Cover

Ballsaal

 

Ganz langsam bewege ich mich mit der Musik mit. Der Raum ist erfüllt von Tönen und Klängen, von exotischen Gerüchen und dem Stimmengewirr einer großen Menschenansammlung. Ich versuche mich abzulenken. „Alles wirkt so unecht“, denke ich während ich mich im Saal umsehe. Mein Atem geht schnell. Ich muss mich beruhigen, meine Atmung so flach wie mögliche halten, hatte er gesagt. Der helle Körperpuder kratzt am Kragen meiner Barocken Robe. Versteckt in einem wunderschönen Park voller knorriger alter Laubbäume liegt ein prunkvoller Saal. Niemand würde ihn hinter den Mauern eines Wasserwerkes, versteckt zwischen den Ästen vermuten. In diesem geheimnisvollen Raum, an diesem wichtigen Abend bin ich bestimmt nicht die einzige Sterbliche. Er hatte mir erzählt, dass es viele wie ihn gibt, die sich in Sterbliche verlieben, doch die Herrscher durften dies nie erfahren. Darum gibt es einige Tricks wie man uns Vergängliche untot aussehen lassen kann. Einer davon war dieser grässliche Puder, aber ich würde alles auf mich nehmen um an seiner Seite zu sein. In diesem Moment werden die Frauen, die noch nicht in diesen Kreisen aufgenommen worden sind, zu einer äußerst Korpulenten Dame gerufen. Sie trägt, wie alle anderen auch, ein sehr alt aussehendes Kleid. Ihre Haut ist Schneeweiß und nur von etwas Rouge auf den Wangen wirkt sie lebendig. Sie ist sehr alt, hatte er mir gesagt. Man wusste nicht genau wie alt, aber man sagte sie existiere von Anfang an, sei so alt wie die Zeit selbst. Nun stehe ich also vor ihr und bete inständig, dass kein Geruch von Menschlichkeit über das exquisite Parfüm, welches ich heute Nacht trage zu ihr hinüber gleitet. Sie liegt auf einer gepolsterten Couch und betrachtet uns eingehend. Ein Gespräch wird begonnen, aber die Mädchen neben mir wirken nervös und unbeholfen. Sind sie alle so wie ich? Menschlich? Ich beginne höflich und lächelnd auf das Gespräch einzugehen und versuche ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen um von dem zitternden Mädchen neben mir abzulenken. Sie scheint angetan zu sein und weiß genau zu wem ich heute Nacht gehöre. Sie fragt mich frei heraus, wie ich unglaublich hübsches und junges Mädchen jemanden wie ihn wählen konnte. Ich antworte mit Charme und Witz: „Haben Sie Ihn schon mal genauer betrachtet? Er ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Oder aber ich trage einfach die dickste Rosarote Brille die die Welt je gesehen hat“ Mein Partner ist groß, sein Körper sehnig und stark, seine Haare glänzen wie fein gesponnenes Gold, sein Gesicht ist markant und wenn er seinen Mund zu einem Lächeln verzieht, ist es um mich geschehen. Ich lächle sie an und warte auf ihre Reaktion. Sie beginnt schallend zu lachen. Die Mädchen neben mir zucken kurz zusammen. Da taucht er auch schon hinter mir auf und fordert mich für einen Tanz ein. Sein Griff ist fest und ich frage mich was los sein könnte. Mir die Beunruhigung nicht anmerken lassend, entschuldige ich mich vor der Gastgeberin und mache einen angemessenen Knicks. Zu ihm gewandt sagt sie: „Alexander, ich bin sehr zufrieden mit der Wahl deiner Partnerin, ich würde mich freuen euch öfter auf meinen Banketten zu sehen.“ Er bedankt sich und wir wenden uns ab. Ein Walzer wird beginnt den Raum zu erfüllen und wir beginnen zu tanzen. Meine ungeschickten Füße bemerkend hebt er mich hoch und vollführt einen Tanz der uns bis zum anderen Ende des Saales bringt. Er lächelt mich bezaubernd an, aber ich sehe, dass sein Lächeln seine Augen nicht erreicht. „Was ist los?“, forme ich lautlos mit meinen Lippen. Er sieht mir warnend in Augen und lässt mich elegant herunter. Ich habe während seiner schwungvollen Einlage mein Glas verschüttet aber niemand scheint es zu bemerken. Fröhlich treten wir durch die Tür ins Freie. Es soll so wirken als würden wir einfach etwas Zeit für uns haben wollen, doch in Wirklichkeit, das spürte ich, waren wir auf der Flucht. Habe ich etwa etwas falsch gemacht? Er lächelt immer noch, sieht mich aber nicht an. Hinter uns verstummt die Musik da die Tür ins Schloss fällt.

