibe hier, ich muss doch nichts aufgeben, oder Mom?“ „Nein, musst du nicht.“ Arrgh, das war unfair, ich musste wegziehen um Suleika zu behalten, aber Blaire, nein die musste nichts aufgeben, obwohl ihre Turnstunden auch nicht gerade billig waren. Boahh, war das fies! Auf einmal fiel mir noch eine wichtige Frage ein: „Wohin ziehen wir eigentlich?“ „Nach St. Ives, an die Atlantikküste.“, antwortete Dad. „Oh, na wenigstens eine erfreulich Nachricht!“, meinte ich. „Achja, und noch was, wann ziehen wir um?“ „In zwei Wochen.“, antwortete Mom. „Waaas?“, fragte ich entsetzt. Also echt, der Umzug überhaupt kam schon überstürzt, aber jetzt auch noch in zwei Wochen. „Na prima!“, fügte ich noch hinzu. „Ach, komm schon, jetzt mach nicht so einen Aufstand, Claire:“, ermahnte mich Mom. „Jaja, schon gut, war's das jetzt, dann würde ich mich nämlich gerne verziehen.“, meinte ich gereizt. „Ja, das war alles.“, bestätigte Dad beschwichtigend. Ich verließ das Zimmer, stürmte die Treppe hoch und schlug meine Zimmertür extra laut zu. Dann rief ich wieder Taylor an. „Hi TayTay, hier ist Claire.“, begrüßte ich sie. „Hi Claire, haste dich entschieden?“, fragte Taylor. „ Ja, für Suleika. Aber ich zieh schon in zwei Wochen um!“, antwortete ich wütend. „Oh...“, kam es von Taylor zurück. „Das ist aber ganz schön schnell. Und wohin ziehst du?“ „Nach St. Ives.“, gab ich bedrückt zurück. Ich wollte da nicht hin, das lag doch am Ende der Welt! „Da solls ja ganz schön sein.“, meinte Taylor und versuchte mich dadurch ein wenig aufzumuntern. „Hmpf. Naja...“
Kapitel 1
Missmutig saß ich auf dem Beifahrersitz des Möbeltransporters und starrte aus dem Fenster. „Wie weit ist es noch?“, fragte ich quengelig. „Himmel noch mal, Claire, jetzt motzt hier nicht so rum, so lange fahren wir doch noch gar nicht!“; Dad schwieg einen kurzen Moment, seufzte und fuhr dann etwas ruhiger fort: „Noch ca. 3 Stunden Fahrzeit?“ „Ok, sorry, ich glaube ich habe mich ein bisschen im Ton vergriffen...“, sagte ich kleinlaut. Es war nämlich echt selten, dass Dad so ausrastete, außer er stritt sich mit Mom, doch das würde hoffentlich nicht mehr passieren, denn genau deshalb saß ich gerade im Auto auf dem Weg nach St. Ives. Ich zog mit meinem Dad Brian dorthin, weil meine Eltern sich getrennt hatten und ich musste mit ihm gehen, da ich sonst meine geliebte Araberstute Suleika hätte hergeben müssen. Darüber war ich eigentlich nicht mehr so erbost wie am Anfang, aber der Abschied von meinen Freunden, meiner Mom Rachel und meiner kleinen Schwester Blaire war mir sehr schwer gefallen, deshalb war ich im Moment äußerst mies gelaunt. Naja, ich hoffte immer noch, dass es nicht so schlimm werden würde und ich schnell Anschluss und neue Freunde finden würde. Gott sei Dank, hatte ich schon vor einiger Zeit mit meinem Freund Schluss gemacht, einen weniger, den ich vermissen würde.
Kapitel 2
Endlich. Wir waren in St.Ives angekommen und ich konnte mich, nach 5 Stunden Fahrt, mal wieder strecken. Neugierig betrachtete ich mein neues Zuhause. Es war ein großes, etwas älteres Landhaus an das eine Scheune angrenzte. Rechts neben der Scheune waren 4 Pferdeboxen, daneben auch noch eine kleine Kammer, in der sich, wie ich vermutete, die Sattelkammer befand. „Ich geh mich mal umschauen, Dad! Bis gleich.“, rief ich und eilte auf das große Scheunentor zu. Vorsichtig lugte ich hinein, nicht dass ich irgendwelche Monster erwartete, aber man kann ja nie wissen...! Meine Vorsicht war aber unbegründet, die Scheune war leer. Ich durchquerte sie und öffnete die Tür, die sich an der Hinterseite befand. Ich trat durch sie hindurch und fand mich auf einer großen Weide wieder. Wow, eine eigene Weide, da konnte sich Suleika aber glücklich schätzen, dachte ich. Nachdem ich dies alles begutachtet hatte, lief ich wieder zurück, um Dad beim Ausladen der Möbel zu helfen und Suleika vom Hänger zu holen. Diese war wahrscheinlich auch froh endlich aus dem Hänger rauszukommen und nach der langen Fahrt wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Als ich das Haus betrat, blieb ich überrascht stehen. Soweit ich das erkennen konnte, war das Haus im Prinzip schon fertig eingerichtet, es fehlten nur noch ein paar Kleinigkeiten. Ansonsten hatte das Haus 2 Stockwerke und einen Keller und war in warmen Tönen gestrichen. Die meisten Möbelstücke waren aus Holz und auf dem Boden war Parkett verlegt worden. Ich durchquerte das Wohnzimmer und lief die Treppe hinauf, um mir mein Zimmer anzuschauen. Dieses war noch komplett leer bis auf ein Bett, das wohl noch von den letzten Besitzern übrig geblieben war, aber das störte mich nicht sonderlich. Ich ließ mich auf das Bett fallen und betrachtete mein neues Zimmer ausgiebig: Es war 5 Meter breit und 6 Meter lang, also um einiges größer als mein altes Zimmer in Camborne, die Wände waren rot getupft und die Decke schneeweiß. Ohne Möbel und Bilder bzw. Poster (ich war begeisterter Fan der Bis(s)-Bücher und The Wanted) wirkte der Raum zwar noch ziemlich kahl, aber ich hatte ja noch 2 Wochen bis die Schule anfing.
Abends saß ich erschöpft mit Dad am Tisch und schlürfte eine Tomatensuppe. Oje, war ich fertig... Ich konnte die Augen kaum noch offen halten und beschloss gleich nach dem Essen ins Bett zu gehen. Ich räumte noch schnell meinen Teller weg, dann wandte ich mich zum Gehen. Vorher sagte ich allerdings noch: „Gute Nacht, Dad!“ „Gute Nacht, schlaf gut, Claire!“, antwortete er.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich einen Bärenhunger und so beschloss ich schleunigst aufzustehen. Außerdem war mir gerade eingefallen, dass ich Dad fragen musste, auf welche Schule ich denn nun gehen würde, da das bei unserer Abreise noch nicht festgestanden hatte. Die eine Schule, auf die ich eigentlich wollte, hatte nämlich angedeutet, dass sie hoffnungslos überfüllt sei und mich deshalb nicht aufnehmen könnte. „Sag mal Dad, kann ich jetzt eigentlich auf diese Schule da gehen?“, fragte ich während ich herzhaft in mein Brötchen biss. Dadurch klang das zwar wie: „Schag mal Dad, kann isch jetzt eigentlisch auf diesche Schule da gehen?“, aber mein Dad hatte es wohl verstanden, denn er antwortete: „Nein, leider nicht, die ist total überfüllt. Ich bin auf der Suche nach einer anderen Schule für dich.“ Ich machte einen Schmollmund. Schade, ich wäre gern dahin gegangen und jetzt würde ich bestimmt auf irgendeine zweitklassige Schule kommen, es waren ja schließlich nur noch 2 Wochen bis zum Schulbeginn. Ich frühstückte fertig, half Dad noch beim Abräumen und dann machten wir uns daran die Möbel die noch fehlten aufzubauen, unsere Sachen auszupacken und das Haus zu dekorieren.
„Waas?“, fragte ich entsetzt. Dad hatte mir doch gerade eröffnet, dass ich auf ein Internat gehen sollte. Das meinte er jetzt doch nicht ernst, oder? Ich hätte erwartet, dass ich auf irgendeine Mädchenschule oder so musste, aber doch nicht auf ein Internat! Da gab es doch eh nur Streber und Zicken! Wollte er mich etwa loswerden, oder was? „Hey, jetzt beruhig dich mal wieder, Claire. Ja, du wirst auf ein Internat gehen, genau genommen auf ein anerkanntes Sportinternat, hier in St. Ives.“, versuchte Dad mich zu beruhigen. „Und was, wenn ich nicht will? Was soll denn dann aus Suleika werden?“, brauste ich auf. „Na, das wäre schlecht, aber gerade wegen Suleika sollst du ja dort hin gehen, es ist ein Sportinternat, schon vergessen?“, antwortete Dad so geduldig wie möglich. „Wa-...Achso, ich kann Suleika dahin mitnehmen?“ Dad nickte zustimmend. „Cool, das finde ich toll!“, sagte ich erfreut. „Das dachte ich mir doch. Ich will doch auch, dass du glücklich wirst.“, sagte Dad lächelnd. „Wann fängt denn dort die Schule an?“, fragte ich. „Am Montag, aber du sollst schon am Sonntag Mittag kommen, damit du dich noch etwas eingewöhnen kannst, das heißt du solltest morgen packen, da wir ja dann übermorgen fahren, ok?“ „In Ordnung, gehst du dann vielleicht heute noch mit mir in die Stadt, shoppen?“, fragte ich und schaute Dad bittend an. „Naja, ich weiß nicht so recht...“, sagte Dad zögerlich. „Och bitte, Daddy!“, bettelte ich. „Hmm...na gut, aber wir kaufen nicht so viel, ja?“, willigte er schließlich ein. „Ja, klar, du bist der beste Dad der Welt!“, stimmte ich glücklich zu.
Kapitel 3
Ich kam mir etwas verloren vor, wie ich hier so neben meinem Dad im Sekretariat des Mary Bloom Internats stand. Dad füllte gerade die unzähligen Bögen zur Anmeldung aus, als ein zierliches Mädchen, das ich mit meinen 1,75 weit überragte, den Raum betrat. „Ah, schön, dass du so schnell kommen konntest, Cloe.“, sagte die Sekretärin freundlich. „Das ist Claire, deine neue Zimmergenossin. Claire, das ist Cloe.“, fügte sie noch hinzu. „Hallo.“, sagte ich schüchtern. „Hi“, antwortete Cloe ebenfalls schüchtern, aber mit einem süßen Grinsen auf dem Gesicht. „Cloe wird dich ein wenig in der Schule herumführen und hoffentlich alle deine Fragen beantworten. Wenn sonst noch etwas ist, kannst du jederzeit zu mir kommen, Claire, ok?“ „Ok,“, antwortete ich, „Tschüss Dad, bis bald!“ Ich gab meine Dad noch einen Kuss auf die Wange, dann verließ ich zusammen mit Cloe den Raum. Cloe war ein hübsches Mädchen, auch wenn sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprach. Ihr sommersprossiges Gesicht war von roten Löckchen umrahmt und sie hatte eine süße Stupsnase. Unwillkürlich musste ich lächeln. Fragend schaute mich Cloe an: „Warum grinst du?“ „Ach, du erinnerst mich irgendwie an meine kleine Schwester, Blaire.“ Unwillkürlich musste ich lachen. „Ah, verstehe, wie alt ist denn deine Schwester?“, frage Cloe. „11, hast du auch Geschwister?“ „Ne, ich bin ein Einzelkind.“, lautete die Antwort von Cloe. „Soll ich dir die Gebäude zeigen? Und achja, welche der Wahlfächer hast du eigentlich belegt?“, fragte Cloe. „Wäre super, ich habe Reiten, Fechten und Französisch gewählt, und du?“ Während Cloe mir die verschiedenen Gebäudeabschnitte (die Bioräume, die Turnhalle, die Computerräume, die Bibliothek...) zeigte, redeten wir noch miteinander und ich erfuhr, dass sie ebenfalls ritt, sonst allerdings Volleyball und Naturwissenschaften belegt hatte. Sie war ein paar Monate älter als ich und kam aus Newquay. Auf unserem Weg trafen wir immer mal wieder auf Schüler, diejenigen die Cloe kannte stellte sie mir gleich vor. Auch manchen Lehrern begegneten wir, mit denen machte mich Cloe ebenfalls bekannt und berichtete mir gleich auch noch welche Fächer diese unterrichteten und ob sie gut, streng, nett oder so seien. Nachdem wir unseren Rundgang durch das Schulgebäude beendet hatten , schlug sie vor: „Wollen wir dann noch in den Stall, wir haben noch 3 Stunden bis wir in unseren Zimmern sein sollten?“ „Ja, gerne, dann kannst du mir auch dein Pferd zeigen.“ „Ok, dann komm mit.“, sagte Cloe und führte mich durch mehrere Gänge, über den Hof, in den Stall. Dort zeigte sie mir Stella, ihre kohlrabenschwarze, furchtbar süße Andalusierstute. Nachdem wir noch ein bisschen rumgealbert hatten (ich hatte seit dem Umzug nicht mehr so gelacht), fragte ich: „Kann ich denn jetzt noch reiten?“ „Ob du es kannst weiß ich nicht, aber dürfen tust du es auf jeden Fall...“ Sie grinste mich unverschämt an dann fügte sie hinzu „Ich komme mit, wollen wir vielleicht in die Halle?“ „Ok, ich putze schnell Suleika, dann komme ich.“, sagte ich und unterdrückte gerade noch rechtzeitig einen Lachanfall, den ich ihrem Spruch zu verdanken hatte.
