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„Brav, so ist es gut“, sagt Lina und streichelt dabei ihre siebenjährige Fuchs- Stute Sally. Lina reitet schon seit sie sechs Jahre alt ist. Jetzt ist sie fünfzehn. Zu ihrem elften Geburtstag bekam sie Sally von ihren Eltern geschenkt, seitdem sind sie ein Team. Gerade haben sie erfolgreich für die Reining beim nächsten Turnier trainiert.(Reining ist eine Disziplin beim Westernreiten)



Plötzlich geht das Licht aus.

Die sonst immer so ruhige Sally bekommt einen Schreck und geht durch. Lina, die Sally normalerweise hätte beruhigen können, erschrickt selbst. Sie hat keine Kontrolle über die Stute und fällt. Kurz nach dem Aufschlag bemerkt sie einen stechenden und andauernden Schmerz in ihrem rechten Bein.

Einige Wochen später



Lina liegt im Krankenhaus. Der Chefarzt ist zur Visite da und spricht mit ihr.
„Dein Bein ist gut verheilt.“
„Oh, das ist gut.“
„Ich denke, du kannst in drei Tagen nachhause fahren.“
„Das ist schön.“ Sie wartet kurz dann fragt sie: „Wie geht es Sally?“
„Sally?“
„Meinem Pferd.“
„Ach so, richtig… Du bist ja die mit dem Reitunfall. Soweit ich weiß, geht es Sally hervorragend.“
„Gut… Und Dankeschön“
„Keine Ursache.“

Neun Tage später



Heute darf Lina endlich wieder reiten. Sie ist schon früh aufgestanden da sie sich sehr darauf freut. Sie putzt und sattelt Sally und führt sie in die Reithalle.
Sie möchte aufsteigen, doch sie erinnert sich plötzlich wieder an das Gefühl, machtlos zu sein. So wie sie es kurz vor ihrem Sturz empfand.
Sie kann nicht aufsteigen. Es ist ihr nicht möglich.
Nach etlichen weiteren Versuchen führt sie Sally aus der Halle, sattelt sie ab und holt die Longe. Danach longiert sie Sally eine halbe Stunde lang, damit diese die nötige Bewegung bekommt.
Weinend radelt Lina über einen Feldweg zurück nach Hause. Dort gesteht sie ihren Eltern unter Tränen, dass sie es nicht geschafft hatte aufzusteigen. Ihre Eltern sind sehr besorgt.

Eine Woche später



Lina versuchte es jeden Tag, doch sie hatte nie Erfolg. Sie hat Angst, nie mehr reiten zu können.Heute hat sie eine „Reitstunde“ bei einer Freundin der Familie.
Sie lässt Kinder auf ihrem Norweger reiten, ohne Sattel nur mit Voltigiergurt. So machen dann eben diese Freundin und der Norweger mit dem Kind auf dem Rücken einen Spaziergang. Das ganze ist zur Gewöhnung ans Pferd.
Lina hofft, dass es ihr hilft.
Und tatsächlich, nach vielem gut zureden schafft sie es auf den Norweger zu klettern.
Sie wird durch den Wald geführt und es ist ein schöner Ausflug. Lina ist begeistert, nun weiß sie sicher, irgendwann wird sie wieder ganz normal mit Sally unterwegs sein, und wie früher, auf den Turnieren so richtig abräumen.

Ein Jahr später



Europameisterschaft.
Lina hatte sich nur aus Spaß angemeldet. Ihr Ritt war ihrer Meinung nach in Ordnung, aber sie wusste dass sie noch besser sein konnte.
Der Lautsprecher an der Wand gegenüber wird angeschaltet und sie reitet, zusammen mit den anderen Teilnehmern in die Halle.
Die Platzierungen werden bekanntgegeben, der letzte Platz zuerst.
Der Spreche ist beim letzten Platz angekommen. Da nicht alle platziert werden, nimmt sie an, sie wäre eben einfach nicht platziert.

„Und Europameisterin ist… Lina Kling mit Sally!“

Lina kann es nicht fassen. Sie hätte alles erwartet, nur das nicht. Sie nimmt die Ehrungen entgegen und erinnert sich an die Zeit vor einem Jahr, als sie den Unfall hatte.
Sie hatte Angst gehabt, ein Pferd zu besteigen. Sie hatte diese Angst überwunden und war Europameisterin geworden. Sie konnte wahrlich stolz auf sich sein.

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Tag der Veröffentlichung: 14.06.2011

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