Ich stehe auf und fühle mich wohl, empfinde nämlich nichts, oder zumindest nur den unauslöschlichen Drang nach drei Tassen Kaffee. Die genieße ich. Sehr. Doch je mehr ich sie genieße und je mehr sich das Ende dieses Genusses abzeichnet, umso größer wird die Unruhe in mir, dass das alles nicht genug ist. Der Kaffee nicht, denn den hab ich auf, und auch das Alles nicht. Das All nicht und auch nicht sein starres Interieur.
Der Kaffee muss raus, ungewollt, ich möcht ihn lieber behalten. Der Genuss lässt sich nach der Leerung nicht eins zu eins wieder aufgießen. Ich sitze da und sehne. Der Ofen ist aus. Ich friere. Ich friere mich tot, schlotternd allein, unter tausend Decken vergraben. Doch sie sind niemals genug.
Das Leben läuft. Wie immer läuft es seinen Dauermarathon, die irre Form ohne Stillstand, rennt grüßend an mir vorbei. Ich setz mich gemütlich auf einen der billigen Plätze, irgendwo im hinteren Raum, dorthin, wo alles nur verzerrt ankommt, greife in die Chips-Schüssel und knuspere den Dreck besonders stampfend. Denn meine Ohren sind zu gut, als dass ich sie unverschlossen in die Welt halten könnte. Und so hör ich kaum, wie das Leben auch an diesem jeden Tag an mir vorbeigelaufen ist. Aber ich sehe es winken, lachend winken, zähnebleckend, verstörend vergnügt hechelt es mich aus unerreichbarer Entfernung an. Und ich zeige ihm den blanken Arsch, als ich aufstehe und mich furzend in Richtung Klo begebe.
Doch irgendwann ist auch der stärkste Puffer abgebläht und dann ist da nichts mehr, was ich dem täglichen Zug entgegenzubieten habe. Dann bin ich leer, dann hab ich ausgeschissen und kann mich nur noch verpissen, ja aus dem Staub machen, der mir schon zu Hauf über den Kopf gewachsen ist. Das aber ist ein Kraftakt, den ich nicht bewältigen kann, denn ich hab von jenem Zaun, an dem nicht mehr alle Latten dranhingen, zwei abgerissen und vor die Tür geschlagen. Damit habe ich mich verbarrikadiert, von innen verschlossen, verplombt, vermint, mienenlos, scheinbar.
Also schalt ich mich aus und ziehe ab, weg mit der Innen-Schau und fort von der Schüssel, und schlurfe vor den Spiegel, so nah, dass ich fast mit der Nasenspitze an das Glas klopfe. Doch ich sehe nichts, nicht mich und erst recht sonst keinen, nur aschfahle Transparenz steht im Raum, vom Wellentakt der auslaufenden Zeit gebogen wie ein Fragezeichen. Dieser Verbiegtheit kann ich nur begegnen, wenn ich verlogen mitmache und mich kräftig derangiere, meinen Rüssel an den Spiegel schmiege und um Einlass begehre, zart pochend erst, bis ich so fest daran rüttle und hämmere, dass der Spiegel zerbricht und mir das Gesicht in tausend Stücke schneidet. Es tut gar nicht weh, sondern fühlt sich sogar recht gut an, weil es den einen Nerv vom anderen trennt, mir scheibchenweise den Saft rauszieht und mich schlussendlich ganz entnervt.
Und ich beglückwünsche mich, dass der Zaun lange schon so schön lattenlos ist, hier inmitten meines Reiches, denn keiner kommt nun rein und sieht mir beim Verirren zu, und überhaupt bringen Scherben doch Glück – einen Blutschwur drauf! Das denk ich mir, während mir tausend Scherben in Gesicht, Mund und Händen stecken, ich mich zu Boden sinken lasse und mir die größte und spitzeste von ihnen nehme, um mir damit das zu befüllen, was unendlich sehnsüchtig und doch immer leer ist, den ungenutzt-zerschlissenen Ort der Einsamkeit, das zart-wummernde Beutelchen, das immer viel zu ungeschützt daliegt, wenn man denn wagt, Sein und Dasein zu offenbaren.
Tag der Veröffentlichung: 18.02.2017
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