Cover

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Was ist passiert? Warum bin ich hier? Wo bin ich hier? Ich fühle mich gefangen, wie in einem tiefen Schlaf. Schlaf? Aber ich fühle mich gehetzt, gehetzt von der Vergangenheit, von der Angst, von der Erinnerung. Ich will mich nicht erinnern. Warum soll ich das? Ich höre die Spürhunde. Sie jaulen, sie schreien. Sie halten mich wach und bringen mich in wanken. Ich weiß nicht, wo ich bin, ich weiß nicht, wem ich trauen kann. Aber du bist bei mir, ich verstecke dich bei mir, denn auf eine Sackgasse war ich nicht vorbereitet. Ich halte mich an dir fest und sehe in deine Augen, sie sind so warm und offen, sie geben mir Ruhe.



Bitte bring mich weg von hier. Ich will mich nicht erinnern, ich will alles vergessen. Ablenkung und dich, mehr brauche ich nicht, aber ich muss das Alte hinter mir lassen, die Erinnerung darf mich heute nicht einholen, hilf mir zu vergessen. Bring mich in die Stadt und lass mich für heute alles vergessen. Lichter, die mich blenden, Beats, ich möchte verschwinden. Geh mit mir aus, lass uns alles vergessen für heute Nacht.



Ein Club, Musik, Beats. Es tut so gut mit dir zu tanzen, ich liebe diesen Song, ich verliere mich in deinen Augen und ich spüre mehr als nur Angst, mich zu erinnern. Das Lied darf nicht enden, die Nacht darf es nicht. Es ist wie beim ersten Mal, doch das Lied endet und wir erinnern uns. Das darf nicht sein.



Bitte DJ, erleichtere meinen Geist, spiel noch einmal dieses Lied, weil wir uns liebten. Ja, wir liebten uns. Ich liebte dich, mehr als alles andere, damals, bevor der Regen kam, der Regen, der alles wegspülte. Ich will mich nicht erinnern und ich möchte nicht weinen. Wenn ich weine, dann halte ich mir die Ohren zu. Ich will es selbst nicht hören, selbst nicht ertragen, nicht selbst den Regen noch verstärken, der Regen, der uns beide auseinander treibt.



Ich tanze mit dir, als eine fremde Hand mich berührt und die Pferde mit mir durchgehen. Mein Herz ist rastlos und voller Zweifel und in der Vision, die ich von uns hatte, da sah ich es nicht kommen und nun ist es in meinem Blut! Es ist furchtbar und ich verstehe, dass du damit nicht umgehen kannst. Ich kann es selbst nicht, wie sollte ich es auch? Ich war normal, wir beide waren es und wir waren glücklich. So unendlich glücklich und ich möchte es wieder sein.


Das muss doch möglich sein, DJ hilf uns dabei, in dem du mir den Geist erleichterst und den Song noch einmal spielst, damit wir die Liebe wieder finden können.



Die Liebe, diese Liebe, die so unschuldig war, so rein. Sie begann schon früh, dein Herz gehörte mir schon als Kind.



Ich gebe zu, dass ich es nicht zu schätzen wusste, lange. Du warst nicht cool genug, du warst ein niemand und ich wollte eine Königin sein und eine Königin war nicht mit einem Niemand zusammen, nicht mit dem Narr. Aber die Königin war blind, sie sah nicht, dass der Narr ein Genie war, ein Mann, der sie immer Händen tragen würde, ihr ohne ein Wort jeden Wunsch erfüllte und immer da war, wenn sie jemanden brauchte. Erst sehr spät verstand sie, dass der Narr besser als jeder König oder Prinz war, weil er immer echt war.

Ich dachte, ich hätte dich an eine andere verloren, aber dem war nicht so. Aber in dem Moment, in dem ich es dachte, wurde mir klar, dass du der Eine bist, der einzige, der mich glücklich machen könnte, weil er mich kannte, jeden Aspekt, jede Kleinigkeit, alles, was mich wirklich ausmachte. Ohne dich wäre ich schon früh verloren gewesen, keiner kämpfte je so um und für mich, wie du es getan hast. Nur du konntest meine Augen öffnen, für so vieles. Ich brauchte fast zu lang, um sie für dich zu öffnen.



Du hast mich nie aufgegeben, egal, wie viele Fehler ich gemacht habe, egal, wie oft ich dich von mir gestoßen habe, egal, wie sehr ich mich selbst aufgegeben hatte. Du hast immer an mich geglaubt und mir Kraft gegeben. Es ist fast ironisch, wie oft ich bei dir das Gegenteil versucht habe, als ich noch dachte, du seist ein Narr.



