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Kapitel 1


Sie schaute sich kurz um, dann rannte sie durch die Menschenmassen. Überall strömten ihr Kinder und Erwachsene entgegen und drängten sie wieder zurück. Wieder blieb sie stehen und schaute sich um. War sie schon an ihm vorbei gerannt? Hatte sie ihn schon verpasst? Unmöglich, das hätte sie gesehen. Ihr Blick wanderte auf die große Uhr an der Kirche. Fast Mittagsstunde. Wo war er nur? Sie blickte sich noch einmal auf dem großen Platz um. Irgendwo hier musste er doch sein. Da! Waren das nicht seine schwarzen Locken. Sie schaute genauer hin und tatsächlich, er irrte auf dem Platz umher. Sie ging auf den Jungen zu, der sich jetzt auf den Rand des Brunnens gesetzt hat, der in der Mitte des Platzes stand. Er sah zu ihr auf und nickte ihr kurz zu.
„Guten Mittag,, Isi.“
„Guten Mittag, Frederico.“
Isi setzte sich zu ihm und wartete. Nach einer Weile stieß ein anderer Junge zu ihnen und setzte sich. Sie wurden immer mehr. Nach etwa einer Stunde saßen die Jungen und Mädchen um den ganzen Brunnen herum. Frederico erhob sich, wobei seine schwarzen Locken hin und her wogen, und gab Isi ein Zeichen sich zu ihm zu stellen.
„Wie viele habt ihr insgesamt erbeutet?“, fragte er sie.
„Genug für die nächsten zwei Monde.“, erwiderte sie leise, aber bestimmt.
Frederico wandte sich jetzt an die übrigen und betrachtete jeden sorgfältig.
„Du.“, sagt er und deutete auf ein dünnes Mädchen mit auffällig roten Haaren. Sie erstarrte für einen Moment, aber dann neigte sie den Kopf.
„Wer ist das neben dir?“, fragte er, den Blick auf einen kleinen Jungen gerichtet.
„Ein Neuer. Er saß auf der Straße und bettelte.“
„Hast du ihn geprüft.“, fragte er skeptisch.
Das Mädchen schwieg eine Weile, dann gab sie kleinlaut zu: „Nein.“ Sie schaute ihn mit ängstlichem Blick abwartend an.
Sein Gesicht blieb unverändert, doch dann verwandelte sich sein Körper langsam. Aus seinen Füßen wurden große Tatzen und er krümmte sich immer mehr, seine Locken verwandelten sich in eine lange goldene Mähne. Während er sich immer mehr veränderte, ging er auf das Mädchen zu. Vor ihr stand ein ausgewachsener, majestätischer Löwe. Er schaute sich kurz um. Kein einziger der vielen Menschen schien ihn zu sehen, doch das war nicht verwunderlich. Menschen waren blind. Sie sahen kaum etwas, oder wollten es nicht sehen.
„ Was fällt dir ein?“, knurrte er leise. Dann bäumte er sich auf, fauchte leise.
„Ich werde dir lehren wie gefährlich solche Menschen sein können.“
„Das reicht.“, ging Isi dazwischen, leise aber bestimmt. Ihre Stimme war immer noch ruhig, aber in ihrem Gesicht konnte man sehen wie wütend sie war. Sie ging ein paar Schritte nach vorne und blieb vor dem rothaarigen Mädchen stehen. Der Löwe drehte sich um und schaute zu ihr auf.
„Du kennst die Regeln.“, ermahnte sie ihn mit gebieterischer Stimme.
„Ich habe sie selbst verfasst.“
„Dann solltest du sie doch auch einhalten.“
Er verwandelte sich wieder in einen normalen Jungen und schaute ihr in die Augen. Dann drehte er sich weg. Wieder veränderte er sich. Seine blasse Haut wurde durchscheinend, bis er schließlich verschwand. Die einzige, die ihn jetzt noch zu sehen schien, war das Mädchen, dass es als einzige je wagen würde, sich ihn zu widersetzten. Isi. Doch er wusste nicht, dass sie ihn sehen konnte. Er verschwand in Richtung der Kirche. Sie dagegen jagte den anderen einen Befehl durch den Kopf und sie alle folgten ihr durch die Straßen der Stadt, bis an die äußere Mauer.
Sie atmete tief durch, dann betrat sie mit ihrer Gefolgschaft den Wald.

