Cover

23.04.2054

Ein Datum, so unspektakulär, wie jedes andere und doch ein ganz besonderes. Jedes Jahr an diesem Tag, versuch ich alles zu vergessen. Seit nunmehr 45 Jahren will mir das aber einfach nicht glücken. Ich werde nichts vergessen, niemals. Nicht diese Nacht, nicht unsere Stimmung und nicht dich, niemals. Wie könnte ich?

Und wie jedes Jahr steigen mir die Tränen in die Augen und ich versuche sie wegzublinzeln. Mein Leben ging weiter.

Alles begann mit einem Kuss, einem Kuss, den kein Mensch je in Worte fassen könnte, niemand wäre poetisch genug, die passenden Worte zu finden. Es war ein recht lauer Abend für April, aber es sah nach Regen aus. Ich wartete auf meinen Bus, die Linie 203. Mein Weg war nicht weit, nur 5 Stationen, aber ich wollte nicht laufen. Plötzlich hattest du mich zu dir herum gerissen und mich geküsst. Ich hatte nicht mit gerechnet, so was war mir noch nie passiert. Ich starrte dich an, solange bis mein Hirn ausschaltete und ich diesen Kuss einfach nur noch genoss.

„Hey.“, das war alles, was du danach zu mir gesagt hast. Deine Stimme war so warm, so, ich finde selbst heute keine Worte dafür. Ich wollte einfach, dass du immer redest, dass du niemals aufhörst. Du solltest von nun an das erste und das letzte sein, was ich am Tag hörte, mehr wollte ich nicht mehr vom Leben. Doch es sollte etwas geben, was ich mir noch mehr wünschte und es folgte sofort im Anschluss. Dein Lächeln, das Funkeln in deinen Augen, diese Wärme, die ich in mir spürte, nur weil du da gestanden hast und mich anlächeltest.

Noch ahnte ich nicht, dass ich so etwas niemals wieder spüren sollte und wenn ich heute daran denke, dann verfluche ich dich, dass du mir dieses Wunder gezeigt hast. Aber ich weiß, dass auch du nicht ahnen konntest, dass der Tag unserer Zusammenkunft der einzige sein sollte, an dem wir etwas von einander haben sollten.

Du nahmst meine Hand und der Bus fuhr davon. Es war mir egal. Wir gingen zu Fuß. Du hast mir erzählt, dass du mich seit Monaten beobachtet hast, wenn ich an der Bushaltestelle stand. Du hättest dich nie getraut, mich anzusprechen. Ach hättest du dich nur getraut, wer weiß, vielleicht wären wir dann heute verheiratet und die Enkelkinder, die mich nur einmal im Jahr besuchen, wären unsere gemeinsamen.

Doch so waren wir vertieft in unserem Gespräch und du hast mir gesagt, dass du ein paar Probleme mit Typen hättest, es sei aber nicht schlimm und du würdest es in den Griff bekommen. Was soll ich sagen, das hast du nicht. Dazu hattest du nicht einmal die Chance. Den Wagen, der langsam an uns vorbeifuhr nahmen wir gar nicht wahr, zu vertieft waren wir in den Augen des Anderen.

Den Schuss hörten wir zu spät, ohne ein Wort der Warnung war er gekommen. Du bist gestorben. Das war es. Der glücklichste Tag meines Lebens endete mit deinem Blut an meinen Händen und meinem Schrei, der durch die Dämmerung glitt.

Ich wünschte, ich könnte dich und diesen Tag vergessen, ich wünschte, ich hätte es irgendwann gekonnt, aber ich werde es nie können. Du warst perfekt! Du warst mein yang.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 27.05.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /