"Wieso?" Blut klebt an seinen Händen. Frisches Blut, es tropft auf die Kacheln. Er legt das Messer weg.
Nimmt die Schere. "Welcher Finger soll es werden?" Er streichelt mit der Rechten über die Hand. Malt es rot.
Er hat gute Augen. Blau und scharf. Rostfrei steht auf der Schere, in schnörkeloser Gravur. Von wegen. Da ist das braune Zeug, wie ein Pilzbefall. "Der Kleine?" Das Opfer guckt starr vor sich hin.
"Den Kleinen dann, brauchst du sowieso nicht." Zuerst die Haut, Sehne, bis hierhin ist es leicht, dann der Knochen, will nicht, ritsch, ratsch, geht nicht. "Scheiß auf die Schere." Beherzt packt er an und bricht den kleinen Stummel ab.
"Ist es so schwer? Sag mir wieso!" Es ist still in dem kleinen Badezimmer, bis auf seine Schreie. Das Opfer sagt nichts.
Die Wanne ist voll. Der Spiegel beschlagen. Bohrer liegt auf dem Boden. Schmerzmittelpackungen querbeet verstreut. Es stinkt. Blutspuren überall. Ein Fest für die Spurensicherung.
"Oder weißt du es etwa nicht?" Er schaut ihn sich an. Sein Gesicht
direkt vor dem seinen. Das schiefe Grinsen, die Zahnlücken. "Sag mir wieso und ich hör sofort auf. Wirklich, sofort."
Dieses schiefe Grinsen. Er schnippt die Schere zu, packt sie fest und trifft die vierfingerige Hand in der Mitte. So ziemlich mittig, dann ein Riss und die Hand sieht aus, wie eine groteske Siegesbekundung. Schmerzen, er muss Schmerzen verspüren, dennoch bleibt er stumm.
Ungläubig starrt er ihn an. "Du willst nicht, dass ich aufhöre, oder? Ich soll weitermachen. Wieso?" Schere weg, Zange her.
Wiegt schwer, liegt gut in der Hand. Qualität. "Mach ah." Er macht ah ohne ein ah, er kommt leicht an den Eckzahn ran. Man könnte meinen, wegen dem Speichel, dem ganzen Blut, könnte er ausrutschen, nein, Qualität zahlt sich aus. Zick, zack, ab.
Weg damit.
"Wie fühlst du dich?" Grinsen. "Gut?" Blutrinnsale laufen an seinem Kinn entlang. "Ich will das nicht machen. Glaub mir." Dem Opfer scheint es egal. Vollkommen egal.
"Wieso?" Er reißt ihm mit der Zange das linke Ohrläppchen ab. "Wieso?" Reißt ihm ein paar Haarbüschel raus. "Wieso!!"
Zange weg. "Ich will nicht mehr." Er grinst ihn an. "Bitte, ich will nicht." Starrt ihn an. "Hör auf!" Der Hammer liegt brav im Spülbecken. "Sag mir wieso?" Das Opfer ist barfuß. Drei Zehnnägel fehlen. Er stöhnt auf, weinerlich.
"Von links nach rechts oder von rechts nach links?" Er guckt runter zu seinen Füßen, will nichts verpassen. "Hast Recht, ist vollkommen egal." Er bückt sich.
Monoton schlägt er zu. Nach dem zehnten Schlag, dem zehnten kaputten Zeh, lässt er den Hammer fallen. "Hör auf! Bitte! Du kannst jederzeit aufhören. Wann immer du willst." Er quält sich hoch.
Dieser starre Blick, starrt ihn an. "Guck weg, bitte guck weg." Den Schraubenzieher hatte er nocht nicht benutzt. Jungfräulich sterben ist scheiße. "Guck weg!" Er starrt ihn an. Seine rechte Hand verkrampft sich, Adern, Sehnen treten hervor. Und er sticht zu, gezielt und schnell. Und nicht zu tief.
Nur durchs rechte Auge. Es platzt auf.
Schmerzen? Er lauscht, wartet, hofft. Nichts. "Wieso?" Er humpelt zur Badewanne, stolpert über den Bohrer, über rumliegende Nägel.
"Ich will nicht mehr." Am Badewannenrand liegt eine Schachtel Zigaretten. Nimmt sich eine, umständlich mit der rechten Hand. Steckt sie zwischen die Lippen. Dann nimmt er das Feuerzeug, auch in der Schachtel.
Wie praktisch.
"Du kannst immer noch aufhören." Er setzt sich auf den Badewannenrand. "Sag mir einfach wieso." Das Badezimmer wird enger. Die Wände rücken näher ran. So etwas wie Spannung.
Der Spiegel erblindet.
Er lässt sich reinfallen, taucht für eine Sekunde unter und dann wieder auf, die Hand stets oben. Prustet und spuckt. "Verdammt, scheiße, scheiße, das schmeckt scheiße." Er kotzt in die Wanne. Von da aus sieht er ihn nicht. Doch er weiß, er guckt immer noch.
Das Benzin schwappt hin und her. Manches ist auch schon auf den roten Fließen, desinfizierend. "Guck weg." Er hebt das Feuerzeug ans Zigarettenende. "Sag, wieso guckst du nicht weg?"
Er weint. "Wieso?" Das Benzin färbt sich rot. "Du kannst immer noch aufhören, guck einfach weg und ich werde weiterleben." Guck. "Wieso? Wieso?
Wieso hörst du nicht auf zu lesen?"
Er zündet die Zigarette an. Nimmt ein Zug und lässt es fallen.
Tag der Veröffentlichung: 31.01.2009
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