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Das Feuer in Mir




Ich hätte nie gedacht, dass es noch eine andere Welt als unsere gäbe.
Doch da hatte ich mich schwer getäuscht.
Wir Menschen auf der Erde sind nur ein Staubkorn im Universum der unendlich grossen Galaxie.


„Alles begann mit diesem Traum, welcher mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Wenn ich damals schon gewusst hätte was er bedeutet, hätte ich noch so vieles anders gemacht.
Doch, geschehen ist geschehen.
Gesagt ist gesagt.
Getan ist getan.
Lebe damit.
Denn so ist das Leben.“
15.01.11 Slania




Einleitung



Da stand ich nun, auf dem Felsvorsprung in Taborea. Ein unglaublich schöner Ausblick, eine sanfte Brise durchfuhr mein langes rot-braunes Haar. An meiner Seite meine frisch geschliffene Feuerkatana, meine geliebten Platz-Bomben und meine Amy. Sie hat mir schon so manchmal das Leben gerettet. Amy ist mein kleiner, alter aber sehr zuverlässiger Dolch. Als ich sie damals bei meinem Eintritt in diese Welt bekam, hätte ich nie gedacht, dass ich sie brauchen würde. Geschweige denn um mein Leben zu verteidigen. Nun bin ich an einem neuen Punkt in meinem Leben. Seit ich die Menschenwelt hinter mir gelassen habe, und nun meine Pflichten in Sorina verrichte hat sich so vieles verändert…
„Aliena, wir müssen los! Kommst du?“, hörte ich Liam rufen. Mein Wächter und bester Freund. Als ich in diese Welt kam, betreute, beschütze und behütete er mich. Wie ein grosser Bruder oder ein Vater es tun würde. Nun bin ich auf meiner ersten Mission, die Gefangenen Alexis und Sophia aus dem Akrischen Gefängnis zu befreien. Im Auftrag vom Wächtermeister Dan, der Chef von Liam und der Vorsitzende des Magischen Vorstands für Bändigung und Zauberei. Er sagte ich könne Liam sehr gut unter die Arme greifen mit meinen Fähigkeiten als Feuerbändigerin. Es ist zwar noch nicht so lange her, dass ich meine Fähigkeiten entdeckt habe, aber diese sind kräftiger und stärker als ich es mir je erträumen hätte können.
Ich drehte mich um, lief im Knie-hohen Gras zurück zum Lager das wir für diese Nacht aufgeschlagen hatten.
„Hast du unsere Spuren verwischt?“, fragte ich.
„Ich bin gerade dabei, kannst du noch unser Proviant einpacken? Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“
Speis und Trank waren schnell verstaut, Lagerfeuer erlischt und Spuren verwischt.
„Wir müssen gegen Süden, stimmts?“, fragte ich, während ich die Landkarte von Taborea betrachtete. Ein wundervolles und geheimnisvolles Land auf einem Planeten, weit weit von der Erde entfernt.
„Keine Ahnung, du bist doch unsere Kartenleserin.“ Liam zuckte mit der Schulter und steckte sein Langschwert in den Halter an seinem Gürtel.
„Und wer hat hier ein Fotografisches Gedächtnis??“, gab ich zurück. Liam grinste, legte sich eine Hand in den Nacken und zog seine Augenbrauche zusammen. Er könnte mich jedes Mal damit rumkriegen, mit diesem süssen Hundeblick, wäre da nicht meine Vernunft.
„Da hast du auch wieder Recht Sweety, aber trotzdem kannst du besser Karten lesen. Aber wenn du sagst wir müssen nach Süden, dann gehn wir nach Süden Schätzchen.“ Er beendete seinen Satz mit einem süssen Lächeln. Seine kurzen Haare reichten ihm bis zu den Augen und verdeckten somit fast seine grau leuchtenden Augen. Ich hatte das Gefühl er nimmt das ganze gar nicht ernst, wir sind auf einer Mission um zwei Feen zu befreien, welche unschuldig und unberechtigt im Akrischen Gefängnis sitzen. Ausserdem befinden wir uns immer noch im Krieg. Das Liam immer wieder mal mit mir Spielchen spielte und flirtete, war mir sehr bewusst, schon von Anfang an. Manchmal spiele ich auch mit, doch ich will nicht dass Schlussendlich unsere Freundschaft darunter leiden muss. Also muss ich kalt bleiben, kalt und hart.
„Komm wir müssen los, Dan sagte doch wir sollen am besten noch vor Sonnenaufgang dort sein.“
„Ja meine bezaubernde Chefin, ich tue alles was du mir befielst.“, sagte Liam, drehte sich schwungvoll einmal um 180 Grad und stolzierte nach Süden.
„Hast du dir schon mal überlegt wie wir die beiden befreien können?“, fragte ich ohne auf seine Bemerkung einzugehen.
„Hmm..Nein, eigentlich nicht. Ich dachte mir, wir könnten die ganze Situation mal von aussen betrachten und uns dann einen Plan überlegen.“ Nun redete er sachlich und ruhig, fast nachdenklich. Wir liefen eine ganze Weile ruhig und behutsam durch den Wald Richtung Süden. Hie und da sah man ein Marling vorbei hoppeln, ein Hasen-Artiges kleines aber harmloses Geschöpf. Man hörte wie der Wind durch die dunkelrot farbenen Blätter wehte und wie eine Goldschwanz Elster ihr Lied sang. Alle Bäume und Pflanzen erblühten in voller Pracht und gaben seinen Anteil an diesem Bilderbuch-Märchen-Wald. Sehr idyllisch und beruhigend diese Atmosphäre. Bald kamen wir zu einem Fluss. Ich hielt inne und stand auf einem Felsen oberhalb des Flusses und betrachtete die andere Seite.
„Wir sind bald da.“, sagte ich kalt. Mehr brachte ich bei diesem Anblick nicht heraus. Auf der anderen Seite des Flusses war das pure Gegenteil zusehen von dem Wald der nun hinter uns lag. Kahle, fast tote Bäume und Sträucher, überall Brandspuren… Kein Magisches Geschöpf weit und breit, an manchen Stellen lagen sogar noch Leichen von Magiern und Kämpfern. Ein trauriges Bild.
„Um Elofonises Willen! Wir sind an der Kriegsgrenze… Ich hätte dich warnen sollen.“, sagte Liam besorgt, er legte seine Hand auf meine Schulter.
„Ich habe schon gewusst was uns erwarten wird. Dan hat mich ein wenig darauf vorbereitet, als du weg warst. Aber ich hätte nicht gedacht dass es so --“
„Oh Shit! Nein Süsse, nicht weinen!“ Liam strich mit seiner Handfläche zwei kleine Tränchen von meiner Wange und umarmte mich. Diesmal war ich froh, dass er keine Berührungsängste zeigte. Ich schluckte einmal tief und versuchte die Bilder in meinem Kopf zu unterdrücken. Die Bilder welche ich letzten Sommer ertragen musste, als eine Horde Orks unser Dorf angriff und 127 Magier und Hexen, darunter auch Kinder und Feen töteten. Mein Leben verdanke ich nur Amy und meines klaren Verstandes denn ich damals behalten habe, obwohl ich alleine gegen drei 2-Meter-grosse Orks kämpfen musste.
„Das ist doch nochmals ein Grund um Sophia und Alexis zu befreien oder nicht? Komm lass uns stark sein, wir können sie retten.“, flüsterte er in mein Ohr.
„Nur deshalb bin ich hier.“, antwortete ich und schöpfte neuen Mut. Irgendjemand muss diese Überfälle und kidnapp Angriffe doch stoppen! Alle reden davon, dass sie etwas unternehmen, doch niemand tut in Wirklichkeit etwas, weil die Angst vor dem Feind einfach viel zu gross ist. Liam und ich sind zwei von wenigen mutigen jungen Bändigern die sich dafür bereitgestellt haben.


Halte zu deinen Gefährten, sei mutig und tapfer, kämpfe um Glück und Frieden!
Das ist unser Motto. Unser Motto als Krieger des Friedens.

Liam stand bis zu den Knien im Fluss. Er schloss seine Augen, faltete seine Hände zusammen und murmelte seine drei Magischen Wörter.
„Elofis aquana fortis!“ Seine Hände leuchteten im Hellblau des Wassers, zugleich formte er sanft einen kleinen Staudamm im Wasser. Sehr beeindruckend wie er das immer wieder macht. Auch wenn es mir bis heute ein Rätsel ist, wie er das anstellt aus Wasser einen Staudamm zu machen um das Wasser aufzuhalten! Ein trockener Weg machte sich vor mir breit. „Danke Liam.“, sagte ich während ich schnell zur anderen Seite hinüber rannte. Ein echter Gentleman, nicht jeder Wasserbändiger würde ohne zu zögern einer Feuerbändigerin einen sicheren Weg übers kühle Nass ermöglichen. Das Verhältnis zwischen Feuer- und Wasserbändiger ist allgemein sehr kritisch, denn beide Völker denken sie seien besser als das andere. Ein Feuerbändiger kann nicht schwimmen, naja er könnte es schon, doch dann wären seine Fähigkeiten blockiert und evtl. sogar beschädigt. Es kann in manchen Fällen auch tödlich sein, wenn sich ein Feuerbändiger zulange mit dem gesamten Körper Unterwasser befindet. Wasserbändiger hingegen können nicht durchs Feuer laufen, sie bekommen schon von der kleinsten Berührung vom Feuer tiefe Brandwunden, welche nur durch lange schmerzhafte Behandlungen zu heilen sind. Im letzten Monat wurden bei Orks Angriffen über 300 Wasserbändiger verbrannt. Sobald das Feuer ihr Herz berührt, ist es aus und vorbei.
Zwischen Liam und mir hat die Fähigkeit zu Bändigen nie eine Rolle gespielt. Er akzeptiert mich so wie ich bin, und ich ihn so wie er ist. Immerhin kennt er mich auch schon als Normalsterbliche ohne jegliche Fähigkeiten. Er war auch dabei, als ich meine Fähigkeit das Feuer zu erzeugen, steuern und zu bändigen entdeckt habe.
„Ist doch kein Ding, meine Süsse.“, sagte er und als ich wieder in sicherer Entfernung war, liess er die Barriere fallen. Das Wasser ergoss sich in grossen Wellen über ihn und folgte wieder dem Flusslauf. Er genoss den kalten Wasserschwall und tauchte schwungvoll hinunter. Dann drehte er Unterwasser noch zwei kleine Runden und tauchte dann mit einem riesigen Grinsen auf dem Gesicht wieder aufs Festland. Sein ganzer Körper tropfte, seine Kleider klebten nass an ihm und brachten seinen Muskulösen Körper zum Vorschein.
„Und? Konntest du wieder etwas Kraft tanken?“, fragte ich.
„Ja! Ach, war das Herrlich!“, sagte er und schenkte mir ein zuckersüsses und umwerfendes Lächeln. Eine vertraute Wärme stieg in mir auf, doch sogleich blockierte mein Verstand.
Nach einem kurzen Marsch durch die verbrannten Überreste des Waldes sahen wir endlich das Gefängnis. Eine riesige Burg, umzingelt von Überwachung Kameras und sichtbaren sowie auch unsichtbaren Sperren.
„Wie wollen wir vorgehen?“, entfuhr es mir. Ich setzte mich auf einen morschen Baumstamm und starrte auf die Burg, welche nur noch etwa einen Kilometer entfernt war.
„Wie es aussieht ist der Hintereingang - dort wo jetzt gerade ein Lastwagen hinfährt – unbewacht. Siehst du? Die Wachen laufen ohne Detektoren über die Grenze, das bedeutet es ist keine Sperre vorhanden.“ Er setzte sich neben mich.
„Könnte auch sein, dass sie die Sperre ausgeschalten haben um hinein zu gelangen.“
„Ja könnte auch sein. Wenn dem so ist, können wir uns bei der nächsten Belieferung hineinschleichen, was meinst du?“ „Okay, aber lass uns vorher sicher gehen das wir keine unsichtbaren Sperren überqueren, Ja?“ Ich griff in meine Tasche und holte ein Sandwich hervor.
„Willst du?“, fragte ich Liam. Er nickte glücklich und biss herzhaft hinein.
„Boahh, Maria macht wirklich die besten Sandwiches! Wenn wir zurück sind, muss ich ihr nochmals dafür danken.“, rief Liam. Maria ist die Köchin im Gasthaus Maralin, Liam und ich wohnen zurzeit dort, weil unser Internat von Orks zerstört worden ist. Maria ist wie eine Mutter für uns, sie und ihr Mann Leo – Chef und Gründer des Gasthauses - haben uns und noch einige andere Bändiger kostenlos zu sich aufgenommen. Leo verlangte ausschliesslich das wir ab und zu bei seiner Arbeit helfen und für unser alle Sicherheit sorgen.
Nach einer stärkenden Mahlzeit ging es ans Eingemachte! Wir näherten uns der Festung, schritt für schritt sehr bedacht um keine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken.
„Professor Lizius hat mal erzählt das man sogar unsichtbare Sperren sichtbar machen kann.“, flüsterte mir Liam zu. Professor Lizius war unser Dozent in Zauberei Technik. Ein sehr alter aber weiser Mann. Ich bin erst seit kurzem an der Schule für Zauberei und Bändigung. Liam hingegen ist schon seit 3 Jahren dort.
„Ja?“, fragte ich verwundert. Wieso heissen sie unsichtbare Sperren wenn man sie doch sichtbar machen kann?
„Um diese zu aktivieren müssen sie zuerst Sichtbar sein, dann wird ein Zauber auf sie gelegt der sie unsichtbar macht. Ich habe bei der letzten Lektion ein paar Fläschchen Entfixierungs-Pulver mitgehen lassen.“, sagte Liam und grinste fies während er zwei Fläschchen mit dunkelblauem Pulver hervor nahm. Typisch Liam echt!
„Ich habe mir damals gedacht, dass wir das mal brauchen könnten.“, sagte er und zwinkerte mir zu.
„Okay, ich frag besser nicht nach was du sonst noch alles `mitgehenlassen` hast…haha! Wie benutzen wir es genau?“
„Wir streuen einfach eine kleine Prise auf den Weg vor uns und sobald eine Sperre sichtbar wird, umgehen wir sie ganz einfach.“
Das feine Pulver fühlte sich fast wie Sand an. Ich nahm eine kleine Menge auf meine Handfläche und zerrieb es zwischen Daumen und Zeigefinger.
„Wie viel ist so ein Fläschchen mit diesem Pulver wert?“, fragte ich neugierig.
„Wenn du das wüsstest würdest du es wahrscheinlich nicht so in deine Finger nehmen und mir stattdessen eine Predigt halten.“, sagte Liam beschämt. Er senkte den Kopf und hustete zwei Mal verdächtig.
„Komm lass uns beginnen.“, sagte er schnell um vom Thema abzukommen. „Wir sollten jetzt keine Zeit verlieren.“
Schritt für Schritt drangen wir näher und schätzten die Situation ab.
„Bleib stehn!“, flüsterte ich Liam zu, als sich einer der Wachtrollen in unsere Richtung drehte.
„Er kann uns nicht sehen.“, gab mir Liam zurück.
„Wie meinst du das? Er sieht doch direkt in unsere Richtung.“ Der Troll war in unsere Richtung gelaufen und rüstete sein Gewehr.
„Hab ich nicht erwähnt, dass das Pulver zwar die Sperren sichtbar macht aber uns – da wir damit in Berührung gekommen sind - unsichtbar macht?“ Liam grinste und gab mir schnell nochmal eine Handvoll Entfixierungs-Pulver.
„Achte einfach darauf das du immer noch einen kleinen Rest in deiner Hand behältst, sobald deine Haut nicht mehr mit dem Pulver in Berührung ist verfällt die Wirkung.“
„Das hättest du ruhig mal erwähnen können.“, antwortete ich.
Nun waren wir an einem heiklen Punkt angelangt, wir standen im Vorhof der Festung und suchten nach einem Eingang, um uns herum jegliche unberechenbare Wachtrolle. Liam zeigte bedacht auf das offene Seitenfenster des Hintereingangs.
Merkwürdig das es einfach so offen steht… Misstrauisch und bedacht stiegen wir ins Fenster hinein, jedoch haben wir die Rechnung nicht mit dem inneren Alarmsystem des Gefängnisses gemacht.
„Fuck! Siehst du das rote Lämpchen hier? Die haben uns registriert. Jetzt muss es schnell gehen.“, flüsterte Liam.
Schnell verstaute er das blaue Pulver und rannte los. Den Gang entlang, die Treppe hinunter und in eine Nische, versteckt vor den Wachen. Ich folgte ihm, jedoch ein wenig ängstlich, immer mit einem Blick zurück. Adrenalin schoss in mein Blut.
„Dan sagte sie seien in einer Folterzelle eingesperrt und wenn ich mich nicht irre - sollte dies in diesem Stockwerk sein.“, flüsterte Liam.
Wir beobachteten die Rundgänge der Wachen, im Kreuzgang am Ende dieser Halle waren jeweils zwei Wachen zu sehen. Zwei Frauen, in schwarzen Rüstungen, sehr Körperbetont und mit jeglichen Waffen ausgestattet. Ich konnte sie nirgends zuordnen. Es könnten Trolle sein oder Patrinnen, vielleicht sogar Menschen? Sie hatten beide langes Haar, jeweils zu einem Zopf zusammen gebunden, die eine Blond, die andere Dunkelhaarig. Um den Hals hatten beide ein Halsband-Artiges Metallband, verschlossen mit einem rot leuchtenden Siegel.
„Ok, meinen Einschätzungen nach machen diese Wachfrauen jeweils zwei Runden im Uhrzeigersinn und zwei gegen den Uhrzeigersinn.“, sagte Liam.
„Was haben die beiden da um den Hals?“, fragte ich neugierig.
„Das sieht aus wie – Ooh Elofonis! Das sind Sklaven, sie haben Gefühlsrexitoren um. Ein Halsband das ihre Gefühle steuert, sie zu Robotern macht! Verdammt, das ist eine der schlimmsten Methoden jemanden zu manipulieren.“, sagte er bitter. Ich war sprachlos. Welches Wesen würde auf solch eine weise jemanden manipulieren?!
„Ich habe mal etwas von einer Theorie gelesen, wie man diese Rexitoren ausschalten kann…indem man die innersten Gefühle dieser Geschöpfe weckt, aber ob so etwas auch wirklich funktioniert?“, Liam war nachdenklich und aufgeregt. Man konnte es schon in seinem Kopf rattern hören wie er überlegte was nun zu tun ist. Er suchte nach einem Plan.
„Wie wärs, ich geh voraus und schmelze das Schloss am Verliess und du gibst mir Rückendeckung?“, schlug ich vor.
Ganz perplex schüttelte er den Kopf und blinzelte mir entgegen.
„Was hast du vor --? Auf keinen Fall, du bleibst hier…wenn dir etwas passiert, könnte ich mir das nicht verzeihen.“, sagte er besorgt. „Liam, ich bin hier um dir zu helfen, ausserdem kann ich mehr als andere 17-jährige Bändiger oder etwa nicht? Los, lass uns keine Zeit verlieren.“, sagte ich und rannte in die Richtung der Verliesse.



