Wie soll ich Dich beschreiben? Wie kann ich Dich beschreiben? Damit es Dir gerecht wird? Erinnerungen gibt es viele. Sie in Worte zu fassen, ist nicht einfach. Die Trauer, um Dich, ist das, was mich einnimmt. Gott hat Dich viel zu früh zu sich geholt.
Du hast das Leben immer mit Humor genommen, obwohl Du es nicht immer einfach hattest. Als Schichtarbeiter warst Du gefordert, Tag für Tag. Die schwere Arbeit in einer Plasteverarbeitungs-Fabrik hast Du gemeistert, bis zu Deiner verdienten Rente.
Sicher erinnerst Du Dich noch an die tollen Ausflüge, die wir in Kindheitstagen, fast jeden Sonntag unternommen haben. Unsere „Mutsch“, wie wir Mama nennen, hat uns dann ein Picknick vorbereitet, was wir dann alle gemeinsam an einer gemütlichen Stelle, sei es am Ufer eines Flusses, oder auf einer Wiese, an einer Burg gelegen, genüsslich verspeisten.
Ich liebte diese kleinen Ausflüge. Zuerst waren wir mit dem Motorrad mit Beiwagen unterwegs, bis wir es dann komfortabler hatten. Nach zehn Jahren Anmeldung bekamen wir unseren „Trabbi“, der uns viele Jahre gute Dienste leistete.
Wir lebten in einem Haus, zusammen mit Opa. Er bewohnte die untere Etage und wir zu viert die obere. Wir Kinder nutzen diesen Umstand gern zu unserem Vorteil aus. Immer, wenn es oben Ärger gab, dann hauten meine Schwester und ich ab, in die untere Etage. Da kam uns niemand hinterher. Später kehrten wir dann reumütig zurück und die Wogen hatten sich geglättet.
Im Allgemeinen vertrugen sich alt und jung. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es größere Streitigkeiten gab. Zumindest nicht, bis zu diesem Zeitpunkt, als mein Opa sich veränderte. Von „Verkalkung“ war die Rede.
Einmal, es war zeitig in der früh, da sah ich, wie Du mit blutendem Hinterkopf im Wohnzimmer saßt. Mama hat Dich verarztet. Opa hatte draußen, hinter der Tür, mit einem Stock auf Dich gelauert. Ich konnte es kaum glauben, dass er zu so etwas Schrecklichem fähig war.
Seit dem Tage an, hatte auch ich Angst vor Opa. Auf und Ab´s bestimmten sein Leben. Das Essen brachten wir ihm immer zu zweit, da meine Mama Angst hatte, alleine runter zu gehen.
Ich weiß noch genau, dass seine Gehhilfen, die er normalerweise immer brauchte, am anderen Ende des Zimmers standen, als wir ihn aufsuchten. Er lag auf dem Sofa und machte ein Schläfchen. Als meine Mutter ihn ansprach, da reagierte er nicht. Vorsichtig hielten wir ihm einen Spiegel vor die Nase, um zu sehen, ob er noch atmete. Das war nicht der Fall.
Damals hatten wir noch kein Telefon, so mussten wir zwei Kilometer in die Stadt laufen, um den Tod zu melden. Auch wir Kinder sind mitgegangen, da wir nicht mit einer Leiche alleine bleiben wollten.
Irgendwann haben wir dann beschlossen, das Haus für uns umzubauen. Du hast zum größten Teil alles selber gemacht. Fenster eingesetzt, das Bad gefliest, Wände verputzt und vieles mehr. Der Komfort, eine Toilette im Haus zu haben, sogar mit Spülung, war etwas besonderes für mich. Denn Abends, im Dunkeln, immer über den Hof zu müssen, war manchmal ganz schön gruslig. Auch einen Badeofen gab es bald, der wurde dann, an den Badetagen, mit Holz angeheizt. Die Zinkbadewanne im Keller hatte somit ausgedient.
Egal wo es mich auch hinzog, Du warst immer da, wenn ich Dich gebraucht habe. Auf Deine Hilfe konnte man immer zählen.