Nein, DJ! Bitte spiel das Lied doch noch einmal. Ich möchte mich nicht erinnern! Erleichtere meinen Geist, meine Seele! Hilf mir doch, ich will das nicht! Ich will das alles vergessen, am liebsten will ich alles ungeschehen machen. Dreh die Zeit zurück und spiel das Lied von Beginn an. Die Dinge, die geschehen sind, sie dürfen nicht wahr sein. Ich will nicht weinen müssen und wieder halte ich mir die Ohren zu. Ich will mein Gejammer nicht hören.



Da ist er, dieser warme Blick. Sanft nimmst du meine Hände von meinen Ohren, flüsterst, alles würde wieder gut. Aber wie soll alles wieder gut werden? Ich kann das nicht glauben. Du lügst mich an, damit es mir besser geht. Ich kenne diesen Blick, deine Art, das tust du immer. Seit wann bin ich es eigentlich, die in Panik gerät, du bist doch derjenige, der in Schockstarre fällt, vergisst, wie man atmet und dann helfe ich dir, es ist nicht andersrum. Warum ist es andersrum? Sei nicht so nett zu mir, schenk mir nicht deine Liebe. Ich verdiene sie nicht, nicht so lange ich nicht alles rückgängig machen kann. Das darf so nicht enden. Das Lied darf nicht enden, sag das dem DJ bitte, ich muss zurück, zurück in die Zeit, bevor der Regen begann... Der Regen, der alles zerstörte. Bitte. Mach, dass das Lied nicht endet oder immer wieder von vorn beginnt.



Erinnerst du dich? Alles war zerstört, als wir begannen. Alles war kurz zuvor angegriffen und nahezu vernichtet worden und ich war am Ende. Wir waren es alle, abgesehen von dir. Du warst optimistisch, du hast gesagt, dass es am Ende alles gut wird, und wenn es nicht gut wäre, dann wäre es nicht das Ende. Erinnerst du dich! Das – diese Worte – darfst du nie vergessen. Wenn sie nicht wahr sind, dann hast du mich angelogen und das würde ich nicht verkraften. Deine Worte müssen wahr sein, alles andere ist inakzeptabel. Du sagst immer die Wahrheit, darauf kann ich mich verlassen. Du sagst vielleicht nicht immer alles, aber immer die Wahrheit. Bitte lass dieses Lied nicht enden, damit du nicht zum Lügner wirst.



Unser erster Kuss, weißt du noch? Ich meine, der erste, der zählt. Erinnerst du dich an diesen Kuss? Ich erinnere mich gut.



Mein Herz schlug bis zum Hals, das war ein Gefühl, das ich nicht kannte und es war ein Gefühl, das ich früher nie mit dir in Verbindung gebracht hätte. Es dämmerte und wir warteten, ich weiß nicht worauf, aber wegen irgendwas saßen wir, wie so oft, in dem Wald und warteten. Ich betrachtete dich von der Seite, während du dich umgesehen hast, aufmerksam deinen wachsamen und klugen Blick über die Wiese gleiten ließt.



„Küss mich.“, flüsterte ich leise viel zu leise. Du hast kein Wort verstanden, es war sehr ungewöhnlich für mich, so schüchtern und zurückhaltend zu sein. Das kannte ich nicht von mir und so wunderte mich auch dein fragender Blick mit dem „Hm?!“ nicht. Ich sah dich an und biss auf meine Unterlippe. Ich fasste es nicht, dass ich so albern und unbeholfen war und das ausgerechnet du das in mir auslöstest. Du liest mich nicht aus den Augen, da ich nicht antwortete.

„Küss mich...“, sagte ich noch einmal leise, diesmal hast du die Worte verstanden. Aber das war es auch. Dein Verstand ergriff die Worte noch nicht, ich konnte regelrecht beobachten, wie du langsam verstanden hast, was ich gesagt hatte. Das Lächeln in deinen Augen war so warm und so schön. Es ließ mir das Herz aufgehen. Und dann legtest du die Hand an meine Wange, nähertest dein Gesicht meinem und legtest sanft deine weichen Lippen auf meine. Ewig, so kam es mir vor, ewig und sanft und voller Liebe. So hatte mich noch nie ein Junge geküsst, du gabst mir alles, aber du hast nichts verlangt. So warst du immer, in jeder Situation. Und das erste Mal in meinem Leben war ich wirklich glücklich. Ich hatte nicht gewusst, dass du alles warst, was mir gefehlt hatte.



Wieder laufen die Tränen, wieder höre ich mich weinen, aber du lässt mich mir nicht die Ohren zuhalten. Warum lässt du mich nicht? Bitte. Ich möchte alles vergessen, was passiert ist, was passieren wird. Mein Herz bricht und ich werde mir dessen bewusst, wenn ich mich weinen höre. Lass mich tanzen. Lass den DJ noch einmal das Lied spielen, es darf nicht enden, die Nacht darf nicht enden. Der Regen darf nicht wieder fallen!