Nach dem Reiten gingen wir zusammen in unser Zimmer und duschten. Ich zog ein blaues Sommerkleid, vom Kleiderlable meines Dads, an, das meine Figur vorteilhaft betonte, und machte mich ans Auspacken. Plötzlich ging die Tür auf und ein blondes, superhübsches Mädchen von der Marke Topmodel, stolzierte herein. Cloe setzte ein künstliches Lächeln auf (was mich sehr wunderte, eigentlich hatte ich das Gefühl gehabt sie wäre ein natürlicher Mensch) und sagte: „Hallo Angelica, das ist Claire, unsere neue Zimmergenossin.“ „Hallo Claire.“ sagte Angelica. Täuschte ich mich oder schwang da ein herablassender Ton mit? „Hi, Angelica, schön dich kennen zu lernen.“, sagte ich freundlich. „Hmmpf!“, antwortete Angelica. „Man, kannst du nich mal freundlich sein, Claire ist schließlich neu hier, was soll die denn denken? Dass es hier nur so Tussis wie dich, Ashley und Alison gibt?“, fragte Cloe aufbrausend und mit einem Funkeln in den Augen. „Reg dich ab Cloe, sie ist zwar neu, aber sie ist trotzdem nicht besser, toller oder hübscher als wir. Also, ich behandel sie genauso wie euch andere!“ „Ähhm, Cloe, Angie, könntet ihr aufhören über mich zu reden als wäre ich gar nicht da? Danke!“, sagte ich etwas irritiert. Das ich Angelicas Namen abkürzte, fiel mir erst später auf, bei so langen Namen machte ich das immer automatisch. „Oh, klar, sorry. Es ist nur so, dass ich diese Getue von Angie und ihren Freundinnen nun mal voll nicht abkann.“, sagte Cloe schulterzuckend. „Hmm...naja, das kann ich ja nich richtig beurteilen, ich kenn sie ja gar nicht.“, antwortete ich. „Siehste, endlich mal eine die kapiert was Sache ist!“, sagte Angelica und warf Cloe einen gehässigen Blick zu. Dann schaute sie zu mir und meinte: „Komm mit, dann kann ich dir gleich meine Freundinnen vorstellen, oder willst du etwa bei dieser Streberin bleiben?“ „Ähh...“ Im ersten Moment fiel mir dazu einfach keine Antwort ein, daher schaute ich hilfesuchend zu Cloe, aber diese beachtete mich gar nicht und starrte nur Angelica böse an. Sie sah so aus als würde sie Angelica gleich an die Gurgel springen, deshalb sagte ich schnell: „Also ich würd wirklich gern mit dir kommen und deine Freundinnen kennen lernen, aber ich bin gerade erst angekommen und will erst mal auspacken. Vielleicht später ja?“ „Na gut, aber verbring nicht so viel Zeit mit dem Gesindel, nicht das du auch noch so wirst!“ Also langsam wurde mir diese Person richtig unsympatisch! Ich zog die Augenbrauen hoch, schaute sie an und fragte: „Sag mal, was hast du eigentlich für ein Problem?“ „Ich kann sie halt nicht leiden, das langt doch!“, antwortete Angelica. Das war jetzt schon ziemlich arrogant gewesen, fand ich. Ich wusste ja echt nicht was hier vorging und ob das immer so war, aber das war doch nicht normal! Gerade wollte ich etwas sagen, als Cloe sich wieder zu Wort meldete: „Verdammt nochmal, Angie! Lass den Scheiß! Geh zu deinen Tussi-Freundinnen und mach die runter aber lass uns in Ruhe!“ „Halt du die Klappe, ich red mit Claire und nicht mit dir!“, schnauzte Angelica Cloe an, dann fragte sie mich mit zuckersüßer Stimme: „Was hälst du denn davon?“ „Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich denken soll...“, gab ich irritiert zurück. Das Verhalten von Angelica kam mir schon übertrieben vor, aber wenn ich jetzt was dagegen sagen würde, wäre das ja auch komisch, ich war ja schließlich noch ganz neu hier. Und vielleicht hatten Cloe und Angelica einfach ein persönliches Problem miteinander? „So, stellst du dich jetzt etwa auf Cloes Seite?“, hakte Angelica angriffslustig nach. „Ich stelle mich auf gar keine Seite, ich bin ganz neutral, ok?“, antwortete ich ruhig. „Klar! Hast du dich etwa mit ihr abgesprochen?“ „Nein!“, langsam wurde ich sauer. Was hatte die denn für ein Problem? „Ach komm schon, gib es wenigstens zu! Oder bist du zu feige?“, stichelte Angelica weiter. Ich riss mich zusammen und versuchte die Situation noch zu retten, ohne dass irgendwer dem anderen an die Gurgel ging. „Ok, Angelica, ich hab echt keinen Plan was das hier soll, ob das normal is oder ob ihr beiden 'nen Dachschaden habt, aber ich mach da nicht mit! Ich bin neu hier und will eigentlich nur in Ruhe meine Sachen auspacken und bis jetzt erschien mir Cloe sehr nett.“ „Ha!“, stieß Angelica hervor. „Wusst ichs doch, du bist also doch auf ihrer Seite. Und ich dachte du wärst ok, aber nein, anscheinend bist du genauso ein Miststück wie Cloe.“ Also jetzt reichte es wirklich, fand ich. Diese Beleidigung ließ ich mir doch nicht gefallen! „Man ey, du hast echt 'nen Problem, Angie! Lass uns einfach in Ruhe und hör mit deinen scheiß Beleidigungen und Vorwürfen auf, klar?“, sagte ich wütend. „Wie sprichst du denn mit mir? Erstens verbiete ich es dir in diesem Tonfall mit mir zu sprechen und zweitens bin ich für dich immer noch Angelica, ok?“, sagte Angie mit einem herablassenden Unterton. „Tss...das glaub ich jetzt nicht, du willst mir was verbieten? Mit welchem Recht denn? Und ich nenn' dich so, wie ich es am besten finde!“, sagte ich bissig. „Hallo?! Ich steh in der Rangordnung ganz einfach über euch, das reicht doch wohl?“, gab Angie zurück. „Klar...“, antwortete ich, wobei das natürlich ironisch gemeint war. Dann wandte ich ihr demonstrativ den Rücken zu. Als ich hörte wie Angelica aus unserem Zimmer stürmte, drehte ich mich um und schaute Cloe ratlos an. „Mist, eigentlich wollte ich nicht gleich an meinem ersten Tag Streit haben.“ „Ja, das kann ich ja verstehen, aber Angie is einfach unausstehlich.“ „Ja, schon.“, gab ich zu und grinste Cloe an. „Weißt du, du hast super Antworten drauf! Weil es ist wirklich so, dass viele an der Schule Ashley, Alison und Angelica so behandeln, als wären sie die Queens hier. Meine Freundinnen und ich, die ich dir morgen übrigens noch vorstellen werde, finden sie aber einfach nur eingebildet und total bescheuert. Das Problem ist, sie und ihre Eltern haben viel Einfluss, wenn du verstehst was ich meine?!“, sagte Cloe. „Klar, das verstehe ich...“ Ich verstand es wirklich gut, denn auch an meiner alten Schule hatte es Mädchen von Angies Kaliber gegeben, ich konnte solche Zicken nur einfach nicht ausstehen. „Dann sollten wir das Leben der Zickengang etwas aufmischen! Ich meine, meine Eltern haben zwar nicht viel Einfluss, aber dafür weiß ich wie man andere zur Weißglut bringt.“,sagte ich. Innerlich musste ich lächeln, meine direkte Art und mein vorlautes Mundwerk waren in Camborne, meinem alten Zuhaue, berühmt-berüchtigt gewesen und selbst die Lehrer hatten mich auf ihre Art und Weise respektiert bzw. akzeptiert. „Wie denn?“, fragte Cloe neugierig. „Lies mal das Etikette von meine Kleid.“ „Turner couture?“ „Genau, und wie heiße ich mit Nachnamen?“, hakte ich nach. „...Turner...?“ „Genau, 100 Punkte!“, bestätigte ich. „Das bedeutet, dass deiner Familie das Lable gehört?“ „Jap, also genauer gesagt meinem Dad!“ „Cool!“, sagte Cloe begeistert und hüpfte vor Freude auf und ab. Ich musste schmunzeln, jeder reagierte so, wenn er hörte, dass Turner couture meinem Dad gehörte. Nachdem Cloe sich wieder beruhigt hatte, ich glaube es war doch ein bisschen viel auf einmal für sie, ging ich ins Bett und wünschte ihr eine gute Nacht. „Gute Nacht, träum schön.“, antwortete Cloe und begab sich dann auch irgendwann ins Bett. Schließlich hatten wir ja morgen Schule, und die fing schon um 8 Uhr an.
Kapitel 4
Am nächsten Morgen wachte ich schon früh auf, alles war noch dunkel. Orientierungslos tastete ich eine Weile umher, bis ich endlich den Lichtschalter fand. Ein schneller Blick auf meinen Wecker verriet mir, dass ich noch eine ¾ Stunde Zeit hatte bis Cloe und Angie aufstehen würden, also beschloss ich ins Bad zu gehen und mich in Ruhe fertig zu machen. Ich schminkte mich dezent, aber wirkungsvoll, wobei ich mir Mühe gab meine Augen ausdrucksstark zu betonen, bürstete meine Haare so lange bis sie glänzten und zog dann eine Röhrenjeans und ein türkisfarbenes Tanktop an. An meinem ersten Tag wollte ich schließlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen, einen guten selbstverständlich.
„Was haben wir jetzt?“, fragte ich Cloe, nachdem wir unser Frühstück beendet hatten. „2 Stunden Englisch, danach Latein und dann Fechten bzw. Volleyball. Wenn wir uns beeilen haben wir noch ein bisschen Zeit, sodass ich dir die anderen noch vorstellen kann.“, antwortete Cloe. „Gut, dann lass uns gehen!“ Gerade als ich aufgestanden war und losgehen wollte, sprach mich von hinten eine Stimme an: „Hi, du bist Claire, oder?“ Ich drehte mich um und blickte in das Gesicht eines extrem gut aussehenden Jungen. Ich war so damit beschäftigt ihn zu betrachten, dass ich die 6 anderen Jungs hinter ihm gar nicht bemerkte. „Ja, und wer bist du?“ , lautete meine Reaktion. Erst jetzt bemerkte ich die restlichen Jungs und schaute sie der Reihe nach an, dann wanderte mein Blick wieder zu dem Sprecher. „Ich bin Chris und das sind Alec, Eric, Stephen, Ryan, Mike und Joe.“ „Ah, hallo zusammen.“, sagte ich kokett lächelnd. Chris und Ryan lächelten freundlich zurück, die anderen nickten mir nur höflich zu. Was soll's, vielleicht ist er ja schon vergeben, schoss es mir durch den Kopf. Wäre ja auch kein Wunder, bei dem Aussehen. Wie um meine Vermutung zu bestätigen, tauchten plötzlich Angie und zwei andere blonde „Barbiepüppchen“ auf. Ich ging mal davon aus, dass diese Ashley und Alison waren. Angelica stellte sich neben Joe und verwickelte ihn in ein Gespräch, Alison begann mit Stephen rumzuknutschen und Ashley nahm Alecs Hand und zog ihn in Richtung Unterrichtsräume. Meine Gedankengänge wurden jäh von Cloe unterbrochen: „Claire, kommst du? Wir müssen los!“ „Ja, natürlich.“, antwortete ich schnell. Eilig verabschiedete ich mich von den Jungs und folgte dann Cloe. Da wir nun nicht mehr viel Zeit hatten, verschob Cloe das Vorstellen ihrer Freundinnen auf die Pause.
Tess, Sarah, Amy und Grace machten einen netten Eindruck auf mich. Im Gespräch erfuhr ich, dass Amy genau die gleichen Fächer gewählt hatte wie ich (Franz., Reiten, Fechten) und einen Isländerwallach, Lettfeti, besaß. Sarah surfte und turnte, Tess turnte ebenfalls und spielte Badminton und Grace spielte Fußball und Basketball, was mich sehr erstaunte, da sie auf den ersten Blick sehr mädchenhaft wirkte, mit ihren blonden, welligen Haaren und ihrer offentsichtlichen Lieblingsfarbe Rosa, die sich in ihrer Kleidung wiederspiegelte. Alle waren sehr freundlich zu mir und versprachen mir beim Eingewöhnen zu helfen.Allerdings verhielten sie sich alle etwas zurückhaltend und ich spürte, dass ich eben doch noch „die Neue“ war.
Nach dem Unterricht zog ich mich erst einmal in mein Zimmer zurück, machte Hausaufgaben (ja, ich weiß, das hört sich streberhaft an, ist es aber nicht) und ließ meinen ersten Schultag nochmal Revue passieren. Es war schon ok gewesen, aber irgendwie fühlte ich mich einsam hier. Es waren zwar alle nett zu mir, aber so richtig akzeptiert kam ich mir noch nicht vor. Nun gut, ich war ja auch erst einen Tag, genauer gesagt 1 1/2 Tage, hier. Mehr konnte ich ja echt nicht erwarten. Um mich auf andere Gedanken zu bringen, ging ich schließlich in den Stall, in der Hoffnung beim Reiten bessere Laune zu bekommen. Als ich auf Suleikas Box zusteuerte sah ich an der Nebenbox Amy stehen. Ich wusste nicht so recht was ich sagen sollte, aber diese Entscheidung wurde mir abgenommen, als sich Amy umdrehte und mir zulächelte. Ich lächelte zurück und lief auf sie zu. „Hallo Claire.“, begrüßte mich Amy. „Hi.“, antwortete ich. „Ist das dein Pferd?“ „Ja, das ist Lettfeti. Und welches ist deins?“, sagte Amy. „Nebendran.“, sagte ich und fügte grinsend hinzu: „Darf ich vorstellen: Amy - Suleika, Suleika - Amy.“ Amy lachte und meinte dann „Wolltest du jetzt reiten?“ „Ja.“, sagte ich. „Deswegen bin ich auch hier her gekommen.“, sagte Amy. „Ah...Wir könnten was zusammen unternehmen? Zum Beispiel ausreiten, dabei könntest du mir die Reitwege in der Umgebung zeigen?!“ „Klar, gerne, ich schreibs nur kurz ans Brett.“, meinte Amy. „Ans Brett?“, wiederholte ich verwirrt. „Ja, du musst immer hin schreiben, wann du los geritten bist, mit wem und wohin, damit die Schule dich finden kann, falls mal etwas passiert.“, erklärte mir Amy. „Okay, ja mach das, ich fang schon mal mit dem Putzen an.“, sagte ich und verschwand in der Sattelkammer um meinen Putzkasten zu holen. Der Ausritt war wirklich schön, wir ritten mitten durch die wunderschöne, grüne Landschaft von St. Ives. An manchen Stellen konnten wir sogar das Meer sehen und vor allem riechen.
Später am Abend lag ich im Bett und hörte Musik, als mich Cloe plötzlich fragte: „Wo warst du eigentlich heute Nachmittag?“ „Ich war erst hier im Zimmer und hab Hausaufgaben gemacht, dann bin ich in den Stall gegangen, wo ich auf Amy gestoßen bin. Wir sind dann zusammen ausgeritten. Und wie war dein Nachmittag so?“, sagte ich und schaute sie fragend an. „Äh...ja...ganz gut.“, antwortete Cloe und errötete ein wenig. „Aha, wo warst du denn überhaupt?“, hakte ich nach. „Hmm...am Strand...mit Eric.“, sagte Cloe und wurde noch eine Spur röter. „So so.“, kommentierte ich dies und zog dabei vielsagend die Augenbrauen hoch. „Ah, übrigens, bevor ich vergesse es dir zu sagen, Chris ist noch nicht vergeben!“, sagte Cloe und grinste mich frech an. Sprachlos starrte ich sie eine Weile lang an, dann fragte ich: „Wie kommst du denn jetzt auf Chris? Wir waren doch gerade bei dir und Eric.“ „Na, wir sprachen ja gerade das Thema Jungs an...Und weil ich vorhin gesehen hab wie du Chris nachgeschaut hat.“ „Aha...und wie kommst du drauf, dass es mich interessiert was Chris macht?“, fragte ich gleichgültig blickend, obwohl mein Interesse geweckt war. „Ach, das sieht man dir an, außerdem finde ich, dass ihr gut zusammenpasst.“, antwortete Cloe ungerührt. „Ah.“, das war alles was ich im Moment herausbrachte. „Jaja...“, meinte Cloe und setzte ein wissendes Lächeln auf. Manchmal hatte ich echt das Gefühl, Cloe wäre eine Irre und jetzt konnte sie auch noch Gedanken lesen! Ich schüttelte den Kopf und vertrieb den Gedanken. Sie war zwar ein bisschen verrückt, glaubte ich zumindest, aber noch lange keine irre Gedankenleserin. Kurz bevor ich in das Land der Träume versank, nahm ich mir noch vor, morgen Tess, Sarah, Grace oder Amy zu fragen, wie Cloe so tickte.
