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Er legte einen Finger unter mein Kinn und hob meinen Kopf an. Mit weichem Blick sah er mir noch mal kurz in die Augen und legte seine Lippen auf meine. Es war ein leichter, zärtlicher Kuss. Nur ganz kurz. Nur ein kleiner Augenblick. Aber so schön. Dann lösten sich seine Lippen wieder von meinen. Mein Herz pochte. Ich sah zu Tyson hoch. In seine wunderschönen Augen. Er streichelte mir mit der Hand über die Wange. Und erst als sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete beugte er sich noch einmal zu mir runter um mich richtig zu küssen. Ganz automatisch fanden meine Hände ihren Weg zu seiner Brust und hielten sich daran fest, während seine Arme um meinen Rücken geschlungen waren, um mich ganz fest an sich zu drückten. „Ty“ flüsterte ich seufzend. Es fühlte sich gut an, in seinen Armen zu liegen und für einen kurzen Moment keine Angst zu haben. Angst davor erwischt zu werden, mit ihm hier zu sein. Denn das war mir verboten. Es war gegen die Regeln. Und wenn man gegen die Regeln verstößt, dann bekommt man Ärger. Aber was soll man machen, wenn man verliebt ist. Was kann man gegen ein Gefühl machen, dass viel zu mächtig ist um unterdrückt oder ignoriert zu werden. Absolut gar nichts. Auch wenn ich wusste, dass ich mich gegen jede Vernunft benahm, ich konnte einfach nicht anders als Tyson zu lieben und mit ihm zusammen zu sein.

Hinter meinem Rücken knarzte die Tür der Holzhütte, in der wir uns versteckt hielten und ich zuckte zusammen. „Marlena, ruhig, es ist alles in Ordnung... nur der Wind“ murmelte Tyson . Ich ließ mich von ihm beruhigen. Das schaffte er immer. Tyson sorgte dafür, dass sich diese ständige Angst in die hinterste Ecke meines Kopfes zurück zog. Bei ihm fühlte ich mich sicher. Auch wenn der eigentliche Grund für meine Sorgen einzig und allein dadurch entstanden waren, dass ich mit ihm zusammen war. Kein Augenblick könnte gefährlicher sein, als der, den ich in seiner Nähe verbrachte . Ich hatte mich in das verliebt was ich eigentlich hätte vernichten sollen. In das, was seit Jahrhunderten von meiner Familie gejagt und zerstört würde. Mein Ein und Alles war mein größter Feind, ein Monster. Und dennoch flatterte mein Herz und tausende von Ameisen kribbelten in meinem Bauch wenn ich an ihn dachte. Warum genau war ich nur so verliebt in ihn? Klar, er sah gut aus... und diese Augen. Aber das war doch niemals der Grund. Wie konnte ich nur jemanden lieben, der Menschen tötete? Der ihnen die Seele aus dem Leib sog um sich zu ernähren. Wäre ich vernünftig, wäre ich davon gelaufen oder ich hätte ihn getötet, so wie es eigentlich meine Aufgabe war. Aber ich war nicht vernünftig gewesen. Ich hatte mich von diesem Monster verführen lassen und erkannt das er viel mehr wahr, als nur eine Hülle, die danach trachtete zu morden. Bis auf diesen kleinen Unterschied war er genau wie wir. Nur würde mir das keiner glauben. Niemand wäre bereit uraltes Wissen und Handeln aufzugeben. Sie würden sich fest an das klammern, was sie glaubten. Verschlossen vor etwas Neuem, dass sie nicht wahrhaben und in ihrem Verstand lassen wollten. Sie würden einfach weiter ihren Aufgabe nachgehen und alles vernichten was sie sich zu verstehen weigerten; Das was in ihren Augen das abgrundtiefe Böse war. Und alles was sich mit diesem verband. Mich. Ich konnte nicht beschreiben was diesen Verlangen nach diesem Dämon in mir auslöste. Es war einfach so. Aber war es überhaupt wichtig zu wissen warum ich ihn liebte? Reichte es nicht das ich es tat? Irgendwas war da einfach in Tyson, was mich dazu brachte so für ihn zu empfinden. Etwas, das ich nicht in Worte fassen konnte, weil es viel zu anders war, als alles was ich bisher empfunden hatte. Es war wie ein Zauber der mich in seine Richtung zu ziehen schien. Einer, der nicht gelöst werden konnte. Ich hatte mich in das Böse verliebt. Und dafür musste ich bestraft werden.