Ich hätte dich nie bitten sollen, mich zu küssen. Dann wäre das alles nicht passiert.



Ich spüre eine fremde Hand, die mich festhält. Ich kann mich nicht befreien. Seitdem bin ich rastlos, mein Herz rast ständig und die Visionen, die ich von unserer Zukunft hatte, wurden zerschmettert, nur weil das in meinem Blut ist, weil die Gefahr in meinem Blut steckt. Ich bin gefährlich und trotzdem nicht gegangen. Du hast gesagt, die Gefahr, dass dein Herz bricht, ist größer als jede Gefahr, die von mir ausgehen könnte.



Und jetzt ist es mein Herz, das brechen wird. NEIN! DJ! Lass das Lied von Anfang spielen, das darf nicht passieren. Ich darf nicht durchdrehen. Nicht bei ihm! DJ, mach das ungeschehen, ich will doch nur diese Nacht, am liebsten für immer. Ich weiß, dass das nicht geht. Aber ich kann ihn nicht loslassen. Ich kann das nicht. Ich will das nicht. Warum habe ich das getan? Ich liebe ihn doch, DJ... bitte. Spiel das Lied noch einmal. Lass es von vorn beginnen. Ich brauche eine Chance, alles zu retten.



Aber wie soll ich etwas ändern, solange diese Hand mich hält. Die Hand, die alles zerstört. Die Hand, der Mund, die Zähne... Das Gift, es ist in meinem Blut, es ist in meinem Geist, du wolltest es nie glauben, du hast immer gesagt, du würdest spüren, wenn mein Wesen vergiftet wäre. Ich glaube, du hast dich geirrt, mein Schatz. Wieder kommen die Tränen. Ich habe alles zerstört. Ich bin das Gift, ich bin der Regen. Ich bin Schuld. Oder nicht? Du schüttelst den Kopf. In deinen Augen bin ich noch immer rein und unschuldig, so wie es unsere Liebe war. Ich bin es nicht mehr, die Hand... sie hat Flecken hinterlassen, sie hat mich beschmutzt und so meine Seele. Wie sonst kannst du dir das erklären? Wieso sonst hätte ich das hier tun können? Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr und wenn ich könnte... Ich würde das Lied nie enden lassen. Das Lied wird leiser, die letzten Takte erklingen, der DJ wird es nicht von vorn starten, wird er es tun? Bitte mach, dass er es tut. Ich will mein Weinen nicht hören. Ich ertrage es nicht. Ich möchte noch immer alles vergessen. Bitte lass uns tanzen, lass uns alles vergessen und noch einmal anfangen. Lassen wir uns von den Lichtern blenden und von den Beats gefangen nehmen. Bitte lass das Lied nicht enden. Bitte, DJ! Starte es noch einmal. Ich kann nicht zulassen, dass du es enden lässt.



Mein Herz schlägt wieder bis zum Hals, ich beobachte dich, sehe wie das Gift dich auffrisst. Mein Gift und ich sehe, wie du so tust, als sei nichts. Du tust das für mich, damit ich nicht mehr weine, damit ich vergessen kann. Ich sollte das aber nicht vergessen. Hör auf mich zu beschützen, du wirst ohnehin scheitern. Wir beide können nichts mehr tun, lass uns zu den letzten Takten tanzen, lass mich weinen, lass mich mich meine Ohren bedecken.



Ich sehe, wie die Wärme aus deinen Augen weicht. Du bist ganz blass und ich sehe, wie dir immer wieder die Luft wegbleibt. Bitte gib nicht auf. Lass das Lied einfach nicht enden. Sei selbst der DJ?! Bitte, lass das nicht passieren.



Doch das Lied endet, die Lichter gehen aus. Ich höre dich fallen und nehme Abstand. Ich darf nicht mehr da sein, wenn das Licht angeht. Das Licht wird die Wahrheit zeigen. Ich bin schon fast am Ausgang, als ich die Schreie höre. Du bist tot, dein Blut bedeckt die Tanzfläche. Deine Augen werden mich nie wieder so warm ansehen. Das Gift war in meinem Blut und ich konnte nicht vergessen. Meine Liebe war einst so rein, aber auch du konntest mich nicht retten. Diese fremde Hand hat mich verdorben.



DJ?! Spiel das Lied noch einmal. Denn wir haben uns geliebt, damals, bevor der Regen fiel. Und ich werde meine Ohren bedecken, sobald ich mein Weinen höre.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.04.2016

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