Kapitel 5
„Wäh! Was soll das?“, murmelte ich noch verschlafen, als mir irgendetwas nasses ins Gesicht klatschte. Dann spürte ich, wie mir die Bettdecke weggezogen wurde, Ich versuchte sie festzuhalten, vergeblich! Mann, der Tag fing ja schon mal gut an. Langsam wurde ich wacher und registrierte, dass dieses gewisse nasse Etwas immer noch auf meinem Gesicht lag. Ruckartig setzte ich mich auf. „Was ist denn los? Und warum, verdammt nochmal, hab ich dieses nasse Teil im Gesicht?“, fragte ich empört. „Du sollst aufstehen, sonst kommst du noch zu spät und dieses nasse Etwas nennt sich Waschlappen! Ich dachte dann wirst du sicher schneller wach!“, antwortete mir eine Stimme. Ich rieb mir die Augen, öffnete sie wieder und schaute direkt in das grinsende Gesicht von Angelica. Die schon wieder, die hatte mir gerade noch gefehlt. „Wer hat dir erlaubt mir 'nen Waschlappen ins Gesicht zu schmeißen?“, rief ich wütend. „Cloe meinte ich solle dich aufwecken, das habe ich ja auch getan.“, sagte Angelica boshaft und stolzierte zu Tür. Erbost über diese Frechheit schwang ich mich aus dem Bett, stand auf und stieß mir prompt den Kopf an der Dachschräge an. „Aua, mist!“, fluchte ich und betastete mein schmerzendes Haupt. Das würde bestimmt eine stattliche Beule geben. Ein Blick auf den Wecker bestätigte mir, dass Angelica ausnahmsweise Recht hatte, ich hatte nur noch eine ¾ Stunde bist Unterrichtsbeginn. Eilig suchte ich mir ein paar Kleidungsstücke zusammen, zog mich an und trug mir schnell noch Wimperntusche auf. Dann rannte ich ins Bad, wo ich fast mit Cloe zusammenstieß, die sich gerade ihre Haare hochsteckte. Ich bürstete kurz meine Haare, Gott sei Dank waren diese nicht sehr anspruchsvoll, und verkündete dann Cloe: „So, ich bin fertig!“ „Gut, dann lass uns gehen, vielleicht schaffen wir es sogar noch zu frühstücken.“
Der Unterricht zog sich ewig lange hin und ich langweilte mich fast zu Tode, da wir die meisten Themen an meiner alten Schule in Camborne schon durchgenommen hatten. Außerdem gab es viele interessantere Dinge, als zuzuschauen, wie mein Mathelehrer, Herr Kiehlman, quadratische Gleichungen an die Tafel schrieb. Viel lieber beobachtete ich Chris, wie der aufmerksam nach vorne schaute und brav mitschrieb. Ich musste zugeben, er sah verdammt scharf aus mit seinen goldblonden, zur Surferfrisur gestylten Haaren, seiner charakteristischen Nase, den hohen Wangenknochen und seinen vollen Lippen - sehr kussfreundlich! Während ich ihn noch beobachtete, drehte er plötzlich seinen Kopf zu mir und lächelte mich an. Oh mein Gott, diese Augen! Ich war überwältigt. Seine großen, tiefblauen Augen funkelten mich belustigt an, so als ob er erraten hätte, was ich dachte. Ertappt sah ich weg. Oh mist, was dachte er nun von mir? Hmm...Vielleicht war er ja doch noch nicht vergeben, Cloe behauptete das ja schließlich?! Das wäre ja zu schön. Das Läuten der Schulglocke riss mich brutal aus meinen Träumereien und ich erhob mich von meinem Platz. Als ich gerade aus dem Klassenzimmer gehen wollte, packte mich plötzlich jemand am Arm und hielt mich fest. Dieser jemand war niemand anderes als Chris. Er wartete, bis alle das Zimmer verlassen hatten, dann fragte er mich: „Wie wär's, wollen wir uns am Wochenende im Jam Pot treffen?“ Ich starrte ihn an, das war ja wohl ein Witz! Anscheinend meinte Chris es aber ernst, also antwortete ich ausweichend: „Ich weiß nicht so recht...ich glaube ich bleibe dieses Wochenende noch hier!“ „Wie du meinst.“, sagte Chris schulterzuckend und ließ meinen Arm los. „Und was willst du da machen?“, hakte er nach. „Weiß ich noch nicht.“, sagte ich und schaute ihn an. Chris betrachtete mich noch einmal prüfend, dann wechselte er das Thema: „Was hast du jetzt?“ „Franz. Ich geh dann mal, sonst komme ich noch zu spät.“, sagte ich und wollte gehen als er mich schon wieder zurückhielt. „Warte, ich komme mit, ich habe auch Französisch.“ Schweigend liefen wir den Gang entlang zum Raum, in dem wir Französisch hatten. Als das Schweigen anhielt, wurde es langsam unangenehm. Schließlich kamen wir an, doch als ich das Zimmer betrat erwartete mich eine weitere Überraschung. Eigentlich hatte ich beabsichtigt, mich neben Tess oder Amy zu setzten, aber neben diesen war kein Platz mehr frei. Entweder ich würde mich neben Joe setzen müssen, oder neben Chris. Beides entsprach eigentlich nicht meinen Wunschvorstellungen, denn mit Joe wollte ich nichts zu tun haben, weil dieser mit Angie zusammen war, nicht, dass sie mir noch unterstellte ich hätte ihr Joe weggenommen, und neben Chris zu sitzen fand ich auch nicht so toll, ich hatte bei ihm das Gefühl, er würde jeden Moment über mich herfallen. Auch seine Frage nach einem Date hatte mich vorhin überrumpelt, sonst war ich bei Jungs nicht so schüchtern, aber ich kannte ihn doch gar nicht. Es ging alles so schnell, zu schnell, fand ich. Da ich auf keinen Fall neben Joe sitzen wollte, beschloss ich, mich neben Chris zu setzen. Was soll's, dachte ich und bemühte mich optimistisch zu bleiben. Vielleicht war es ja gar nicht so schlecht, dann könnte ich Chris ein wenig näher kennenlernen.
Nach dem Unterricht ging ich direkt auf mein Zimmer und schmiss mein Schulzeug in die Ecke. Kurz nach mir betrat Cloe das Zimmer. „Und, wie war Franz.?“, fragte Cloe. „Hmm...“, brummte ich wenig begeistert. „Was ist denn los?“ „Ach nichts. Ich sitze neben Chris, das ist alles!“, antwortete ich unwirsch. „Äh, okay...und was ist daran schlimm?“ „Ich weiß auch nicht so recht, ich hab irgendwie 'nen komisches Gefühl...Chris ist so aufdringlich und lässt mich gar nicht mehr in Ruhe“, sagte ich zögernd. „Na und? Ist doch gut oder, du findest ihn doch auch toll?“, sagte Cloe verwirrt. „Ja...Ne...ich weiß auch nicht, das geht aber alles so schnell, zu schnell für mich“, antwortete ich wenig überzeugend. „Wie du meinst, aber so eine Gelegenheit bekommst du nicht oft!“, sagte Cloe achselzuckend und begann mit ihren Hausaufgaben. „Ich geh mal kurz an die frische Luft, bis später.“,sagte ich und lief aus dem Zimmer. Ich musste dringend in Ruhe meine Gedanken ordnen, und das konnte ich am besten draußen. Cloe schaute mir verdutzt nach, wandte sich dann aber wieder ihren Hausaufgaben zu.
Draußen ging ich über das riesige Schulgelände und stieß schließlich auf ein kleines Bächlein, neben dem eine große Linde stand. Ich setzte mich unter diese und starrte auf den Bach. Tausend Dinge schossen mir durch den Kopf: Was wollte Chris bloß? Wie sollte ich mich jetzt verhalten?...Oh man, außerdem vermisste ich meine Familie wahnsinnig! Ich merkte, wie langsam Tränen in mir hochstiegen und versuchte sie zu unterdrücken, doch es klappte nicht. Lautlos liefen mir die Tränen über die Wange, als ich plötzlich hörte, wie sich mir eine Person von hinten näherte. Hastig versuchte ich die Spuren meines inneren Zusammenbruches zu vernichten. „Hey, ich bin's nur.“, sagte Chris, „Was ist denn los?“ Der hatte mir gerade noch gefehlt. „Ach, nichts!“, sagte ich so überzeugend wie ich konnte und wandte mein Gesicht ab. Ich spürte Chris prüfenden Blick auf mir ruhen, dann hörte ich wie er sich neben mich setzte. Langsam wurde ich wütend! Konnte er nicht einfach verschwinden? „Warum weinst du, Claire?“, fragte Chris bekümmert. Ich schwieg beharrlich. Chris seufzte ergeben und beschränkte sich darauf, auf den Bach zu schauen. Ich dachte angestrengt nach. Entweder, ich sagte ihm mal meine Meinung, oder ich ließ ihn. Vielleicht würde er mich endlich in Ruhe lassen, wenn er wüsste, dass ich nichts von ihm wollte? Ich wollte doch nichts von ihm, oder? Andererseits fühlte sich seine Gegenwart tröstlich an, also...Nein! Ich empfand nichts für ihn! Ich kannte ihn ja noch nicht mal richtig, aber irgendwie hatte ich trotzdem das Gefühl ihn schon ewig zu kennen. Ich drehte meinen Kopf zu Chris und sagte genervt: „Was willst du eigentlich von mir? Dauernd läufst du mir nach!“ „Ich will dir doch nur helfen, sonst nichts!“, verteidigte sich Chris. „Hmm...vielleicht nervst du mich aber einfach nur?!“ „Tu ich das?“, fragte Chris erstaunt. Arrgh, dieses arrogante Arschloch, er war es wohl gewohnt, dass ihm niemand wiederstehen konnte und alle seine Anwesenheit gerade zu begehrten. „Ja, gewaltig!“, gab ich wütend zurück und schaute ihn böse an. Chris schaute mich verwundert und auch ein bisschen verletzt an, dann stand er auf. „Dann geh ich halt wieder.“, sagte er zweifelnd, so als würde er erwarten, dass ich aufspringen und ihn zurückhalten würde. „Mach das!“, sagte ich aggressiv. „Mannomann, du hast echt ein Problem!“, entgegnete Chris, jetzt ebenfalls wütend, drehte sich um und lief davon. Endlich, jetzt hatte ich meine Ruhe. Chris war ja echt süß, aber er konnte auch furchtbar nerven. Konnte er mich nicht einmal in Ruhe lassen? Ich saß noch eine Weile still da und dachte über das eben geschehene nach. Ich war traurig, so einen Anfang hatte ich mir nicht gewünscht! Erst der Streit gestern mit Angelica, dann heute mit Chris...Außerdem fühlte ich mich richtig mies, dass ich Chris so angeschnauzt hatte, er meinte es ja nur gut und er war eigentlich ein ganz netter Kerl. Aber er nervte nun mal! Da konnte ich doch echt nichts dafür, dass ich ihm mal gezeigt hatte was ich davon hielt, rechtfertigte ich gedanklich mein Handeln.
Kapitel 6
Inzwischen waren schon zwei Wochen vergangen, es war Samstag und ich wurde ausnahmsweise nicht unsanft von meinem Wecker aus dem Schlaf gerissen, sondern wurde vom Gezwitscher der Vögel geweckt. Ich setzte mich auf, streckte mich und schaute ob Cloe noch schlief. Das tat sie definitiv, Angelica war glücklicherweise auch noch am Schlafen, ich hatte echt keine Lust schon wieder zu streiten. Da heute keine Schule war, konnte ich sie auch noch ein bisschen schlafen lassen. Inzwischen hatte ich mich gut in der Schule eingelebt und mich auch mit anderen Leuten angefreundet, darunter Amy, Sarah, Tess und Grace. Mit Angelica, Ashley und Alison hingegen stritt ich mich dauernd, ich konnte sie einfach nicht ausstehen und außerdem ging mir ihr Gezicke gewaltig auf die Nerven. Seitdem ich mich mit Chris gestritten hatte, ließ er mich in Ruhe. Darüber war ich einerseits froh, andererseits...Vielleicht sollte ich doch nochmal mit ihm reden? Er hatte schließlich nur helfen wollen und das was ich gesagt hatte ist nicht fair gewesen. Mit diesem Vorsatz stand ich auf, zog mich an, machte mich fertig und verließ dann das Zimmer. Wo sollte ich nach ihm suchen? Ich lief durchs Schulhaus und fand mich bald auf dem Schulhof wieder. Na gut, dann musste das eben warten, ich würde mir jetzt ein stilles Plätzchen suchen, das Wetter genießen und mich entspannen. Als ich darüber nachdachte, wo ich mich hinsetzten könnte, fiel mir die alte Linde an dem Flüsschen ein, an der ich neulich gesessen hatte. Zielstrebig lief ich auf „meine Linde“ zu, doch als ich näher kam, wurde ich etwas langsamer. Ich meinte jemanden darunter sitzen zu sehen. Als ich mich dem Baum immer mehr näherte, bestätigte sich mein Verdacht. Unter der Linde saß jemand, es war -shit!- Chris! Mist, jetzt hatte ich keinen Grund mehr das Gespräch zu verschieben. Innerlich seufzend ging ich zu Chris, begrüßte ihn und ließ mich neben ihm nieder. „Du...also wegen neulich...Es tut mir leid, dass ich dich so angefahren hab, es war nicht so gemeint. Ich weiß doch, dass du es nur gut gemeint hast.“ „Na, das fällt dir ja reichlich früh auf!“, sagte Chris ironisch. „Ich weiß, ich weiß, sorry!“, sagte ich verlegen. Es tat mir ja auch wirklich verdammt leid, ich war so ein Depp gewesen! Chris seufzte. „Entschuldigung angenommen“, sagte er grinsend und fügte dann noch hinzu: „Und was bekomm ich als Gegenleistung dafür, dass ich dir so schnell verziehen hab?“ „Auf was willst du hinaus?“, fragte ich misstrauisch. Der führte doch sicher was im Schilde, ich konnte es förmlich hören, wie sein Gehin arbeitete. „Hmm...Nun ja, wie wär's mit einem Treffen morgen um 14 Uhr im Jam Pot?“ „Okay“, willigte ich ein. Als ob ich eine Wahl hätte...Wenn ich nein sagen würde, würde er bestimmt irgendetwas Fieses mit mir anstellen. Vielleicht würde er mich entführen? Ach Quatsch! Was dachte ich da denn schon wieder?! Chris grinste mich immer noch an. „Noch was?“, hakte ich nach. „Och...mal sehen was noch kommt!“, antwortete Chris mit einem Ton in der Stimme der mir gar nicht gefiel. Ich seufzte erleichtert auf, wenigstens hatte er nicht einen Kuss gefordert. „Okayy?? Wollen...wollen wir dann noch was zusammen unternehmen?“, fragte ich unsicher. „Gerne, was?“ „Keine Ahnung, hast du eine Idee?“, sagte ich ratlos. „Wir könnten zum Strand gehen, ich kann dir ein paar schöne Stellen zeigen?!“ „Ok“, sagte ich fröhlich und stand auf.
Wir wanderten lange am Strand entlang, redeten, schauten Surfern zu oder beobachteten einfach nur das Meer. Irgendwann, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, führte Chris mich in eine kleine Höhle, von der wir eine wunderschöne Aussicht auf den Strand hatten, ohne selbst gesehen zu werden. „Das ist mein Lieblingsplatz, hier ziehe ich mich immer zurück, wenn ich Ruhe brauche. Ich glaube niemand außer mir, und jetzt dir, kennt diesen Platz“, sagte Chris. „Schön, die Aussicht ist klasse!“, sagte ich und fühlte mich geschmeichelt, dass er mir die Höhle gezeigt hatte. Chris nickte, dann setzte er sich, an die Wand lehnend, auf den Boden. Er streckte mir die Hand entgegen und forderte mich auf: „Komm her, setz dich doch auch.“ Zögernd ergriff ich seine Hand und setzte mich neben ihn. Schweigend saßen wir da, während Chris meine Hand hielt. Seine Hand war warm, glatt und fühlte sich angenehm in meiner an. Ich wandte Chris meinen Kopf zu und erblickte sein Gesicht nur wenige Zentimeter von mir entfernt. In seinen Augen flackerte etwas auf und ich wusste genau was er wollte. Er wollte mich küssen. Fragte sich nur, ob ich das auch wollte. Nein!, schrie mein Gehirn laut und deutlich, doch mein Körper reagierte genau gegenteilig. Das konnte Chris mir doch nicht antun, er wusste genau, dass es mir schon nicht passte seinem Datevorschlag zustimmen zu müssen. Hatte er das vielleicht vorhin mit „Mal sehen was noch kommt“ gemeint? Hmmpf! Was sollte ich jetzt tun? Jede Faser meines Körpers sehnte sich nach einer Berührung von Chris, mein Verstand allerdings war hin- und hergerissen. Schließlich gab ich dem Wunsch meines Körpers nach, wobei ich mir allerdings gedanklich versicherte, dass ich das nur tat, weil Chris sonst wieder beleidigt sein würde. Und wer wusste schon, was er beim nächsten Mal als Gegenleistung verlangen würde? Ich hob meine freie Hand hoch und strich sanft durch Chris Haare. Chris beugte sich vor und berührte leicht meine Lippen. Dann schaute er mich an. Als ich mich nicht wehrte, sondern ihn nur mit großen Augen anschaute, zog er mich zu sich rüber und küsste mich heftig. Bevor mein Verstand etwas dagegen machen konnte, reagierte mein Körper. Ich schmiegte mich an Chris und erwiederte seinen Kuss. Nach einer Weile löste er sich von mir und lächelte mich an. Glücklich lächelte ich zurück und kuschelte mich an ihn. Was machte ich da eigentlich? Ich sollte hier sofort verschwinden! Es war völlig bescheuert mit jemandem zusammen zu sein, den man noch nicht einmal richtig kannte. Ich war so ein- bevor ich mich weiter mit Vorwürfen überhäufen konnte, schaltete ich mein Gehirn einfach aus und beschloss den Moment zu genießen und mir später darüber Gedanken zu machen. Eine Weile später sagte Chris bedauernd: „Ich bekomme langsam Hunger, wollen wir mal zurückgehen?“ „Hmm...na gut“, antwortete ich. Ich warf einen Blick auf meine Uhr, es war tatsächlich schon 10 Uhr, das bedeutete ich hatte 2 Stunden mit Chris verbracht. Wow! Hand in Hand schlenderten Chris und ich zum Internat zurück. Während wir liefen schwiegen wir beide, es war so ein angenehmes Schweigen, daher störte es mich auch nicht sehr. Ich dachte dabei noch über morgen nach, vielleicht konnte ich vor dem Treffen mit Chris noch mit Cloe shoppen gehen? Ich würde sie nachher mal fragen, nahm ich mir vor. Bevor Chris zum Jungstrakt abbog, gab er mich noch einen langen Kuss, drückte mir einen Zettel in die Hand und lächelte mich wehmütig an. Ich drehte mich um und lief zum Mädchentrakt und dann in mein Zimmer. Dort öffnete ich den Zettel. Auf ihm stand in säuberlicher Schrift geschrieben:
Meine Handynummer, damit du mich jederzeit erreichen kannst=) 0178211456
!