Zuerst auf dem Weg, dann immer mehr abseits ging sie ohne zu zögern zu der Lichtung, auf der sie alle ihr Lager aufgeschlagen hatten.
Sie ging zielstrebig auf eine kleine Holzhütte zu, doch als sie direkt davor stand zögerte sie. Wie würde er reagieren. Plötzlich drehte sie sich um und verschwand wieder im Wald. Irgendwo abseits der Wege verwandelte sie sich in einen ehrwürdigen, bedrohlichen Falken. Sie flog über die Bäume hinweg, bis sie plötzlich pfeilgerade nach unten schoss. Den Blick immer auf eine ganz bestimmte Stelle gerichtet. Sie landete auf einem kleinen Stein direkt neben einem schwarzen Puma.
„Felix, was machst du hier?“, zischte sie.
„Das könnte ich dich ebenso gut fragen, Isabel.“, knurrte er zurück.
Plötzlich stieß sie einen beinah kichernden Laut aus. Langsam verwandelte sie sich wieder in ein schwarzhaariges Mädchen. Der Puma neben ihr verwandelte sich in einen jungen blonden Mann, Mitte zwanzig.
„Hätte nicht gedacht dich noch einmal zu sehen.“ Sagte Felix.
Isi lächelte und schaute ihn an.
„Es ist lange her, aber du musstest ja unbedingt den Clan wechseln.“
Felix lachte und betrachtete sie.
„Du hast dich verändert, ich hab gehört du bist Stellvertreterin?“
„Ja, das bin ich. Ich hab gehört du bist Heiler?“
„Allerdings.“
Auf einmal verhärteten sich die Gesichtszüge beider und sie rannten in die entgegen gesetzten Richtungen. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Er war jetzt ihr Feind und das hier war ihr Territorium. Er hätte gar nicht hier sein sollen. Sie rannte bis sie das Tor sah und die Glocke keine hundert Meter vor der Lichtung. Sie schüttelte die Glocke und riss sie beinahe ab, dann rannte sie weiter. Erst als sie in der Mitte der riesigen Lichtung stand blieb sie schließlich stehen.
Frederico stand schon da und erwartete sie.
„Was ist passiert?“, fragte er leise.
„Sie sind hier. Der Dunkelclan ist hier. Ich hab Felix gesehen.“
Frederico blieb ruhig. Der Grund warum er der Anführer war und nicht Isi.
Isi hätte sofort Krieger losgeschickt und den ganzen Wald durchkämmen lassen, nicht so Frederico. Er sah in die Runde.
„Jeder der dazu im Stande ist hilft dabei die Lichtung zu rüsten, zu stärken und zu schützen. Vor dem Tor patrouillieren ab jetzt immer drei Krieger. Niemand außer mir und Isabel kommt ohne Genehmigung rein oder raus. Klar?“
Leises Murmeln aber schließlich ein zustimmendes Nicken.
Sie schaute Frederico an, dieser erwiderte ihren Blick kurz und verwandelte sich langsam in den majestätischen Löwen, den sie so viel besser kannte als den jungen Mann, der er sonst war.
Für einen Clananführer war er ziemlich jung. Gerade einmal 18 Jahre alt war er. Aber er war gut. Verdammt gut. Frederico ging langsam durch das Tor und verschwand schließlich im Wald. Isi ging ihm hinterher. Sie musste dringend mit ihm reden.

