Ich war schon immer eine Idealistin. Nicht im klischeehaften Sinne, nein. Ich hatte keine vorbildlichen Ideale, denen ich gefolgt bin. Meistens haben sich meine Ideale aus egoistischen Gründen entwickelt. Ich käme nie auf die Idee zu behaupten, ich sei ein guter Mensch. Mal ehrlich, wer das von sich selbst behauptet, der ist es meist am Seltensten. Ich habe aber immer für das gekämpft, an das ich geglaubt habe. Schon als Kind. Ich habe meine Freunde verteidigt, selbst, wenn ich nicht stärker war als ihr Gegner und als meine Eltern sich trennten, beschloss ich, mich später als Scheidungsanwältin zu versuchen. Ich wurde meiner Mutter nicht nur eine gute Tochter, um ihr das Leben nie schwer zu machen, ich wurde auch schneller erwachsen, um sie zu entlasten. Auf andere wirkte ich deshalb neunmalklug, aber ich wusste, dass ich nur so die beste Freundin meiner Mutter sein konnte und die hatte sie verdient. Ich wollte immer für sie da sein und das bin ich auch heute noch, 20 Jahre nachdem sich meine Eltern getrennt haben, jetzt, wo sie beide neu verheiratet sind.
Ich war immer ehrgeizig in der Schule, abgesehen von einem Fach (Mathe). Ich wollte doch so viel erreichen. Ich wusste immer, wer ich bin, was ich kann und was ich will. Ich war 13 als ich meine Leidenschaft fürs Schreiben entdeckte und wusste: Das ist es! Das will ich! Damals waren es Gedichte und Fanfics, aber ich wusste, dass es mehr gab, was ich tun wollte. Ich wollte Reporterin, Journalistin oder Kolumnistin werden. Heute kann ich darüber nur lächeln. Das Einzige, was mich von dem noch locken würde, wäre die Kolumnistin, denn meine naiven Vorstellungen, dass ich natürlich bei einer Jugendzeitung unterkäme und über Stars berichten könnte, haben sich gelegt und ich würde nur ungern über Kriege, Politik oder Geld schreiben. Das tun genug andere. Außerdem bin ich Pazifist, politisch nur am nörgeln (wenn auch nicht unwissend) und mit Geld kann ich nicht umgehen. Mit 15 musste also ein neuer Plan her: Fotografin. Auch hier der Wunsch, mehr als nur in einem kleinen Fotoshop zu arbeiten und Schulfotos als Highlight meiner Karriere zu sehen. Auch diesen Wunsch legte ich nieder und stolperte ein wenig durch mein Leben. Anders kann man es nicht sagen, denke ich. Letztendlich brach ich eine Ausbildung zur Erzieherin ab, machte eine zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten, arbeitete ein Jahr fest in diesem Beruf, um dann doch noch erfolgreich mein Abitur nachzuholen.
Immer getrieben von dem einen Wort: Mehr! Ja, es ist kein schönes Wort und es klingt nach Machthunger! Aber das will ich: Mehr. Ich will meine Fußstapfen auf diesem Planeten hinterlassen, dass sagte ich bereits mit 16 und heute bin ich 27 und will das noch immer! Nun steh ich wieder am Anfang, bei der Frage: wie?
Vielleicht sieht man schon bis hierher, dass mein Leben ein wenig chaotisch lief? Ich kann auch nicht behaupten, dass dies je anders war, bezeichneten meine Freunde mich bereits in der Realschule als Chaotin. Dieser Vermerk steht sogar in unserem Jahrbuch und ich weiß bis heute nicht, ob ich mich dessen schämen sollte, oder ob ich stolz auf diese Aussage sein sollte? Für mich ist klar, dass ich wirklich ein bisschen chaotisch bin, jedoch nicht chaotischer als der Rest der Welt und auch, dass ich mich durch mehr definiere als Chaos.