Kannst Du Dich noch an das alte Haus erinnern, was meine erste große Liebe und ich zusammen erworben haben? Obwohl es ein ganz schönes Stück von euch entfernt war, seid ihr jedes Wochenende zu uns gekommen, um uns zu helfen. Am Ende war die ganze Mühe für umsonst. Die Beziehung ging nach sieben Jahren auseinander. Aber die Erfahrung möchte ich dennoch nicht missen. Und meine erste, eigene Wohnung, welche ich dann in der Stadt bezog, hast Du mit Mama für mich hergerichtet, damit ich es schön hatte, in der Fremde.
Selbst als ich jeglichen Mut, nach einer schlimmen Krankheit, verloren hatte, hast Du Dir das Auto geschnappt und bist mit Mama und meiner Schwester zu mir gekommen, um mich wieder aufzubauen. Ich könnte noch so viele positive Sachen aufzählen, um Deiner Person gerecht zu werden.
Nun ist das Jahr bald zu Ende. Und wieder haben wir alle für Dich, zu Deinem Geburtstag, ein Kerzchen aufgestellt, um Dir zu zeigen, dass wir Dich nicht vergessen haben. Die Zeit rennt an uns vorbei, manchmal zu schnell.
Du und Mama ward immer ein eingeschworenes Team. Durch alle Höhen und Tiefen seid ihr gegangen. Das habe ich an euch immer bewundert. Nun fehlt ein Teil, welchen man niemals mehr ersetzen kann.
Es sind schon fast zehn Jahre, die Du jetzt tot bist und mir scheint es, als sei es erst gestern gewesen, dass Du uns verlassen hast. Eine schlimme Krankheit hatte Dich ans Bett gefesselt. Über zwei Jahre dauerten Deine Qualen an. Mama hat Dich gepflegt, bis zum Schluss.
Von Deiner kleinen Enkelin hattest Du leider nicht mehr viel. Doch jedes Mal, wenn wir zu Besuch kamen, war sie die Erste, die an Dein Bett gestürmt kam, um Dich zu begrüßen. Das hat immer ein Lächeln auf deine Lippen gezaubert.
Ich weiß noch genau, dass es an einem Pfingstwochenende war, als wir euch besuchen kamen. Mama meinte, dass es Dir ziemlich schlecht ginge. Du hattest auf uns gewartet, um Dich für immer zu verabschieden. Deine Augen hast Du zum letzten Mal geöffnet, als ich Deine Hand gehalten habe. Dann warst Du erlöst, von Deinen Qualen.
Kann man den Tod spüren, wenn er an die Tür klopft? Ich zumindest, habe ihn irgendwie gespürt. Es ist schwer zu beschreiben, da man dieses Gefühl nicht in Worte fassen kann. Es ist eine merkwürdige Stille, welche einen umgibt. Nicht irgendeine Stille, sondern die Stille des Todes.
Das Foto, auf dem Cover, zeigt meinen Vater in jungen Jahren im Fußballtrikot.
Bilder im Anschluß:
Auf den schwarz-weiß Fotos sind mein Papa, meine Schwester und ich vertreten. Ich bin die Kleinere, mit dem Klatzkopf.
Auf den Farbfotos sind er, meine Mama und meine eigene Tochter abgebildet.
Was ist eine Kette, in deren Mitte ein Glied fehlt?
Was ist ein Quadrat, ohne seine vier Ecken?
Was ist ein Buch, ohne Einband?
Die Antwort darauf, kennt jeder. Die Dinge sind nicht mehr vollständig. Und nicht mehr reparabel.
Andreas Gabalier besingt es:
„Amoi seg´ ma uns wieder“
Für alle, die mein Gedicht noch nicht gelesen haben
Abschied - für immer
Ich sehe Dir in die Augen und weiß genau, was Du denkst,
auch wenn Du mir keines deiner Worte schenkst.
Ich nehme Deine Hand und fühle den Schmerz,
er dringt tief, ganz tief in mein Herz.
Nun ist die Zeit gekommen, Du willst für immer gehen,
ich weiß genau, irgendwann werden wir uns wiedersehen.
Jetzt will ich keine Tränen vergießen, die kommen später,
wenn mich die Erinnerungen einholen, Töchter an Väter.
Du hast gewartet, bis zu dieser Stunde,
das ist wohl jetzt unsere letzte Runde.
Ich bin so froh, dass Du mir geschenkt,
diesen letzten, so kostbaren Moment.
Tag der Veröffentlichung: 06.11.2015
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