Sie witterte seine Fährte, doch sie suchte ihn vergebens. Schließlich verwandelte sie sich wieder in den großen, mächtigen Falken. Sie durchkämmte den ganzen Wald, bis sie ihn endlich auf einem Felsen liegend sah. Er sonnte sich.
Sie verwandelte sich wieder in ein Mädchen und setzte sich zu ihm.
Auch er verwandelte sich. Sie sah ihm in die Augen. Plötzlich musste er lächeln. Er konnte nicht anders. Sie hob eine Braue und schaute ihn erwartungsvoll an.
„ Mistkerl.“, murmelte Isi leise und lehnte den Kopf gegen seine Schulter.
„Te quiero.“ flüsterte er und gab ihr einen Hauch von Kuss auf die Stirn.
„Du warst eifersüchtig auf Felix?“, rief sie auf einmal und lachte. Sie hatte es vorhin gesehen.
„Nur ein wenig, aber vor allem war ich besorgt um den Clan.“
„Glaubst du sie greifen an?“
Er schwieg lange.
„Nein.“, antwortete er schließlich.
„Sie haben es versprochen. Und wenn es Krieg geben würde, würden die anderen Clans uns unterstützen, dass wissen sie.“
Isi dachte nach. Sie wusste genau er hatte recht und doch…
Er selbst würde vermutlich die Vereinbarung jederzeit brechen, wenn er damit seinen Stamm beschützen könnte. Er würde bestimmt nicht Zögern, er hatte ja auch nicht gezögert, seine eigenen Regeln zu brechen.
„Was denkst du?“, weckte er sie aus ihren Gedanken.
Sie wollte nicht mit der Wahrheit herausrücken, doch er würde es sowieso erfahren.
„Du hast deine eigenen Regeln gebrochen.“
„Ich hätte diese Regel niemals aufstellen sollen.“
Ja, diese eine Regel. Die Regel, dass man sich nicht in die Mitglieder des eigenen Clans verlieben durfte. Er hatte sie längst gebrochen. Nichts desto trotz wusste sie warum er die Regel hatte aufstellen lassen. Sein Vater hatte seiner Mutter vertraut, sie geliebt und dennoch seine Mutter hatte den Stamm dem Dunkelclan ans Messer geliefert, ihn verraten. Frederico hatte niemandem mehr vertrauen können, bis er Isi traf. Er hatte unwissend ein so starkes Band aufgebaut, dass sie ihn immer spüren konnte, sehen konnte wenn er sich wieder versteckte. Er. Konnte sie ihm vertrauen? Sie hatte das Böse gesehen. Konnte er es sein?
Abrupt stand sie auf. Er war überrascht.
„Ich… es tut mir leid. Ich kann nicht… lo siento.“ flüsterte sie.
Sie wollte wegrennen, sich verwandeln, doch seine Berührung verhinderte es.
„Was ist los?“, fragte er.
Isi schüttelte den Kopf und wollte sich befreien, schrie, trat. Er ließ nicht locker. Schaute sie nur stumm an. Sie hörte auf sich zu wehren und senkte den Kopf.
„Ich…habe Angst… vor dem Bösen, ich habe…Zweifel.“, gestand sie, wagte nicht aufzusehen.
Er lachte leise und hob ihren Kopf, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.
„An sich ist nichts weder gut noch böse. Erst das Denken macht es dazu“.