„Du musst nicht mit mir gehen“, sagte er „du könntest frei sein, du könntest dir jemanden suchen mit dem du zusammen sein kannst, ohne das du dich verstecken musst. Du könntest bei deiner Familie bleiben.“ Ich schloss genervt die Augen; dieses Thema hatten wir schon. „Nein“, widersprach ich „wie soll ich frei sein mit jemanden den ich nicht liebe? Wie soll ich frei sein, wenn ich mit meinen Gedanken immer zu an dich gefesselt sein würde. Ich wäre in meinem eigenen Geist gefangen. Ich will dich. Nur dich. Und egal was das für Opfer bringt. Keines ist so groß als das, dich nie wieder zu sehen.“In Gedanken ging ich die Momente durch in denen er mir mit seinen Fingern die Haare aus dem Gesicht strich... wie er meine Hand nahm oder seinen Arm um mich legte... wie er mich küsste. Und mein Herz pochte und bestätigte meine Worte. „Ich liebe dich“, flüstere ich ihm ins Ohr. Tyson drückte mich wieder an sich und küsste mich kurz. „Ich liebe dich auch.“ Er schüttelte den Kopf „Ich kann nicht glauben das ich es zulasse, das du dein Leben dafür riskierst, dein Leben mit einem Monster zu verbringen. Das du dich von deiner eigenen Familie umbringen lassen würdest.“ „Tja, ja die Macht der Liebe“ sagte ich leichthin auch wenn mich seine Worte hart getroffen hatte. Er hatte Recht. Nicht einmal mein Vater würde davor zurückschrecken, alles was von dem Bösen verunreinigt worden war zu vernichten. Und das war ich definitiv. Trotzdem lächelte ich tapfer. „Mach dir mal nicht solche sorgen um mich. Bei mir besteht immerhin die Möglichkeit, dass sie mich einfach in die Menschenwelt verbannen und mir dadurch meine Kräfte nehmen. Bei dier besteht diese Möglichkeit nicht.“ Er lächelte gequält. „Das ist wohl der Schatten meiner Existenz. Die ewig dauernde Angst vor dem Tod und der ständige Kampf um mein Leben.“ Seine Stimme klang bitter. „Nicht mehr lange“, wisperte ich ihm zu. „Komm wir gehen weiter. Umso eher wir losgehen, umso eher sind wir endlich frei.“ Ich ergriff seine Hand und zog ihn in Richtung Tür. „Mein Engel“, sagte er. „Mein ganz persönlicher Engel.“Dann traten wir ins Freie. Und erstarrten.

Da standen sie. So viele. „Seht ihr“, brüllte eine mächtige, tiefe Stimme, die irgendwo aus der Mitte dieser Schar drang.„Dort ist die Verräterin mit ihrem Dämon.“ Ein grölen lief durch die Menge. „Und ihr wisst ja was mit Verrätern und Dämonen passiert. Sie dürfen nicht Existieren.“ Die Menge grölte noch lauter. Langsam begannen sie ihre Dolche unter den traditionellen roten Magiergewändern hervorzuholen. Sie wollten es schmerzhaft machen. Nicht mit einem Zauber, der es schneller und weniger qualvoll getan hätte. Drohend kamen sie näher auf uns zu. Umkreisten uns. Sie ließen keinen Schlupfwinkel.
„Nein“, schrie ich. „Ihr müsst mir zuhören. Er ist nicht so wie ihr denkt. Er ist nicht böse. Wenn ihr euch nur ein wenig Zeit nehmt ihn kennen zu lernen, dann werdet ihr sehen das er gut ist. Das er ein Herz hat.“ Gelächter. „Es tötet Menschen! Es hat kein Herz,“ riefen sie. „Doch“, versuchte ich zu erwidern aber meine Stimmer brach vor Verzweiflung. Hilflos schaute ich in die Runde der zornigen Gesichter. „Und du hast dich mit diesem Bastard eingelassen. Du hast es dir deine Ehre, deine Reinheit und deinen Verstand nehmen lassen. Deshalb gehörst du nicht mehr in unsere Reihen. Du hast deine Pflichten vernachlässigt. Deine Bestimmung missachtet und uns damit verraten. Damit blüht dir das selbe Schicksal wie dieser Höllengestalt.“ Zustimmendes Gebrüll. „Nun denn,“ sprach eine neue Stimme. Der Besitzer trat aus der Menge hervor und mein Vater stand mir gegenüber. Er blickte mich kalt und angewidert an und mein Herz zog sich zusammen. „Bringen wir hinter uns, wozu wir hergekommen sind. Vernichten wir die Ungeheuer.“ Und mit einem Schrei stürzte er auf mich. „Marlena, nein,“ Tyson packte mich am Arm und schubste mich zur Seite. Ich fiel und er mit mir. Er stöhnte. „Ty, Ty“. Entsetzt nahm ich war, das er Blutete. Mein Vater musste ihn getroffen haben. „Alles in Ordnung, das ist nur ein Kratzer“ murmelte er. Prüfend schaute ich in sein Gesicht und sah die Entschlossenheit in seinen Augen. Ich atmete tief ein und nickte.
Wir rappelten uns wieder auf. Bereit zu kämpfen. Bereit unsere Liebe bis zum bitteren Ende zu verteidigen. „Nur mit dir“ flüsterte ich. Dann stürzten wir los. Auch wenn es aussichtslos schien. Ich zückte ebenfalls meinen Dolch und hieb um mich. Verletzte meine Familie um meine Liebe zu retten. Es kam mir wie Ewigkeiten vor. Doch in Wahrheit dauerte es nur wenige Minuten. Es waren einfach zu viele, als das wir eine Chance gehabt hätten. Rücksichtlos stachen und prügelten sie auf uns ein. Ich schrie und biss. Und sah Tyson. Und plötzlich hatte ich das Gefühl in eine Art Schlauch gesogen zu werden. Die Geräusche um mich herum wurden dumpf und meine Sicht unscharf. Nur Tyson nahm ich war. Wie er mit meinem Vater um sein Leben kämpfte. Ich wusste was geschehen würde. Und dieses Wissen lähmte mich. Ließ mich, unfähig etwas zu tun zusehen, wie die Liebe meines Lebens sterben musste.