1. Kapitel
Rexitoren



Schnell suchte ich die Verliesse ab, suchte nach einem Gesicht dem ich das Foto der beiden zuordnen könnte. Ich hörte wie Liam hinter mir her kam. Die Zeit läuft, in wenigen Minuten werden die Wachen ihre Runde gegen den Uhrzeigersinn beginnen, ich gab nochmals Vollgas. In diesem Abteil waren etwa 100 Verliesse eingeschleust. Ich versuchte meine Gedanken, beim Anblick der Gefangenen zu zügeln, sonst würde ich noch auf die Idee kommen alle hier befreien zu wollen. Was nicht gerade sinnvoll wäre, da es auch solche gibt, die es verdient haben hier zu sein.
„Hier! Wir sind hier!“ hörte ich es aus einem Verliess hinter mir ertönen. Schnell war ich zur Stelle,
„Sophia und Alexis?“, fragte ich bedacht.
„Ja das sind wir! Siehst du Alexis, ich habe es gewusst, dass wir gerettet werden. Ich habe gewusst, dass uns Dan hier nicht verrotten lässt.“, sagte die kleinere der beiden, ihr blondbraun lockiges Haar umrandete ihr rundes Gesicht und lies sie sehr Jugendlich wirken. Liam tauchte hinter mir auf, nervös und kampfbereit.
„Liam mein alter Freund! Welch eine Ehre das du uns zur Rettung nahst!“, sagte Alexis. Sie war fast zwei Köpfe grösser als Sophia, sie hatte schwarzes kurzes Haar und einen fast unmenschlich dünnen Körper.
Ich betrachtete am Gitter das veredelte silberne Schloss. Das müsste doch zu knacken sein, ein versuch war’s wert.
Schnell legte ich meine Hände darauf und sprach meine drei Magischen Wörter.
„Elofis ignis flammare!“ Meine Hände begannen zu leuchten, das Feuer durchbrach meine Haut und kam an der Luft zum Vorschein. Ein wundervolles Gefühl. Ich bändigte das Feuer zu einer Kugel, eine Kugel die das grosse Stück Silber umschloss, es färbte sich rötlich-orange… Es war mucks Mäuschen still als ich das Schloss bearbeitete, Sophia und Alexis betrachteten das ganze sehr interessiert. Liam hielt nach den Wachen Ausschau. Ich formte es wie weiche Butter in meinen Händen, führte es aus der Halterung und hielt es fest in meinen Fingern.
„Schnell öffne das Gitter.“, befahl ich Liam. Ohne zu zögern zog er an den Gitterstäben und die beiden Feen konnten herausschlüpfen.
„Wiso habt ihr keine Ketten um, wie die anderen hier? Und was ist mit euren Flügeln passiert?“ fragte Liam.
Mir fiel erst jetzt auf das die beiden keine Flügel mehr hatten, sondern nur noch kleine zerfetzte Stummel am Rücken.
„Unsere Flügel haben sie uns vorgestern ausgerupft. Wir haben keine Ketten mehr um, weil sie uns auf die dritte Folter vorbereiten wollten… Gut das ihr genau jetzt aufgetaucht seid.“, antwortete Alexis.
„Halt! Sofort stehen bleiben!“, es ertönte eine harte weibliche Stimme. Eine Wache hatte uns entdeckt. Sie kam in zügigen Schritten auf uns zu, ihre Augen waren in der gleichen Farbe wie das Siegel an ihrem Hals. Feuerrot.
„Liam, bring du die beiden raus, ich erledige das.“, sagte ich und machte mich bereit diesen geschmolzenen und erhitzten Silberklumpen auf die Wache zu werfen. Ich ballte meine Hände auf, machte die Kugel grösser, eine flammende Schicht Feuer darum, die perfekte Waffe!
„Nein, Aliena… Ich lasse nicht zu das - “ Liam zögerte.
„Verdammt! Geh und rette die beiden, ich werde mit ihr schon fertig.“, sagte ich. Die Wache bemerkte meine Kampfansage und zückte ihr Schwert.
„Du willst kämpfen? Dann komm nur her.“, sagte die braunhaarige Frau. Nun konnte ich erkennen das sie ein Mensch war, eindeutig ein Mensch, gesteuert durch dieses abscheuliche Rexitoren Halsband.
„Hier, nehmt meine Sachen, darin befindet sich Entfixierungs-Pulver, nehmt es um zu fliehen, wir schaffen es schon hier hinaus. Wartet draussen am Flussufer des Waldes. Dort befindet sich eine Höhle, in der ihr sicher sein solltet.“, flüsterte Liam den beiden Feen zu und gab ihnen seinen Beutel mit. Ohne zu zögern nahmen die beiden ihn an sich und flüchteten in die andere Richtung.
„Liam, was hast du vor?“, fragte ich während ich darauf wartete, das die Wache in Schussweite kam.
„Meinst du ich lasse dich hier zurück? Ausserdem kommt da hinten noch eine Wache.“ Er zog sein Langschwert und stellte sich Kampfbereit neben mich. Auf seinem Gesicht ein siegessicheres Lächeln.
„Komm bloss her Blondie, du wirst dich noch wundern.“, hörte ich ihn flüstern.
Nun standen wir den beiden Wachen gegenüber, wie auf Knopfdruck begannen beide Gleichzeitig uns entgegen zu rennen. Ich krallte meine Finger in den Feuerball, holte aus und zielte auf die braunhaarige Wache. Elegant und geschickt wich sie meiner Feuerkugel aus, welche dann hinter ihr auf dem Boden prallte und tiefe Spuren hinterliess. Schnell zückte ich meine Feuerkatana. Neben mir fechteten Liam und Blondie ebenfalls mit stählernen Schwertern hin und her. Ich war in der Schwertkunst noch nicht so geübt wie er, jedoch hatte ich einen erheblichen Vorteil. Meine Feuerkatana hat – wie es der Name schon sagt – eine feurige Klinge. Also kann ich auch das Feuer darauf Bändigen, als allein mit der Klinge zu schwingen. Kaum hatte ich meine Feuerkatana hervorgeholt, so schwang die braunhaarige Kriegerin ihr Schwert in meine Richtung. Ein hin und her, klinge auf klinge. Gut gegen Böse. Plötzlich wirbelte sie einmal um 180 Grad und schwang ihr Schwert auf meine Beine zu. Schnell versuchte ich zu blocken, vergeblichst. Sie traf mich am rechten Schienbein und ich fiel zu Boden. Drei kleine Hiebe und die Wache hatte mir fesseln um die Hände gelegt.
„Aliena!“, rief Liam aufgewühlt, in meinem Augenwinkel sah ich, dass er immer noch am Kämpfen war. Ich betrachtete mein Bein, eine tiefe Wunde zierte es, satte 20 cm lang und etwa 2 cm tief. Blut quoll massenhaft hervor. Ok, jetzt nur die Ruhe bewahren! Meine Gedanken rasten, hin und her. Es muss doch eine Möglichkeit geben diese Wachen auszutricksen oder auszuschalten? Schneller als meine Gedanken weiter fliessen konnten war Liam ebenfalls gefesselt worden. Ich blickte zu ihm und sah wie er sich mit ganzer Kraft versuchte zu befreien.
„Lass mich los du Gefühls-gesteuertes Miststück!“, schrie er und verpasste ihr einen Tritt in den Allerwertesten.
Momentmal. Gefühls-gesteuert? Die Rexitoren! Und wenn es unter den Menschen ein Wesen gibt das am meisten Gefühle in sich trägt, ausstrahlt und wiedergibt – dann ist das eine FRAU! Das ist die Lösung!
Ich rappelte mich mühsam auf, die Wache packte mich sofort am Oberarm.
„Liam, schau mir zu und mach es mir nach!“, rief ich ihm zu und drehte mich dann wieder der Wache entgegen.
„Du gehst nirgends wo hin. Ich bringe dich jetzt in den Kerker.“, sagte die monotone Stimme der braunhaarigen Wache.
„Nein, ich bringe uns in die Freiheit!“, antwortete ich und grinste ihr entgegen. In ihren Gesichtszügen konnte ich erkennen, dass sie im Inneren Verwirrung fühlte, doch das Rexitoren Halsband liess dies nicht an die Öffentlichkeit. Doch ich wollte ein viel tiefer sitzendes Gefühl in dieser Frau erwecken.
Ein Gefühl, das jede Frau auf eine Weise berührt, die einen etwas mehr, die anderen etwas weniger.
Während ich – so gefühlsvoll und leidenschaftlich wie ich nur konnte – meine Lippen auf ihre presste, merkte ich wie sich ihre Stimmung veränderte. Sie liess ihr Schwert fallen, ihre Hände liess sie sinken. Und als ich dann ganz zärtlich und so liebevoll wie möglich meine Zunge in ihre Mundhöhle beförderte, erwiderte sie meinen Kuss. Sie hatte ihre Gefühle nun vollkommen zugelassen und die Sperre des Halsbands durchbrochen. Das Rexitoren Halsband an ihrem Hals begann heftig zu Blinken; rot, schwarz, rot, schwarz…
Mit einem lauten Knall zersprang die Versiegelung des Halsbands und liess eine schmerzhaft aussehende Narbe zum Vorschein kommen. Nun küsste sie mich wild und entschlossen. Ihr war die Freude anzumerken wie sehr sie dieses Gefühl vermisst hatte. Als hinter mir noch ein knall zu hören war, schreckte ich auf. Erst jetzt merkte ich wie sehr ich in diesem Kuss vertieft war. Liam hat es mir gleich getan, er hat die blonde Wache ebenfalls durch das erwecken ihrer Gefühle aufhalten können. Die Augen der braunhaarigen Wache färbten sich Stück für Stück in ihre Ursprungsfarbe zurück, ein faszinierendes grün-blau mit silbernen kleinen Einfärbungen kam zum Vorschein. Nun lächelte sie mir entgegen, ein sanftes erschöpftes Lächeln.
„Danke.“, brach es aus ihr heraus. Eine Sekunde später schlang sie ihre Arme um mich.
„Danke, du hast mich gerettet! Ich war schon viel zu lange hier gefangen und durch dieses Halsband versklavt worden.“, sagte sie erleichtert. Während sie sprach hörte ich draussen einen schrillen Alarm erklingen.
„Ich finde es ja auch toll das mein Plan geklappt hat, aber könntest du mich jetzt bitte von diesen Ketten befreien und uns hier rausschaffen??“, antwortete ich schnell.
„Natürlich. Stacy! Befrei ihn, wir hauen von hier ab.“, rief sie Blondie zu. Mit einer schnellen Hand Bewegung setzte sie meine Armgelenke wieder frei und sammelte ihr Schwert ein. Liam kam auf mich zu gerannt.
„Geht’s dir gut? Ohh Elofonis! Dein Bein... Es ist…“, stammelte er. Ich wollte mein Bein gar nicht mehr ansehn, ich wusste das es schlimm aussah, spüren konnte ich es zu meinem Glück nicht mehr.
„Es bleibt uns keine Zeit. Komm ich trag dich, ich kenne da einen Weg den wir nehmen könnten ohne entdeckt zu werden.“, sagte die braunhaarige.
Vorsichtig und bedacht hob mich die Wache auf ihre Arme. Liam’s misstrauischer Blick fiel auf sie, er zog bestürzt seine Augenbrauen zusammen. Doch sie beachtete dies gar nicht, sondern legte ein kleines weisses Stück Stoff um mein Bein, um die Blutung zu stoppen.
„Los schnell! Wir fliehen durch das Ost Tor.“, sagte Stacy.
„Nein, da gibt es zu viele versteckte Fallen. Wir nehmen den zweiten Unterirdischen Gang und gehn dann bei der Kanalöffnung raus.“, sagte die Wache geschwind.
Während ich in ihren Armen lag, rannte sie mit den anderen Trepp auf, Trepp ab, mal links, mal rechts. Ich hatte vollkommen meine Orientierung verloren. Das schrille klingen der Alarmsirenen war schon fast nicht mehr zu hören. Plötzlich spürte ich ein tiefes Stechen in meinem Bein. Ich erhob meinen Kopf und betrachtete das dunkelrote Stück Stoff. Zugleich wurde mir kalt und heiss, mein Kopf schwirrte… Das war zu viel Blut für mich. `Reiss dich zusammen Aliena! `, sagte ich mir selbst im Gedanken.
„Es tut mir leid.“, flüsterte die Wache mir zu während sie eine Treppe hinauf stieg.
„Du kannst ja nichts dafür, das Halsband hat dich gesteuert.“, sagte ich während ich noch einen Blick auf mein Bein wagte. Daraufhin überkam mich eine Welle der Übelkeit, mein ganzer Körper verkrampfte sich.
„Nein verdammt! Um Elofonises Willen, du bist ja so bleich wie ein toter Molch!“, sagte sie. In ihren Augen sah ich eine kräftige Ausstrahlung… Etwas das ich jedoch noch zu keiner Stimmung oder einer mir bekannten Eigenschaft zuordnen konnte. „Aliena, Schätzchen wie geht es dir?“ Liam kam sofort angerannt als er ihre Aussage hörte. Er hatte eindeutig Angst um mich. Gerade als ich ansetzen wollte um ihm zu antworten, spürte ich einen stechenden Schmerz im Bein.
„AAAaaaahhh!!“, schrie ich. Der Schmerz verdrehte meine Augen, verkrampfte meine Muskeln, zerstach mein ganzes Bein.
„Stacy, bist du wahnsinnig! Ist so etwas schon einmal getestet worden??“, fragte die Wache.
Blondie hatte eine merkwürdige Flüssigkeit auf meine Wunde geträufelt und diese mit ihren Händen einmassiert, unsanft und schmerzhaft. „Es hört gleich auf mit den Schmerzen Aliena. Glaub es mir, ich kenne mich damit aus.“, sagte Blondie. Wäre ich in diesem Moment dazu in der Lage gewesen, hätte ich ihr einen heftigen Tritt verpasst!
„Du machst es so nur noch schlimmer! Sie ist eine Feuerbändigerin! Damit zersetzt du ihr Gewebe!“, schrie Liam.
„Was?? Sie ist eine Feu - “ Blondie entfernte sofort ihre Hände von mir und suchte hastig ihre Tasche ab.
„Sie sieht wie eine Nomadin aus verdammt! …“, äusserte Blondie bestürzt und führte leise Selbstgespräche.
Die Wache, welche mich immer noch im Arm hielt, festigte ihren Griff um mich. Ich hatte keine Kraft mehr um meinen Kopf oben zu halten und legte ihn auf ihren Arm.
„Lasst mein Bein, wir müssen fliehn.“, brachte ich mühsam heraus, leise aber hörbar.
„Da! Ich hab was!“, rief Blondie und hielt ein Fläschchen mit einer violetten Flüssigkeit auf.
„Stacy, wenn du ihr dies auf die offene Wunde schmierst, bring ich dich um! Damit wird sie noch mehr leiden! Das einzige was hier helfen könnte wäre Elfenbeinharz.“
„Aber ich habe gerade kein Elfenbeinharz dabei, Lu!“, schrie Blondie hysterisch.
„Dann schaffen wir sie erst einmal hier raus verdammt!“, sagte Liam und wollte meinen Körper packen. Unsanft klemmte er seine Arme um mich, während die Wache mich immer noch festhielt. „Nein.“, sagte ich reflexartig und lehnte mich mit dem ganzen Gewicht an sie. Liam war es nicht gewohnt so zurückgewiesen zu werden. Ich wollte mich entschuldigen, doch ich hatte keine Kraft mehr um meine Stimme zu erheben. Ein tiefer, eiskalter Schmerz durchfuhr mein Bein, über meine Wirbelsäule, bis zu meinen Rippen und zu meinen Schultern. Dann wurde mir plötzlich schwarz vor Augen.