 

Flucht

 

Wir halten uns fest umschlungen, damit keiner von uns zu laufen beginnt. Als wir außer Hörweite sind wisper ich nochmal: „Alex? Was ist los?“ Er sieht mich wie versteinert an und zischt durch die Lippen: „Ich habe ein ungutes Gefühl, eine Vorahnung.“ Wissend, dass seine Vorahnungen, sein untrügbares Bauchgefühl, immer der Wahrheit entspricht, bin ich nur noch beunruhigter und kralle mich fester an in. Wir sind schon ein Stück weit durch den dunklen Park als wir wieder die Musik aus dem Saal vernehmen. Sie verstummt, als wäre jemand schnell durch die Tür gehuscht. Werden wir etwa verfolgt? Alex bleibt abrupt stehen. „Verdammt!“, zischt er wieder durch die Lippen und fasst sich an die Stirn: „Das ist bestimmt Rachel, ich habe mein Handy vergessen“. Suchend blickt er sich um: „Erika, verschwinde im Gebüsch. Versteck dich!“ Keine Sekunde zweifle ich an seinem Befehl und versuche die Panik in mir zu unterdrücken. Trotz meiner dem Stil angepassten und somit nicht gerade für diese Situation geeigneten Schuhe, husche ich flink durch das Unterholz. Ich habe früh gelernt wie man auf leisen Sohlen verschwindet. Doch das Gestrüpp in welchem ich mich befinde bietet definitiv zu wenig Sichtschutz vor diesem plusterigen, bunten Kleid. Da entdecke ich das verfallene alte Haus am Rande des Parks. Früher habe ich mich oft hier versteckt, welch ein Segen, dass es doch noch nicht abgerissen wurde. Als ich endlich die bekannten Mauern erreiche fühle ich den rauen, kalten Stein. Ohne inne zu halten krieche ich durch ein Loch in der porösen Außenwand. Im Inneren ist es trotz der vielen Risse und klaffenden Löcher so dunkel, dass sich meine Augen erst an die Umgebung gewöhnen müssen. Ich darf keinesfalls irgendwelchen Lärm produzieren, schärfe ich mir ein. Schemenhaft zeichnet sich der Raum vor mir ab. Ich weiß wo ich bin und wo ich hin will. Ich bete, dass die Treppe zum oberen Stockwerk noch intakt ist und das dies niemand anderes außer mir heute Nacht als Versteck nutzt. Ich lausche in die Nacht. Nichts. Langsam beginne ich mich der Stelle zu nähern an der ich die Treppe nach oben vermute. Ich atme auf. Sie ist noch hier. Schnell schlüpfe ich aus den Schuhen um keinen unnötigen Lärm mit ihnen zu produzieren. Mit dem Reifrock allen Hindernissen auszuweichen stellt sich als nicht ganz einfach heraus. Ich stoße damit an einen Pfeiler und ein kleiner Stein löst sich. Der Aufschlag des Steinchens dröhnt in meinen Ohren. Den Atem anhaltend lausche ich wieder in die Dunkelheit. Wieder nichts. Langsam atme ich aus und setze meinen Aufstieg weiter fort. Noch mehr bedacht mit nichts irgendwo anzustoßen. # Endlich im oberen Stockwerk angekommen bietet sich vor mir ein noch erfreulicheres Bild. Der Raum zu meiner Rechten scheint, seitdem ich daraus verschwunden bin, nicht mehr betreten worden zu sein. Am Boden liegt eine alte aber Gott sei Dank nicht völlig versiffte Matratze und neben dem glaslosen Fenster lehnt ein uralter Schrank dem drei Beine fehlen. Ich öffne die schwere, hölzerne Schranktür und bin überrascht auch hier noch alles so vor zu finden wie vor ein paar Jahren, als sich hier eine gute Freundin vor den Häschern der Kinderheime versteckte. Damals kannte sie noch nicht den Mann, der an ihrem viel zu frühen Tod schuld war. Ich schlucke und versuche die finsteren Gedanken zu vertreiben. Ich schnappe mir eine dunkle Jeans, die noch sauber zu sein scheint, und ein graues Top. Umständlich beginne ich die Schnürungen und Hacken meiner Robe zu lösen. Ich hoffe sie nicht zu ruinieren da ich genau weiß was für ein Vermögen dieser über und über mit Perlen und Stickereien besetzte Brokat gekostet haben muss. Sanft lege ich den Stoff ab und betrachte ihn nochmal eingehend. So ein schönes Geschenk habe ich noch nie bekommen. Nichts desto trotz streife ich mir die Sachen meiner toten Freundin über und suche noch nach einem halbwegs brauchbaren Paar Schuhen. Kurz denke ich darüber nach was ich jetzt mit dem Kleid machen soll. Es mit zu nehmen könnte gefährlich werden, aber es ist so schön. Ich falte es so gut zusammen wie es geht, lege den Stoff behutsam in den Schrank und stelle die Reifröcke neben die Matratze. Ich beschließe für eine Weil hier oben zu bleiben und mich etwas zu beruhigen. Alex würde mich finden. Er wird mich immer finden.

