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Kindliche Kriegsspiele

Ich habe die Bücher von Karl May nie sonderlich gemocht. Weder das eine noch das andere.
Und dennoch habe ich mich immer wieder hindurchzuwühlen versucht, durch all diese Geschichten über heldenhafte Männer in der Sandwüste, über Trapper, oder wie auch immer die Typen genau heißen. Mir war früher nicht klar, was das für welche waren, was sie wollten. Und ich weiß es bis heute nicht. Diese Einöde, das Insichgekehrte, das ging mir damals alles so auf die Nerven, dass ich die Bücher zwar eifrig anlas, dann aber irgendwann ins Stocken geriet und zum nächsten griff. Und so weiter und so fort.
Warum ich diese Art von Literatur überhaupt las? Warum ich es versuchte? Weil es alle, die ich gern hatte, so machten. Ich wollte so sein wie meine Freunde, wollte dass wir eine Basis hatten. Und so verfuhr ich auch bei Hörspielkassetten. Ich hörte viele Detektivhörspiele vor allem deshalb, weil meine Freunde es machten. Ich selbst war viel zu blöd, dem Geschehen adäquat zu folgen. Aber ich wollte eben irgendwie - und sei es auch nur ansatzweise - dahinterkommen, was meine Freunde so sehr daran faszinierte, zumindest wollte ich es versuchen. Und immerhin habe ich bei diesen ganzen Detektivstories ein Gefühl für das Besondere dahinter erhalten - da war eben diese starke Gemeinschaft von Kindern bzw. Jugendlichen, so gut miteinander verwoben, wie es wohl in der Realität selten ist, und die gingen immer wieder an dubiöse Rätsel ran. Das war faszinierend. Aber auch frustrierend - für mich, denn ich verstand die Denkweise zur Lösung des Falles nicht. In den Hörspielen so gut wie gar nicht. Die Bücher konnte ich etwas besser vertragen. Seltsam.
Aber Cowboys und Indianer, die gingen für meinen Geschmack eigentlich noch nicht mal auf der Mattscheibe. Wie eine einzige Posse wirkte so manch überheiter inszenierter Pseudowildwest-Streifen. Und dann das Frauenbild! Und die Tiere! Meine größte Sorge galt stets den Pferden. Mir ging es durch und durch, wenn sie in allzu wilden Szenen stürzten und liegen blieben.
Nur zwei Sachen konnte ich in diesem Zusammenhang gut finden: All das Gesehene selbst nachzuspielen. Mit kleinen Figuren im Sand oder auf dem Teppich. Ein ganzes Cowboy-Städtchen, daneben Mini-Zelte mit Feuerstätten, die Indianer mit ihren putzigen Zöpfchen und Stirnbändern, in der Hand ein Bogen, daran ein Pfeil, im Gesicht ein Lächeln, cleveres Klischee, schöne Welt der Spielfiguren, da dann noch der adrette Mini-Mustang, auf dem der Indianer sogleich zu seinesgleichen reiten wird, um von seinen Erkundungen zu erzählen. Schlacht um Schlacht erstand daraus, mit klapperndem Plastik und quiekender Freude.
Vor mir so viel Historie, die ich seinerzeit nicht als großes Ganzes, sondern nur als Teil einer (schn)öden Jungens-Welt wahrnahm - etwas das furchtbar detailliert und konstruiert ist. Der Aufbau dieser Welt war schon ein riesiger Aufwand. Der Abbau ging schneller. Das Dazwischen war interessant. Und doch war ich nie richtig drin. Mir geht da wohl etwas ab. Aber ich wollte eben dabei sein und war immerhin daneben. Anwesend. Und freute mich, dass meine Lieben sich so sehr freuten.
Insofern war das alles doch irgendwie schön. Selbst die wilden Kriegsspiele, wenn die Indianer mal wieder das Fort angriffen und man sich gegenseitig totschießen musste.
Irgendwie vermisse ich es sogar.

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Tag der Veröffentlichung: 28.11.2018

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