2. Kapitel
Tiefe Wunden



„Ich bringe dich um! Ich sagte dir doch damit wird sie noch mehr leiden, sieh nur was du angerichtet hast!“
„Es tut mir leid Lucy, aber sieh nur – die Wunde beginnt sich wieder zu binden. Das Blut hat aufgehört zu fliessen.“, sagte Blondie optimistisch.
„Sie ist aber immer noch ohnmächtig…“, sagte Lucy. Ich spürte wie zwei Hände meinen Körper berührten, die eine Hand meinen Bauch welche meine Atmung kontrollierte, die andere wie sie meine Wange sanft streichelte. Jedoch waren es zwei verschiedene Hände, das merkte ich sofort. Obwohl ich nichts sah und mich noch nicht bemerkbar machen konnte, spürte ich eindeutig das beide Hände unterschiedliche Temperaturen hatten.
„Ich habe ein Signal an Dan gesendet, er wird uns dadurch orten und zurück teleportieren können.“, hörte ich Liam sagen.
„Oh Danmore, wie lange haben wir ihn jetzt schon nicht mehr gesehen Alexis?“, so Sophia.
„Keine Ahnung, welches Datum haben wir eigentlich heute? Wir waren so lange gefangen, dass ich völlig das Zeit Gefühl verloren habe.“, antwortete Alexis.
„Heute ist der 27. September im 3. Mond des Bären.“, erklärte Liam.
„Im 3. Mond schon? Da habe ich ja den Geburtstag meiner Tochter verpasst… Liam weisst du wie es meiner Leonie geht??“, fragte Alexis traurig.
„Es tut mir leid Alexis, aber ich weiss nicht wie es deiner Tochter geht. Nach dem Überfall auf fast alle unsere Dörfer in Taborea haben wir für die überlebenden sorgen müssen. Soviel ich weiss konnten viele Kinder fliehn.“
„Was? Wir wurden angegriffen?? Was – was ist passiert?“
Während Liam langsam begann die Geschichte zu erzählen wie der Krieg begann, drehte sich mir der Magen um. Eine geschickte Hand drehte meinen Oberkörper auf die Seite, sodass ich mich nach unten erbrach. Ich erschrak wie viel Flüssigkeit ich verlor. Die Kraft meine Augen zu öffnen hatte ich jedoch noch nicht.
„Verdammt, sie spuckt Unmassen an Blut! Stacy!? Hast du nun weisses Elixier herstellen können?“, rief Lucy.
„Ich bin gleich soweit!“, hörte ich von weitem Blondie rufen.
Als sich mein Magen einigermassen beruhigt hatte, legte man mich wieder auf den Rücken. Jemand wischte mir Blut Reste vom Hals. Plötzlich mache sich ein schmackhafter Geruch in meiner Nase breit, süsslich und zart.
„Hier! Gib ihr eine Tasse davon und es sollte ihr bald besser gehen.“, sagte Blondie.
„Bist du dir ganz sicher dabei?“, fragte Liam angekratzt. Seine Stimme klang nervös und wütend.
„Ja vertrau mir, das wird ihr helfen!“
Mein Oberkörper wurde angehoben und mir wurde vorsichtig das Elixier eingeflösst. Eine süsse, dickflüssige warme Flüssigkeit floss meine Speiseröhre hinab.
„Gleich geht’s dir besser Kleine.“, flüsterte mir eine Stimme zu. Ich war nicht mehr in der Lage zu erkennen wer es war, jedoch spürte ich wie mein Körper sich Stück für Stück erwärmte und mit neuer Kraft vollgetankt wurde.
„Langsam bekommt sie wieder Farbe.“
„Danmore! Oh Dan, was für eine Freude dich zu sehen!“, hörte ich Sophias Stimme rufen.
„Sophia! Alexis! Die Freude ist ganz meiner Seit‘s!“, hörte ich Dan’s männliche Stimme sagen. Umarmungen und Küsschen wurden Verteilt.
„Liam wie steht es um Aliena?“, fragte er bedrückt.
„Sie sollte bald aufwachen, wir haben ihr das weisse Elixier verabreicht.“
Ich konnte meine Finger wieder bewegen, zog sie leicht zusammen. Eine warme Hand fasste nach meinen Fingern. Bald darauf öffnete ich meine Augen. Über mir sah ich auf der einen Seite Liam und Dan. Auf der anderen Seite sass Lucy.
Dan hielt meine Hand, neigte seinen Kopf hinab und küsste sie sanft. Danmore, oder auch Dan wie wir ihn nennen durften, sah wie ein typischer Held aus. Für mich hatte er schon von Anfang an eine sehr grosse Ähnlichkeit mit der Figur Aragorn aus The Lord of the Rings. Liam meint er sieht aus wie ein Hollywood Star. Seine rost-braunen kurzen Haare reichten ihm knapp bis unter die Ohren und hingen ihm schief und stilvoll im Gesicht, er hatte einen ausgesprochen sexy wirkenden Drei-Tage-Bart und seine dunkelbraunen durchdringenden Augen sagten alles! Alles was sich eine Frau je wünschen würde!
„Adores fortis Aliena, inviare il cielo.“, sagte Dan in einem fliessenden Nomardisch.
Es bedeutete: `Geliebte mutige Aliena, dich schickt der Himmel.`
„Digna no val parlar.“, antwortete ich leise und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Meine Worte bedeuteten: `Ist doch nicht der Rede wert.` Wenn es eine Sprache in Sorina gab, die ich am besten verstand und auch gut beherrschte dann war es Nomardisch. Diese Sprache hatte viele Ähnlichkeiten mit Italienisch, Lateinisch und Katalanisch.
„Ich schickte Liam und dich los um zwei Feen zu befreien und was finde ich hier vor? Zwei befreite Feen, eine Heilerin und einen Mensch, welche beide von Rexitoren beherrscht wurden dazu! Ihr beide habt für Sorina einen sehr grossen Dienst geleistet. Und auch deine Wunde an deinem Bein zeigt wie viel Einsatz ihr dabei geleistet habt.“, lobte uns Dan.
Langsam setzte ich mich auf, ich entdeckte, dass ich auf einem grün-braunen Feldbett lag, welches sich in einer Höhle am Fluss befand. Mein Bein war in einem dicken Stück Stoff eingepackt. Das Abendrot strahlte durch einige Baumkronen und schenkte uns die letzten Lichtstrahlen dieses langen Tages. Ich hatte mich immer noch nicht daran gewöhnt das hier die Tage länger, die Monate kürzer und die Zeitverschiebung zur Erde so lange sind.
Lucy, die braunhaarige Wache legte eine warme Decke um mich. Als ich mich umsah bemerkte ich, dass eine winzig kleine Flamme in der Mitte der Höhle brannte. Darüber war ein kleiner Topf mit Wasser gespannt.
„Wollt ihr wirklich mit dieser kleinen Flamme Wasser kochen?“, fragte ich misstrauisch.
„Ich habe das Feuer nicht weiter zum Brennen gebracht, es ist mir auf diesem feuchten Holz immer wieder erlischt.“, sagte Blondie und versuchte schnell mit zwei kleinen Feuersteinen das Feuer zu stärken. Ich schnippte einmal lässig und das Feuer loderte in einem leuchtenden rot-orange auf, doppelt so gross und drei Mal so heiss wie vorhin.
„Das gefällt mir schon besser, nun ist unsere Aliena wieder ganz hier.“, sagte Liam glücklich. Er umarmte mich zärtlich und wandte sich dann wieder Dan zu.
„Meinst du, du schaffst es uns alle zurück zu teleportieren?“
„Nein, ich kann nur zwei Wesen auf einmal mitnehmen. Und es wäre mir lieber wenn ich Aliena zuerst mitnehme, sie ist jetzt zwar wieder bei Sinnen und etwas kräftiger, aber trotzdem sollte sie sich noch etwas ausruhen. Ich will das sich Elvira ihr Bein mal ansieht.“, meinte Dan.
Ich schaute in das Gesicht einer besorgten jungen Frau. Lucy, welche immer noch an meiner Seite sass. Sie streichelte sanft mein Haar und atmete schwer. Wahrscheinlich hatte sie Schuldgefühle.
„Ok, dann nehme ich zuerst Lucy und Aliena mit, Liam wärst du so gut und beschützt die drei hübschen Damen solange ich weg bin?“, Dan betonte es so, dass sich gleich alle Frauen geehrt fühlten. Alexis lief rot an und Sophia kicherte, Blondie welche das Wasser rührte lächelte ebenfalls.
„Geht in Ordnung, wo bringst du sie hin?“
„Ich teleportiere sie erst mal in mein Hauptquartier. Danach kehre ich zurück und hole die nächsten zwei. Ich werde nicht lange weg sein.“, antwortete Dan.
Dan legte seine Hände auf meinen und Lucy’s Kopf und gab zum Abschied ein;
„Elo protegeture et vivere mj amici.“ - `Seid beschützt und lebet lang, meine Freunde` , ein typischer Abschiedsgruss in Sorina. Danach teleportierte Dan uns innerhalb von einem Wimpernschlag in sein Büro. Eigentlich waren nun von der Höhle am Fluss bis hier in sein Hauptquartier einige Minuten vergangen, jedoch wenn man so mit Dan durch die Zeit reist merkt man gar nicht wie lange es dauert.
Lucy trug mich auf Dan’s Couch, welche in einem sehr menschlich eingerichteten Büro stand.
„Macht es euch hier gemütlich, ich rufe Elvira meine Assistentin her, sie hat 24 Jahre auf der Krankenstation in Metofilis gearbeitet. Ich will das sie sich mal dein Bein genauer ansieht.“, sagte Dan.
Er verliess das Büro in hektischen Schritten, als würde jede Minute zählen.
„Es tut mir leid.“, sagte Lucy erneut.
„Entschuldige dich bitte nicht mehr dafür, ich bin dir nicht böse. Du wurdest zu diesem Zeitpunkt von dem Rexitoren Halsband manipuliert.“, antwortete ich. Lucy legte erneut die warme Decke auf meinen Körper und setzte sich dicht neben mich. Sie senkte bestürzt den Kopf, machte sich schwere Vorwürfe. Ich fasste nach ihrer Hand und schenkte ihr ein kleines Lächeln um sie aufzumuntern.
„Weisst du, ich war anfangs auch eine Gefangene im Akrischen Gefängnis. Der Kerkermeister wählte dann eine Woche nach meinem Eintreffen unter den Gefangenen drei Frauen und drei Männer aus. Zuerst hiess es, wir würden versetzt werden, es würde uns besser gehen. Ich dachte wir kämen in eine anderes Verliess. Doch dann bekamen wir diese Halsbänder…“, sagte sie und atmete schwer, ihre Stimme zitterte. Es fiel ihr schwer darüber zu reden.
„Uns wurden jegliche Glücksgefühle entzogen, genau wie Mitleid, Mitgefühl und unsere Sorgsamkeit. Das Gefühl zu lieben, zu wertschätzen und zu respektieren wurde mit der Zeit fremd für uns. Es ging darum, billige Wachen auf unterstem Gefühls Niveau zu produzieren. Wir sollten erniedrigende und abscheuliche Aufgaben verrichten, ohne uns wehren zu können.“
In ihrem Blick lag eine so tiefe Verzweiflung, wie ein Hilfeschrei. Ich wartete gespannt darauf das sie weiter erzählte.
„Wir mussten Foltervorgänge vorbereiten und durchführen, den Gefangenen gewaltsam Informationen auslocken und einige auf unmenschliche weise auch töten. Tief in meinem Inneren rebellierte ich gegen dieses Halsband, ich konnte sogar meine Gefühle bis zu einem gewissen Punkt wiederspiegeln. Nach einem Monat habe ich es geschafft ein lächeln heraus zu bringen.“, sagte sie bitter und lächelte traurig.
„Wie hast du das geschafft?“, fragte ich neugierig.
„Ich habe gemerkt, dass das Halsband meine Gefühle wie hinter einer Schranke gefangen hielt und nur solche hervorliess, auf das es programmiert war. Ich verbrachte viele Nächte daran diese Grenze auszutesten und zu durchbrechen. Ich habe sogar schon einmal einige Versuche mit einem anderen Sklaven gemacht. Paul und ich haben uns ebenfalls geküsst, doch das hat uns nicht weit gebracht… Und auch andere Näherung Versuche scheiterten.“
Meine Phantasien sprudelten, ich stellte mir vor wie Lucy einen Mann küsste der ebenfalls ein Rexitoren Halsband trug, wie sie ihn streichelte, sich um ihn klammerte und mit aller Mühe versuchte irgendwelche Gefühle zu erwecken. Dann erschlich sich noch ein weiteres Bild in Aliena’s Kopf, doch sie wagte es nicht Lucy deswegen zu fragen. Da sie ihre Privatsphäre nicht verletzten wollte, jetzt wo sie sie gerade erst wieder hatte.
„Doch du! Als du kamst, änderte sich schlagartig ALLES! Dein Kuss war so leidenschaftlich und voller Gefühl, das sich die Schranken des Halsbands gar nicht mehr so weit weg anfühlen. Und als du dann noch deine Zunge ins Spiel brachtest, uuf! Wurden wie durch ein Wunder alle Schranken und Grenzen aufgelösst.“, Lucy errötete und schenkte mir ein breites verlegenes Lächeln.
„Naja, Liam hat mich auf diese Idee gebracht. Er sagte man könne die Rexitoren Halsbänder zerstören indem man die tiefsten und innersten Gefühle des Versklavten Geschöpfs erweckt.“, antwortete ich schnell. Lucy nickte und sagte anschliessend; „Ihr seid ein hübsches Paar.“
„Liam und ich? Nein, wir sind kein Paar.“, antwortete ich gelassen.
„Oh, tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten oder so. Es sah einfach so aus, da er sich so um dich sorgte und dich Schätzchen nannte…“ Sie zuckte mit der Schulter und lächelte.
„Ja Liam ist ein ewiger Charmeur! Er versucht es schon lange bei mir, doch da kann er noch lange warten.“
„Wieso das?“, fragte Lucy neugierig.
„So wie ich Liam kenne, will er nur das eine. Und darauf bin ich nicht aus. Ich suche – wenn überhaupt – nach etwas festem, etwas sicherem. Leider musste ich in meiner Vergangenheit schon so einige Enttäuschungen erleben…“, sagte ich und schluckte so gut es ging meinen Kloss im Hals hinunter. Es tut mir nicht gut, zu sehr in der Vergangenheit zu wühlen.
„Oh ok, verstehe. Ja, ich dachte mir schon das Liam so einer ist. Er strahlt so einen gewissen Status aus… Ich weiss nicht..“
„Du magst ihn nicht?“, fragte ich und zog eine Augenbraue hinauf. Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, tut mir leid. Schon von dem Moment an, als er dich tragen wollte. Fast wütend schnappte er nach dir, obwohl es dir schlecht ging und ich dich schon sicher im Arm hielt.“, sagte Lucy. In ihren Augen war schon wieder dieses Aufblitzen zusehen, etwas Neues – Unbeschreibliches.
Die Türe ging auf und Dan kam hinein, im Schlepptau Elvira. Ich erschrak als ich feststellte wie jung sie doch aussah! Was sagte Dan? Sie arbeitete 24 Jahre auf einer Krankenstation? Elvira sah nicht älter als 21 aus! Ihre hellbraunen halblangen Haare waren zu einem perfekten Pferdeschwanz gebunden, ihre weiss-blaue Weste und die hellgraue Lederhose liessen sie wie eine richtige Krankenschwester wirken. In der Hand hielt sie einen kleinen weissen Koffer. Auf dem Gesicht hatte sie ein besorgtes Lächeln. „Hier ist die bezaubernde Frau in Not.“, sagte Dan und setzte sich ebenfalls an meine Seite ans Bett.
„Aliena wie geht es dir jetzt?“, fragte er. Elvira holte sich einen Stuhl und setzte sich nahe neben die Couch hin.
„Etwas besser. Ich habe einfach gar kein Gefühl mehr in meinem Bein.“
„Darf ich mir dein Bein mal ansehn?“, fragte Elvira mit einer besorgten Stimme. Ich nickte und wollte mich aufsetzen. Dan drückte mich wieder sanft zurück.
„Lass nur, jede weitere Anstrengung ist ungesund in deinem Zustand.“, sagte Dan und mit zwei vorsichtigen Handgriffen legte er mein Bein frei. Ich konnte nicht hinsehn, ausserdem wollte ich nicht noch einmal erbrechen müssen…
„Mit was für einer Waffe wurdest du getroffen?“, frage mich Elvira. Lucy holte in dem Moment ihr Schwert hervor.
„Mit einer japanischen Katana, 65cm lang, 15 Jahre alt, ursprünglich aus der Menschenwelt.“, äusserte Lucy rasch.
„Okay, verstehe. Ist das Schwert vergiftet? Denn so wie die Wunde aussieht, muss irgendeine Kaleisische Substanz ihr Fleisch zersetzt haben…“, meinte Elvira.
„Nein das Schwert ist clean. Aber naja, Stacy hat ihr zuerst Nitorzin verabreicht, ausversehen natürlich. Denn sie wusste nicht das Aliena eine Feuerbändigerin ist, danach hat sie ihr so eine violette Flüssigkeit drauf geträufelt… Ich weiss den Namen nicht mehr... Trix, Triku --“
„Trixulin??“, fragte Elvira geschockt. Dan verzog schmerzhaft das Gesicht.
„Meine Damen, ich denke nun kann ich euch alleine lassen. Ich werde nun die nächsten zwei holen gehen. Aliena, Elo protegeture!“, sagte Dan. Er drückte mir schnell und sanft einen Kuss auf meine Hand und verschwand dann teleportisch in einer anderen Dimension. „Ja, Trixulin war es. Daraufhin ist sie in Ohnmacht gefallen, als wir dann endlich ein Feuer hingebracht haben, mixte Stacy ihr das weisse Elixier zusammen.“, Lucy zog bestürzt das Gesicht zusammen. Sie machte sich schon wieder Vorwürfe.
„Ihr könnt von grösstem Glück reden, dass Aliena diese Tortur überlebt hat! Nicht jeder junge Feuerbändiger würde so einen Umschwung von Toxisch zu Kaleisischen Substanzen überleben. Aber so wie es aussieht sollten wir die Wunde jetzt von selbst heilen lassen, ihr Zeit zur Erholung geben. Ich gebe dir jedoch trotzdem Antibiotika um die Wunde von innen zu heilen.“ Elvira verschrieb mir ein Antibiotika Medikament und drückte Lucy das Rezept in die Hand.
„Und mit dieser Stacy muss ich dringend ein Wörtchen reden!“, sagte Elvira bedrohlich. Sie klang fast wütend, als könnte sie so ein Verhalten nicht dulden.
„Ok, ich schicke sie zu Ihnen sobald sie wieder hier ist.“, sagte Lucy ernst.