Ich grinste, nahm mein Handy, ein Iphone, dass ich zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, vom Nachttisch und speicherte Chris Nummer ein. Vielleicht brauchte ich sie ja doch mal?! Obwohl ich nicht vorhatte, mit Chris zusammen zu kommen, glaubte ich zumindest...Ach, egal! Ich verschob meine innere Diskussion über das Zusammensein mit Chris nochmals auf später, ich hatte jetzt einfach keine Lust, zu erwägen, was besser war. Ich hasste Erörterungen! Ich widmete mich lieber wichtigeren Dingen, wie zum Beispiel meiner besten Freundin in Camborne mal wieder ein Lebenszeichen von mir zu senden. Also begann ich eine sms an Taylor zu schreiben:
Hi TayTay,
vielleicht ist es hier doch nicht so schlimm wie ich dachte. Alle sind nett zu mir, fast alle, und ich hab schon ein paar Freunde gefunden. Eingelebt hab ich mich auch schon ganz gut! Es gibt hier auch ein paar süße Jungs=), leider sind die meisten von dieser in einer Jungsclique und die können einfach unglaublich arrogant sein!=( Zum Beispiel Chris, mit dem war ich gerade heute Morgen zwei Stunden am Strand und wir haben uns sogar geküsst(es war der HAMMER!), aber ich weiß nicht was ich will. Will ich mit ihm zusammen kommen oder ihm eine runter hauen? Hast du 'nen Tipp für mich?
Wie geht es dir eigentlich so? Wie läuft's in der Schule? Grüß mir die Pferde auf dem Hof!
Hdl <3 Claire
Kurz nachdem ich die sms abgeschickt hatte, betrat Cloe das Zimmer. „Ach, da bist du ja, ich wollte mich gerade auf die Suche nach dir begeben. Wo warst du denn schon in aller Frühe?“ „Ich war draußen. Früh? Für mich ist das nicht sehr früh, ich kann nicht viel länger schlafen.“ „Oh Gott, du Arme!“ Ich lachte. „Wenn du meinst!“ Cloe verdrehte die Augen und setzte sich an einen Schreibtisch, es standen drei, für jeden einen, im Zimmer. „Was willst du machen?“, fragte ich neugierig. „Hausaufgaben“, antwortete Cloe wenig begeistert. Mein Interesse erlosch sofort, trotzdem sagte ich: „Ich mach's mit dir.“ und seufzte ergeben.
Später, als wir zusammen beim Abendessen saßen, fragte ich Cloe: „ Sag mal, willst du morgen mit mir shoppen gehn?“ „Klar, wann denn genau?“, meinte Cloe. „Vormittags, um 14 Uhr hab ich noch 'ne Verabredung.“ „'Kay, hat Chris sich doch nochmal getraut dich zu fragen?“ Ich gab keine Antwort, sondern dachte angestrengt nach. Hatte ich Cloe davon erzählt, dass Chris mich nach einem Date gefragt hatte? Ich dachte eigentlich nicht und mein Gedächtnis war normalerweise sehr gut...Egal! Cloe grinste mich an. Warum zum Teufel grinste sie denn jetzt schon wieder? Ich kriegte noch die Krise! Dieses Mädel machte mich ganz irre!
Kapitel 7
Am nächsten Morgen standen Cloe und ich schon so früh auf, dass wir gleich den ersten Bus nach Hayle, den nächst größeren Ort, erwischten. Dieser kam um 10 Uhr und brauchte eine halbe Stunde. Im Bus suchten wir uns zwei Sitzplätze, dann begannen wir übers Shoppen zu reden. „Willst du was Bestimmtes kaufen?“, fragte Cloe. „Nee, nur mal schauen was es so gibt. Hast du was Besonderes im Sinn?“, sagte ich und schaute fragend in ihre blauen Augen. „Hmm...ja, also ich bräuchte 'nen paar Sommerkleider, kannst du mich da vielleicht beraten?“, meinte Cloe. „Klar, mach ich doch gern.“, antwortete ich und grinste sie an. Während der weiteren Busfahrt dachte ich über das gestrige Treffen mit Chris nach.. Ich hatte ihn ganz bestimmt nur geküsst, weil ich ihm etwas schuldig gewesen war, mehr war da nicht gewesen! Chris dachte jetzt bestimmt wir wären zusammen...Aber das war nicht so, ich empfand in diesem Sinne nichts für ihn! Oder doch? Und wenn schon, er war ein arroganter Kerl, bestimmt genauso eingebildet wie Alec, Stephen und Joe. Die drei fühlten sich, als wären sie die Größten. Und ihre Freundinnen teilten diese Ansicht ja auch noch! Phh...fragte sich nur wie ich es Chris beibringen sollte...Heute schon? Nein, das würde mir meine Laune zu sehr versauen. Am besten, ich ließe es einfach auf mich zukommen. Der Bus stoppte und ich wurde unsanft gegen den Vordersitz gedrückt. „Auf, wir müssen raus, Claire!“, sagte Cloe und schubste mich auf den Gang des Busses. „Jaja, schon gut, ich glaub ich kann ohne deine Hilfe laufen!“, meinte ich etwas erbost über die unsanfte Behandlung. Nachdem wir ausgestiegen waren, schaute ich mich erst mal um. Ich war begeistert! Hayle war ein kleines, etwas älter wirkendes Städtchen. Die Häuser waren fast alle im Fachwerkhausstil errichtet, manche allerdings auch in grellen, moderneren Farben gestrichen. Mitten durch lief die Fußgängerzone und links und rechts davon reihten sich die Geschäfte dicht aneinander auf. Dieser Ort hatte etwas malerisches, verzauberndes an sich. Ich holte meine Kamera aus der Tasche und fotografierte alles, was mir vor die Linse kam. So viele Bilder wurden es dann doch nicht, da Cloe bald fand, wir hätten genug rumgestanden und dann anfing mich in alle Läden zu schleppen, die hier existierten. Bis halb zwei zogen wir von Laden zu Laden und ich half Cloe, wie versprochen, bei Aussuchen von Sommerkleidern. Wir fanden auch ein paar, die entweder ihre Haare, ihre Augen oder ihren Körper gut zur Geltung brachten. Oder natürlich alles zusammen! Letzlich kaufte ich mir auch noch ein Kleid. Es ging mir bis zur Mitte meiner Oberschenkel, war silbern und mit vielen glitzernden Paietten bestickt. Es war trägerlos und lag sehr eng an. Eigentlich hatte ich es nicht kaufen wollen, da ich nicht so recht wusste, wann ich es anziehen könnte, doch Cloe war so begeistert davon, dass ich mich überreden ließ. Nach diesem Einkaufsrausch waren wir ganz schön erschöpft und vom vielen Laufen taten mir die Füße weh. Also beschlossen Cloe und ich jetzt schon zum Jam Pot zu gehen und uns dort schon mal hinzusetzen. Das Café war ziemlich voll, doch schließlich fanden wir draußen noch einen Platz, sogar in der Sonne! Ich bestellte mir einen Eiskaffee und Cloe einen Kiwieisbecher. Sie protestierte zwar, als ich sie auf meine Kosten einlud, und meinte, dass sie alles bezahlen würde, doch ich ignorierte ihre Einwände und ließ ihren Eisbecher auf meine Rechnung setzen. Cloe fand sich damit ab und bedankte sich überschwänglich bei mir. „Vielen, vielen Dank! Aber das nächste Mal bin ich dran!“ „Abgemacht!“, antwortete ich und schlürfte genüsslich meinen Kaffee. Ich liebte Kaffee! Ohne den ging morgens gar nichts! Und Cloe mochte am liebsten Kiwis, in allen möglichen Formen: Eis, Pudding, Marmelade...Hauptsache es waren Kiwis drin! Um kurz vor zwei erblickte ich Chris wie er mit Eric geradewegs auf uns zusteuerte. Mist! Ich hatte gehofft er käme nicht! Naja, eigentlich ja nicht, aber... „Schau mal Cloe, da kommen Chris und Eric!, sagte ich, betonte dabei besonders das Wort „und“ und zeigte in die Richtung der Jungs. „Warum Eric wohl noch mitkommt?“, fügte ich mit einem bedeutungsvollen Unterton hinzu. „Claire!“, wies mich Cloe zurecht, „Benimm dich und halt deine Gedanken in Zaum!“ Statt zu antworten lachte ich nur. Das konnte ja heiter werden! Chris und Eric kamen immer näher und nun konnte ich sehen, dass ein freudiges Lächeln auf Chris Gesicht lag. Aha, er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich kam. Ich lächelte zurück, aber als sich auf seinem Gesicht so ein Du-bist-meine-Freundin-und-ich-küss-dich-zur-Begrüßung-Ausdruck ausbreitete, setzte ich eine böse Miene auf und schüttelte kaum merklich den Kopf. Chris hatte meinen Gesichtsausdruck wohl gesehen und richtig gedeutet, denn er umarmte mich nur und ließ sich mir gegenüber nieder. Eric nahm neben ihm Platz. Cloe und Eric schwatzten bald über dies und jenes, Chris und ich hingegen redeten nicht so viel. Um kurz nach drei machten wir uns zusammen auf den Rückweg. Wieder im Internat angekommen, sagte Chris zu Cloe und Eric: „Geht schon mal, ich will noch mit Claire reden.“ Übersetzt hieß das dann wohl: Haut ab, ich will mit Claire allein sein. Ich sagte nichts, schaute ihn aber fragend an. Was wollte er denn jetzt von mir? Meine böse, irre, innere Stimme flüsterte mir leise zu: Vielleicht will er dich vergewaltigen, verschleppen und - Stop! Was dachte ich überhaupt? Vergewaltigen? Phh..War ich etwa gerade im Tatort? Nein! Ich war in Cornwall auf dem Mary Bloom Internat, verdammt nochmal! Ich sollte definitiv nicht so viele Tatorte schauen. Aber ich fand sie einfach toll...Oh, ich schweifte vom Thema ab. Gerade als ich wieder zu grübeln begann, was Chris wollte, ergriff er meine Hand und zog mich in Richtung Linde. Langsam entwickelte sich dieser Platz zu meinem Lieblingsplatz, zumindest war ich verdächtig oft dort. Als wir darunter angekommen waren, fing Chris an zu sprechen: „Warum willst du nicht, dass andere merken, dass wir zusammen sind? Es ist doch nichts Schlimmes!“ „Hmm...Weiß nicht!“, antwortete ich leise. Kacke verdammte! Ich hatte gehofft, genau dieses Gespräch nicht mit ihm führen zu müssen. Was sollte ich jetzt sagen? Ihm sagen, dass ich nicht mit ihm zusammen sein wollte? Ne, irgendwie wollte ich das ja schon... „Hör mal Chris...“, setzte ich an, schwieg einen kurzen Moment und fuhr dann fort, „Das müssen ja nich gleich alle wissen, sonst haben wir keine ungestörte Minute mehr. Glaub mir, ich weiß das, ich hab das schon mal erlebt.“ Das stimmte auch, sobald ich mich mit meinem damaligen Freund Phil gezeigt hatte, fingen alle an zu tuscheln, wo auch immer wir erschienen. Das war ziemlich lästig. „Na gut, wenn du meinst.“, willigte Chris widerstrebend ein. „Heißt das, du hattest noch keine Freundin?“, fragte ich verblüfft. Chris schüttelte den Kopf. Das fand ich doch ziemlich erstaunlich, man sollte doch meinen, dass so ein verdammt gut aussehender Typ wie Chris keine Probleme im Ansprechen von Mädchen hatte. Ich setze mich und forderte Chris auf: „Erzähl mir doch mal was über deine Familie, ich weiß ja gar nichts von dir!“ „Da gibt es nicht viel zu erzählen, ich hab noch einen Bruder, meine Eltern und er leben zusammen in Wales.“ „Jünger oder älter?“, hakte ich nach. Chris schwieg einen Moment, so als müsse er darüber nachdenken, dann antwortete er: „Rick ist jünger als ich.“ „Ah.“ Warum hatte er kurz gezögert? Irgendetwas war da noch, da war ich mir sicher. „Was ist mir deiner Familie?“, fragte Chris. „Meine Eltern leben getrennt, deswegen bin ich ja hierher gekommen und ich hab noch 'ne kleine Schwester, Blaire.“ Chris lächelte, sagte aber nichts. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass es schon spät war. „Ich muss jetzt los, sorry!“, sagte ich entschuldigend. Chris schaute mich an, schwieg aber weiterhin. Ich sah in seine unergründlichen Augen und beugte mich, von einem unerklärlichen Impuls getrieben, vor, um ihn zu küssen. Eigentlich wollte ich gar nicht unsere Beziehung beenden, in Chris Gegenwart fühlte mich immer so geborgen und entspannt. Ich drehte mich um und rauschte in Richtung Mädchentrakt davon. Vor meinem Zimmer angekommen, holte ich tief Luft und stieß die Tür auf. Ich wappnete mich auf den Ansturm der Fragen, die von Cloe sicherlich kommen würde, doch alles blieb still. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und erstarrte. Mist, sowas konnte aber auch nur mir passieren! „Äh...'tschuldigung, ich wollte euch nicht stören.“, sagte ich verlegen und wollte gerade den Rückzug antreten, als Eric anfing zu sprechen: „Nein, nein. Ist schon ok, ist schließlich auch dein Zimmer.“ „Genau.“, bekräftigte Cloe. „Meins übrigens auch.“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter mir. Och nö, nicht auch noch die Tussi! Bäh, ich musste gleich kotzen! Schon allein der Klang ihrer Stimme...Cloe funkelte Angie böse an, zuckte dann aber mit den Schultern und meinte: „Jaja, stimmt schon.“ Leise fügte sie noch hinzu: „Leider!“ Angelica hatte dies anscheinend nicht gehört oder geflissentlich überhört, denn sie fuhr gehässig fort: „Ihr wisst aber schon, dass Jungs in Mädchenzimmern nicht erlaubt sind?!“ Ich schaute fragend zu Cloe, diese wurde rot wie eine Tomate. Anscheinend hatte Angelica Recht. Warum musste sie immer ausgerechnet dann Recht haben, wenn es am wenigsten passte? „Hm...Jahh, also...“, setzte Cloe an, doch Eric unterbrach sie: „Ich hab Cloe lediglich ins Zimmer begleitet!“ Das war sicherlich eine fette Lüge und ich wollte gar nicht wissen, was die beiden tatsächlich vorgehabt hatten. Cloe nickte zustimmend und Eric ergänzte noch: „Das ist jetzt ja erledigt, dann werd ich mich mal verdünnisieren.“ Er grinste uns alle noch einmal an, dann marschierte er zur Tür hinaus. „Arrogantes Arschloch!“, sagte Angie und starrte wütend auf die Stelle, an der er soeben noch gestanden hatte. Ich rümpfte nur die Nase, während Cloe auf Angie losging: „Stimmt doch gar nicht, er ist hundertmal besser als dein Joelein!“ „Was hast du gesagt? Du miese Schlampe! Du...“ Ich drehte dem Streit den Rücken zu, setzte mich auf mein Bett schaltete mein Handy ein. Juhuu, Taylor hatte mir zurückgeschrieben!
Hi Claire,
schön, dass es dir gut geht! Ach, komm schon, du wirst doch keinen Liebeskummer haben? Oder gar Probleme mit Jungs? Seit wann das denn? Meinesachtens war das noch nie so und wird auch niemals so sein! Dann hau Chris halt erste eine runter und dann knutsch ihn abxD Nee, Scherzle! Bist du dir denn sicher, dass er auch arrogant ist? Also, ich würd dir raten, dass du erst mal dir darüber klar wirst, was du fühlst. Folge deinem Herzen, Claire, das hat bei mir bisher immer geklappt. Mir geht’s gut, und in der Schule ist alles super. Phil ist einfach zu süß *schwärm*, ich weiß nicht warum ihr euch getrennt habt?!
Mach ich, Grüße an Suleika!
Bussi, TayTay
Na toll, und das sollte mir jetzt helfen? Was meinte sie damit, dass ich keine Probleme mit Jungs hätte? Natürlich hatte ich die! Taylor immer mit ihren ach so witzigen Scherzchen. Ich verdrehte die Augen. Meinem Herzen folgen? Toll, bei ihr sollte es also immer geklappt haben? Klar doch! Das sah ich jetzt aber ein bisschen anders. Sie hatte bisher einen Freund gehabt, doch noch einem Monat hatte er dann Schluss gemacht. Und wer durfte Taylor trösten? Richtig! Ich natürlich. Und jetzt machte sie sich an Phil ran, das konnte ja lustig werden. Ich schmuzelte. Phil passte eigentlich gar nicht zu Taylor, er war das genaue Gegenteil von ihr. Er war groß, hatte braune, kurze Haare und ebenso braune Augen. Außerdem hatte er die Statur eines Footballspielers, obwohl er nicht Football sondern Basketball spielte, und war sehr beliebt. Taylor hingegen war relativ klein und kräftig gebaut (nicht dick, kräftig!), hatte glatte, braune Haare und grün-blaue Augen. Ihr letzter Freund war etwa genauso groß wie sie gewesen und auch alle anderen Typen für die sie schwärmte waren eher kleiner und malten, spielten Klavier...Sie waren also definitiv nicht so sportlich. Naja, Gegensätze zogen sich ja bekanntlich an, ich hoffte sie würde mich auf dem neusten Stand halten. Ich schrieb ihr erst mal zurück, bevor ich noch weitere Spekulationen anstellte.