Kapitel 2


Isi streifte sich ihre Jogginghose und ein Shirt über.
Sie schlich leise aus ihrer Hütte und trat ins Freie. Sie tappte zu dem Ausgang der Lichtung und schaute sich um.
Von den Schatten der Nacht verborgen saß Frederico an einen Baum gelehnt.
Er schaute in die Nacht hinaus, doch als sie die Lichtung verließ schoss sein Kopf herum.
Auf seinem Gesicht tauchte ein Lächeln auf. Um seine Augen bildeten sich kleine Fältchen.
Ich liebte es wenn er lächelte. Dann sah er wieder aus, wie ein kleiner Junge.
Doch er lächelte nicht mehr oft. Früher als ich kennengelernt habe, war das anders. Er war damals eine Frohnatur.
Aber seit sein Vater starb und er den Posten des Anführers übernahm, war da nur noch die Sorgenfalte auf seiner Stirn und das raue Knurren, das an die Stelle seines sonst so weichen Tons trat.
Ich ging zu ihm rüber und setzte mich.
Sofort legte er den Arm um mich und ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter.
„Warum schläfst du noch nicht?“, fragte er mich leise.
„Eigentlich wollte ich dich ablösen. Du brauchst auch mal Schlaf.“
„Ich schlafe genug.“
„Ja genau. Und wann so in etwa? Du warst die letzten drei Nächte hier draußen.“
„Isi, ich bin der Anführer, also habe ich auch gewisse Pflichten, das weißt du genau.“
„Ja, deine Pflicht ist es, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die den Clan beschützen.
Wenn du allerdings bei der nächsten Ratsversammlung einschläfst und dann die anderen entscheiden, dass unser Clan die Hälfte der Gebiete abgibt und du dann im Halbschlaf ja sagst, hilft das uns nicht gerade weiter.“
„Ich kann morgen Nacht schlafen.“
„Morgen ist die Ratsversammlung. Du gehst jetzt schlafen!“
„Isi, ich lasse dich nicht nachts hier draußen alleine.“
„Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich habe gelernt anzugreifen und mich zu verteidigen. Also gibt es nicht einen Grund warum du hier bleiben solltest. Geh schlafen.“
Frederico schaute sie widerstrebend an, aber schließlich nickte er und stand auf. Bevor er ging Hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange.
Dann verschwand er leise.
Isi lehnte sich an den Baum und schloss die Augen. Sie konnte besser hören als sehen, dass war von Anfang an so. Eine Weile blieb sie so sitzen.
Plötzlich spannte sich jeder Muskel in ihrem Körper an. Ein leises Knacken, hinter einem Baum.
Sie blieb still, hörte für einige Momente auf zu atmen. Wieder das Knacken, lauter dieses Mal.
Sie ging in Angriffshaltung, konzentrierte sich auf all ihre Sinne.
Sie spähte in die Nacht hinaus.
Endlich sah sie schwarze Umrisse. Sie brauchte einen Moment um zu begreifen wer da vor ihr stand, doch im nächsten Moment verwandelte sie sich in den Falken, dessen Sinne geschärfter waren, als die ihres menschlichen Lebens. Sie dachte krampfhaft an alle Unterrichtseinheiten im Nahkampf, versuchte sich zu erinnern. Wenn sie jetzt einen Fehler machte war sie tot, denn vor ihr stand der Anführer des Kristallclans, der mächtigste Clan den es gab. Der schwarze Panther trat näher an sie heran, musterte sie, in jeder Sekunde bereit zum Angriff.
Isi atmete tief durch, einmal, zweimal.
„Fühl dich geehrt.“, knurrte er.
Dann griff er an, er sprang auf sie zu, die Krallen ausgefahren, die Zähne gebleckt. Ich konnte seine Scharfen Eckzähne sehen, die bereit waren mich zu zerfleischen.
Ich breitete die Flügel aus, doch es war zu spät.
"Was ist Ehre? Ein Wort. Was steckt in dem Wort Ehre? Was ist diese Ehre?
Luft.
Ehre ist nichts als ein gemalter Schild beim Leichenzuge."