3. Kapitel
Die Prüfung



In der folgenden Nacht schlief ich sehr unruhig und hatte einen verwirrenden Traum.
Als Elvira das Zimmer verlassen hatte, trug mich Lucy vorsichtig und behutsam in das Gästezimmer des Hauptquartiers. Elvira bot uns an in diesem zu schlafen. Als Lucy mich schliesslich in einem viel zu grossen und viel zu weichen Himmelbett niederliess, deckte sie mich behutsam zu und streichelte mir über die Haare. Wie es meine Mutter früher getan hatte.
„Danke.“, brachte ich mit einer ermüdeten und fast unhörbaren Stimme heraus. Sie schenkte mir ein lächeln und schüttelte den Kopf.
„Nein, ich habe zu danken Aliena! Doch nun solltest du schlafen, Gute Nacht Kleine.“, sagte sie mit einem fröhlichem Lächeln. Danach drehte sie sich um und wollte gerade zur Türe hinaus.
„Wo willst du denn hin?“, fragte ich verwundert.
„Ich schlaf auf Dan’s Couch, oder irgendwo am Boden.“
„Spinnt‘s dir? In diesem Himmelbett haben sicher noch etwa 4 Leute Platz. Ausserdem möchte ich nicht – so hilflos wie ich mit meiner Verletzung gerade bin – alleine sein müssen.“, antwortete ich.
„Na gut.“, seufzte sie und drehte um. Sie legte sich auf die andere Seite des Bettes. Viele flauschige Kissen lagen um uns herum.
„Einen ziemlichen Luxus den sich die Leute hier im Hauptquartier gönnen, nicht wahr?“, sagte sie und beobachtete die hölzernen Verzierungen an den Pfosten des Himmelbetts.
„Ja stimmt schon… Gute Nacht Lucy.“
„Nenn mich doch bitte Lu, ok?“
„Ok, du darfst mich gerne Liena nennen…oder Lee, wie du willst.“, antwortete ich darauf.
„Nein, ich finde `Kleines` passt viel besser zu dir.“, kicherte Lu heraus.
„Hey, so viel kleiner als du bin ich gar nicht! Naja, Gute Nacht Lu.“
„Nacht Kleines.“, flüsterte sie.

In meinem Traum rannte ich durch ein hüfthohes Blumen Feld, es schimmerte in allen Farben. Die pralle Sonne strahlte auf meinen entblössten Körper. Ich spürte wie mich jemand verfolgte, jedoch nicht bedrohlich, denn ich lachte glücklich. In meinem Inneren fühlte ich völlige Erfüllung, Glück und Freiheit! Diese Person hatte mich eingeholt, mich überrannt und zu Boden gedrückt. Im grössten Gelächter kitzelten wir uns. Ich erkannte nicht wer es war, doch das war mir auch völlig egal. Ich genoss jede Sekunde dieses Traums.
„Küss mich!“, rief ich auffordernd hinaus. Eine Sekunde später lagen zwei sanfte Lippen auf meinen. Leidenschaftlich und wild küssten wir uns. Auch wenn ich mir nicht so sicher war, wer wir war. Zwei kräftige Hände hielten mich fest, streichelten mich, Lippen liebkosten mich. Eine warme feuchte Zunge fuhr sanft und zielstrebig meinen Hals hinab. Das Gespräch zweier fremden Stimmen riss mich aus meiner Benommenheit hinaus.
„Aber sie wird es doch wohl nicht nötig haben diese Prüfung zu machen oder?“, sagte die erste Stimme.
„Wenn alles wieder verheilt ist, wird sie die Prüfung machen müssen. So steht es vorgeschrieben.“, sagte eine zweite Stimme. Verwirrt schaute ich mich um. Niemand. Weit und breit nur Blumen und Bäume. Die Person welche über mir lag, hielt einen Moment inne.
„Was ist los Schatz?“, fragte eine faszinierende, hypnotisierende Stimme. Jedoch erkannte ich immer noch nicht wer es war.
„Hast du das gehört?“, fragte ich. Ein seufzen kam zurück, danach legten sich wieder gierigen Lippen auf meinen Hals. Langsam fuhren sie zu meinem Schlüsselbein und zu meinen Brüsten. Ich stöhnte lustvoll auf bis -
„Verdammt nochmals! Sie darf diese Prüfung nicht in so einem Zustand verrichten, sie wird umkommen!“, schrie die erste Stimme verzweifelt.
„Beruhige dich! Ich weiss, als sie zu uns kam gab es da einige bestimmte Umstände, weshalb diese Prüfung aufgeschoben wurde. Doch jetzt habe ich einen Brief vom Magischen Konsulat erhalten. Sie muss es tun. Sonst läuft ihre Bewilligung ab und wir müssen sie zurück in die Menschenwelt schicken.“, antwortete die zweite Stimme.
Ich fühlte mich merkwürdig, war ich gemeint‘?
„Wieso bist du so besorgt mein Schatz?“
Ich antwortete mit einem zärtlichen Kuss und verzog anschliessend eine besorgte Mine.
„Reden die über mich? Muss ich so eine Prüfung machen? Was --?“, begann ich aufgebracht zu fragen.
Zwei leidenschaftliche Lippen lenkten geschickt meine Gedanken in eine andere Richtung. Ich fühlte ein warmes bekanntes Gefühl, ein Kribbeln. Schmetterlinge, nein – Flugzeuge in meinem Bauch!
„Darf ich diesen Brief mal sehn? Gibt es nicht irgend eine Sonderbewilligung die sie bekommt?!“, fragte die erste der beiden Stimmen ängstlich und verzweifelt.
„Nein tut mir Leid… Sie muss wohl oder übel da durch. Ich werde es ihr nächste Woche sagen.“
Obwohl ich das Gespräch der beiden Stimmen immer noch hörte, waren meine Gedanken – zu meinem Glück – mit etwas viel schönerem beschäftig. Das Techtelmechtel ging weiter, Körperlich und Gedanklich. Alles andere blendete ich völlig aus. Es fühlte sich an als hätte ich meinen Seelenverwandten gefunden! Als wäre ich eins mit ihm, dem Seelenverwandten. Als wäre alles andere bedeutungslos!
Plötzlich ertönte von weitem ein lauter Knall. Ich zuckte zusammen, öffnete meine Augen. Das blasse und fast farblose Gästezimmer erstreckte sich vor meinen Augen. `Verdammt! Jetzt bin ich aufgewacht, war alles nur ein Traum?!`, dachte ich. Ich setzte mich – so gut es ging mit meinem Bein – auf und betrachtete das Zimmer. Am Fenster war gerade der Sonnenaufgang zusehen. Neben mir lag Lu, sie hatte ein Lächeln auf dem Gesicht. Sie lag noch an derselben Stelle an der sie gestern Abend eingeschlafen war. Ich wollte sie noch etwas schlafen lassen, also stand ich leise und vorsichtig auf. Ich humpelte zur Toilette. Nun war es kaum mehr zu vermeiden, ich musste meiner Wunde ins Gesicht sehen.
„AAAaahhhhhh!!“, ein schriller Schrei entfuhr mir. Daraufhin drückte ich schnell meine Hand auf meinen Mund.
„Schatz? “, hörte ich eine verwirrte stimme rufen. Was? Wie wurde ich eben gerufen? Ach, das war bestimmt eine Verwechslung, oder noch ein Wiederhall meines Traums. Ich versuchte bei klarem Verstand zu bleiben. Die immer noch offene Wunde war durch den transparenten Verband sehr gut zu erkennen. Zu gut. Ich verfluche Elvira, dass sie gestern meine Wunde mit einem transparenten Verband umwickeln musste!! Sie meinte zwar, so könne man den Verlauf der Heilung besser mitverfolgen, doch für mich hatte es nur Nachteile. Der Medizinischen Industrialisierung sei Dank. Was kommt als nächstes? Holographische Verbände?! Durchsichtige Heilmittel?
„Kleines? Hast du eben geschrien? Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte Lu besorgt.
„Ja Lu, alles in Ordnung.“, antwortete ich durch die geschlossene Türe. Ich versuchte meinen Atem wieder ein wenig zu verlangsamen. In so einer Situation zu hyperventilieren wäre keine gute Idee. Als ich fertig war, schloss ich auf wackligen Beinen die Türe auf.
„Ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte sie mich. Bling. Da war es schon wieder! Das merkwürdige etwas, das undefinierbare etwas, welches immer wieder in Lu’s Augen aufblitzt.
„Ja, ich bin nur erschrocken als ich meine Wunde sah…“, gab ich mit gesenktem Kopf zu.
„Kannst du laufen? Oder soll ich dir helfen? Vielleicht können wir ja für dich einen Stock oder Krücken holen.“
„Nein ich will nicht mit einem Stock laufen, dann komme ich mir so alt vor!“, sagte ich bedrückt.
Daraufhin lachte Lu ein herzlich süsses Lachen, ein ansteckendes Lachen. Wir scherzelten noch ein wenig herum danach half sie mir aus dem Zimmer.
„Ich will noch mit Dan sprechen.“, äusserte ich.
„Wieso willst du zu Dan? Wollen wir nicht zuerst mal etwas zum Frühstück essen gehn?“, fragte sie.
„Nein, es gibt da noch etwas das ich ihn fragen muss. Geh du sonst schon mal vor. Ich komme später nach, ich werde die Küche schon irgendwie finden.“
„Bist du dir sicher? Aber kannst du überhaupt richtig laufen?“, fragte sie mit einem misstrauischen Blick auf mein verkrüppeltes Bein.
„Jaja, ich schaff das schon irgendwie.“, sagte ich und wand mich von ihrem Hilfe-Griff los. „Bis später.“, sagte ich dann noch und lief – wenn auch etwas unschön und wackelig – den Gang hinunter zu Dan’s Büro. Vor seiner Türe machte ich halt. Ich wusste eigentlich gar nicht was ich hier genau wollte. Doch irgendetwas sagte mir ich musste es herausfinden. Ich klopfte Vorsichtig an die Türe. Keine Antwort. Ich klopfte erneut. Nichts.
Ganz leise und langsam drückte ich die Türklinke hinunter. Es war offen. Ich trat hinein und schaute mich um. Niemand da. Ich humpelte zum Schreibtisch und griff mir die erste Mappe welche mir zwischen die Finger kam. Öffnete sie und durchsuchte die Blätter. Ich war mir nicht sicher, mache ich hier das Richtige? Ist dies nicht verboten? Ich legte die Mappe zurück und öffnete eine Schublade. Nochmals einen Stapel Papiere, nach einer kleinen Blätterei entdeckte ich plötzlich ein Blatt mit meinem Namen darauf. Ich machte halt und sah mir dieses Blatt genauer an.



Magisches Konsulat Taborea
26. September d. 3. M. 2020


Sehr geehrter Mr. Danmore Blackwell,
Wie verabredet schicke ich Ihnen hiermit die offizielle Bestätigung für die definitive Anmeldung Ihres Schützlings :

Aliena Linwood, 17 Jahre, gebürtiger Mensch (England)
Anerkannte Schülerin der Feuerkunst



für die MKP20, die Magie und Kampf Prüfung 2020. Die Prüfung findet am 30. Oktober d. 1. M. statt und wird wie üblich in der Matronischen Halle verrichtet. Bereiten Sie Ihren Schützling Körperlich und Seelisch auf die Bevorstehenden Geschehnisse vor, um allfällige Umstände zu vermeiden gemäss des Paragraphen§224.5b im Handbuch der Wächtermeister.

Die Restlichen Informationen werden Ihnen 30 Tage vor Test beginn zugeschickt.
Wir freuen uns auf eine spannende Prüfung.