Hey TayTay,
schon länger, du kriegst es bloß net mit! Witzig*Augen verdreh*! Keine Ahnung, das ist doch mein Problem, du Nuss! Meinem Herzen folgen? Klar doch, bei dir hat's ja auch abartig gut funktioniert! Wer musste dein Herzchen denn wieder zusammenflicken, nachdem du ihm gefolgt bist? Ich! Und dann behauptest du es hat immer geklappt?! *Kopf schüttel* Was willst du von Phil? Er ist doch gar nicht dein Typ. Außerdem, ist er nicht vergeben? Der ist doch nie 'ne Woche allein :D Ach, weißt du, es war einfach vorbei, fanden wir beide. Aber es war ein verdammt schönes Jahr zusammen mit ihm! *lächel*
Wird gemacht xD
xoxo Claire
Ich schickte die sms ab und lächelte dabei vor mich hin. Ein Jahr war ich mit ihm zusammen gewesen und all die schönen Erinnerungen schossen mir jetzt durch den Kopf. Wenn ich Chris eine Chance geben würde, könnte ich dies alles vielleicht nochmal erleben...Ja, das war eine gute Idee, auch wenn ich kaum etwas von ihm wusste und ihn noch nicht lange kannte. Dafür lohnte es sich auf jeden Fall.
Kapitel 8
„Oh, schau mal, die Plakate für den Schulball!“, sagte Amy, mit der ich gerade auf dem Weg zum Lateinunterricht war. „Wo?“, fragte ich, denn ich konnte das angesprochene Plakat nirgends ausmachen. „Neben dir, du Dussel!“ „Oh...ja, okay.“ Mann, ich war aber echt blind, ich war ja praktisch direkt daran vorbei gelaufen. Interessiert studierte ich das Blatt. Der Ball war am 1. November. Ausgerechnet da, an meinem Geburtstag! Na toll! „Was ist? Du siehst nicht gerade begeistert aus“, meinte Amy, die sich sichtlich auf diesen Tag in genau zwei Wochen freute. „Das is mein Geburtstag.“, seufzte ich. „Hmm...find ich, ehrlich gesagt, nicht wirklich schlimm“, sagte sie und schaute mich offen an. „Hm-hm...“, meinte ich nur, hakte mich bei ihr ein und fügte noch hinzu: „Darüber können wir in Latein weiter reden, lass uns gehen sonst kommen wir zu spät.“ „Die kommt doch eh immer zu spät“, meinte Amy lässig, folgte mir aber trotzdem. Das stimmte eigentlich auch, unsere Lehrerin Frau Jones kam des öfteren zu spät, was mich nicht sonderlich störte, da es den Unterricht verkürzte. Dieser war manchmal echt richtig langweilig. Außerdem konnte ich die Sprache Latein an sich schon nicht wirklich ausstehen. Aber man konnte extrem gut über Frau Jones lachen, zum Beispiel wenn sie vorne rumhüpfte und Leute an die Tafel schrieb, die zu laut waren (das waren eigentlich alle, aber was soll's). Oder wie sie endlose Diskussionen mit jemandem führte, der behauptet hatte, die lateinische Sprache sei einfältig oder tot. Einfach zum Totlachen! Als wir dann schließlich im Klassenraum saßen, blendete ich das Geschwafel von Frau Jones aus und attackierte stattdessen Amy mit Fragen: „Mit wem willst du zum Ball gehen? Was ziehst du an? Was machst du mit deinen Haaren?“ „Öh, also immer schön langsam und der Reihe nach, Claire! Ich würd gern mit Jayden Smith aus der 11b hingehn, aber weiß nicht ob ich mich traue ihn zu fragen. Was ich anziehe: Keine Ahnung, ich denk ich geh dafür noch in die Stadt. Und meine Haare steck ich mir, denk ich zumindest mal, hoch!“ „Ah“, lautete meine einfallsreiche Antwort. Dann wurde ich kurz von Frau Jones unterbrochen, die mich fragte: „Weißt du was „arens“ heißt, Claire?“ „Trocken, dürr?“, fragte ich zurück. Frau Jones bedachte mich noch mit einem bösen Blick, vermutlich weil ich geschwätzt hatte, und fuhr dann mit dem Unterricht fort. Ich wandte mich wieder Amy zu und fügte noch hinzu: „Ich hab gehört er soll ganz nett sein, dir wird schon nichts passieren!“ Jayden Smith war Schülersprecher an der Schule, normal groß und muskulös, hatte braune Haare und war auf dem besten Weg ein Einser Abi zu bekommen. Soweit ich wusste war er ein stiller Typ, also nicht so mein Fall! Aber es ging ja hier um Amy, nicht um mich! Die Stunde zog sich endlos lang hin, doch schließlich rauschte Frau Jones mit „Und lernt schön eure Vokabeln“ aus dem Zimmer. Na klasse, das bedeutete wohl, wir würden morgen einen „unangekündigten“ Test schreiben. „Toll!“, brummte ich vor mich hin während ich mein Zeug zusammen packte. Infolge dieser Ankündigung hatte ich den Rest des Vormittags schlechte Laune und nicht einmal meine gelungene Französischarbeit, die ich zurück bekam, konnte mich aufheitern. Am Nachmittag traf ich mich mit Chris und er fragte mich, wie erwartet, ob ich mit ihm auf den Ball gehen wollte. Ich sagte zu. Inzwischen hatte ich es aufgegeben unsere Beziehung geheim zu halten und genoss jeden Moment mit ihm. Eigentlich war er doch gar nicht so arrogant, er erwies sich sogar als extrem nett und süß mir gegenüber, meistens zumindest. Und jedes Mal wenn ich ihn sah bekam ich Herzklopfen und mein ganzer Körper fing an zu kribbeln.
„Claire?“, fragte Cloe mich, als ich später auf dem Bett saß und mein neustes Buch, einen Krimi, las. „Hm?“, sagte ich gedankenverloren und las dabei weiter. „Meinst du Eric fragt mich wegen dem Schulball?“ Schlagartig war ich voll da und antwortete bestimmt: „Klar, er wartet sicher nur auf einen Moment mit dir allein.“ Diese Momente waren nicht oft, da wir fast immer mit Amy, Grace und Sarah zusammen waren. Manchmal waren dann auch noch Chris und Eric dabei und vielleicht würde sich Jayden auch bald dazu gesellen? „Wenn du das sagst.“, meinte Cloe erleichtert aber immer noch ein wenig nervös. Ich vertiefte mich wieder in meinen Krimi, fünf Minuten später wurde ich aber erneut aus der Buchwelt herausgerissen, als es nämlich an der Tür klopfte. „Herein!“, kam es von Cloe aus dem Bad. Die Tür wurde geöffnet und es war- „Eric!“, rief Cloe freudestrahlend. Sie zwinkerte mir zu, dann verschwand sie mit Eric aus dem Zimmer. Ich lächelte vor mich hin, da piepste plötzlich mein Handy. Oh, ich hatte eine sms bekommen. Vielleicht von Taylor? Sie hatte mir schon seit Ewigkeiten nicht mehr geantwortet.
Hey,
Sorry, dass ich erst jetzt zurückschreib, aba ich hatte keine Zeit! Das war doch 'nen Idiot. Naja egal! Jah, er is vergeben, na und? Hast du inzwischen 'ne Lösung für dein kleines Problem gefunden oda muss ich dir weiter Tipps geben? Übringens bin ich im Moment auch nicht solo, aber das würds ja nur noch spannender machen, gell?
TayTay
Was hatte die denn für 'nen Problem? Seit wann war sie so eine Tussi die mit fünf Typen gleichzeitig was hatte? Das war definitiv nicht mehr die Taylor, die ich kannte. Ich schrieb gleich zurück, ICH hatte ja genug Zeit für 'ne kleine Antwort.
Hey,
Ähh..Nee, musst du nich, ich kriegs schon irgendwie hin! Sag mal, was ist mit dir los, du hörst dich schon so an wie die Schulzicken hier bei mir und wie Jessy und ihre Freundinnen?!
Claire
Jessy war an meiner alten Schule so ungefähr das gewesen, was Angie hier war: Zickig, reich und strohdumm! Ich rümpfte die Nase. Ich konnte solche Leute partout nicht leiden. Verärgert schüttelte ich den Kopf, schaltete mein Handy aus und beschloss dann ins Bett zu gehen.
Ich träumte, das wusste ich, aber es war ein sehr schöner Traum und ein wenig wünschte ich mir, dass es doch real war. Ich tanzte darin in einem großen Ballsaal, in dessen Mitte ein wunderschöner Brunner stand. Die ganzen Leute, die um mich herum tanzten, kannte ich nicht, doch trotzdem war alles irgendwie so vertraut. Doch bevor ich überhaupt weiter darüber nachdenken konnte, wie ich dahin gekommen war und vor allem mit wem, ertönte ein Geburtstagslied ganz in meiner Nähe. Es klang fürchterlich schief und irgendjemand kicherte zwischendrin immer wieder. Plötzlich war ich hellwach: Das konnten nur meine lieben Freunde sein. Ich schlug die Augen auf und setzte mich aufrecht hin, gleich darauf wurde ich mit Glückwünschen und Geschenken überhäuft. Alle redeten wild durcheinander und wollten, dass ihr Geschenk zuerst ausgepackt wurde. „Okay, immer mit der Ruhe, ich mache alle Geschenke auf, ja?“, unterbrach ich das Geplapper und schnappte mir zuerst Chris' Geschenk. Es war klein und rechteckig. Ungeduldig riss ich das Papier auf. Zum Vorschein kam ein in Samt gehülltes Kästchen. Vorsichtig öffnete ich es. Darin lag eine silbernes Armband, an dem verschiedene Anhänger baumelten. „Ohh, vielen, vielen Dank!“, murmelte ich Chris zu und bestaunte weiter das Armband. „Soll ich es dir anlegen?“, fragte Chris. Ich nickte und hielt ihm meinen rechten Arm hin, dann nahm ich mir die weiteren Geschenke vor: Von Grace bekam ich ein Buch (Isola), von Amy neue Reithandschuhe, die ich dringend gebrauchen konnte, und Pferdeleckerlis, von Sarah ein Paar wunderschöne, silberne Ohrringe und von Cloe einen H&M-Gutschein über 20 Euro. Ich bedankte mich auführlich bei meinen Freuden und verabredete mich mit Chris um 20 Uhr vor meinem Zimmer, dann zog ich mich an und machte mich daran meine Hausaufgaben zu erledigen und für die Mathearbeit nächste Woche zu lernen. Der Vormittag verging wie im Flug und bald war es auch Zeit, sich für den Schulball aufzustylen. Ich brauchte ganze drei Stunden um zu duschen, meine Frisur zu richten, mein Kleid anzuziehen, meinen Schmuck anzulegen und mich zu schminken. Als ich um viertel vor acht einen letzten Blick in den Spiegel warf, saß alles perfekt! Wunderbar! Dann konnte es ja losgehen. Ungeduldig lief ich im Zimmer auf-und ab. Schließlich, als ich es beinahe nicht mehr aushielt, klopfte es an der Tür. Das war bestimmt Chris. Ich wollte die Tür gerade öffnen, doch Cloe kam mir zuvor. „Hallo, hereinspaziert“, begrüßte sie Chris und Eric. „Ich bin sofort fertig, ein Momentchen noch!“, fügte sie noch an Eric gewandt hinzu. Chris zog mich an seine Brust und fragte: „Wollen wir schon geh'n?“ „Gern“, antwortete ich und setzte mich in Bewegung.
Der Ball war traumhaft, abgesehen von der Tatsache, dass ich dauernd Angies Clique über den Weg lief. Irgendwann taten mir meine Füße so weh und mir war so schwindlig vom vielen Herumwirbeln, dass ich das Gefühl hatte gleich zusammenzuklappen. Ich tippte Chris auf die Schulter und meinte: „Ich muss mal kurz raus an die frische Luft, ja?“ „Okay, ich geh erst auf die Toilette, dann komm ich nach!“ Ich nickte und bahnte mir dann einen Weg durch die Menge nach draußen. Dort atmete ich erst einmal tief durch. Mir ging es gleich viel besser, es war so schön ruhig hier. Ich schaute nach oben in den wunderschönen Sternenhimmel, der über und über mit Millionen von kleinen Sterne übersäht war. Was jetzt? Hier auf Chris warten?, fragte ich mich. Ach, der würde mich schon finden. Also beschloss ich ein wenig zu laufen. Langsam schlenderte ich so umher, genoss die Frische und Stille und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Als ich bei den Ställen angekommen war, drehte ich wieder um, langsam wurde es nämlich kalt. Als ich nach links schaute, meinte ich etwas Helles unter den Bäumen zu sehen. Vielleicht war das Chris, der mich suchte? Ich beschleunigte mein Schritte und lief auf die Baumgruppe zu, an der ich das Helle hatte aufblitzen sehen. Tatsächlich, da stand wirklich jemand. Als ich nur noch 10 Meter entfernt war, sah ich, dass ich mich getäuscht hatte. Das war gar nicht eine Person, das waren zwei! Dann konnte es ja Chris nicht sein. Gerade wollt ich mich umdrehen als der blonde Junge sich vorbeugte und das Mädchen küsste. Dabei wurde sein Gesicht kurz von einem Mondstrahl getroffen, sodass ich das Gesicht erkennen konnte. Ach du meine Scheiße, es war Chris. So sah also sein Auf-die-Toilette-gehen aus? Dieser Dreckssack! Der würde was von mir zu hören kriegen! Betrog mich mal eben so? Arrrg...Stinksauer starrte ich weiter zu den beiden herüber. Am liebsten würde ich sofort zu Chris rennen und ihm eine knallen, aber ich wollte erst wissen wer das Mädchen war. Vielleicht Angie? Der traute ich es zumindest zu, so etwas Mieses zu machen. Aber warum machte Chris bei so etwas mit? Nach ein paar Minuten war ich immer noch nicht schlauer, was die Identität des Mädchens anging, dafür verabschiedete sich aber Chris und ging quer über den Hof davon. Toll, jetzt ging er wahrscheinlich wieder zum Ball und tat so, als wäre nichts gewesen...Sollte ich jetzt lieber Chris gleich zur Rede stellen oder rausfinden wer dieses verdammte Mädchen war? Ich entschied mich für letzteres und ging mit schnellen Schritten zu ihr herüber. Klasse! Das fand ich jetzt echt super! Betrogen mich etwa alle meine Freunde? Das brachte das Fass aber jetzt endgültig zum Überlaufen. „Verdammt nochmal, Amy, was hast du hier draußen mit meinen Freund verloren?“, schnauzte ich diese wütend an. „Ich...“ „Ach, halt doch die Klappe, du verlogenes Miststück! Was willst du denn sagen? Etwa: das war nicht Chris, das war der Weihnachtsmann? Wie konntest du mir das antun? Ich dachte wir wären Freunde?“, ich stockte und merkte, dass ich nahe am Losheulen war. „Okay, Claire, jetzt hör mir aber mal zu! Das-“, setzte Amy an, doch ich unterbrach sie wieder und schrie sie an: „Gar nichts tu ich, ich hau jetzt ab!“ Dann drehte ich mich um und rannte über den Hof zum Schulgebäude. Die Tränen liefen mir nun in Strömen übers Gesicht und ich schluchzte haltlos. Was sollte ich jetzt machen? Ich war so verdammt wütend und einfach wahnsinnig enttäuscht von Chris und Amy. Ich wollte nur noch weg von hier. Als ich die Schule betrat, lief ich Chris direkt in die Arme.
Kapitel 9
Sobald ich Chris bemerkte, wollte ich umdrehen und wieder raus rennen. Doch Chris hatte mich schon gesehen und wohl auch meine Verfassung registriert, denn er kam auf mich zu und machte ein besorgtes Gesicht. Dieser Heuchler. Wut brodelte in mir auf und ich verdrängte meine Trauer. Ich starrte ihn finster an und wollte gerade meinen Mund aufmachen, um ihm zu erklären, dass es vorbei war, als er mich in die Arme nahm und sagte: „Was ist denn passiert, ist irgendjemand gestorben oder so?“ Noch vor einer halben Stunde hätte ich ihm jetzt alles erzählt, doch das gehörte der Vergangenheit an. Ich versteifte mich und wand mich aus seinen Armen. „Was soll das Chris? Ich hab euch geseh'n, es reicht!“, sagte ich mit möglichst beherrschter Stimme. Ich versuchte nicht auszurasten, doch durch Chris Antwort wurden meine Anstrengungen zunichte gemacht. „Von was redest du? Ich will dich nur trösten, weil ich sehe dass es dir beschissen geht! Und mit wem willst du mich gesehen haben? Ich hab nur mit Ryan gesprochen.“ Jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und alles sprudelte aus mir heraus, während mir weiter Tränenströme über das Gesicht liefen. „Ich hab dich mit Amy gesehen, wie ihr euch geküsst habt. Warum tust du mir das an?“ Geschockt schaute Chris mich an. Damit hatte er wohl nicht gerechnet, er dachte jetzt wahrscheinlich auch noch, dass ich ihm seine armseligen Ausreden abkaufen würde, die sicherlich kommen würden. „Das stimmt nicht, ich war nur auf der Toilette und hab mit Ryan geredet.“ „Ja, klar, ich hab's doch mit eigenen Augen gesehen. Ihr seid solche Miststücke, ihr wollt es beide nicht zugeben, nur weil ihr zu feige seid!“ „Nein! Was redest du da? Ich war nicht bei Amy! Wenn sie das Gleiche sagt wie ich, warum glaubst du es dann nicht einfach? Vielleicht war es-“ Er wurde noch blasser als er es schon war und verstummte abrupt. „Ja, wer soll es denn gewesen sein, hm?“, blaffte ich ihn an. Was wollte er mir denn nun für eine Lüge auftischen? Er schwieg beharrlich. „So, jetzt weißt du nicht mehr weiter, ne?“ Ich wusste, dass ich ihm nicht mal eine Chance ließ, irgendetwas zu erklären, aber das war mir egal. „Claire, ich muss was überprüfen, es tut mir Leid. Ich liebe dich.“ Dann drehte er sich um und ging einfach. Verdutzt schaute ich ihm nach. Mit so was hätte ich nicht gerechnet. Was sollte das? Ich wollte mit ihm streiten, meine ganze Wut loswerden. Doch jetzt wo er weg war, verschwand diese ebenso schnell wie sie gekommen war und ließ nichts als Leere zurück. Ich fühlte mich wie betäubt, wie in einem schlechten Traum gefangen. Enttäuscht stolperte ich in mein Zimmer und warf mich dort vollständig bekleidet auf's Bett. Normalerweise würde ich das nicht machen, denn meinem Kleid tat das ganz bestimmt nicht gut, aber im Moment war mir alles egal. Ich wollte nur noch schlafen und am liebsten nie wieder aufwachen!
Als ich die Augen aufschlug, fühlte ich mich ausgelaugt und müde, obwohl ich 10 Stunden geschlafen hatte. Mühsam rappelte ich mich auf und schlurfte ins Bad. Nur langsam kam mein Gehirn in die Gänge und rief die schrecklichen Bilder des gestrigen Abends hervor. Ich schluckte und versuchte sie zu verdrängen, doch ich hatte nicht die Kraft dazu. Also zog ich einfach nur mein Kleid aus und stellte mich unter die Dusche. Vielleicht würde mich das wiederbeleben. Das tat es auch tatsächlich, ich fühlte mich danach zumindest nicht mehr ganz so schlecht. Mein Kleid sah ziemlich mitgenommen aus, genau wie ich. Bei meinem Kleid konnte man das durch Bügeln wieder richten, bei mir würde das nicht so einfach werden. Trotz der Bilder, die in meinen Kopf herum geisterten, fühlte ich weder Wut noch richtige Trauer, sondern nur Verzweiflung. Nachdem ich irgendetwas, was mir gerade in die Finger fiel, angezogen hatte, ging ich zu meinem Schrank und räumte alles, was irgendwie mir Chris zusammenhing, in die hinterste Ecke einer Schublade. Dann legte ich mich auf mein Bett und versuchte zu lesen, doch die Wörter ergaben einfach keinen Sinn. Nach einer Weile kam Cloe ins Zimmer und begann sofort über den letzten Abend zu plappern. Schließlich wollte sie wissen, wo ich denn so plötzlich hin verschwunden sei. „Ins Zimmer.“, lautete meine Antwort. Ich versuchte ein paar Emotionen herauf zu beschwören, doch es klang einfach nur leblos und eintönig. „Mit Chris?“, hakte Cloe nach, sie wusste anscheinend von nichts. „Nee.“, meinte ich. Cloe schaute mich verwundert an und wechselte dann aber das Thema: „Sag mal, hast du Amy schon gesehen?“ Ich schüttelte den Kopf und fügte noch hinzu: „Ich war bis jetzt nur hier im Zimmer.“ Einen Moment lang breitete sich Stille im Zimmer aus, dann meinte Cloe: Irgendwas ist doch, oder? Ist was passiert?“ Ich blieb stumm, ich fühlte mich noch nicht bereit alles nochmal zu durchleben, doch Cloe ließ nicht locker. „Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Abtauchen von Chris und Amy und deiner Stimmung?“ Ich atmete ein Mal tief durch, dann nickte ich. „Willst du's mir erzählen?“, fragte sie einfühlsam und setzt sich auf meine Bettkante. „Es ist vorbei, ich hab Chris mit Amy erwischt. Gestern Abend. Unter den Bäumen.“ „Was? Das kann ich nicht glauben. Die beiden?“ Ich bejahte. „Ich hab's gesehen.“ „Ach du meine Scheiße!“ Cloe schaute mich an und umarmte mich fest. „Das tut mir Leid für dich! Aber mit Chris und Amy werd ich mal eine Wörtchen reden müssen!“ Ich schaute sie nur an. Wenigstens eine, die noch zu mir hielt. „Kann ich irgendwas für dich tun?“, fragte Cloe mitfühlend. „Ja, erzähl's nicht gleich allen und halt mir die Zickenclique vom Hals, bitte!“ Sie nickte. „Dann such ich jetzt Chris und Amy.“ Ich nickte und starrte die Decke an, versuchte an nichts zu denken und gleichzeitig mein Herz zusammenzuflicken.
Gefühlte drei Stunden später kam Cloe zusammen mit Grace und Sarah ins Zimmer gestürmt. „Chris bestreitet es und Amy find ich nicht.“ Sarah und Grace nickten zustimmend und kamen dann auf mich zu. „Hier, wir haben dir was mitgebracht.“, sagte Sarah und Grace hielt mir eine Tüte Gummibärchen und eine Tafel Schokolade entgegen. „Danke.“, sagte ich mit belegter Stimme und stand auf, um die beiden zu umarmen. „Glaubt ihr Chris?“, fragte ich leise und mied dabei ihren Blickkontakt. Cloe verneinte und Grace und Sarah zuckten mit den Schultern. „Er sagt immer nur, dass er's nicht gewesen sei und dass er einen Verdacht habe, wer es war, aber er sagt uns nicht wer.“ „Das hat er mir auch erzählt.“, sagte ich. „Naja, und Amy können wir, wie gesagt, nicht finden und deshalb auch nicht fragen.“, fügte Grace hinzu. „Danke für die Mühe, die ihr euch gemacht habt.“ „Gern geschehen.“, antworteten alle drei gleichzeitig. Ich deutete ein Lächeln an, dann verließ ich das Zimmer. Cloe lief mir hinterher und fragte: „Was willst du machen?“ „Ich suche Amy.“, antwortete ich entschlossen. Cloe sah anscheinend ein, dass das eine Sache war, die ich allein erledigen wollte und blieb stehen: „Bis später!“ Ich eilte weiter, zuerst wollte ich in den Ställen anfangen. Doch dort war sie nicht, ebenso wenig wie in der Sporthalle und in der Bibliothek. Doch so leicht gab ich nicht auf. Ich suchte weiter im Computerraum, in ihrem Zimmer und fragte alle Lehrer und Schüler, die mir über den Weg liefen. Aber niemand hatte sie gesehen. Schließlich gab ich mir einen Ruck und ging zu Chris' Zimmer. Ich klopfte und gleich darauf wurde mir von Eric geöffnet. „Kann ich kurz mit Chris sprechen?“, fragte ich bittend. Eric bedachte mich mit einem bösen Blick, ließ mich aber eintreten. Chris saß an seinem Schreibtisch und suchte anscheinend nach etwas. „Chris?“, fragte ich leise. „Claire?“ Erstaunt fuhr er herum und starrte mich an. Kurz flackerte Freude in seinem Gesicht auf, dann verdunkelte sich sein Blick wieder. „Was willst du?“, fragte er schroff. „Hast du...hast du Amy heute schon gesehen?“ „Nein, willst du mir jetzt schon wieder Vorwürfe machen? Ich hab dir doch schon alles gesagt.“ „Nein, ich wollte bloß mit Amy reden und hab sie aber nicht gefunden...“ „Ach, und da dachtest du, ich müsste das ja wissen, ja? Verdammt nochmal, ich hab sie gestern nicht getroffen, ich war das nicht!“ Ich schaute ihn ausdruckslos an und meinte dann: „Dann kannst du mir bestimmt sagen, wer es war, nicht wahr?“ „Nein...Ja...Es ist nur eine Vermutung, bis jetzt...“ „Toll, und das soll ich dir jetzt glauben?“ „Mach was du willst.“, gab Chris verärgert zurück und wandte mir den Rücken zu. „Du gehst jetzt besser und kommst erst wieder wenn du dich beruhigt hast.“, sagte Eric und schob mich zur Tür hinaus. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, leistete aber keinen Widerstand. Vor der Tür blieb ich noch kurz stehen und schnappte einige Wortfetzen des Gesprächs zwischen Eric und Chris auf. Eric sagte irgendwas wie: „Warum...nichts von...gesagt?“ und Chris antwortete, soweit ich das verstehen konnte: „...nur Verdacht...keine Beweise...nur noch schlimmer...was tun...“ Das ergab keinen Sinn, er hatte einen Verdacht und Eric wusste davon, aber er wollte es mir nicht sagen, weil es alles noch schlimmer machen würde? Das würde ihn doch entlasten...Hm...Ich grübelte gerade weiter darüber nach, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Erschrocken drehte ich mich um „Ach, Sie sind es, Sie haben mich ganz schön erschreckt.“, sagte ich erleichtert und versuchte ein normales Gesicht aufzusetzen und meine Gefühle zu verbergen. „Entschuldigung, das wollte ich nicht.“, sagte Frau Jones. „Schon ok, was wollen Sie? Kann ich Ihnen helfen?“, fragte ich, weiterhin um meine Pokerface bemüht. „Ich suche Amy, wir hätten jetzt eigentlich ein Gespräch, aber sie ist nicht erschienen und da ich dich gerade sah, dachte ich, du könntest mir vielleicht weiterhelfen. Hast du sie gesehen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich hab sie auch schon gesucht, vergeblich.“ Frau Jones runzelte die Stirn und schaute besorgt. „Nunja, wenn sie bis heute Abend nicht aufgetaucht ist, sollten wir sie suchen...Wo hast du überhaupt schon gesucht?“ „Äh...Im Stall, in der Sporthalle, in der Bibliothek, im Computerraum, in ihrem Zimmer, im Schulhaus und ich hab alle Lehrer und Schüler, die mir begegnet sind, nach ihr gefragt.“ „Okay, dann bleibt ja nur noch der Strand übrig, oder?“ „Stimmt.“, bestätigte ich. „Dann lass uns doch gleich dort mal nachschauen, komm!“, sagte Frau Jones bestimmt und zog mich mit sich. Das war eigentlich gar nicht das, was ich wollte, aber jetzt konnte ich mich schlecht aus dem Staub machen. Ich folgte ihr und am Strand teilten wir uns auf. Sie ging nach links und ich nach rechts. Als ich etwa fünf Minuten gegangen war, entdeckte ich ein Häufchen im Sand. Ich beschleunigte meine Schritte. Sobald ich näher kam, sah ich, dass es sich um Kleider handelte. Ich schaute mich um, aber es war keine Menschenseele zu sehen. Ich hob die Kleider auf und stutzte. Das waren doch Amy's Kleider, was machten die den hier? Direkt daneben entdeckte ich Fußabdrücke, die in Richtung Meer führten. Oh nein, sie war doch wohl nicht ins Wasser gegangen, wir hatten gerade Ebbe, das war ganz schlecht. Obwohl ich auf Amy sauer war, verspürte ich Angst. Ich wollte doch nicht das ihr was passiert! Schnell sammelte ich alle Kleider ein und rannte zu Frau Jones. „Frau Jones, ich hab ihre Sachen gefunden, sie ist ins Meer.“, japste ich bei ihr angekommen. „Oh nein! Schnell zurück zur Schule, wir müssen sie suchen.“ Ich nickte. Gemeinsam rannten wir zurück zum Internat. Dort rief Frau Jones alle Lehrer und alle Freunde von Amy und mir zusammen und teilte uns in verschiedenen Gruppen unterschiedlichen Lehren zu. Chris und mich teilte sie sich selber zu, fast hätte ich was dagegen gesagt, aber ich wollte nun auch nicht vor der halben Schule mein Problem mit Chris verkünden, also hielt ich meinen Mund und warf Chris lediglich einen giftigen Blick zu. Dann schickte sie Chris und mich los, damit wir uns Jacken holten, danach trafen wir uns am Strand wieder. Dort überraschte sie mich, indem sie verkündete wir würden mir ihrer Yacht raus fahren. Frau Jones hatte eine Yacht? Nicht schlecht. Das erwies sich noch als untertrieben, denn das Boot maß, soweit ich das mit bloßem Auge beurteilen konnte, gut drei mal zwölf Meter. „Wow, die ist ja groß!“, sagte ich staunend. Frau Jones nickte stolz und half dann Chris und mir auf die Yacht. „Ihr könntet mal die Leinen los machen und euch Schwimmwesten und Neoprenanzüge anziehen. Beides liegt in der Kajüte.“ Chris und ich nickten und machten uns an die Arbeit. Das Anziehen der Neoprenanzüge kam mir zwar übertrieben vor, aber egal. Kurz darauf legten wir ab und Frau Jones stellte sich selbstsicher hinters Steuer. Das hätte ich echt nicht von ihr erwartet. „Was sollen wir jetzt machen?“, unterbrach Chris meine Gedankengänge. „Schaut einfach ob ihr irgendein Anzeichen von Amy seht.“, antwortete Frau Jones. Ich befolgte ihre Anweisung und suchte das Wasser angestrengt nach irgendeinem Lebenszeichen ab. Ich hoffte, dass wir Amy bald finden würden, es war schon 16 Uhr, es würde also in knapp zwei Stunden dunkel werden. Und dann müssten wir unsere Suche abbrechen. „Mist!“, fluchte in diesem Moment Frau Jones. „Ist was passiert?“, fragte ich und lief zu ihr. „Nein, aber schau mal an den Himmel, es zieht ein Sturm auf.“, antwortete sie mir. „Shit!“, murmelte ich und starrte besorgt zum Himmel hinauf. Unmengen von schwarzen Wolken türmten sich dort auf und wir fuhren direkt darauf zu. Dazu kam auch noch, dass der Wind auffrischte. Auch Chris schaute besorgt, fragte aber dennoch: „Können wir nicht noch eine halbe Stunde suchen? Bitte!“ Frau Jones zögerte sichtlich, dann stimmte sie zu: „Nagut, aber haltet euch gut fest.“ Ich nickte, vermied es aber Chris anzuschauen. Ich konnte immer noch nicht glauben, wie er mir so etwas antun konnte. Ich schüttelte energisch den Kopf und schob den Gedanken beiseite, sodass ich mich ganz auf die Suche nach Amy konzentrieren konnte.
Als die halbe Stunde schließlich vorbei war, hatten wir immer noch nichts gefunden, dafür rückte der Sturm aber näher und die Wellen wurden zunehmend heftiger. Es wurde Zeit, dass wir zurückfuhren. Doch als wir nur noch wenige Minuten vom Hafen entfernt waren, erwischte eine große Welle die Yacht seitlich und ich wurde auf die gegenüberliegende Seite geworfen. Ich schlug mit dem Kopf auf den Boden und schrie auf. Verdammt! Ich richtete mich auf und rieb mir den Kopf, sofort eilte Chris herbei: „Alles klar?“ „Ja, passt schon.“, murmelte ich und stand auf. Frau Jones hatte währenddessen Mühe, das Schiff auf Kurs zu halten. Sie versuchte die Yacht so zu drehen, dass die großen Wellen nur von vorne kamen, doch das Meer war einfach zu aufgewühlt. Schon klatschte die nächste Welle an die Seite des Bootes, doch diesmal konnte ich mich rechtzeitig festhalten. „Sind wir bald da?“, rief ich so laut ich konnte, um das Heulen des Sturmes zu übertönen. „Fünf Minuten.“, rief Frau Jones zurück. Noch fünf Minuten festhalten, noch fünf Minuten diesen Sturm ertragen. Doch schon bei der nächsten Welle ließ ich das Denken sein und konzentrierte mich voll und ganz auf das Festhalten an der Reling. Leider kam jetzt auch noch Regen dazu, der uns ins Gesicht peitschte und meine Hände nass und glitschig werden ließ. Lange würde ich das nicht mehr aushalten. Mein Haare hingen mir im Gesicht und versperrten mir die Sicht, doch ich spürte die Anwesenheit von Chris und dass es ihm genauso ging wie mir. Vorsichtig löste ich meine eine Hand von der Reling, um mir mein Haare hinter die Ohren zu streichen, da sah ich sie. Es war eine riesige Welle, die sich immer höher hinter uns auftürmte. „Vorsicht! Hinter uns!“, brüllte ich aus Leibeskräften, aber der Sturm verschluckte meine Worte. Dann schlug die Welle auf das Deck der Yacht und riss alles mit sich. Chris und ich wurden an den Bug geschleudert und klammerten uns dort fest. Frau Jones hatte mehr Glück gehabt, sie war immer noch hinter dem Steuer. Gerade wollte ich erleichtert aufatmen, da kam nochmal eine Welle. Diese war zwar nicht so groß wie die vorherige, aber ich hatte keine Kraft mehr. Sie riss mich mit sich und spülte mich über Bord. Das letzte was ich hörte, war Chris Ruf nach mir, dann schlug das Wasser über mir zusammen und überließ mich der Dunkelheit. Danach hörte ich nur noch das Rauschen des Meeres und des Windes.