So habe ich mir immer Mühe gegeben, eine gute Freundin zu sein. Ich war zwar gelegentlich etwas zu oberflächlich in meiner Wahl, aber was sein soll, soll eben sein und kann nicht durch Oberflächlichkeit aufgehalten werden! Meine erste beste Freundin war Sina, sie war es nicht kontinuierlich, aber doch immer wieder. Sie war verrückt und durchgeknallt, machte immer, was ihr in den Kopf kam und somit das komplette Gegenteil von mir. Ich war mit 6 still und in mich gekehrt, versuchte meiner Mutter keinen Kummer zu machen, dachte ich doch, sie sei furchtbar traurig, meinen Vater verloren zu haben. Ich brauchte Sina, um meine Kindlichkeit ein wenig zu bewahren. Kurz darauf folgte Patricia, sie war die Coole und ich erarbeitete mir den Stand, ihre rechte Hand zu sein. Als sie wegzog, verlor ich eine wahnsinnig gute Freundin, fand aber heraus, dass ich durchaus in der Lage war, ohne sie zu leben. Ich kam gerade in die Pubertät und merkte, dass ich gar nicht der Typ war, um in der In-Clique rumzuhängen. Mit dem Wechsel von OS zu Realschule erledigte sich das Thema von allein, denn nun waren wir eine ganz neue Klasse mit ganz anderen Leuten und schnell wandelte ich mich von der Superzicke zu einer normalen Schülerin, die eigentlich jeder mochte. Ich machte es niemanden einfach, zu sagen: "Boah! Ich hasse die! So etwas wollte ich nicht."
Ich ging in die Theater-AG, hatte meine beste Freundin in Anne gefunden, mit der ich meine Jungend komplett verbrachte. Wir trösteten uns bei unseren Liebeskummerattaken, wir sahen zusammen Dawsons Creek im Fernsehen und zwar via Telefon und wenn ich aus der Schule kam, wo wir nebeneinander saßen, telefonierten wir eine Stunde, um uns dann zu treffen. Wir konnten uns immer alles erzählen und wir vertrauten einander. Wir waren Teenies mit unrealistischen Träumen und obwohl wir es beide wussten, unterstützten wir uns gegenseitig in unseren Träumen. Doch in einer Zeit, in der Anne mich vielleicht mehr gebraucht hätte, als sie es zugab, beschloss sie für ein Jahr nach England zu gehen und ich war traurig.
Aus heutiger Sicht denke ich, dass wir beide uns oft falsch verhalten haben in der Zeit nach der Realschule, aber so etwas gehört dazu und stärkt Freundschaften nur. Tatsächlich ist Anne noch heute eine gute Freundin von mir und akzeptiert, dass wir uns ein wneig unterschiedlich entwickelt haben, anders als andere Freunde, die ich einst hatte.
Aus der Traurigkeit heraus, dass Anne nach England ging, hatte ich mich bereits vorher von ihr gelöst und suchte mir eine neue beste Freundin. Anika ist ein Kapitel, das ich nicht gern anspreche. Sie denkt, ich hätte ihr Leben zerstört, aber das ist eine andere Geschichte. Damals fand ich ein neues Hobby: Das Pen & Paper Rollenspiel. Ja, ich bin ein Freak! Dieses Hobby habe ich noch heute und ich freu mich, in meine Shadowrunwelt abtauchen zu können. Anika war lange meine Freundin, wir gingen auf die gleichen Schulen, machten die gleichen Ausbildungen, sogar im gleichen Betrieb. Ich versuchte immer, ihr alles Recht zu machen, aber sie ist ein Mensch, der es einem unmöglich macht, dies für immer zu schaffen und so konnte ich gar nicht anders, als sie irgendwann zu enttäuschen. Ich bin froh, dass ich während dieser, mich auslaugenden, Freundschaft noch andere Freunde fand. Yvonne und Bianca. Die beiden sind Schwestern und ich lebe mit beiden in einer WG.