Das Magische Konsulat Taborea,
der Vorstandsvorsitzende
Mario Kleinfield




Ich starrte auf das Blatt. Was ist das für eine Magische Kampf Prüfung?? Und wieso habe ich davon geträumt, das sich zwei fremde Stimmen über dies Unterhalten? Es ergab momentan alles keinen Sinn.
Plötzlich waren Schritte zu hören. Schnell legte ich das Dokument an den Ort zurück an dem ich es her hatte, schloss die Schublade wieder und lief in die Richtung der Türe. Öffnete die Türe vorsichtig und trat in den Gang hinaus. Genau in diesem Moment kam mir Dan entgegen.
„Ah, m’adores Aliena! Wie ich hörte suchst du mich?“, sagte er und kam mir mit offenen Armen entgegen. Wir umarmten uns. Er blickte einen kurzen Augenblick besorgt auf mein Bein.
„Ja, ich wollte dich fragen ob… Ob gestern noch alles geklappt hat? Wo ist Liam?“, stammelte ich spontan dahin.
„Naja, es lief alles gut. Bis Elvira mit Stacy gesprochen hatte. Liam? Ihm geht’s gut, er ist unten mit den anderen am Frühstückstisch.“ Er legte mir eine Hand auf meine Schulter.
„Bis Elvira mit Stacy gesprochen hatte?“, wiederholte ich ihn verwirrt.
„Tja, Elvira hat ihr reichlich laut die Leviten gelesen, um 3 Uhr morgens! Habt ihr das nicht mit bekommen oder haben Lucy und du dort schon geschlafen?“
„Nein, davon habe ich nichts mit bekommen. Was hat Elvira dann dazu bewogen?“
Dan erklärte mir, dass Elvira Stacy erklären musste wie falsch ihr Verhalten war, als sie mein Bein behandelte. Es sei Lebensgefährlich für mich gewesen und wir hätten alle grosses Glück gehabt. Oh, die arme Stacy. So unsympathisch sie mir auch scheinen mag, ich wollte nicht dass sie deswegen leidet. Ich werde mit ihr darüber reden, dass sie sich keine Vorwürfe machen soll.
Ich ging mit Dan zum Aufzug, danach einen langen Gang entlang zu einer grossen doppel Tür. Dahinter befand sich die Cafeteria und die Küche. Vor mir sassen etwa 15 Leute an einem knuffig gedeckten Tisch. Darunter waren Liam, Lucy, Alexis, Sophia und auch Stacy. Sie sass ganz am Rand, bedrückt stocherte sie in ihrem Rührei herum. Liam und Lucy begrüssten mich zugleich mit einem breiten Lächeln. Links neben Liam war ein Platz frei und rechts neben Lucy war einer frei.
„Aliena meine Liebe, setzt dich zu mir!“, rief Liam und zog den Stuhl neben sich hervor. Ich blickte zu Lucy und musste zugleich erschreckend feststellen wie sehr mich dieses unbeschreibliche etwas in ihren Augen faszinierte. Bling. Bling Bling. Es blitzte immer wieder auf, wie eine Aura umgab es Lucy. Unbeschreiblich. Geheimnisvoll.
Ich setzte mich neben Lucy und begann mir langsam etwas Essen zu schöpfen. Der Tisch war reichlich gefüllt an allem was das Frühstücker Herz begehrt.
Als ich gerade von einem Brötchen abbiss und wieder nach oben in die Runde schaute bemerkte ich, dass mich plötzlich alle anstarrten! Alle anwesenden, die an diesem Tisch sassen, starrten gebannt auf Aliena Linwood.



4. Kapitel
Eine rote Rose



`Was ist denn hier los?`, fragte ich mich verwirrt. Ich blickte zu Lucy und merkte wie ihre Wangen sich leicht rosa färbten bei meinem Blick, ihre braun gewellten Haare hingen ihr im Gesicht und verdeckten somit etwas ihre Augen.
„So wie es aussieht hast du Fans bekommen Aliena.“, sagte Dan und brach damit die Stille. Was? Ich und Fans?
„Weshalb denn?“, fragte ich verwundert und betrachtete die lächelnde Menge um mich.
„Für deine Tat im Akrischen Gefängnis!“, rief jemand.
„Aliena! Aliena! Erzähl uns wie du auf diese Idee gekommen bist Lucy zu küssen um sie von dem Rexitoren Halsband zu befreien!!“, schrie ein kleines Mädchen in die Runde. Sie sass mir gegenüber und hatte ihre Haare zu zwei langen Zöpfen zusammen gebunden. Sie war gerade mal genug gross um mit dem Kopf über den Tisch zu schauen.
„Ja, erzähl!“, rief eine weitere Stimme. „Bitte Aliena!“
Ich war ganz perplex. Wieso sehn die das alle als hätte ich da ein Wunder vollbracht? Ich wurde nervös, ich stehe nicht gern unerwartet im Mittelpunkt. Vor allem nicht für etwas ganz natürliches. Eine Hand auf meiner Schulter liess mich zusammenschrecken. Ich drehte mich um.
„Lasst sie doch erst mal in Ruhe essen.“, sagte Liam hinter mir. Danach beugte er sich zu mir nach unten und flüsterte mir zu; „Erzähl nichts was du auch nicht wirklich erzählen willst ok Sweety?“ Ich nickte dankbar und versuchte einen Bissen hinunter zu bringen. Doch es gelang mir nicht. Ich hielt es einfach nicht aus von allen angestarrt zu werden. Es erinnerte mich an meine Vergangenheit. Auch wenn es damals aus anderen Gründen geschah, hatte ich nun wieder dasselbe Gefühl wie damals. Während sich die Menge etwas beruhigt hatte, fasste plötzlich jemand nach meiner Hand.
„Hey kleines, geht’s dir gut?“, fragte mich Lucy liebevoll. Ich schüttelte leicht den Kopf und entzog ihr meine Hand. Hecktisch stand ich auf und lief geradewegs aus dem Raum. Im Hinterkopf das mich immer noch alle anstarren und mir höchstwahrscheinlich jemand folgen wird, suchte ich einen Platz um alleine zu sein. Mit zielsicheren Schritten suchte ich das Gästezimmer auf. Dort angekommen setzte ich mich neben dem Bett auf den Boden, zog meine Knie an die Brust und legte meinen Kopf auf meine Verschränken Arme. Nein, bitte nicht. Nein, ich will das nicht! Meine Vergangenheit soll Vergangenheit bleiben bitte! Ich erinnerte mich zurück, an meine dunkelsten Zeiten. Als ich von allen angestarrt wurde, aufgrund von etwas an dem ich nicht Schuld war. Ich konnte nirgends mehr hin, ohne dass man über ``That Girl!`` redete. Ohne das man mich auf private Angelegenheiten ansprach mit denen eigentlich niemand anders etwas zu tun und sagen hatte. That girl, hiess ich in den Schlagzeilen, in den Medien und in der Schule. Auch wenn ich jetzt in einer anderen Situation war, ja sogar in einer anderen Welt war (!) und ich eigentlich positiv gesehen im Rampenlicht stand, wollte ich dies nicht. Auch ich habe grenzen. Ich schreckte auf, jemand öffnete die Türe, schloss sie anschliessend ab und setzte sich neben mich. Zwei wohltuende Arme umarmten mich.
„Danke“, schluchzte ich. Ich war nicht mehr in der Lage meine Gefühle zurück zu halten.
„Beruhige dich, Kleines. Es wird alles gut.“, sagte sie. Lange verharrten wir in dieser Umarmung. Ich legte meinen Kopf an ihre Schulter und genoss ihre Anwesenheit.
„Du kannst mir alles erzählen, wenn dir danach ist. Ich kann Geheimnisse für mich behalten. Weisst du kleines, über etwas zu reden hilft oft um es zu verarbeiten.“, flüsterte sie aufmunternd.
„Nein, ich will nicht riskieren, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.“, antwortete ich und griff nach ihrer Hand. Sie fuhr mit ihren Fingern zwischen meine und drückte ganz leicht meine Hand.
„Das wird nicht passieren.“, sagte sie süss. Ich hob den Kopf und schaute ihr in die Augen. Da war es erneut – Bling!
Daraufhin begann mein Herz zu rasen. Es klopfte beinahe so laut das man es auch ausserhalb dieses Zimmers hätte hören können. Sie streichelte mir sanft über die Haare und musterte meinen traurigen Blick.
„Weisst du, es ist mir nicht so wichtig was du in der Vergangenheit getan, erlebt oder gesehen hast. Das wichtige ist, das es passiert ist und du dadurch an Erfahrungen in deinem Leben gewonnen hast. Denn ohne Vergangenheit hat die Gegenwart keine Zukunft Kleines.“, sagte Lu und gab mir einen sanften Kuss auf meine Stirn. In diesem Augenblick hörten meine Tränen auf zu liessen und ich war ihr dafür unendlich dankbar. Ich fiel ihr um den Hals und drückte sie fest an mich.
„Danke.“, flüsterte ich ihr mehrmals ins Ohr.
„Da gibt’s nichts zu danken.“, antwortete sie. Ihre Finger fuhren vorsichtig über meinen Rücken. Sie wusste nicht wie weit sie gehen durfte. Ich wusste eigentlich auch noch nicht so genau was ich von dem ganzen halten sollte. Ob ich jetzt wirklich Gefühle für sie hatte oder was ich erwartete. Doch in diesem Moment hatte ich keine Kraft, um darüber nach zu denken. Ich löste mich langsam aus der innigen Umarmung.
„Schau mir in die Augen Kleines.“, sagte sie zärtlich und hob meinen Kopf mit zwei Fingern an.
In ihrem Blick war eine unglaubliche Kraft zu erkennen. Unbeschreiblich fesselnd und hypnotisierend. Als könnte sie mit einem Blick mir direkt in die Seele sehn. Lange Zeit verging und wir taten nichts anderes als uns gegenseitig in die Augen zu schauen. Als ich ihr dann ein Lächeln schenkte, merkte ich wie sie ein wenig nervös wurde. Sie hielt immer noch meine Hand und wir sassen dicht beieinander.
„Aliena!“, hörte ich jemanden von weit weg rufen. Doch ich blendete es aus. In diesem Moment war nur etwas wichtig.
Sie. Denn sie machte mich auf eine unbeschreiblich schöne weise glücklich. Sie half mir, wie es vor ihr noch niemand geschafft hatte. Ich versank sosehr in ihrem Blick das mir gar nicht auffiel, dass wir uns immer näher kamen.
„Es ist alles in Ordnung, wir kommen gleich wieder hinunter.“, sagte Lu während sie keinen Millimeter von meinem Blick abwich. Im Hintergrund waren Schritte zu hören, Schritte die sich langsam aber bedacht entfernten.
Sie lächelte verlockend und streichelte sanft meine Wange. Ich schloss meine Augen und genoss jede Sekunde die verstrich.
Mein Herz setzte einen kurzen Moment aus als ich ihren Atem auf meinem Gesicht spürte.
Durch ihren Kuss versank ich in einer anderen Welt, meine ganzen Sorgen und Ängste waren plötzlich unwichtig und es schien sich alles um etwas anderes zu handeln. Als wäre meine Vergangenheit, mit dem verbunden was jetzt gerade geschieht. Und da begriff ich es. Sie hatte vollkommen Recht! Ohne die Vergangenheit hat die Gegenwart keine Zukunft. Wir küssten uns innig und liessen unseren Gefühlen den freien Lauf. Auch wenn es etwas eigenartig war, war das Ganze auch aufregend und geheimnisvoll. Ich klammerte mich an sie, spürte ihren Herzschlag an meiner Brust. Als wären wir miteinander verbunden. Sie atmete unregelmässig und doch im selben Rhythmus wie ich es tat. Als ich meine Augen wieder öffnete, bemerkte ich dass ich auf ihr sass und sie sich zu mir gebeugt hatte.
Ganz benommen und noch in einer anderen Dimension gefangen, hatte sie die Augen immer noch geschlossen. Auf ihrem Gesicht ein sprachloses Lächeln. Ich beugte mich hinab und küsste sie erneut. Und nochmals, und nochmals…
„Sag mir das ist kein Traum.“, sagte sie flehend.
„Bitte sag mir, das ich nicht träume und das gerade wirklich passiert ist!“, wiederholte sie. Ich lächelte und nahm ihr Gesicht zwischen meine beiden Hände. Dann zog ich sie leicht an mich, drückte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen.
„Nein, Lu. Dies ist kein Traum… Sieh mir in die Augen.“, sagte ich.
Langsam öffnete sie ihre Augen. Zwei sehnsüchtige grün-blaue Augen erwiderten meinen Blick. In ihnen war ein silberner Schimmer und das mysteriöse etwas, welches mich so faszinierte zu erkennen… Ich holte tief Luft.
„Denkst du wirklich das ein Traum sich so echt anfühlen kann wie das hier?“ In diesem Moment nahm ich ihre Hand und führte sie zu meinem Herz. Sie fühlte meinen Herzschlag und lächelte plötzlich überglücklich.
Daraufhin überfiel sie mich mit küssen aus einer anderen Welt. Ich wusste nicht wie mir geschieht.
Da klopfte es erneut an die Türe.
„Aliena!? Lucidya?“, rief jemand. So ungern wir das Ganze auch unterbrechen wollten, so mussten wir doch. Mit einem Blick der sagte; `wir sollten jetzt vernünftig sein` und einem verstohlenen Lächeln, gingen wir langsam aber bedacht voneinander. Ich schloss die Türe auf und sah in Dan’s besorgtes Gesicht.
„Hey geht’s euch gut? Aliena, du solltest etwas essen… Kommt doch wieder nach unten. Und wenn es dir unangenehm ist, das dir alle ständig irgendwelche Fragen stellen, werde ich denen gehörig das Maul stopfen!“, sagte er.
„Hehe, danke Dan. Ja, vielleicht sollte ich wirklich etwas essen.“, gab ich zu und blickte schnell zu Lu. Auf ihren Lippen lag ein süsses Lächeln.
Zurück in der Cafeteria setzten wir uns an den mittlerweile leeren Tisch und assen genüsslich unser Frühstück.
„Liam hat vorhin alle weggeschickt, da er merkte wie unangenehm dir das Ganze war.“, teile uns Dan mit.
„Wo ist Liam jetzt?“, fragte ich.
„Keine Ahnung, er faselte etwas davon das er noch etwas zu tun hätte. Dann drückte er mir diesen Brief für dich in die Hand und rannte überstürzt davon.“, sagte Dan.
Merkwürdig. Dies ist sonst so gar nicht Liam’s Art. Ich nahm den Brief an mich und öffnete ihn langsam. Neben mir spürte ich wie Lucy nervös an ihren Fingern rieb. Ich entfaltete den Brief und las den Satz:

Komm zum Fluss.
Ich warte auf dich, dein Liam.

Äusserst merkwürdig. Was hatte Liam vor? Ich blickte kurz zu Lu, in ihrem Blick lag Verzweiflung. Ich wollte sie jetzt nicht allein lassen. Eigentlich wollte ich doch nur noch mehr Zeit mit ihr verbringen, doch es nahm mich auch wunder was Liam am Fluss von mir wollte.
„Er will mich sehn. Am Fluss.“, teilte ich leise Lu mit und zeigte ihr ein trauriges ``eigentlich will ich hier nicht weg`` lächeln.
„Geh schon.“, sagte sie erschöpft. Bling, blitzte es aus ihren Augen, jedoch ein wenig anders als bisher. Dieses Mal war das gewisse etwas in ihren Augen etwas unklarer, fast verschwommen. Faszinierend.
„Ich bin nicht lange weg.“, versprach ich und umarmte sie noch einmal innig zum Abschied. Danach erhob ich mich, ging aus dem Zimmer und zwang mich selbst um nicht zurück zu schauen.
„Kleines!“, hörte ich Lu’s Stimme rufen. Sofort blieb ich stehn und drehte mich um. Mit einem breiten Lächeln kam sie mir hinterher gerannt.
„Ich hab da noch was für dich.“, sagte sie süss und nahm sanft meine Hand. Danach drückte sie mir eine wunderschöne rote Rose in meine Hand. Ich war sprachlos. Noch nie hat mir jemand eine rote Rose geschenkt!
„Danke Lu.“, sagte ich völlig überrascht und drückte ihr schnell einen Kuss auf die Wange. Bling! Bling! Bling, machte es in ihren Augen.
„Ich muss gehn.“, flüsterte ich und drehte mich danach um und ging zur Tür hinaus.