Kapitel 3


Isi lag auf einem Bett in einem kleinen dunklen Raum. Durch ein Fenster schien Licht in das Zimmer. Es war Morgendämmerung.
Ein junger Mann saß neben Isi. Frederico. Er wachte Tag und Nacht über sie.
Frederico sah ihr Gesicht an. er musterte sie mit einem besorgten Blick.
In den letzten Tagen, seit er hier war, ging er nur selten aus dem Zimmer. Wenn, dann holte er ein nasses Tuch, einen neuen Verband für Isis Wunden oder ein Glas Wasser. Er hatte lange nichts mehr gegessen, doch er hatte Angst sie allein zu lassen.
Plötzlich hörte er einen Aufschrei. Isi. Sie schlug die Augen auf und sah in Fredericos besorgtes Gesicht.
„Was ist passiert? Bin ich tot?“ Sie schaute sich in dem Raum um.
„Ich will doch wohl hoffen, dass du nicht tot bist, weil ich dann nämlich umsonst die letzten drei Tage fast überhaupt nichts gegessen habe.“
Er starrte sie mit einem verkrampften Lachen im Gesicht an.
„Aber...Alexander....er hat mich...angegriffen.“ Sie starrte ihn an. Erst jetzt bemerkte sie die Kratzer, die sich an Fredericos Arm langzogen und seine Schultern bedeckten. Auch der Schnitt, der Fredericos rechte Braue in zwei teilte, war ihr vorher nicht aufgefallen, obwohl so offensichtlich schien. Sie konnte sich langsam denken, was passiert ist.
„ Ich hab mich zwischen euch geworfen, bevor er dich umbringen konnte. Es war töricht von dir, dich in einen Vogel zu verwandeln. Du warst viel verwundbarer und nachdem ich Alexander in die Flucht geschlagen habe, musste ich erst mal dafür sorgen, dich zurück zu verwandeln.“
„Du hast was...? Du hättest verletzt werden können, du hast dich verletzt.“
„Und du nicht? Deine Wunden waren deutlich tiefer als meine.“
Sie wandte den Blick abermals von ihm ab und schaute sich wieder um. Sie zog ihre eine Braue fragend in die Höhe.
„Wo sind wir hier eigentlich und wo...wo ist der Clan?“
Er rieb sich die Stirn und dachte eine Weile nach. Es dauerte bis er schließlich antwortete:
„Also genaugenommen, sind wir hier in meinem Haus. Und der Clan treibt sich schätzungsweise irgendwo auf diesem Gelände herum.“
Isi schaute ihn ungläubig an.
„Ein Haus?“
„Ja.“
Isi setzte sich auf und wollte aus dem Bett steigen, doch Frederico drückte sie sanft zurück.
„Nicht...du brauchst Ruhe.“
Sie legte sich wieder zurück und starrte auf die Decke.
„Irgendeine Ahnung, was Alexander wollte?“
„Woher soll ich das wissen? Der Typ ist ja einfach auf mich zu gestürzt und wollte mich zerfleischen. Das heißt er sagte mir: Ich solle mich geehrt fühlen. Der Typ hat echt Probleme, ich meine HALLO? Wer bitte schön fühlt sich geehrt wenn er zu Fleischhäppchen verarbeitet wird?“
Frederico lachte. Ich genoss es.
Ein tiefer Fall führt oft zu höherem Glück.

 

