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Tellerwäscher und andere Liebhaber - Teil 4

Drei Wochen waren jetzt schon vergangen und nichts hatte sich verändert. Und schon wieder ertappte ich mich dabei, wie ich voller Neid hinüber zum Frühstücksbuffet schielte. Nicht etwa wegen des Essens. Nein, das war es nicht. Ich glotzte, wie üblich, auf die gut gekleideten Damen vom Service, welche sich mit Eleganz von A nach B bewegten. Und ich stand immer noch hier und putzte die Eingangshalle. Das war wie ein Stillstand für mich, den ich nicht mehr akzeptieren konnte.

Seit einer halben Stunde hatte ich Feierabend. Drückte mich vor dem Personaleingang herum, um auf Philipp zu warten. Ich wollte endlich aus seinem Munde hören, wie meine Chancen standen.

Als er sich endlich zeigte, baute ich mich abwartend vor ihm auf.

Philipp fing an, zu grinsen, denn er wusste genau, weshalb ich auf ihn gewartet hatte.

„Elena hat gestern bekannt gegeben, dass sie schwanger ist. Risikoschwangerschaft hätte der Arzt gesagt. Was wohl bedeutet, dass sie nicht mehr lange hier arbeiten wird. Ich habe gehört, dass nächste Woche Dienstag ein paar Vorstellungsgespräche laufen sollen. Du könntest doch dort einfach mal vorsprechen.“

„So ohne Termin? Geht denn das?“, kamen mir die ersten Zweifel.

„Eigentlich nicht. Musst wohl erst eine schriftliche Bewerbung abgeben“, rückte Philipp mit der Sprache heraus.

„Das muss doch auch anders gehen“, sprach ich laut meine Gedanken aus.

Aus dem Nichts heraus, fing Philipp plötzlich an zu schmunzeln. „Könnte vielleicht klappen!“

„Wie jetzt?“, fragte ich ein wenig verwirrt.

Das Schmunzeln ging in ein Kichern über. „Ich darf´s nicht sagen. Nein, nein, ich sage es dir nicht.“

Das Kichern verstummte und Philipp hielt sich seine Hand vor den Mund.

Jetzt war ich ratlos. Normalerweise wendete ich jetzt die Taktik meiner Verführungskünste an, bei der jeder Mann schwach würde. Aber bei Philipp wäre das unangebracht gewesen. Womöglich wäre er schreiend davongelaufen und ich hätte dann das Nachsehen gehabt.

„Du lachst wie ein Mädchen!“, schleuderte ich meine Wut heraus.

„Na und? Manchmal bin ich auch eins“, sprach Philipp ein wenig beleidigt und verzog sein Gesicht zu einer Schmollmiene.

Seine Fluchtversuche scheiterten, weil ich manns genug war, ihn zurückzuhalten. So einfach sollte er mir nicht davonkommen. Dieses kleine Geheimnis, was Philipp nicht preisgeben wollte, war womöglich für meine Karriere entscheidend.

Mein Gegenüber biss sich auf die Unterlippe. Sicher bereute er jetzt schon seine Schwatzhaftigkeit.

„Na, was ist nun?“, fragte ich und zog ein bitterböses Gesicht auf.

„Lack und Leder“, kam es kleinlaut aus Philipps Mund heraus.

„Verstehe ich nicht!“, sprach ich sogleich.

Philipp wirkte plötzlich verunsichert. Er ärgerte sich über sich selbst. Ihm lag es einfach nicht, Geheimnisse für sich zu behalten.

„Du darfst es aber nicht weiter erzählen, das musst du hier und jetzt schwören“, fand Philipp plötzlich seine Sprache wieder.

„Riesengroßes Ehrenwort!“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

Gespannt blickte ich auf die Lippen meines Gegenüber, welche von einem plötzlichen, unkontrolliertem Zucken heimgesucht wurden. Philipp haderte noch immer mit sich selbst. Möglich, dass seine Aussage ihn den Kopf kosten würde.

Ich konnte und wollte nicht mehr warten. So sprach ich: „Ich dachte, wir sind Freunde!“

Philipp schluckte. „A..A..Also,“ druckste er herum. „Ich kenne die Zeitung, weil sich Enrique dafür interessiert. Die lag auf dem Schreibtisch meines Chefs, als ich die Arbeitspläne für die kommende Woche holen wollte.“

Jetzt fiel bei mir der Groschen. Mein Mund ging nicht mehr zu, so verblüfft war ich.

„Dann ist dein Chef also ein Lederfetischist?“, fragte ich zur Sicherheit noch mal nach, damit ich auch nichts missverstanden hatte.

„Ich glaube schon“, antwortete Philipp ein wenig unsicher. „Warum läge sonst so eine Zeitung auf seinem Schreibtisch? Er hat sie zwar schnell umgedreht, als er mich wahrnahm. Aber ich habs genau erkannt, dieses eindeutige Cover mit der Frau, die eine Lederpeitsche in der Hand hielt. Zuhause habe ich dann gleich nachgeschaut, ob es sich tatsächlich um diese Zeitschrift handelte und ich hatte mich nicht getäuscht.“

Philipp blies die Backen auf. Nun war es raus und er konnte es nicht mehr rückgängig machen.

„Wenn das raus kommt, dann bin ich dran“, meinte er mit einer flattrigen Stimme.

Spontan umarmte ich Philipp und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Du bist außen vor, das verspreche ich dir.“

 

Ich blickte mich noch einmal unsicher um, als ich diesen dunklen Laden betrat, indem ich noch nie zuvor gewesen war. Die schlechte Beleuchtung und diese dunkle, mystische Atmosphäre kamen mir zugute. Vorerst wollte ich mich nur ein bisschen umschauen und möglichst unerkannt bleiben. Doch leider kam es anders. Unbeabsichtigt blieb ich mit meinem Arm an einem Ständer mit Handschellen, jeglicher Art, hängen. Nur zu gern hätte ich mich jetzt einfach in Luft aufgelöst.

Ein kräftiger Mann, so um die dreißig, welcher wohl selbst sein bester Kunde war, kam auf mich zu.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er und ließ seinen Blick über meine Gestalt gleiten.

Sicher nahm er an, dass ich mich verlaufen hatte.

„Ja, also ich brabrabrauche so etwas enges, aus Lack und eine Peipeipeitsche“, kam es mir kaum über die Lippen.

„Sind sie sich da sicher?“, fragte der Mann noch einmal nach und runzelte seine Stirn.

„Mein Freund, wissen Sie, der...“, faselte ich.

„Ihr Freund also, steht auf Latex?“, führte er meinen Satz weiter.

„Ich wollte ihn einfach mal überraschen“, gewann ich meine Sprache wieder.

„Neuling, sozusagen!“, betonte er und ließ zum wiederholten Male seinen Blick über meine Gestalt wandern.

„Wenn Sie Unterwäsche tragen, dann zeichnet sich die dann unter dem Kleid ab. Also würde ich alles ausziehen, wenn sie eines der Latexkleider probieren wollen.“

Mir war etwas mulmig zumute, als mich der Verkäufer zu den besagten Kleidern führte. Er zog eines heraus, was eine schlauchähnliche Form besaß.

„Dies hier, vielleicht?“, meinte er, mit einem ironischen Lächeln auf den Lippen.

Ich nahm das fremdartige Teil an mich und betrachtete es, als sei es von einem anderen Planeten.

„Sie müssen sich ein wenig einölen, bevor Sie da rein schlüpfen. In der Kabine steht ein Spray. Wenn Sie Hilfe benötigen, dann komme ich gerne“, meinte der Typ mit einem vielsagenden Grinsen auf dem Gesicht.

„Ja, danke“, meinte ich hastig und und flüchtete mich in eine von den Kabinen.

Das Spray war klebrig, als ich es in die Hand nahm. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich wirklich bis auf die Unterwäsche ausziehen sollte. Ich hörte genau, wie der Typ vor der Kabine herumschlich. Sicher wartete er nur darauf, dass ich ihn rein rief, damit er in den Genuss käme, mich einzuölen. Nein, das wollte ich lieber selbst erledigen. Gesagt, getan.

Ich fühlte mich irgendwie beobachtet, als ich splitternackt war. Unsicher blickte ich nach oben. Vielleicht hatte dieser Kerl sogar Kameras installiert.

Ich zog dieses enge Etwas, was ich mit in die Kabine genommen hatte, über meinen Hintern. Verdammt ich hatte wirklich Schwierigkeiten damit.

„Ist alles in Ordnung?“, hörte ich die Worte des Ladeninhabers, welcher sich dicht hinter dem Vorhang befand.

„Alles Bestens!“, keuchte ich und zog weiter an dem Latexkleid herum, bis ich es endlich geschafft hatte, es mir über die Hüften zu pressen. Dann zog ich mir noch die Träger über die Schultern und es war vollbracht.

Im Spiegel betrachtend, bekam ich einen gewaltigen Schock. Nein, das war nicht ich, die da vor mir stand. Der Riesenausschnitt bedeckte nur halb meine Brüste und die Länge des Kleides überdeckte nicht mal richtig meinen Hintern. So konnte ich doch niemanden unter die Augen treten.

Ich befreite mich aus dem Luftabschneider und zog mein eigenes Kleid wieder an.

„Und?“, wurde ich vor der Kabine in Empfang genommen.

„Ich nehm´s. Und noch eine Flasche von dem Öl und die Peitsche, die dort hängt“, sprach ich etwas kleinlaut.

„Wollen Sie vielleicht noch ein paar Lackstiefel dazu? Zu Hausschlappen wirkt das Kleid nicht unbedingt.“

„Sicher doch“, sprach ich und war wenig später, im Besitz von ein paar schwarzen, glänzenden Overknees.

Zu Hause angekommen, warf ich den ganzen Kram erst einmal auf mein Bett. Ich war mir wirklich nicht mehr sicher, ob ich die ganze Sache wirklich durchziehen wollte. Und wenn sich Philipp nun getäuscht hatte? Zwar war ich seinem Chef noch nicht oft begegnet, aber den Eindruck, er sei etwas anders veranlagt, den hatte er bei mir nie hinterlassen.

Ich sah mich schon auf dem Arbeitsamt sitzen. Keiner würde mich mehr nehmen, wenn die Sache schief ginge. Ich rief mir diese Zeitschrift „Lack und Leder“ ins Gedächtnis. Fakt war, dass sie auf seinem Schreibtisch lag. Ich würde doch selbst auch keine Sportzeitung kaufen, wenn ich mich nicht dafür interessierte.

Ich stellte mir Philipps Vorgesetzten Louis Eichinger vor, wie er eingepresst, in Lackkleidung, über den Gang des Hotels stolzierte. Und ich käme hinzu, mit meiner neu erworbenen Peitsche, um ihm das Fürchten zu lehren.

Meine innere Freude, über den skurrilen Anblick, verflog allerdings schnell, als ich an den kommenden Dienstag dachte. Meine Bewerbung hatte ich abgegeben. Ich dachte an mein neu erworbenes Outfit. Wie Philipps Vorgesetzter auf mich reagieren würde, war mir schleierhaft. Womöglich würde man sein Gelächter, bis weit über den Gang hören und binnen fünf Minuten würde ich mich zum Gespött des ganzen Hotels machen. Dieses Risiko musste ich wohl eingehen, denn Bewerber, für die Stelle, gab es genug. Jeder wollte irgendwie in den Service.

Aber nur mir würde es gelingen, diesen Louis Eichinger um den Finger zu wickeln. Zumindest erhoffte ich mir das.

Dann drückt mir mal alle die Daumen, dass ich am Dienstag die Stelle bekomme und mich nicht zum Affen mache, mit meinem Latexkleid.

Wir lesen uns.

Impressum

Bildmaterialien: pixabay
Tag der Veröffentlichung: 30.03.2016

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