5. Kapitel
Korallenriffe



Mit einem merkwürdigen Gefühl in der Magengegend ging ich nun humpelnd zum Fluss. Von weitem sah ich wie Liam im Schneidersitz am Ufer sass und meditierte.
„Hey Liam, du wollest mich sehn?“, sagte ich gespielt ruhig. Er lächelte, atmete tief aus und erhob sich. Sein erster Blick fiel auf die rote Rose, die ich immer noch fest in meiner Hand hielt.
„Von wem hast du die?“, fragte er etwas verwundert.
„Ach, von einem heimlichen Verehrer…“, stammelte ich dahin und legte sie sanft auf den Boden.
„Aber zurück zum Thema, du wollest mit mir sprechen oder?“, fragte ich rasch. Er war überrascht von meiner taffen Ausdrucksweise.
„Ja, ich will dir gerne etwas zeigen. Komm mit.“, sagte er und lief auf das Wasser zu.
„Liam du weisst doch, dass ich nicht ins Wasser kann.“
„Vertrau mir, ich hab einen Weg für dich gefunden.“, sagte er mit einem verführerischen Lächeln auf dem Gesicht. Er lief ins Knie tiefe Wasser und breitete seine Arme aus.
„Elofis aquana fortis!“, sprach er fliessend und seine Hände leuchteten. Er machte sanfte auf und ab Bewegungen mit seinen Armen und erzeugte unter ihm einen kleinen trockenen Fleck Boden. Dann formte die Oberfläche des Wassers zu einem kleinen Boot, sehr beeindruckend! Ein Boot aus Wasser!
„Gib mir mal die Decke die dort drüben liegt.“, rief er mir zu. Ich drehte mich um und entdeckte eine grosse, wollige Decke. Sie war schwerer als sie aussah. Ich nahm sie auf die Arme und ging ans Ufer. Er breitete seine Arme aus und ich warf sie ihm das letzte Stück noch zu. Er legte die Decke auf das wässrige Boot und glättete es. Nun nahm es mehr und mehr die Gestalt eines kleinen Fischer-Boot an. Dann lächelte er mir entgegen und streckte eine Hand nach mir aus.
„Was ich soll wirklich da - ?“, stammelte ich verlegen.
„Vertrau mir, dir passiert nichts, ich habe das schon einmal getestet.“, sagte er und schaute mir tief in die Augen. Ich zögerte etwas, doch dann nahm ich trotzdem seine Hand. Meine Füsse standen auf einem festen Untergrund. Warm, wollig und steinhart war die Decke, auf der ich mich nun bedacht hinsetzte. Liam setzte sich neben mich und gab uns einen leichten Stoss. Das Boot floss ohne schwankende Bewegungen den Fluss abwärts. Gut, so konnte ich wenigstens nicht See-Krank werden.
Mein Herz pochte, mein Leben liegt nun in seinen Händen. Obwohl ich es noch spannend fand, setzte sich bei mir doch so einen gewissen Natur Instinkt ein.
„Hab keine Angst, ich sorge dafür das du trocken bleibst.“, versicherte er mir.
„Wo fahren wir hin?“, fragte ich neugierig und beobachtete wie der Wald an uns vorbei huschte. Wir wurden immer schneller. Adrenalin schoss in meine Adern.
„Zum Letronischen Meer, nicht weit von hier. Es gibt da eine bestimmte Gegend die ich dir zeigen möchte.“
Ich nickte verlegen und versuchte regelmässig zu atmen. Er bemerkte meine Stimmung und fasste nach meiner Hand.
Sanft streichelte er meinen Handrücken und lächelte mir tröstend zu. Ich konnte nicht anders und lächelte ihn ebenfalls an. Ich beruhigte mich wieder etwas und genoss den kleinen exotischen Trip. Auch wenn ich in diesem Moment noch nicht wusste wie exotisch es noch wird…
An der Flussmündung, flossen wir sanft vom Fluss in das Letronische Meer hinüber, ein salziger Geruch machte sich in meiner Nase breit. Es erinnerte mich daran, als ich das letzte Mal am Mittelmeer mit meiner Familie in den Ferien war. Da war ich gerade mal 9 Jahre alt. Das waren noch Zeiten. Sorglos und einfach.
„Schliesse deine Augen.“, befahl er mir. Ich starrte ihn fragend an.
„Was hast du vor?“, fragte ich und zog meine Augenbrauen zusammen.
„Schliess einfach deine Augen.“, wiederholte er. Mit einem seufzen schloss ich dann etwas zögernd meine Augen. Sehr merkwürdig. Was ist denn mit Liam los? Sonst ist er immer so offen und direkt. Jetzt auf einmal so geheimnisvoll. Ich wusste nicht so genau ob ich das jetzt gut oder schlecht finden sollte. Langsam wurde ich ungeduldig. Ich hörte das Rauschen des Wassers, wie es an die Küsten schlug und in schaumigen Wellen wieder zurück floss. Der salzige Geruch brannte sich in meine Nase und hinterliess einen trockenen Nachgeschmack. Plötzlich wurde es still um mich, ich hörte zwar noch das Rauschen der Wellen jedoch etwas abgedämpft und verschwommen.
„Jetzt darfst du deine Augen wieder öffnen.“, teilte mir Liam mit.
Ich riss meine Augen auf. Was zur Hölle hat Liam gemacht!? Das Boot hat sich in ein U-Boot verwandelt! Um uns herum war eine rundliche Wand aus Wasser. Er hatte das Wasser um unsere Luft herum gebändigt und uns in die Tiefen des Meeres transportiert. Sprachlos bestaunte ich das Meisterwerk. Die Oberfläche der Wasserwand war so ebenmässig wie eine Glasscheibe es wäre. Um uns herum schwammen viele kleine Fische.
„Na? Was hältst du davon?“, fragte Liam. Auf seinem Gesicht ein glückliches Lächeln.
„Wie-wie hast du das hin bekommen?“, fragte ich neugierig, während ich meinen Blick nicht von dem blau glänzenden Fischschwarm wenden konnte der gerade an uns vorbeischwamm.
„Durch üben, üben und nochmals üben.“, gab er erschöpft zu.
„Wie lange kannst du dies so halten?“
„Lass das meine Sorge sein. Geniesse den Ausblick! Es gibt hier unten ein wunderschönes Korallenriff.“
Da hatte er Recht. Der Ausblick war atemberaubend! Wäre die Wand unseres kleinen U-Bootes aus Glas gewesen, hätte ich meine Hände und meine Nase an sie gedrückt, wie damals als kleines Kind. Wir durchschwommen ein felsiges Unterwasser Labyrinth, die Sonne schien mit wenigen Sonnenstrahlen noch in diese Tiefen hinab und gab dem ganzen etwas Mystisches. Nun konnte man die Farbenpracht der Korallen erkennen. Gelb, blau, rot, orange und grün leuchteten sie, umgeben von exotischen Fischen und Meeressäugern. Ein Rylenos, ein kleines Seerobben-Artiges Geschöpf mit grossen, runden Kuller Augen schwamm interessiert an uns vorbei. Es beobachtete uns neugierig und als ich daraufhin lächelte schwamm es davon.
„Mach dir nichts draus, diese Geschöpfe sind sehr scheu.“, sagte mir Liam. Ich nickte und blickte in sein konzentriertes Gesicht.
„Weisst du Aliena, wenn wir schon mal hier unten sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen um dir etwas Wichtiges zu sagen.“, sagte er mit einem merkwürdigen Unterton in seiner Stimme. Er atmete schwer.
„Ja, nur zu Liam.“ Ich versuchte die Ruhe zu bewahren. Auch wenn es mir schon dämmerte was er mir zu sagen hatte.
Liam hielt immer noch meine Hand, nun etwas fester. Mit einem sehnsüchtigen Blick starrte er mir in meine Augen und beobachtete jede meiner Bewegungen.
„Aliena..“, setzte er an. Ich starrte ihn aufmerksam an und wartete angespannt. Nach einer halben Ewigkeit, erhob sich seine Stimme endlich wieder.
„Aliena, ich liebe DICH! Seit dem ersten Moment an, an dem du in diese Welt kamst. Ich habe damals schon bemerkt, was für eine Kraft in dir steckt, ich habe da bei dir etwas unbeschreiblich Schönes entdeckt. Etwas das vorher noch keine Frau bei mir ausgelöst hat…“, er senkte seinen Blick und streichelte sanft meine Hand. Habe ich das richtig verstanden? Etwas das vorher noch keine FRAU bei ihm ausgelöst hat?? Liam schien meine Verwunderung bemerkt zu haben.
„Ja, du hast das richtig verstanden. Ich bin schwul. Oder besser gesagt, ich war es. Bis ich dich traf und du mich bezaubert hast!“, er grinste verlegen und kam mir ein kleines Stück näher. Mir wurde ganz flau im Magen. Jedoch nicht wegen der Tatsache das Liam schwul war, nein dies akzeptierte ich sofort! Nein, mein Magen zog sich seiner Näherungswillen zusammen. Ich fühlte mich unwohl. Er nahm mein Gesicht zwischen seine beiden Hände und zog es nahe an seines. Unruhig und verlegen beschleunigte sich mein Atem.
„Aliena, was denkst du darüber? Was empfindest du für mich?“, fragte er neugierig. Er musterte meinen Blick gespannt und ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht.
„Liam, ich…. Ähm.“, stammelte ich unruhig. Ich muss weg hier! Doch es war zu spät, kaum hatte ich meinen nächsten Atemzug begonnen, drückte er schon seine Lippen an meine. Wild und ungezwungen drückte er seine zarten Lippen an meine, seine Zunge suchte mein Inneres. Mein ganzer Körper versteifte sich. Sofort griff ich nach seinen Händen und riss sie mir aus dem Gesicht. Dann drückte ich ihn von mir und schnappte nach meinem Gürtel.
Dem Himmel sei Dank, ich habe Amy bei mir! Schnell zückte ich sie und machte mich bereit.
„Aliena! Was hast du vor?!“, schrie Liam erschrocken. Erstarrt hob er die Hände. Ich holte aus und riss ein riesiges Loch in die wässrige Wand unseres U-Bootes. Das Wasser floss in eiskalten Strömen über uns. Mit dem letzten Atemzug, stiess ich mich von der Decke ab und begann an die Oberfläche zu schwimmen. Leichter gesagt als getan. Das letzte Mal als ich im Wasser schwamm war etwa 5 Jahre her. Ich versuchte mich an die Frosch-Artigen Bewegungen zu erinnern und strampelte mich mühsam aufwärts. Ich hörte Liam unter mir meinen Namen rufen. Ich konnte Unterwasser nicht viel sehen, meine Sicht war unglaublich eingeschränkt. Das einzige was ich erkennen konnte, war ein weisses Licht über mir. Und ich betete innerlich, dass es das richtige Licht war!
Erschöpft schnappte ich nach Luft, ich hatte die Oberfläche erreicht. Liam war mir gefolgt und schwamm aufgeregt neben mir her.
„Spinnst du? Das ist lebensgefährlich für dich! Komm lass mich dir helfen.“, sagte er und berührte meinen Arm.
„Fass mich nicht an!“, schrie ich und schwamm unermüdet weiter. Die Küste war nicht mehr weit entfernt. Ich schwamm stur weiter und zwang mich, nicht zu sehr über die Folgen meines kleinen, nassen Abenteuers nachzudenken. Als ich die Küste erreicht hatte stand Liam schon da und wollte mich aus dem Wasser ziehn. Er packte mich an der Hüfte und zog mich an Land. Schnell schüttelte ich ihn von mir.
„Ich sagte doch, fass mich NICHT an!“, schrie ich hysterisch. Meine Adern glühten förmlich. Auch wenn es nicht möglich war, das ich mit einem tropf nassen Körper noch Feuer hätte erzeugen können. Fühlte es sich so an als wären meine Adern genug warm dazu. Merkwürdig. Vielleicht lag es auch daran das ich wütend war.
„Es tut mir leid...“, stammelte er verwirrt. Doch er meinte es nicht ernst, das sah ich. Mit schweren Beinen lief ich wütend davon. Auch wenn ich keine Ahnung hatte wo ich war, und wie ich wieder zurück zum Hauptquartier kommen konnte. Meine Füsse liefen weiter. Liam starrte mir wütend hinterher.
„Wo willst du denn hin?“, fragte er.
„Keine Ahnung! Weg von hier!“, sagte ich und versuchte regelmässiger zu Atmen.
„Aliena, sei vernünftig! Warte!“, rief er und folgte mir joggend.
„Lass mich verdammt noch Mals in Ruhe ok! Ich brauche Zeit für mich.“, sagte ich erschöpft und blieb prompt stehn. Es wurde mir schwarz vor Augen. Immer wieder tauchten schwarze Flecken in meinem Sichtfeld auf und die Gegend um mich schien sich zu drehen und rotieren. Waren das die Auswirkungen meines kleinen Bade Ausflugs?
„Aliena!“, rief Liam besorgt. „Geht’s dir gut?“
Ich riss mich am Riemen. Atmete tief ein und wieder aus, danach erhob ich wieder meinen Kopf und lief stur in den Wald.
„Aliena Süsse, bleib hier! Das ist zu gefährlich für dich!“, sagte Liam. Ich schreckte zusammen als er mich am Arm packte und zurückzog. Ganz langsam drehte ich meinen Kopf in seine Richtung.
„Was habe ich dir eben noch gesagt? Fass. Mich. Nicht. An.“, sagte ich langsam und glühte innerlich auf. Ich drehte geschickt meine Hand aus seinem Griff und erleuchtete zugleich die Landschaft mit einem funkelnden Feuerschwall. Haarscharf an Liam vorbei zog ein langer roter Streifen an Feuer. Er schreckte zurück und betrachtete schockiert meine feurige Peitsche. Langsam ging ich einige Schritte rückwärts und genoss die feurige Kraft welche aus mir quoll. Auch wenn ich es mir nicht erklären konnte, wie ich dies hingebracht hatte. Mein ganzer Körper war immer noch klatsch nass.
Mit offenem Mund stand er geschockt da. Ich wusste nicht was in ihm die überhand gewann, ob es der Schock auf mein feuriges Erwachen war oder ob es die Tatsache war, dass er mich liebte und mich eigentlich nicht verletzen wollte. Ich betrachtete die feurige Peitsche in meiner linken. So schön habe ich sie noch nie hinbekommen, dachte ich mir. Erfreut über diesen Erfolg schwang ich sie ein wenig um mich. Liam entfernte sich Schritt für Schritt von mir, langsam und bedacht. In seinen Augen war nun Angst zu erkennen. Auch wenn es mir einerseits Leid tat, dass ich erst auf diese Weise seinen Respekt bekam, fühlte es sich gleichzeitig auch so Gut an! Ich genoss das böse etwas an mir, dass ihm Angst machte. Es verlieh mir Macht. Als er etwa 10 Meter weg war, rollte ich die feurige Peitsche zusammen. Mit einem fiesen Grinsen drehte ich mich anschliessen um und lief tief in den Wald hinein. Ohne das mir Liam folgte.



6. Kapitel
Erinnerungen der Vergangenheit (1)



Ich war in diesem Moment unheimlich froh, dass ich mein verletztes Bein nicht spüren konnte. Schmerzen würden diesen Moment nur zerstören. Mein gesamter Körper war wie betäubt durch das kalte Meerwasser und zugleich so erhitzt durch mein Feuer. Merkwürdig und interessant zugleich. Ich starrte in den Himmel, er glänzte in einem wunderschönen Abendrot und zeigte seine volle Sternen Pracht. An ihnen kann ich mich orientieren. Ich folgte dem Sternbild des weissen Drachen. Legenden zufolge war der erste richtige Feuerbändiger ein Drachling - halb Mensch, halb Drache –echt wunderschöne Wesen! Es gab sogar mal eine ganze Armee von Drachlingen! Ihr Anführer war Inigus Flamoras, auch bekannt als der weisse Drache. Als er in der Schlacht um Opatia fiel, errichteten seine Anhänger ein riesiges Denkmal in den Sternen. Eine Abfolge von Kometen und Irrlichtern, die bis heute noch am Himmel leuchten.
War ich zu hart mit Liam?, schwirrte es mir plötzlich im Kopf. Hätte ich ihm nicht erklären sollen wieso ich so reagiert habe? Aber dann hätte ich ihm von meiner Vergangenheit erzählen müssen… Meine Gedanken rasten hin und her. Was ist, wenn er jetzt denkt ich hätte nur so reagiert, weil er sich bei mir geoutet hat? Ich hoffte schwer, dass dies nicht der Fall war. Aber er sollte mich so weit genug kennen, dass mir dies nichts ausmacht. Klar, habe ich in der Menschenwelt einiges Mitgemacht, doch das hat nichts mit ihm zu tun. Verdammt! Es hat wirklich gar nichts mit ihm zu tun, ich hätte Liam in diesem Moment nicht mit Leonardo vergleichen dürfen! Liam war immer ehrlich zu mir, er hatte es nicht verdient so von mir zu behandelt werden, das wurde mir in diesem Moment klar. Nur weil Liam so eine verdammte Ähnlichkeit mit Leonardo hatte, sollte ich ihn nicht gleich behandeln.