Kapitel 4



Eine Woche war es her, dass Alexander Isi angegriffen hat.
Ihre Wunden waren mittlerweile wieder ein wenig verheilt.
Heute war der 31. Dezember. Es war der letzte Tag des Jahres.
Isi saß draußen in dem großen Garten auf einer Bank und betrachtete den kleinen See auf Fredericos Grundstück. Heute Abend würde ein besonderer Abend werden. Sie wusste nicht ob sie das gut oder schlecht finden sollte.
Auf einmal tauchte hinter ihr ein Schatten auf. Der Schatten bewegte sich und Jamie setzte sich auf die Bank. Er war Fredericos bester Freund, die beiden kannten sich schon seit sie Kleinkinder waren und sich gegenseitig die Schnuller gemopst haben.
„Wie lange läuft das schon?“, fragte er sie und sah ebenfalls auf den See.
„Was meinst du?“, fragte sie unschuldig. Natürlich wusste sie was er meinte.
„Du weißt was ich meine, Frederico und du?“
„Es läuft schon eine Weile.“
„Wie lange genau?“
„Heute Abend genau 2 Jahre.“
„Du weißt was das bedeutet oder?“
„Sollte ich wissen was das bedeutet?“
„Wenn ihr euch bis heute Abend nicht trennt, und es ehrlich meint, dann gehört ihr für immer zusammen. Wenn ein Gestaltenwandler in einer Beziehung mit jemand anderen steckt, baut er eine Band auf. Wenn es zwei Gestaltenwandler sind, kann das Band nicht wieder auseinander gerissen werden. Es ist ein Band, das eure Gefühle so miteinander verbindet, dass ihr auf ewig zusammen gehört.“
„Was ist wenn einer stirbt?“ Eigentlich brauchte Isi nicht zu fragen, sie wusste auch das.
„Stirbt einer, stirbt auch der andere. Ihr seid weniger verwundbar, aber wenn einer stirbt, sterben beide. Du musst dir genau überlegen, ob du dieses Band eingehen willst und kannst.“
Sie wusste es nicht. Sie wusste, dass sie Frederico liebte und sie wusste, dass er das Band ohne weiteres eingehen würde.
Isi schwieg.
Sie blieb sehr lange dort sitzen. So lange bis sie von Weitem die Stimme Fredericos hörte. Er war der letzte mit dem sie jetzt reden wollte. Sie stand auf und ging so schnell wie möglich von der Bank weg.
Doch Frederico hatte anscheinend nicht vor sie so einfach gehen zu lassen. Er lief ihr hinterher und hielt sie fest.
„Was ist los?“, fragte er verwirrt.
„Ich muss nachdenken. Lass mich in Ruhe!“
„Du bist noch nicht bereit. Hab ich recht? Versteh schon. Du weißt nicht, ob du mit Mir den Rest deines Lebens verbringen willst.“
„ Da hast du vollkommen recht. Also, würdest du mich vielleicht in Ruhe nachdenken lassen.“
Es war später Abend. Langsam machte sich Frederico Sorgen um Isi. Sie war schon seit heute Mittag weg. Draußen am See versammelten sich langsam immer mehr Clanmitglieder.
Auch Frederico setzte sich dazu, neben Jamie.
„Hey, sie taucht schon noch auf. Mach dir keine Sorgen.“
„Was ist wenn sie wieder angegriffen worden ist. Letztes Mal war ich rechtzeitig da, aber dieses Mal wäre sie auf sich alleine gestellt und ihre Wunden sind noch längst nicht verheilt.“
Frederico machte sich mehr und mehr Sorgen, mit jeder Minute.
Noch 6 Minuten bis Mitternacht und Isi war noch immer nicht da.
Frederico sah nervös auf seine Uhr. Noch 5 Minuten.
Warum kam sie denn...
In diesem Moment tauchte sie auf der anderen Seite des Sees auf.
Isi kam langsam um den See herum, den Blick immer auf Frederico gerichtet.
Noch 4 Minuten.
Sie stand jetzt direkt vor ihm.
„Ich...ich kann nicht.“
Er schloss die Augen und schien völlig entspannt zu sein.
„Warum nicht?“, fragte er leise, schaute sich um. Niemand achtete auf die beiden.
„Wie kann ich sicher sein, ob du mich wirklich liebst?“ Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich Zweifel habe und das hat sich nicht geändert.“
„Wie kannst du wissen ob ich dich wirklich liebe? Ganz einfach. Wenn ich dir etwas vorlüge, funktioniert das mit dem Band nicht. Also warte einfach ab. Vertrau mir. Bitte.“
Sie sah ihn an. Sah ihm in die Augen. Sie sah keine Lüge, keine Zweifel in seinen Augen. Da war nur Wahrheit, Kampf, Qual und...Liebe.
Noch eine Minute bis Mitternacht. Die Zeit war schneller vergangen als gedacht.
Isi sah Frederico weiterhin in die Augen und Frederico sah Isi in die Augen.
Noch zehn, neun, acht, sieben....alle zählten mit...sechs, fünf, vier, drei, zwei...
Isi konnte nicht länger warten. Sie nahm Frederico in die Arme und gab ihm einen sanften Kuss.
Das Gefühlschaos, dass sich in diesem Moment in ihr ereignete war...unmöglich in Worte zu fassen. Aber sie wusste genau, dass zwischen ihr und Frederico ein Band geschlossen wurde,
und Frederico wusste es auch.
With love’s light wings did I o’er-perch these walls, for stony limits cannot hold love out.
Der Liebe leichte Schwingen trugen mich,

Kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren


Impressum

Texte: ©Janie Ni, 2012
Bildmaterialien: ©Helena Nagí
Tag der Veröffentlichung: 20.07.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Deutsch/Geschichtslehrerin, der ich es noch immer überl nehme, dass sie mir vor 4 Jahren in der 5. Klasse eine 3 in Deutsch im Zeugnis gegeben hat.

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