 

Entdeckt

 

Ich erwachte von den ersten Sonnenstrahlen, die durch feinen Ritzen von draußen eindringen und mir auf der Nase kitzeln. Verdammt es war schon Morgen? Ich rappelte mich hoch. Ich war auf der Matratze eingeschlafen. Ich sah mich, vor Angst bebend, im Raum um aber nichts sah verändert aus. Ich schlich durch das Haus und verließ es durch die versteckt liegende Hintertür. Noch presste ich mich an die Hausmauer falls doch jemand hier ist. Ein Mann kommt leise um die Ecke geschlichen. Ich will schon auf ihn zu laufen, da ich denke es sei Alex, aber als mich der Mann ansieht, fährt mir der Schreck durch alle Glieder. Wer ist der Kerl? Er richtet eine Kamera auf mich und schießt ein Bild von mir. Ein Auto kommt um die Ecke gebogen und hält vor mir an. Der Fahrer stiegt aus und sieht mich finster an. Links der Fotograf rechts der Fahrer. Flucht nicht möglich. Analysierte ich die Situation. „Ganz ruhig“, sagt der Fahrer: „Hast du hier die Nacht verbracht? Junge Dame wir nehmen dich mit zu unserem Heim. Versuch nicht ja zu fliehen.“ Verdammt, ausgerechnet die Häscher der Heime. Es gab viele streunende Kinder in der Stadt. Denn jeder wusste, dass ein Leben auf der Straße tausendmal besser war, als in einem der Kinderheime. Als er mich an der Hand packt widerstehe ich dem Verlangen ihm eine rein zu donnern und sage ruhig und sachlich: „Ich falle nicht mehr in Ihr System, denn ich bin schon längst 18“ „Kannst du das auch beweisen?“, anscheinend wurde er in diesem Punkt schon oft angelogen. Ich muss es verneinen. Meinen Ausweis ließ ich gestern zuhause liegen. „Na dann rein ins Auto du Streuner.“ Ich beschließe mich nicht weiter zu wehren. Nicht so nah bei dem verborgenen Wasserwerk. Ich ließ mich neben dem Fotografen auf der Rückbank nieder und sehe verzweifelt aus dem Fenster. Alex, denke ich sehnsüchtig. Und in dem Moment kommt er mit dem Stoff meines Kleides in den Armen um die Ecke gebogen. Schnell verbirgt er sich wieder im Schatten des Hauses als er meine Begleiter erblickt. Ich allerdings sehe sein vor Schmerz verzerrtes Gesicht. Er kennt meine quälenden Erinnerungen aus meiner Jugend und fühlt meinen eigenen Schmerz. Wütend reiße ich dem Fotografen die Kamera aus der Hand. Als er sie mir gerade wieder streitig machen will, schreie ich ihn barsch an: „Ich kenne meine Rechte! Und insbesondere das Recht am eigenen Bild! Also Finger weg!“ Eingeschüchtert schluckt er die Wörter, die er sagen wollte, hinunter und lässt mich gewähren. Kurz betrachte ich seine letzte Aufnahme. Ich sehe darauf angsterfüllt und völlig fertig aus. Angewidert lösche ich das Bild und gebe die Kamera seinem Besitzer zurück. Erst jetzt bemerke ich seine weichen Gesichtszüge, seine rehbraunen Augen und seinen gesund gebräunten Teint. Das einzig hässliche an ihm? Sein zorniger Blick den er für mich übrig hat. Sein Körper sieht fest und trainiert aus. Aber warum betrachte ich ihn so eingehend? Ich wende mich ab. Nach einer gefühlten Ewigkeit hält der Wagen an und wir müssen zu Fuß weiter. Heute findet ein Marathon statt, alle Wege in oder aus der Stadt sind versperrt. Es wäre die perfekte Möglichkeit in den Menschenmassen zu verschwinden, aber der Griff des jungen Fotografen ist eisern, freiwinden unmöglich. Resignierend stelle ich mich meinem Schicksal. Im Heim angekommen führen mich die beiden Herren in ein kleines Büro. Im vorbeigehen sehe ich Kinder, die so wie ich, keine Familie mehr hatten oder von ihrer Familie nicht gewollt werden. Sie sehen mich mit traurigen Mienen an und ich verstehe ihren Schmerz nur zu gut. Das System ist nicht gut. Es mangelt an Bildung, an Nahrung ja sogar an Schlafplätzen. Alleine hat man es leichter. Man kann den anderen Kindern aus dem Weg gehen, aber hier nicht. Hier sind wir alle auf engstem Raum zusammen gepfercht. Mich