Es war der 3. Juli 2018 als das in der Menschenwelt passierte, was mein ganzes Leben veränderte…
Leonardo Whitefield, ein junger, attraktiver Rock-Star war mit seiner Band in der Stadt. Eigentlich begann damals alles als einfache Star und Fan bzw. Groupie Geschichte! An einem seiner ausverkaufen Konzerte, stand ich mit meiner ehemaligen besten Kollegin Samantha in der vordersten Reihe. Wie echte Groupies konnten wir natürlich alle Songs auswendig mitsingen und trugen passend dazu das aktuelle T-Shirt zu seinem Album. Vor seinem letzten Song fragte er, wer denn sein Grösster Fan sei. Nach einer unglaublich langen Minute an Geschrei und Gekreische blickte er dann in die vorderste Reihe. Bei mir blieb sein Blick hängen. Dann streckte er mir seine Hand entgegen und zog mich mit seinen starken Armen auf die Bühne. Mein Herz pochte damals so sehr wie noch nie zuvor! Ich fing gerade noch einen neidischen Blick von Sam ein, bevor ich mich wieder auf ihn fixierte. Er sang den letzten Song nur für mich, blickte mir bei jedem Wort in die Augen, hielt meine Hand und liess mich für zwei ein-halb Minuten lang den ganzen Ruhm und Applaus miterleben. Danach nahm er mich mit hinter die Bühne. Wir machten zusammen Fotos und er signierte mir mein Fan-Shirt. Zu meiner grossen Überraschung drückte er mir dann noch einen sanften Kuss auf die Wange und steckte mir ein Stück Papier mit seiner Telefonnummer zu.
„Gib diese ja nicht weiter, nicht alle meine Fans brauchen meine Nummer. Aber du darfst mich gerne mal anrufen Schätzchen.“, flüsterte er mir zu.
Was hätte jeder Groupie in dieser Situation gemacht? Natürlich! Ich hab ihn angerufen, mit ihm geschrieben, ihn kennengelernt. Ich hatte die einmalige Gelegenheit gehabt meinen Star von einer anderen Seite kennen zu lernen. In meiner Hysterie konnte ich dies nicht ganz geheim behalten, deshalb habe ich es damals Sam erzählt, da ich ihr auch vertraute. Aber sie schien nicht wirklich davon begeistert zu sein. Ich merkte wie sie immer einversüchtiger wurde, mit jeder Nachricht mehr die ich von ihm bekam. Schliesslich kam es so weit, dass ich mich mit ihm traf. Geheim und versteckt natürlich. Aus einer Freundschaft wurde schnell eine leidenschaftliche Affäre. In der Öffentlichkeit hiess es, dass Amanda Bloom seine Freundin sei. Schauspielerin und reiches It-Girl aus den Staaten. Er versprach mir, dass er mit ihr Schluss machen wird, was er dann auch tat. Öffentlich und grausam, während eines Interviews. Wochen lang lag diese Trennung und der Stress danach in den Medien! Und für Leonardo und mich wurde es immer schwieriger uns zu treffen. Schliesslich wurden wir eines Tages von Paparazzi‘s erwischt. Doch es kam noch schlimmer, Amanda stand urplötzlich vor meiner Tür. Hinter ihr zwei riesige Kameras und Mikrofone. Sie beschimpfte mich vor laufender Kamera und begann auf mich einzuschlagen. Sie unterstellte mir eine schwachsinnigere Geschichte nach der anderen und hatte ernsthaft das Gefühl damit im Recht zu sein! Ich hätte mich damals nicht mit Fäusten wehren sollen, oder ihr einen Eimer Spülwasser über den Kopf leeren, der gerade günstig neben ihr stand... Auch wenn es damals befreiend und berechtigt gewesen war. Doch dadurch wurde die ganze Öffentlichkeit, alle in meinem Umfeld und jeder Zuschauer der Nachrichten darüber informiert. Ich hatte plötzlich mehr Feinde als Menschen um mich. Alle distanzierten sich von mir, Leonardo eingeschlossen. Er stritt ab, dass er mich kennt und, dass er jemals etwas mit mir zu tun gehabt hätte. Meine Eltern waren zutiefst enttäuscht von mir, da sie lieber den gedruckten Lügen der Tageszeitung glauben wollten als ihrer eigenen Tochter. Mein Vater redete nicht mehr mit mir. Mein kleiner Bruder Noah war damals noch zu jung um etwas davon zu verstehn. Er war gerade mal 3 jährig.
Als ich eines Abends mit zittrigen Fingern den Fernseher einschaltete und mit schrecken in Sam’s Gesicht sah, stand mein Herz still.
„Sie wollte ihn nur ausnützen! Als er sie damals am Konzert zu sich zog, hatte sie so ein fieses Grinsen im Gesicht. Ich bin mir sicher, dass sie das Ganze von Anfang an geplant hatte. Später prahlte sie damit, wie geil doch der Sex mit ihm sei und was für wilde Stellungen er drauf habe….“ , sagte Samantha gespielt entsetzt in die Kamera.
Mein Verstand setzte aus. Aus welchem Grund sollte sich jetzt auch noch Sam gegen mich wenden? Ausserdem habe ich Sam niemals erzählt was für Erfahrungen ich mit ihm erlebt habe. Denn der Sex mit ihm ging niemanden etwas an, ob wir jetzt geheim oder öffentlich zusammen waren. Privat bleibt privat. Beste Freundin hin oder her.
„Bleiben Sie dran, wenn Samantha Maj uns weitere pikante Geheimnisse von Aliena Linwood erzählt. Nach einer kurzen Werbepause geht es gleich weiter...“, sagte die Reporterin aufgeregt. Ich schaltete den Fernseher aus, warf die Fernbedienung in die Ecke und stampfte aus dem Zimmer. JETZT REICHTS!, dachte ich wütend. Jetzt ist Schluss mit diesen Lügen und Maskeraden! Meine Wut hatte an diesem Tag den Höhepunkt erreicht. Ich eilte zur Tür und schnappte mir meine Lederjacke. Gerade als ich zur Tür hinaus wollte kam mir Noah entgegen. In der Hand hielt er sein liebstes Spielzeug Auto, ein kleiner roter Ferrari.
Mit seinen grossen braunen Kulleraugen starrte er zu mir hoch und hielt mir das Auto entgegen.
„Da! Da! Nimm Alieena!“, sagte er mit seiner süssen Kinderstimme. Ich zögerte, setzte ein falsches Lächeln auf und nahm das Spielzeug an mich.
„Danke Kleiner.“, sagte ich und steckte das Spielzeug Auto in meine Jackentasche. Er verzog bestürzt das Gesicht, denn er merkte, dass es mir schlecht ging.
„Bleib da!“, schrie er und klammerte sich an meiner Jeans fest.
„Nein, tut mir leid Noah, ich muss gehen.“, sagte ich, schüttelte ihn ab und huschte an ihm vorbei. Es zerriss mir das Herz als ich ihn daraufhin weinen hörte. Und wie er anschliessend schluchzend seiner Schwester bis zum Gartenzaun nach lief, diese Szene hatte schon fast Hollywood Status.
Durch meinen Zorn gesteuert lief ich quer durch die Stadt. Mit der schwarzen Kapuze meines Pullovers über dem Kopf, lief ich an einen Ort an dem ich mich beruhigen kann. Zum alten Strandhaus am Fluss. Es lag am Rand unseres Dorfes. Ein Treffpunkt für Jugendliche. Ein schöner Ort fürs Camping oder ein Lagerfeuer mit Freunden. Auch wenn das Wort `Freunde` in der letzten Zeit keine Bedeutung mehr für mich trug.
Dort war ich allein, dieser Ort war – zu meinem Glück – seit einigen Wochen verlassen. Ich zündete ein kleines Feuer in der Feuerstelle an. Setzte mich nahe an das wärmende Feuer und blendete meine ganze Umwelt aus. Für einen Moment war ich, Aliena Linwood, nur ein einfacher Mensch der seine Auszeit brachte. Ich zuckte zusammen als ich etwas rascheln hörte. Ich erhob den Kopf und starrte in die Dunkelheit.
„Hallo? Ist da jemand?“, fragte ich ängstlich. Ich stand vorsichtig auf und sah mich um. Niemand.
An dem Abend starrte ich lange ins Feuer und dachte nach. Wie sich das ganze entwickelte, was alles falsch lief, wie sehr ich auch selber daran schuld war… Ich machte mir Vorwürfe. Schwere Vorwürfe. Plötzlich hörte ich ein lautes Krachen. Es hörte sich so an als wäre Holz zersplittert, jedoch nicht das Holz an meinem Lagerfeuer. `Klirr`, machte es plötzlich… Eine Scheibe zerbrach.
„Ist da jemand?“, fragte ich erneut. Ein weiteres Krachen ertönte. Ich rannte zum Strandhaus und entdeckte da den Schatten einer Person. Sie verschwand gerade hinter der Ecke. Etwas merkwürdiges Zwang mich weiter zu laufen. Ein Gemisch aus Angst, Neugier und Wut, welche ich immer noch in mir trug. Langsam lief ich um die Ecke und entdeckte die Umrisse eines Mannes. Er bewegte sich geschmeidig und behutsam. In der Hand hielt er einen leuchtenden Ball. Ein bitteres Lachen ertönte, dann drehte er sich dem Wald zu und warf den leuchtenden Ball über seine Schulter… Er traf genau in das zersplitterte Fenster des alten Strandhauses. Als ich einen Blick durch das Fenster warf, wurde mir klar was das war. Feuer!!
Schneller als ich hätte regieren können, war er verschwunden und die Flammen stiegen in Windes Eile das morsche Holz hinauf. Adrenalin schoss in meine Adern. Schnell suchte ich nach etwas um das Feuer zu löschen. Da lag ein grosser Eimer, in ihm noch etwas Wasser. Ich schnappte ihn mir und goss die Flüssigkeit über die brennende Wand vor mir. Ein schwerer Fehler. Eine heisse Stichflamme drückte sich zwischen die Wand und mich. Da wurde mir klar, dass die Flüssigkeit im Eimer Alkohol oder Benzin sein musste. Bei meinem Schock fiel ich in den eiskalten Fluss hinter mir, denn meine Haare, sowie meine Jacke und meine Jeans hatten einiges an Feuer abbekommen… Hecktisch holte ich Luft an der Oberfläche und strampelte zum Ufer. Da ertönten schon die Sirenen. Ein Feuerwehrauto machte an der Hauptstrasse halt. Ich wusste nicht weshalb, aber ich hatte plötzlich das verlangen weg zu laufen. Sonst wird mir noch das Ganze in die Schuhe geschoben. Ich schlich mich am Waldrand entlang an den Feuerwehrmännern vorbei, welche gerade zum Strandhaus eilten. Danach lief ich zurück. Auch wenn ich nicht zurück nachhause wollte. Das war kein Zuhause mehr für mich. Nennt man ein Zuhause einen Ort an dem man nur noch streitet oder missachtet und missverstanden wird? Einen Ort an dem man nicht mehr richtig essen oder schlafen kann? Nein, es war nur noch ein leeres Haus für mich. Ein Haus in dem zufälligerweise Materielle Wertsachen, sowie meine Blutsverwandten hausten.
Als ich um die Ecke bog und mich unserem Quartier näherte, fuhr ein weiteres Feuerwehrauto an mir vorbei. Die Sirenen und das blaue Alarmlicht liessen mich aufhorchen. Ich beschleunigte meine Schritte und bemerkte, dass es auf unser Haus zufuhr. Verdammt! Eine dicke schwarze Rauchwolke quoll aus den Fenstern meines Hauses und rote lodernde Flammen waren zu sehen.
„MOM! DAD! .. NOAH!!“, schrie ich aufgewühlt und rannte das letzte Stück.
„Hey hey Kleines, hier kannst du nicht durch. Das ist zu gefährlich, wir haben die Flammen noch nicht im Griff!“, sagte ein Feuerwehrmann und drückte mich mit einem Arm zurück.
„Aber da drin ist meine Familie!“, schrie ich unter Tränen.
„Was? Da drin sind noch Menschen?“, fragte der Mann verwundert.
„MOM!!“, schrie ich erneut. „DAAD!!!“ Ich blickte auf das in Flammen stehende Haus vor mir, oder besser gesagt die Überreste davon…
„Verdammt! Joe!! DA SIND DOCH NOCH MENSCHEN DRIN!“, schrie der Feuerwehrmann einem zweiten zu.
„WAS? Aber der Mann der uns angerufen hat, hat uns versichert die Familie sei in den Ferien!“
„EGAL! Pass du auf die Kleine hier auf, ich geh jetzt da rein.“, sagte der Feuerwehrmann vor mir. Er setzte seinen Helm auf und drehte sich zu mir.
„Sind da nur deine Eltern drin?“, fragte er rasch.
„Mein kleiner Bruder ist auch noch da drin – er ist gerade mal 3-jährig.“, stammelte ich geschockt und perplex. Er nickte mir zu und rannte zur Haustür. Ich hoffte sosehr, dass er sie noch retten kann. Ich betete in diesem Moment, auch wenn ich zuvor niemals stark gläubig war. Ich betete inständig um Gerechtigkeit. Auch wenn ich in der letzten Zeit viel Streit mit ihnen hatte und mich nicht mehr zuhause fühle, so waren sie doch noch die einzigen die ich hatte!
Zwei weitere Feuerwehrautos fuhren vor und sogleich wurden noch drei weitere Schläuche zum Löschen des Feuers eingesetzt. Plötzlich ertönte ein lauter Knall! Eine riesige Explosion vor unseren Augen. Sie dauerte gerade mal 3 Sekunden, doch in diesen 3 Sekunden starb jegliche Hoffnung die in mir noch schimmerte. Fensterscheiben zersplitterten in tausende Teile, die gesamte untere Etage brach ineinander, das Dach stürzte drauf und begrub Küche, Wohn- und Badezimmer und mein Zimmer innerhalb von wenigen Sekunden. Durch die Druckwelle wurden alle die sich in Reichweite befanden mindestens 2 Meter nach hinten geschleudert. Ich fand mich zittrig und verloren auf der Strasse wieder. Etwas vor mir lag der Feuerwehrmann Joe. Schnell erhob er sich wieder und eilte zum Fahrzeug. Er und noch einige andere unterhielten sich aufgeregt, ich bekam nicht mit worüber. Langsam erhob auch ich mich. Auf zittrigen Beinen lief ich einige Schritte den Trümmern des Hauses entgegen.
Mom. Dad. Noah.
Wieso ihr? Wieso jetzt? WIESO verdammt noch mal starb ich nicht an ihrer Stelle?! Solche Gedanken stiessen in mir hoch. Tränen stiegen in meine Augen, nahmen mir die klare Sicht. Enttäuscht über alles und mich selbst, gekränkt von den Geschehnissen und deren tiefen Narben, drehte ich mich schliesslich um und begann vom Ort des Geschehens weg zu gehen.
„Hey! Joe, schau mal! DA KOMMT HARRY!“, schrie ein Feuerwehrmann.
„Er hat ein Kind bei sich!“, sagte ein zweiter. Mein Kopf schoss schnell zurück und erblickte den mutigen Feuerwehrmann.
„Ruft einen Krankenwagen…“, keuchte Harry als er zu den anderen humpelte. Auf seinem Arm lag Noah und er atmete noch.
„Noah.“, kam es leise aus meinen Stimmbändern hervor. Ich blickte auf seinen kleinen verletzten Körper, er hatte einige tiefe Platzwunden und Verbrennungen. Meine Beine liefen mit letzter Kraft zu Feuerwehrmann Harry und Noah.
„Noah, kannst du mich hören? Ich bin‘s, deine grosse Schwester Aliena.“, sagte ich und blickte in sein schmerzverzerrtes kleines Gesicht. Er hatte die Augen noch geschlossen.
„Deine Eltern konnte ich leider nicht mehr retten. Doch gleich wird ein Krankenwagen vorbei kommen…“ Er übergab mir Noah und ich hüllte ihn vorsichtig in die warme Decke, welche mir gereicht wurde. Während sich die Feuerwehrmänner um die restlichen Flammen kümmerten, sass ich mit Noah auf dem Arm am Strassenrand und betete. Ich starrte in sein kleines Gesicht, er hatte doch noch sein ganzes Leben vor sich! Ich betete, dass er durchkommen möge, dass er überleben möge. Und das er ein besseres Leben führen möge.
Er öffnete seine Augen und blickte mir überrascht in mein Gesicht. Seine Augen hatten eine merkwürdige Farbe angenommen, ein silbern-orange... Naja, vielleicht bildete ich mir dies in diesem Moment auch nur ein.