Kapitel 10
Ich hatte keine Ahnung wie ich die letzten Stunden überlebt hatte, das hatte ich wahrscheinlich meiner Schwimmweste und meinem Neoprenanzug zu verdanken, es war also doch nicht übertrieben von Frau Jones gewesen, darauf zu bestehen. Gott sei Dank! Hoffentlich ging es ihr gut. Und Chris. Mir wurde langsam kalt und die Augen wollten mir zufallen. Nein! Ich durfte jetzt auf keinen Fall aufgeben! Das Meer lag jetzt wieder still und friedlich vor mir, der Sturm war so schnell abgeflaut, wie er gekommen war. Meine Kleider hatte ich fast alle noch über dem Neoprenanzug an, außer meinen Schuhen, die mir wohl irgendwann von den Füßen gerutscht waren. Ansonsten war ich unversehrt und ein paar Kräfte konnte ich sicherlich auch noch mobilisieren. Das Problem war nur, dass ich keinen Schimmer hatte, wo ich war. Ich hob den Kopf und schaute mich um. Links und rechts war nichts als Wasser, hinter mir genauso. Und vorne? Konnte das da vorne Land sein? Vielleicht Festland? Ich begann zu schwimmen. Ich war schon immer eine gute Schwimmerin gewesen und jetzt wo das Meer fast ohne Wellen da lag, kam ich auch gut voran. Nach einer Weile, ich war leider völlig zeitlos, da meine Uhr nicht wasserdicht war, sah ich, dass es eine kleine Insel war. Festland wäre zwar besser gewesen, aber immerhin Land. Nachdem weitere Zeit vergangen war, spürte ich endlich festen Boden unter den Füßen. Wunderbar! Ich hatte es geschafft! Völlig erschöpft sank ich in den Sand und schlief sofort ein.
Am nächsten Morgen wachte ich mit steifen Gliedern auf. Meine Haut war salzverkrustet und mir war kalt. Meine Kleider waren inzwischen aber halbwegs trocken, sodass ich mich darin wenigstens einwickeln konnte. Ich rappelte mich auf und schaute mich um. Abgesehen davon, dass ich hier irgendwo im Nirgendwo festsaß, war es ganz schön auf der Insel. Mein Magen fing auf einmal an zu knurren. Oh Mist! Ich brauchte was zu essen und zu trinken. Aber woher sollte das kommen? Naja, ich hatte ja sowieso nichts zu tun. Also beschloss ich die Insel ein wenig zu erkunden. Soweit ich das bis jetzt einschätzen konnte, war sie nicht sehr groß. In der Mitte stand eine Wäldchen und der Strand führte anscheinend um dieses herum. Panik wallte in mir auf. Wie, zum Teufel, sollte ich hier je wieder wegkommen? Was war mit Amy, Chris und Frau Jones? Die hatten bestimmt gut alles überstanden und Amy war sicher wieder aufgetaucht! Und sicherlich suchten sie mich! Ich redete mir weiter Mut zu, während ich tiefer in den Wald hinein lief. Nach einer Weile kam ich an einer kleinen Quelle vorbei, die munter vor sich hin sprudelte. War das etwas Süßwasser? Ich beeilte mich und trank gierig einen Schluck. Tatsächlich! Das war ja fantastisch! Eilig trank ich so viel ich konnte. Wenn es hier Wasser gab, gab es dann vielleicht auch Essen, wie zum Beispiel Beeren? Ich schöpfte wieder neue Hoffnung und ging weiter. Nach mehreren Minuten lichtete sich der Wald und ich konnte das Meer erkennen. Ich hatte die Insel einmal durchquert, aber auf Essbares war ich dennoch nicht gestoßen. Ich seufzte und trat dann hinaus ins grelle Sonnenlicht. Inzwischen müsste es wohl Mittag sein, ich hatte jetzt seit etwa einem Tag nichts mehr gegessen. Wie lange konnte ein Mensch ohne Essen überleben? Drei Tage? Mir ging es jetzt schon elend, wie sollte ich das bloß aushalten? Ich verdrängte diese Gedanken soweit wie möglich und ging noch ein Stückchen weiter aus dem kühlen Schatten der Bäume heraus. Angestrengt starrte ich nach links. Ich meinte in einiger Entfernung eine Person zu sehen, aber das konnte doch nicht sein. Halluzinierte ich etwa? Ich kniff meine Augen zusammen und schaute weiter in diese Richtung, doch sie verschwand nicht. Ungeahnte Energie wurde freigesetzt und strömte in meinen Körper. Ich rannte los und rief dabei immer wieder: „Hallo? Hallo? Ist da jemand?“. Meine Kräfte ließen schnell wieder nach, doch die aufkeimende Hoffnung und der neue Mut trieben mich voran. Mein Herz fühlte sich so an, als wolle es aus meiner Brust springen und meine Lunge brannte wie Feuer. Die Person drehte sich um und die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag: Es war Amy! Sie lebte! Freude breitete sich in mir aus, doch dann realisierte ich meine Lage. Ich war auf einer Insel ausgerechnet mit der Person gefangen, mit der mein Freund mich betrogen hatte. Na toll, dann musste ich mir wohl Amy's Geschichte anhören, darüber, dass das nicht Chris gewesen sei und blablabla... Ich verdrehte genervt die Augen und verlangsamte meine Schritte, blieb aber trotzdem nicht stehen. Bei ihr angekommen brachte ich kein Wort heraus. Meine Wut kam wieder hoch und ich unterdrückte nur mühsam den Reflex sie anzubrüllen. „Hi.“, meinte Amy knapp und mustere mich von oben bis unten. „Was ist denn mir dir passiert, wurdest du von 'nem wilden Tier verfolgt? Und wo ist der Rest des Suchtrupps?“, fügte sie noch hinzu. Ich stieß einen Seufzer aus und ignorierte ihre erste Frage einfach. „Der Rest sucht vermutlich noch irgendwo auf dem Meer.“ „Und wie bist du hergekommen?“, fragte sie, sichtlich verwundert. „Geflogen.“, antwortete ich sarkastisch. Amy brummte irgendwas, was wie „Idiot.“ klang, dann schaute sie mich an und meinte: „Hör mal, ich weiß du willst mir nicht zuhören, aber das war nicht Chris, das war Rick.“ „Toll.“, sagte ich ohne erkennbare Gefühlsregung und fuhr dann fort: „Ich bin hier gestrandet, ich bin gestern beim Sturm über Bord gespült worden.“ Rick? Hatte Chris nicht einen Bruder, der so hieß? Ja, aber Brüder sahen sich doch nicht hundertprozentig ähnlich...Naja, ich würde Amy später noch darauf ansprechen, wir hatten ja Zeit. „Was?“, fragte diese genau in diesem Augenblick entsetzt. „Du bist also allein hier?“ Ich nickte. Amy vergrub ihr Gesicht in den Händen und fragte mich dann: „Hast du heute schon was gegessen?“ „Nee, gibt’s hier was? Ich hab auch schon geschaut, aber nix gefunden.“ „Ja, komm mit.“, sagte Amy und lief voraus. Wir gingen eine Stückchen weiter den Strand entlang und bogen dann in den Wald ab. Direkt am Rand wuchsen einige Büsche mit Heidelbeeren und am Boden wuchsen Massen von Pilzen. „Ich hab bis jetzt nur Beeren gegessen, ich wusste nicht, was das für Pilze sind.“ Ich ging in die Hocke, pflückte ein paar Heidelbeeren und untersuchte inzwischen die Pilze. „Die sind essbar, allerdings schmecken sie besser wenn man sie kocht...“ „Wieso kennst du dich mit Pilzen aus?“ „Ach, ich hab mal so 'nen Kurs gemacht, über das Überleben in der Natur und das Thema Pilze interessierte mich halt besonders.“, antwortete ich, während ich meine Jacke auszog und daraus einen Beutel bildete, in den ich Pilze und Beeren füllte. Amy sah mir schweigend zu, dann machte sie das gleiche mit ihrem Pulli. „Wir könnten die Pilze rösten, vielleicht hilft das?“, schlug sie vor. „Ja, sicherlich, aber dazu brauchen wir Feuer.“, meinte ich. „Hab ich, am Platz, an dem ich mein ganzes Zeug abgelegt und auch geschlafen hab. Hinter einer Steingruppe, da ist es windgeschützt.“ Jetzt glotzte ich sie verwundert an. „Du hast Feuer gemacht? Wie das denn?“ „Steine aneinander gerieben.“, sagte Amy so als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. „Das kriegst du hin? Oha!“, gab ich mit einem bewundernden Ton in der Stimme zurück. „Ich war lange bei den Pfadfindern.“ „Ah, hast du da noch genügend Holz?“ „Ne, aber lass uns erst unser Essen ablegen.“ „Ok.“ Gemeinsam gingen wir zu ihrem Schlafplatz, den sie, wie ich zugeben musste, sehr geschickt gewählt hatte. Er lag umgeben von größeren Steinbrocken, sodass fast kein Wind durchkam. Allerdings musste man dadurch immer über die Steine klettern, um dorthin zu kommen. Nachdem wir unser Essen abgelegt hatten, suchten wir noch möglichst viel Holz zusammen, was nicht einfach war, da manche Stücke durchnässt und damit nicht mehr zu gebrauchen waren. Amy's Lager hatte zudem noch den Vorteil, dass darüber mächtige Bäume ragten und so Schutz vor Regen und Sonne spendeten. Als ich gerade die letzte Portion Holz zum Feuer bringen wollte, blieb ich oben auf den Steinen mit meiner Hose hängen und fiel hin. Dabei fiel mir das Holz aus der Hand und polterte den Abhang hinunter, dann blieb es unten vor dem Feuer liegen. Ich lag jetzt so, dass ich zum Feuer schaute, dabei ragte mein Körper oberhalb der Hüfte über die Kante hinaus, wenn ich also meine Muskeln entspannen würde, würde ich teilweise kopfüber an der Steinwand herunter baumeln. Das war schlecht, sehr schlecht und auch nicht wirklich bequem. Ich streckte mich hoch, drehte mich und wollte meine Hose von den Steinen befreien, als der Stoff riss. Damit hatte ich nicht gerechnet und so fiel ich noch weiter ein Stückchen weiter runter. Reflexartig riss ich meine Hände hoch und bewahrte mein Gesicht somit vor dem Zusammenstoß mit den Steinen. Meine Beine schlugen allerdings ziemlich hart auf den Seinen auf, vor allem mein linkes Bein tat höllisch weh. Und mein Bauch und meine Hüfte bekamen auch nicht gerade wenig ab. Bei meinem Sturz schürfte ich mir an einigen Stellen meine Haut auf und krachte mit der Hüfte auf die Felsen. „Scheiße, scheiße, scheiße!“, murmelte ich und versuchte mich aufzusetzen, doch es wollte nicht klappen, denn als ich es versuchte, schoss ein so starker Schmerz in mein Bein, dass ich dachte ich würde gleich das Bewusstsein verlieren. „Aua!“, schrie ich auf, als ich es trotzdem nochmal versuchte. Da musste ich wohl auf die Hilfe von Amy warten. „Amy?“, rief ich so laut ich konnte und hoffte sie würde mich hören. Tatsächlich kam sie kurz darauf angestürzt und fragte entsetzt: „Oh Gott, was ist denn mit dir passiert?“ Ohne auf meine Antwort zu warten wollte sie mich hochziehen, doch ich bedeutete ihr zu warten und erklärte ihr die Umstände: „Warte, ich bin da runter gefallen, meine Hüfte und mein linkes Bein tun verdammt weh, also sei vorsichtig, ja?“ Amy nickte gehorsam und half mir mich aufzusetzen, indem ich mich auf ihr abstützte uns sie mich gleichzeitig noch hochzog und drehte. Aber ich musste sogleich feststellen, dass sitzen ganz und gar nicht schmerzfrei war. „Au, Mist! Hilfst du mir aufsteh'n?“ „Ja, wir können's versuchen, aber ich halte das für keine gute Idee...“, meinte sie skeptisch. „Na, schlimmer als Sitzen kann's ja kaum werden, außerdem muss ich ja irgendwie da runter.“, antwortete ich trotzig und zeigte auf unseren Schlafplatz. Amy seufzte ergeben und stützte mich, zog mich hoch und hielt mich anschließend gut fest, da ich anfing zu schwanken. „Okay, ich geb's zu, es war eine scheiß Idee und es kann definitiv noch schlimmer werden!“, brachte ich über die Lippen, wobei ich vor Anstrengung mich aufrecht zu halten zitterte und am liebsten vor Schmerzen schreien würde. Mein linkes Bein konnte ich auf keinen Fall belasten, schon der Gedanke daran war äußerst schmerzhaft. Mein rechtes Bein war zwar ok, aber meine Hüfte dafür nicht. Sie tat verflixt weh. „Mist, willst du dich wieder hinsetzen?“, meinte Amy aufgelöst, als sie sah was für Schmerzen ich hatte. „Nein!“, sagte ich bestimmt, „Ich will da runter, egal wie!“ Amy sagte nichts, sondern schüttelte nur missbilligend den Kopf. „Na gut, aber dann stütz dich mit möglichst viel Gewicht auf mich.“ Ich nickte und biss die Zähne zusammen, als ich das erste Stückchen vorwärts hüpfte. Der Schmerz trieb mir Tränen in die Augen, doch ich arbeitete mich tapfer weiter voran. Ich zitterte wie Espenlaub und schwitzte wie Sau. Unten angekommen, ging mein Atem schwer und ich fühlte mich wie Wackelpudding. „Ach du meine Scheiße!“, stöhnte ich und legte mich erschöpft auf meine Jacke. „Claire? geht’s?“, fragte Amy und schaute mich besorgt, ja fast schon ängstlich an. Ich nickte schwach. „Kannst du mir was zu trinken bringen?“, fragte ich mit rauer Stimme. „Natürlich, wart mal, ich glaub ich hab hier sogar noch was.“, antwortete Amy und raschelte mit irgendwas auf dem Boden. „Ha!“, kam der begeisterte Ausruf von ihr und sie zauberte ein Gefäß hervor, indem Wasser schwappte. Ich trank begierig und fragte dann: „Woher hast du denn das?“ „Wurde angespült, hab ich gestern gefunden.“ Ich schwieg einen Moment, dann gab ich mir einen Ruck und fragte: „Was weißt du über Rick, den hast du doch gemeint oder? Chris' Bruder?“ „Ach, er hat dir von ihm erzählt? Ja, ich hab ihn gemeint, du hast mich mit ihm und nicht mit Chris geseh'n. Glaubst du mir jetzt endlich?“, gab sie zurück. „Naja, ich hab ihn nach seiner Familie gefragt und da hat er gesagt, dass er noch einen jüngeren Bruder hat. Wieso sollte er mir das nicht erzählt haben? Ich will dir so gern glauben, aber warum hat mir das Chris nicht gesagt? Er hat nämlich irgendwas von „er habe einen Verdacht“ gesagt.“ Amy schaute mich einige Momente lang an, dann antwortete sie: „Naja, das ist ja noch nicht alles...“ „Hmm? Was ist denn noch?“, fragte ich aufmerksam. „Rick ist sein-“ „Zwillingsbruder!“, unterbrach ich sie und schlug mir mit der Hand gegen den Kopf. „Ich bin ja so blöd, wieso bin ich da nicht schon früher drauf gekommen?“ „Genau.“, bestätigte Amy. „Und was die Sache mit dem Nichtsagen angeht...Ich glaube, er dachte du würdest dich dann vielleicht mehr für Rick als für ihn interessieren..., weil er ist ja auf's Internat gegangen, um endlich von seinem Bruder los zu kommen.“ „Echt?“, fragte ich erstaunt, das war mir neu. „Ja, hat mir zumindest Rick erzählt, weil es war wohl so, dass sich alles eher um Rick gedreht hat und Chris nur die zweite Geige gespielt hat. Und das größte Problem daran war, dass sie denselben Freundeskreis hatten...und sich in das gleiche Mädchen verliebt hatten. Du kannst dir ja sicherlich vorstellen wie das ausgegangen ist, oder?“ „Ja, Rick hat sie bekommen, Chris hat sich mit ihm zerstritten und ist auf's Internat gegangen.