schaudert, als ich an eine Szene vor einigen Jahren denken muss: Kinder prügeln sich in ihren Schlafräumen bis einer tot umfällt. Blutüberströmt und völlig entstellt wird er aus dem Gebäude getragen. Damals floh ich zum ersten Mal vor dem System. Im Büro angekommen darf ich mich setzten solange meine Daten überprüft werden. Wieder erkläre ich ihnen, dass ich längst 18 bin, meine eigene Wohnung habe und in dem Gebäude nur eine Freundin von früher besuchen wollte, die allerdings nicht mehr hier zu leben scheint. Ich weiß genau, dass sie sich vor einiger Zeit den goldenen Schuss gesetzt hatte, aber sie wissen das nicht. Endlich sehen die beiden von ihren Bildschirmen auf denn sie haben meine Akte entdeckt und sind nun überzeugt davon, dass sie mich in die Obhut einer weiteren Person übergeben können. Sie wollen, dass ich mich von einer Person abholen lasse. Typischer Trick. Ist diese Person unter 18 behalten sie sie einfach hier. Aber so dumm ist wirklich niemand. Ich kichere fast bei dem Gedanken, dass sie diesen Blödsinn immer noch versuchen. Der Fotograf kommt einige Schritte näher. Er reicht mir seine Hand, entschuldigt sich bei mir und stellt sich als Mark vor. Ich erwidere nichts, da er genau weiß wie ich heiße. Es fiel mir wieder ein wer er war. Wir lebten vor langer Zeit im selben Heim. Er hatte also die Seiten gewechselt. Ausdruckslos nehme ich das Handy, welches er mir reicht, entgegen und wähle Alex Nummer. Er geht sofort ran und ich erklärte die Situation. Im nächsten Moment steht er auch schon hinter mir im Büro. Ich sehe ihn fragend an: „Aber…Aber wie? Ich haben dich doch gerade erst angerufen?!“ Er sieht erschrockener drein als ich: „Ich bin schon eine ganze Weile hier. Du hast mich vor gut einer Stunde angerufen“ Erschrocken ziehen wir beide scharf die Luft ein. Seit Monaten hatte ich keinen Blackout mehr gehabt. Er fasste mich fest an den Armen und sah mir eindringend in die Augen. Geistesabwesend schweife ich an den Tag zurück, als alles begann: Ich war gerade erst 17 geworden und hatte mir unter falschen Namen eine Kreditkarte beschafft. Ich hatte es mal wieder geschafft aus einem Heim zu fliehen und war unterwegs in ein Skigebiet in den Alpen. Das letzte Mal war ich hier gewesen, meine Eltern lebten noch und es war einer der schönsten Tage meines Lebens. Der Schnee und das Eis hatten geglitzert wie wunderschöne Diamanten. Die ganze Umgebung wirke wie aus einem Wintermärchen entsprungen. Mein Vater brachte mir gerade die ersten Schwünge bei. Ich wollte dieses Gefühl unbedingt nochmal erleben, darum war ich heute hier. Doch die Stimmung an diesem Tag war nicht so wie ich sie in Erinnerung hatte. Es war unglaublich dunkel und furchtbar böhig. Doch ich musste diese Abfahrt unbedingt bestreiten! Ich stieß mich ab. Das nächste an was ich mich erinnern konnte war, dass ich schreiend, irgendwo neben der Piste mitten im Pulverschnee steckte und mich nicht mehr befreien konnte. Es war mir schleierförmig wie ich hier hin gekommen war. Dies war mein erster Blackout gewesen. Das einzige was ich tun konnte war schreien. Doch niemand würde mich hören. Wer war schon so verrückt an so einem Tag auf die Piste zu gehen? Ich begann zu weinen und ich spürte wie die Tränen langsam zu gefrieren begannen. Mama? Papa? Ich komme bald zu euch. Die Kälte lähmte meinen Körper und langsam versank ich in einer undurchdringlichen Schwärze. Und genau in diesem Moment traf ich zum ersten Mal auf ihn, die Liebe meines Lebens. Seine Augen verrieten nichts darüber wer oder was er war. Und genau diese Augen holten mich in diesem Moment wieder in die Realität zurück. Ich hatte nie Angst oder Furcht in ihnen erkannt bevor es dabei um mich und meine Sicherheit ging. Und gerade sah ich außer blanker Angst um mich, nichts in seinen glasklaren grünen Augen.