Yvonne kenne ich schon 13 Jahre und anfangs konnte ich sie nicht leiden. Wir hatten zusammen Französisch und boah, was habe ich dieses Plappermaul verachtet. Hier sind wir wieder bei meiner Oberflächlichkeit. Aber 3 Jahre später wurde auch sie eine meiner besten Freundinnen und was bin ich froh darüber. Ich weiß nicht, ob es wirklich eingetroffen wäre, aber sie sagt, ich habe ihr das Leben gerettet. Sie war oft am Ende und vielleicht hat sie Recht. Vielleicht jedoch auch nicht, ich weiß nicht, ob sie sich tatsächlich etwas angetan hätte. Damals bereits lernte ich ihre kleine Schwester, Bianca kennen. Sie war damals 12 und ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass sie einst eine meiner besten Freundinnen sein würde. Immerhin war ich 17, fast 18, und hatte doch nichts mit ihr gemeinsam. Heute kann ich diese beiden nicht mehr aus meinem Leben wegdenken und ich weiß auch nicht, wo ich heute ohne sie wäre.
Somit sind wir wieder bei meiner Frage. Was ist nur aus mir geworden? Ich bin eine Abiturientin, die einen Roman veröffentlicht hat und sich deshalb Autorin nennen darf, statt zu sagen: Ich bin arbeitssuchend und halte mich mit einem Minijob über Wasser. So ist es nämlich. Es liegt nicht an meinen Qualifikationen, die sind ausreichend vorhanden, zu viel sogar, wie mir öfters versichert wird und das ist das Problem. Ich habe keinen Partner und wohne in einer WG mit meinen besten Freundinnen. Und jetzt denke ich viel nach, immerhin habe ich die Zeit dazu. Ich stelle mir vor, wie mein sechsjähriges Ich vor mir steht und mich fragt, ob ich mit meinem Jurastudium fertig bin, oder mein dreizehnjähriges Ich, das mich fragt: „Und bei welcher Zeitung sind wir untergekommen?“ Vielleicht auf mein sechzehnjähriges Ich: „Verliebt? Verlobt? Verheiratet? Kinder?“. Und dann sitz ich hier und denke: Nichts. Ich habe nichts geschafft. Nicht eine Sache, die ich erreichen wollte. Aber dann sehe ich mich mit zwanzig und ich schüttel den Kopf: „Und dein Roman? Das wollen wir doch! Ein Buch veröffentlichen, das ist mein großer Traum!“
Ich könnte dies von 2 Seiten betrachten. 1. Das Buch zu veröffentlichen ist nicht alles, es kommt nicht an, mein Verlag macht nicht viel in Sachen Vermarktung und für meine Lesungen interessiert sich kaum einer. Aber dann ist da Seite 2: Ich habe es erreicht, ich habe für einen Traum gekämpft und ich habe ihn erreicht. Und okay, das Buch wird nicht viel gekauft, aber die meisten, die es gelesen haben, sind begeistert! Ich höre viel Lob, und verdammt: Ich bin stolz!
Wem ich das verdanke? Meinen Freunden, meiner Familie. Ohne meine Mam hätte ich mir diesen Traum nicht finanzieren können und ohne meine Freunde wäre das Buch nicht entstanden. Bianca hat mich überredet und einen Weg gefunden, mich dazu zu bringen, endlich etwas zu Ende zu schreiben und Yvonne kann ich immer fragen, was ich machen soll, was geschehen soll. Meine kleine Schwester ist mein größter Fan und immer, wenn ich denke, dass ich nicht mehr kann, weil mich die Depression der Arbeitslosigkeit einholt, ist da jemand, der mich auffängt. Ich stehe nie allein da und das ist etwas, auf das ich mich verlassen kann. Es gibt Menschen, die mich lieben und ich bin furchtbar dankbar dafür und es ist auch egal, was ich tu, wie ich mich verhalte und ob ich Fehler mache, sie sind trotzdem da. Ob ich es verdiene oder nicht. Wenn ich mich verliere, dann sind sie es, die mich wieder finden und jeder von ihnen tut es auf seine eigene Art.
In der Bilanz kann ich also sagen, dass es viele Faktoren gibt, die einen von A nach B führen und dass es oft die Menschen und Geschehnisse um einen herum sind, die einen beeinflussen, einen bestimmten Weg zu gehen. Die Träume passen sich dem Leben an und manchmal schafft man es auch, andersherum zu gestalten.
Texte: Copyright: liegt komplett bei mir. ^^
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für jeden, der mich zu der gemacht hat, die ich heute bin.