“, antwortete ich. Endlich ergab seine Reaktion bei dem Gespräch über seine Familie einen Sinn. Und warum er das Thema Rick gemieden hatte. „Oh mann, ich war so doof. Es tut mir Leid, für alles, was ich zu dir gesagt hab, ich...ich nehm alles zurück.“ Amy lächelte mich an und erwiderte: „Ist schon ok, du konntest es ja nicht wissen, aber ausreden lassen hättest du mich schon können!“ Dadurch, dass sie bei dem letzten Teil des Satzes aber grinste, nahm sie ihm die Schärfe. Ich lächelte zurück und meinte reumütig: „Ich weiß, ab jetzt lass ich dich immer ausreden. Versprochen!“ „'Kay, ich erinner dich bei Gelegenheit daran.“, kam es von Amy schlagfertig zurück. „Soll ich mir jetzt mal dein Bein anschauen? Ich bin beim Schulsanitätsdienst und außerdem ist meine Mutter Ärztin, ich versteh also ein bisschen was davon.“, meinte Amy. Ich nickte nur. Mein Bein tat so verdammt weh und es schien ziemlich anzuschwellen. Vorsichtig schob Amy meine Hose nach oben, doch schon die leichteste Berührung löste bei mir unglaubliche Schmerzen aus. Um mich abzulenken, fragte ich Amy die eigentlich wichtigste Frage, die ich aber wegen der Geschichte mit Chris ganz vergessen hatte: „Wie bist du eigentlich hierher gekommen?“ „Ich bin hergetrieben worden.“ „Ah, und warum warst du bei Ebbe im Meer?“ „Naja, ich war so wahnsinnig wütend morgens und wollte nur allein sein, da bin ich halt an den Strand. Tja, das Meer hat dann so eine unglaubliche Faszination in mir ausgelöst, das ich unbedingt auch rein wollte. Also hab ich mir schnell meinen Neoprenanzug und meine Taucherflossen geschnappt und bin, ohne groß nachzudenken, rein. Das war ein großer Fehler, aber ich hab's überlebt, das ist doch die Hauptsache oder?“ Während sie erzählte, tastete sie fachmännisch mein Bein ab. Dann stellte sie fest: „Ist gebrochen, glatt durch, würd ich sagen, du musst so schnell wie möglich zum Arzt.“ Ich schwieg einen Moment und ließ ihre Geschichte und Diagnose auf mich wirken. „Ja, wahrscheinlich, ich meine ich hab's ja auch überlebt. Toll, es gibt da nur ein winziges Problem: Wir sitzen hier auf 'ner Insel fest, irgendwo im Nirgendwo.“ „Eben.“, Amy seufzte und meinte dann: „Dann können wir wohl nur warten.“ „Vermutlich.“, stimmte ich ihr resigniert zu. Genau in diesem Augenblick hörten wir das Röhren eines Motors über uns. Wir schauten hoch und entdeckten einen Hubschrauber, der über uns seine Kreise zog. Amy sprang auf und winkte wie wild. Doch kurz darauf verschwand dieser wieder. „Mist, sie haben uns wohl nicht gesehen.“ Doch bald darauf sollten wir merken, dass dies nicht der Fall gewesen war. Denn nach wenigen Minuten hörten wir, wie plötzlich mehrere Stimmen auf der Insel erschollen. „Wer ist denn das?“, fragte Amy erstaunt. „Frau Jones ist auf jeden Fall dabei.“, meinte ich glücklich, diese Stimme erkannte ich überall wieder. „Oh super!“, lautete die Reaktion von Amy. „Ich lauf ihnen mal entgegen.“ Mit diesen Worten stand sie auf und verschwand. Bald darauf kam sie mit Frau Jones und Chris im Schlepptau zurück. Endlich, wir waren gerettet. Erleichterung breitete sich in mir aus und ich lächelte froh. „Claire.“, Chris stürzte sich mit einem besorgten Ausdruck auf mich und fragte: „Alles klar, geht’s dir gut?“ „Naja, abgesehen von einem gebrochenen Bein und einer schmerzenden Hüfte, ja.“ „Oh, na deinen Humor haste wenigstens noch behalten.“, gab Chris zurück. Ich lächelte. „Chris...Amy hat mir alles erzählt, es tut mir Leid!“, sagte ich entschuldigend. „Ja, ich weiß, schon ok, Entschuldigung angenommen.“, antwortete Chris besänftigend. „Und es tut mir wirklich leid, dass ich dich wegen meinem Bruder angelogen hab.“, fügte er noch hinzu. „Du hast mich ja nicht wirklich angelogen, du hast mir nur einen Teil verschwiegen.“, antwortete ich und lächelte ihn an. Ich war so verdammt froh, dass wir das endlich geklärt hatten. „Chris, hilfst du mir mal eine Trage holen?“, bat Frau Jones kurz darauf. „Klar.“, antwortete Chris und gab mir noch schnell einen Kuss. Dann waren Amy und ich wieder allein. „Na, alles geklärt?“, fragte Amy neckend. „Aber immer doch. Weißt du wie wir jetzt zurückkommen?“, gab ich sofort zurück. „Ja, auf Frau Jones Yacht.“ „Oh...Toll!“, brummte ich. „Warum? Ich wusste gar nicht, dass sie so was hat, du?“ „Ja, von dem Schiff bin ich ja runter geschwemmt worden.“, meinte ich betrübt. „Oh, ach das passt schon. Mach dir keine Sorgen.“, versuchte Amy mich aufzumuntern. Ich sagte einfach nichts und versuchte mir einzureden, dass schon nichts passieren würde, außerdem war ja Chris bei mir. Aber beim letzten Mal hatte er mir auch nicht mehr helfen können. Hmpf! Chris und Frau Jones kamen genau in diesem Moment zurück, was mir sehr willkommen war, da ich dadurch von meiner Angst abgelenkt wurde. Mit Hilfe von Amy hoben sie mich so sanft wie möglich auf die Trage. Allerdings bereitete mir dies trotzdem so große Schmerzen, dass ich Sternchen sah und mir anschließend schwarz vor Augen wurde. Ich merkte nur noch wie Chris meine Hand hielt. Vielleicht war das besser so, dann musste ich wenigstens nicht die Schiffsfahrt ertragen.
Kapitel 11
Meine Augenlieder flatterten. Das erste, was ich hörte war ein monotones Piepen und ein Flüstern direkt neben mir. „Oh, ich glaub sie wird wach.“ Ich schlug die Augen auf und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Es war durchgehend weiß und die Lampe, die an der Decke hing, verströmte ein kaltes Licht. Die Personen neben meinem Bett waren Eric und Cloe. Diese sahen mich jetzt abwartend an. So als müsste mir irgendwas Wichtiges auffallen. „Wo bin ich?“, murmelte ich, noch immer etwas benommen von der Narkose oder was auch immer. „Im Krankenhaus, erinnerst du dich was passiert ist?“, kam es prompt von Cloe zurück. „Mh...“, ich dachte fieberhaft nach und tatsächlich kamen langsam die Erinnerungen zurück, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt, genauer gesagt bis zur Rettung. Danach war nichts mehr, so sehr ich mich auch bemühte. Ich wusste weder wie ich hierher gekommen noch was dann mit mir passiert war. „Ja, aber nur teilweise. Wie bin ich denn her gekommen?“, hakte ich nach. „Mit dem Schiff von Frau Jones, du warst allerdings bewusstlos, also ist es nur logisch, dass du das nicht mehr weißt.“, antwortete mir Eric. „Wie geht’s dir?“, fragte Cloe gleich danach. „Hmm...Ich weiß nich so recht, ich hab keine Schmerzen, wenn du das meinst, aber ich fühl mich jetzt auch nicht super toll...“ „Ja, das ist klar. Du hast ein Schmerzmittel bekommen, damit du dich entspannen kannst.“ „Achso.“ Das erklärte diesen benommen Zustand. „Was ist mit meinem Bein und mit meiner Hüfte?“, fragte ich unsicher. Hoffentlich war es nicht allzu schlimm. „Das Bein ist glatt gebrochen und die Hüfte stark geprellt.“, kam die Antwort von dem Arzt, der in diesem Moment den Raum betrat. „Du hast jetzt einen Gips, den musst du so 8 Wochen tragen und deine Hüfte sollte so in zwei Tagen wieder schmerzfrei belastbar sein.“, fügte er noch hinzu. Ich nickte und fragte dann: „Muss ich irgendwas beachten?“ „Nein, du darfst natürlich kein Sport machen, auch nach den 8 Wochen solltest du noch zwei Wochen warten bis du wieder sportlich aktiv wirst. Falls du Schmerzen hast, kannst du eine dieser“, er hielt dabei eine Packung in die Höhe und legte sie dann wieder auf meinen Nachttisch, „Tabletten nehmen. Und nach ungefähr vier Wochen solltest du zum Röntgen wegen des Beins kommen.“ „Ok“, meinte ich und speicherte diese Infos in meinem Gehirn ab. Da ich keine weiteren Fragen hatte, verließ der Arzt nach einem freundlichen: „Gute Besserung!“ das Zimmer. Daraufhin wandte ich mich an meine Freunde und fragte: „Sind meine Eltern oder Chris da?“ „Ja, beide.“, antwortete Cloe und Eric bot an: „Ich hol sie, ja?“ Ich nickte dankbar. Sobald dieser aus dem Raum war meinte Cloe: „Was machst du bloß für Sachen...Mensch Claire, ich hab mir solche Sorgen gemacht!“ „Ich weiß, ich kann doch nix dafür.“, verteidigte ich mich. „Ja, das stimmt wohl. Was ist denn jetzt genau passiert? Amy hat mir nur ihre Geschichte erzählt, deine kannte sie ja nur kurz zusammen gefasst.“ So erzählte ich ihr die ganze Geschichte, zwar immer noch zusammengefasst, sonst würde ich ja Ewigkeiten brauchen, aber eben relativ ausführlich. Nachdem ich geendet hatte, schwieg sie einen Moment. Dann brachte sie hervor: „Wow. Ganz schön viel erlebt, hm?“ „Ohja, genug für dieses Jahr!“, bestätigte ich. „Achja, den wievielten haben wir eigentlich heute?“, hängte ich noch hintendran, da es mir gerade eingefallen war. „Heute ist der 7. November, wieso?“ „Nur so, ich wollt wissen, wie viele Tage ich nicht, äh, anwesend war.“, antwortete ich. Kurz drauf betraten meine Familie und Chris das Zimmer. Meine Schwester stürmte sofort auf mich zu und drückte mich ganz fest. „Hallo.“, antwortete ich lachend. Cloe lächelte ebenfalls und meinte dann: „Ich lass euch mal allein.“ Ich nickte und sagte zu Blaire: „Na, wie geht’s so? Alles klar?“ „Gut, na klar doch! Und dir?“, gab diese liebenswürdig wie immer zurück. „Den Umständen entsprechend.“, antwortete ich. Meine Eltern traten dann näher und umarmten mich ebenfalls. Liebevoll strich mir Mom eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht und schaute mich besorgt an. „Mir geht’s gut. Wirklich, Mom!, versicherte ich ihr eilig, dann winkte ich Chris zu mir ran und sagte zu meiner Familie: „Das ist Chris, mein Freund und Klassenkamerad. Ich nehm' an ihr habt ihn schon kennen gelernt?“ Alle bejahten und Chris setzte sich auf die Kante meines Bettes. Ich ergriff seine Hand und drückte sie leicht. Ich was so verdammt froh ihn zu sehen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, dann erwiderte er meinen Händedruck. Während der nächsten Stunden redete ich mit meiner Familie, erfuhr Neuigkeiten aus Camborne und erzählte nochmals die Kurzfassung meiner Geschichte. Im Verlaufe des weiteren Nachmittags kamen auch Grace, Sarah und Amy vorbei. Sogar die Zickenclique ließ sich kurz blicken, ging aber gleich wieder, was mir nur echt war. Am Abend gingen schließlich meine Freunde und meine Familie, alle, außer Chris. Der blieb hartnäckig und setzte durch, dass er noch ein wenig bei mir bleiben durfte, obwohl ich ihm versicherte, dass er ruhig gehen könne. Aber naja, so richtig was dagegen hatte ich ja auch nicht. Also unterhielten wir uns noch bis 10 Uhr, da kam dann die Stationsschwester und meinte ich bräuchte dringend meinen Schlaf und Chris auch. Widerstrebend verließ Chris das Zimmer, versprach aber zuvor noch morgen wieder zu kommen. Kurz nachdem Chris gegangen war, piepste mein Handy, das auf meinen Nachttisch lag. Erstaunt blickte ich auf. Wer schrieb mir denn jetzt noch? Und wie war mein Handy da eigentlich hingekommen. Vermutlich hatte es Cloe oder so mir aus dem Internat mitgebracht. Ich streckte meinen Arm aus und angelte es vom Nachttisch. Als ich darauf schaute, verschlug es mir die Sprache. Die sms war von Taylor. Meldete sie sich also auch mal wieder?
Hey,
Du hast doch echt keine Ahnung. Nur weil du immer neidisch auf Jessy warst und es jetzt auf die Mädels bei dir aufm Internat bist. Jessy und ihre Freundinnen sind nämlich echt nett UND wir genießen ein hohes Ansehen bei den Jungs, falls du verstehst was ich meine? Weißt du, Phil steht halt nicht so auf langweilige Mädchen wie dich, deswegen hat er auch damals mit dir Schluss gemacht.
Taylor
Entgeistert starrte ich auf die sms. Das konnte ich jetzt nicht glauben. Hatte das die Taylor geschrieben, die ich kannte und mit der ich noch vor knapp einem Jahr so gut befreundet gewesen war? Zu was für einer Tussi hatte die sich denn entwickelt? Also nee, verärgert drückte ich die sms weg. Das war mir echt zu doof, auf so etwas musste ich nun wirklich nicht antworten.
Epilog
Geduldig saß ich auf der Liege und sah zu wie mein Arzt, Dr. Hermann, vorsichtig den Gips von meinem Bein löste. Ich freute mich wahnsinnig dieses Teil endlich abzubekommen, in letzter Zeit hatte der Gips mich ganz irre gemacht. Dauernd juckte es darunter und ich konnte mich nicht kratzen! Nun war das hoffentlich vorbei. Als Dr. Hermann den Gips ganz entfernt hatte, bedeutete er mir langsam aufzustehen. Ich tat wie mir geheißen und stand wackelig auf. Huch, was war das doch für ein komisches Gefühl sein Bein nach acht langen Wochen wieder zu belasten. Es fühlte sich total ungewohnt und ungelenk an. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Etwa 10 Minuten wankte ich so durch das Behandlungszimmer, dann merkte ich wie meine Kräfte schwanden. Erschöpft sank ich auf einen Stuhl. „Das ist völlig normal, die Muskeln müssen erst wieder aufgebaut werden.“, beruhigte mich Dr. Hermann. „Am besten Sie machen diese Übungen einmal täglich“, er reichte mir dabei ein Blatt auf dem verschiedene Gymnastikübungen abgebildet waren, „und laufen viel, auch mit Ihren Krücken.“ Ich nickte gehorsam, steckte das Blatt in meine Tasche und fragte dann: „Wann darf ich denn wieder reiten?“ „Hm...Nunja, das kommt ganz darauf an wie schnell sich Ihre Muskulatur erholt, ich denke Sie könnten so in einer Woche wieder langsam anfangen, aber gehen Sie es vorsichtig an, sonst passiert noch wieder etwas!“ „Ok.“, antwortete ich glücklich. Noch eine Woche, dann könnte ich endlich wieder auf Suleika reiten. Ich bedankte und verabschiedete mich von Dr. Hermann und verließ dann die Arztpraxis. Als ich die Tür öffnete, hörte ich Vogelgezwitscher und die ersten Sonnenstrahlen fielen auf den gefrorenen Boden. Die Blätter der Bäume begannen zu sprießen und um mich herum erblühten die ersten Blümchen. Endlich, der Frühling war im Kommen!
Tag der Veröffentlichung: 30.09.2011
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