 

Angst

 

Anscheinend war während meines Blackouts schon alles geklärt worden, auch Alex hatte sich schon einer eher kleinen Befragung stellen müssen, und wir dürfen gehen. Vor dem Gebäude ist es immer noch dicht gedrängt von den Zusehern des alljährlichen Citymarathons, was das Vorankommen und die damit verknüpften Flucht vor dem Schauplatz meines letzten Aussetzers merklich erschwert. Wir schlängeln uns durch die dicht gedrängte Menschenmasse die uns schier zu erdrücken droht. Ich vernehme den eindringenden Geruch von Schweiß und dem Gummiabrieb der Turnschuhe auf dem heißen Asphalt, die Reste von morgendlich aufgetragenem Deodorant, zuckerhaltige Getränke und das Altfett der Fastfoodbuden. In mir steigt die bekannte Übelkeit hoch. All diese Gerüche und Eindrücke bringen mich fast aus dem Tritt. Das ist einer der weniger erfreulichen Nebenwirkungen meiner Blackouts. Alle meine Sinne sind bis zum zerbersten gespannt und mein Gehirn nimmt alles um mich herum rasend schnell wahr und verarbeitet es. Es analysiert jede kleinste Bewegung der Masse und ich kann mich leicht durch jeden Schlupfwinkel der wabbernden Leiber durch zwängen. Dicht gefolgt von meinem Partner, dessen Anspannung so massiv ist, dass ich fast glaube sie anfassen zu können. Mein Herz rast unglaublich schnell und als wir endlich unseren Wagen erreichen überfällt mich der Schwindel, dem ich in der Masse gerade so entkommen bin. Ich höre noch, wie Alex dem Fahrer Bescheid gibt, bevor mein Körper endgültig von all diesen Eindrücken überfordert nachgibt. Aber dies ist kein Blackout. Nur die letzte Reaktion darauf. Ich gleite in eine sanfte Dunkelheit die mich vollständig umschließt. Doch ich habe keine Angst vor ihr, denn wenn ich wieder aufwache ist alles wie vorher und ich bin bei Alex in Sicherheit. 

Impressum

Texte: Annie Schachinger
Tag der Veröffentlichung: 23.08.2013

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