Tyson strömte der Schweiß von seinem Gesicht. Immer wieder schlug er auf ihn ein. Er war sich sicher, dass er es nicht schaffen würde. Aber er musste doch. Für Marlena. Marlena. Er biss die Zähne zusammen. Wut und Leidenschaft durchfluteten mit einem Mal seinem Körper und verliehen ihm noch einmal neue Kraft. Er stieß sein Messer nach vorne. Er traf. Marlenas Vater sank vor ihm zu Boden. Unfassbar starrte er auf dessen Körper. Er hatte es tatsächlich geschafft. Für einen Moment war er überzeugt davon, dass es nun vorbei war. Triumph füllte seine Sinne. Kurz glaubte er, nun hätten sie gewonnen. Dann schrie er auf. Etwas bohrte sich in seinen Rücken. Wahnsinnige Schmerzen ersetzten das Hochgefühl. Ein irres Lachen drang in seine Ohren. „Es ist vorbei Dämon“, wisperte ihm jemand ins Ohr. Tyson fiel das Messer aus der Hand und er stürzte mit einem blutigen Geschmack im Mund zu Boden. Er hörte schrilles kreischen. Er hörte wie sie seinen Namen rief. Aber er war unfähig zu antworten. Stattdessen ging er in Gedanken alles durch, was er für immer in Erinnerun behalten wollte- Der Duft ihrer Haut, ihr sanftes Lächeln, ihre warmen Hände. Er dachte an sie, bis das Leben aus ihm heraus floss und das Licht in seinen blauen Augen erlosch...

„Tyson, Nein, Tyson“, erschöpft und verzweifelt stürzte ich mich auf Tyson. „Steh auf“ flehte ich ihn an „bitte, steh auf“. Ich rüttelte an seinem Körper doch nichts an ihm rührte sich mehr. Tränen schossen mir in die Augen und ich begann zu schluchzen. Ich bekam kaum mit wie sie sich entfernten um mich meinem Schicksal zu überlassen, welches mich bald einholen würde. Sie wussten, dass ich viel zu schwer verletzt war um davon zu kommen. Das die Wunden selbst für einen Heilzauber zu tief waren. Lieber ließen sie mich noch ein wenig leiden. Ich legte mich neben Tyson auf die Erde und sah ihm zu, wie er so da lag. Ganz lange sah ich ihm zu. Hielt seine Hand. Ich überlegte ob ich es vielleicht trotzdem versuchen sollte mich mit einem Zauber zu heilen. Aber wozu hätte ich das tun sollen, wenn das hieße mein restliches Leben auf der Flucht und vor Allem ohne Tyson verbringen zu müssen. Sorgsam strich ihm einzelne Haarsträhnen aus der Stirn. „Nur mit dir. Egal wo,“ flüsterte ich ihm zu. Dann schloss ich die Augen und ließ zu das ich einschlief.

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Tag der Veröffentlichung: 31.08.2012

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