7. Kapitel
Erinnerungen der Vergangenheit (2)



Im Krankenhaus kümmerten sie sich alle liebevoll um Noah und mich. Ich bat die Krankenschwester in das gleiche Zimmer wie mein Bruder zu kommen.
„Das kann ich dir jetzt noch nicht versprechen Kleines.“, sagte sie mit einem besorgten Lächeln auf dem Gesicht. Sie schien etwas zu wissen, etwas dass ich noch nicht weiss. Sie verliess den Raum und liess mich Mutter-Seelen allein. Ich wollte zu meinem Bruder! Ich war die einzige die er noch hatte. Sein Blick von vorhin ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich betrachtete das weisse Krankenhausbett auf dem ich lag. An meinen Armen waren einige Schläuche und Verbände angebracht worden. Ich hatte mir am Strandhaus unten wohl schlimmere Verbrennungen zugezogen als das ich es bemerkt hatte…
Durch eine Scheibe konnte ich in den Gang neben meinem Zimmer schauen. Viele Leute liefen hektisch hin und her. Plötzlich erschienen zwei merkwürdige Anzug Typen. Der eine hatte einen schwarzen Anzug und kurze schwarze Haare. Der andere war blond und trug eine braune Jacke mit einem weissen Sweatshirt darunter. Sie blickten kurz zu mir und unterhielten sich dann leise miteinander. Ich hörte zwar nichts, doch ich konnte in den Lippen der beiden lesen was sie sagten…
„Da liegt sie, armes Ding.“, sagte der blonde.
„Armes Ding? Wenn das stimmt was wir wissen, hat sie mehrfach Mord und Brandstiftung begangen.“
„Was geschieht mit ihrem Bruder?“, fragte der blonde traurig.
„Noah wird in ein Kinderheim geschickt. Dort wird er sicher sein vor ihr.“, sagte der schwarzhaarige kalt.
„Aber sie sieht gar nicht mal so bedrohlich aus, bist du dir sicher mit der Beschreibung des Zeugen?“
„Ja, ich habe dies aus sicherer Quelle.“
Nun schauten mich beide durch die Scheibe an, ich senkte meinen Kopf und starrte auf meine Hände. Sobald ich spürte das sie ihren Blick von mir gewandt hatten, blickte ich wieder zu ihnen.
„Aber sie hat in so kurzer Zeit so vieles durchgemacht. Wollen wir damit nicht noch etwas warten?“, liessen die Lippen des blonden Mannes verraten. Auf seinem Gesicht war Missmut und Trauer zu erkennen.
„Nein, können wir nicht. Schau da kommt die Krankenschwester.“
Der schwarzhaarige trat der Krankenschwester entgegen und fragte sie ob er mein Zimmer betreten könne. Sie blickte zuerst etwas verwirrt, doch dann liess sie den Herren Einlass. Sie traten hinein und begrüssten mich herzlich, mehr oder weniger.
„Sind Sie Aliena Linwood?“, fragte der schwarzhaarige Anzug Typ und stellte sich selbstbewusst an das Ende meines Betts. Ich nickte stumm.
„Ich bin Officer Bland, das ist Officer Kent. Wir sind von der städtischen Polizei.“, verkündete er anschliessend. Der blonde setzte sich neben mich und nahm sanft meine Hand.
„Wir würden dir gerne einige Fragen stellen, wenn du nichts dagegen hast.“, sprach der blondhaarige Mann. Er hatte eine weiche männliche Stimme und so grüne Augen wie das frische gemähte Gras im Frühling. Er schien sich sorgen um mich zu machen.
„Wieso?“, fragte ich ängstlich. Mein Herzschlag beschleunigte sich und das Gerät an dem ich angeschlossen war piepste im selben schnellen Rhythmus laut auf. Beide blickten darauf und der blonde Officer Kent drückte leicht meine Hand.
„Keine Angst, wir wollen dir nicht weh tun.“, sagte er sanft und schenkte mir ein nervöses Lächeln.
„Wer weiss, jetzt vielleicht noch nicht.“, sprach Officer Bland.
„Der Gute und der Böse Bulle also?“, sprach ich misstrauisch und blickte zwischen den Beiden hin und her.
„Siehst du Kent, wenn sie schon wieder zum Scherzen aufgelegt ist, dann wird sie dies auch verkraften.“, sagte Bland ernst. Ich verzog bestürzt meine Augenbrauen, mein Blick wanderte zu Kent’s Hand, welche immer noch an meiner hing. Kent ging nicht auf Blands Aussage ein und blickte mir weiterhin besorgt in die Augen.
„Aliena, sag mir wo du gestern Abend zwischen 18 und 22 Uhr warst.“, formulierte er angemessen höflich.
„Ich war..-“, meine Stimme zitterte. Mein Atem stockte.
„Ist schon in Ordnung, wir können auch ein anderes Mal vorbei kommen.“, meinte Kent. Ich war ihm in diesem Moment wirklich dankbar für diesen Satz. Er lächelte mir sympathisch und entgegenkommend zu.
„Nein, können wir nicht! Ich mach es kurz. Aliena Linwood, Sie sind vorläufig festgenommen wegen Mordes an Leonardo Whitefield, Lilly und Peter Linwood und wegen Brandstiftung!“, sagte Officer Bland schnell und kalt. Er hatte sich etwas über den Bettrand gebeugt und seine Arme auf dem Bettgestell abgestützt. Seine Finger verkrampften sich.
„Was? Leonardo ist tot? … Ich – Ich bin unschuldig.“ Ich konnte es nicht glauben, wie sehr das ganze aus dem Ruder lief.
„Erzählen Sie das dem Jugendgericht, wir haben Beweise und Augenzeugen.“, sagte Bland bitter.
„WAS? Nein, ich bin UNSCHULDIG! Weshalb hätte ich den meine Eltern umbringen sollen? Oder Leonardo?“, schrie ich aufgebracht. Tränen schossen in meine Augen, das piepen in der Maschine neben mir wurde immer schneller. Mein Puls raste auf Hochtouren.
„Bitte glauben Sie mir das! ICH BIN UNSCHULDIG!“, sagte ich verzweifelt und blickte in die tief-grünen Augen des entsetzten Mannes vor mir. Er blickte mir wehmütig in meine Augen, zugleich schien er etwas in ihnen zu suchen. Als würde er meinen Blick analysieren. Als zwei dicke Tränen über meine Wangen kullerten, reagierte er.
„Sie ist unschuldig! Ich spüre das, Bland lass uns das Ganze nochmals überprüfen bitte!“, sagte er rasch und blickte zu ihm.
„Was? Kent hast du jetzt völlig den Verstand verloren? Wir haben handfeste Beweise! Und das du dich jetzt so schnell beeinflussen lässt enttäuscht mich. Mir wurde gesagt, du seist einer der Besten in deinem Gebiet….“
Seine Worte klangen hart und vorwurfsvoll. Kent sprang auf und stand Bland wütend entgegen.
„Ja, ich bin auch der Beste auf meinem Gebiet. Sie ist unschuldig, da bin ich mir sicher. Ich hab es in ihren Augen gesehen.“, sprach der blondhaarige Officer Kent.
Meine Dankbarkeit ihm gegenüber wuchs immer weiter, auch nach der Folgenden Szene.
In meinem Kopf war nur noch einen Ausweg ersichtlich. Auch wenn er feige und gewagt war, so war er auch der einfachste Weg. Ich riss mir alle Schläuche von den Armen und sprang mit einem Zug aus dem Bett. Die Beiden Officers starrten geschockt auf mich. Auf Kents Gesicht jedoch schien ein Lächeln aufzublitzen, als er in meine feurigen Augen sah. Auch wenn es nur 2 Sekunden dauerte, schien es als könne er in meine Seele blicken, so intensiv war sein Blick.
„Hey halt, hier geblieben!“, rief Officer Blend und wollte gerade einen Schritt in meine Richtung machen. Doch Kent stellte sich dazwischen.
„Renn! Aliena, renn um dein Leben!“, sagte er schnell und drosch seinem Arbeitsgefährten eine Faust ins Gesicht. Dieser taumelte rückwärts und fiel mit dem Rücken gegen einen Wandschrank. Ich zögerte nicht und kletterte über das Bett, nahm meine Kleider an mich welche auf der Kommode lagen und rannte zur Tür. Plötzlich packte mich jemand am Bein. Blend hatte mein Bein mit seiner kräftigen Hand umklammert und zerrte an mir.
„Du entkommst mir nicht!“, sagte er böse und seine Augen blitzen schwarz auf. Ich konnte nicht erkennen was es war, jedoch gruselte es mich einwenig. Plötzlich packte mich jemand um die Taille, es war Kent. Er stand hinter mir und tritt mit dem Fuss mehrmals gegen Blands Arm bis dieser schreiend losliess. Blut rinn langsam auf den Boden…
„Los!“, rief Kent und rannte mit mir am Arm den Flur hinunter. Zum Glück war gerade kein Arzt oder Krankenschwester da. Wir rannten zum Treppenhaus und als wir die ersten Stufen erreichten, hob er mich auf seine Arme. Ich schien für ihn ein Fliegengewicht zu sein, denn er rannte nun noch schneller als vorhin.
„Danke, Officer Kent.“, brachte ich erschöpft und ausser Atem heraus.
„Keine Sorge Aliena, ich hol dich sicher hier raus.“ versprach er mir. „Ach ja, und nenn mich doch bitte John.“
Von diesem Moment an waren wir auf der Flucht. Tage lang... Und das war auch der Zeitpunkt ab dem ich überall in den Medien „That Girl“ genannt wurde. Bald darauf wurde auch landesweit nach mir und John gesucht. Wir versteckten uns im Wald in einer verlassenen alten Jägerhütte. Wir ernährten uns vom Wild das uns über den Weg lief und den Früchten des Waldes. Das ganze schweisste John und mich zusammen, wir wurden schnell gute Freunde.
Bis John eines Morgens verschwunden war. Ich glaube zuerst er wäre jagen gegangen, doch als er selbst am Abend nicht zurückkam, begann ich ihn zu suchen. Ich konnte nicht im Wald nach ihm rufen, das hätte sonst noch dazu geführt, dass jemand auf uns aufmerksam wurde. Tief im Dickicht des Waldes, suchte ich nach ihm. Ich suchte alle Orte ab, an denen wir bisher waren. Doch ich fand nichts. Er war spurlos verschwunden. Als die Nacht darauf einbrach, wollte ich zur Hütte zurück. Doch ich hatte mich verlaufen, ich schien im Kreis zu gehen…immer wieder fand ich mich auf dieser kleinen Lichtung wieder.
„Verdammt!“, fluchte ich vor mich hin. Was ist denn mit mir los? Und wo ist John??
Da ich körperlich langsam am Ende war, mich eindeutig verlaufen hatte und auch müde war, entschied ich mich kurzerhand auf dieser Lichtung schlaf zu finden. Ich legte mich hin und starrte in den Sternen erleuchteten Himmel. Auch wenn ich nur kurz und nicht wirklich tief schlafen werde, war ich mir sicher dennoch meine Alpträume zu überstehn. Morgen würde ein neuer Tag sein, an dem ich John suchen könnte.
Ein neuer Tag, an dem ich um mein Leben fliehen werde.
Und für den Fall das ich ihn nicht finde?


Nein ich werde ihn finden und wir werden gemeinsam um unsere Freiheit kämpfen!
Vielleicht ist er tot. Man hat ihn erschossen oder verhaftet.


John lebt, er darf nicht tot sein. Er ist da draussen irgendwo.
Was ist wenn er aufgegeben hat? Selbstmord begangen oder sich gestellt hat?
Ich kämpfte innerlich so sehr gegen diese Stimme in mir, die mich so verunsicherte und mir all meine Sorgen aufzeigte. Schliesslich rang ich mich unter Tränen irgendwie doch noch in den Schlaf… Ein kurzer aber tiefer Schlaf.
Als ich aufwachte war ich in Taborea. Danmore fand mich durchnässt vom Regen und Wind, er pflegte mich einige Tage und teilte mir später auch Liam als Wächter und Begleiter zu. Ich wusste nicht wie ich dorthin gekommen war, doch als man mir mehrmals versicherte ich sei in einer anderen Welt…da löste sich bei mir eine Blockade. Ich lebte nicht mehr in der ständigen Angst verfolgt oder gesucht zu werden. Nein, auf dem Planeten Sorina war ich fremd, man kannte mich nicht! Niemand wusste von den schrecklichen Dingen die mir angehängt wurden. Ich hatte die Chance ein neues Leben zu beginnen.

Bei diesem Gedanken blieb ich stehn. Ein neues Leben zu beginnen war nicht einfach, vor allem mit den tiefen Wunden der Vergangenheit, welche täglich zu sehen waren. Nun hatte die Stelle am Fluss erreicht an dem Liam und ich losgefahren waren. Ich suchte noch nach der roten Rose die ich dort liegen gelassen hatte. Durch das Feuer das meine Hände von sich gaben, hatte ich noch etwas Licht. Es war mitten in der Nacht, vielleicht 1 oder 2 Uhr morgens.
Da lag sie. Kalt und allein, lag die rote Rose auf dem Kies. Ich erlosch das Feuer meiner linken Hand und nahm sie an mich. Dann steckte ich sie mir sorgfältig in meine Jacke und musste bei dem Gedanken an Lucy lächeln. Lucy, ein ganz normaler Mensch, der es trotzdem geschafft hat mich wieder glücklich zu machen. Wenn auch nur in ihrer Gegenwart. Ich spürte in meinem Herzen einen leichten Stich...es war ein unbeschreibliches Gefühl. Als ich dann schliesslich langsam und zielstrebig zum Hauptquartier zurück lief, überlegte ich mir wie ich mich bei Liam entschuldigen könnte.



8. Kapitel
Traumteilung



Zurück im Hauptquartier klopfte ich vorsichtig an die Tür. Ein kleines Fensterchen schob sich an der 15cm dicken Tür auf.
„Passwort?“ , fragte Elinoy unser kleiner Wach-Elf. Er ist ein Ewigblüter, einer der niemals Schlaf braucht. Ein fitter kleiner Bursche. Deshalb ist er auch perfekt für den Wachposten. Seine hellblauen Augen schielten durch das kleine Fensterchen.
„Amortis-nal Nemana Sentus-oina! Und jetzt lass mich rein Elinoy, du weisst ganz genau das ich es bin.“, sagte ich scherzend und lachte leise auf.
„Hehe, ja schon klar! Ich wollte dich doch nur auf die Probe stellen.“, sagte der Kleine hinter der Panzertür und öffnete sie dann für mich.
„Darf ich fragen was die Dame um diese Uhrzeit alleine noch draussen treibt?“, fragte er fröhlich.
„Ach ich hab einen kleinen Ausflug gemacht…“
Als ich zum Lift lief und langsam den Knopf drückte, ging mir die ganze Szene mit Liam am Wasser nochmals durch den Kopf. Ich war wirklich zu hart zu ihm. Ich muss mich unbedingt bei ihm entschuldigen. Der Lift öffnete seine Türen und ich blickte in Dan’s Gesicht.
„Aliena meine Liebe! Wo warst du so lange? Ich habe dich schon gesucht.“, sagte er und machte mir Platz. Ich stellte mich neben ihn und drückte die 3.
„Ich war mit Liam unterwegs. Ist er schon wieder hier?“
„Liam? Nein nicht das ich wüsste. Wieso, suchst du ihn etwa?“, fragte er neugierig.
„Ja und ich sollte mich noch bei ihm entschuldigen, aber ja - egal. Du hast mich gesucht?“, antwortete ich nervös.
„Ja, denn Morgen ist ein wichtiger Tag! Wir haben heute die Bestätigung bekommen das ihr wieder zur Schule könnt. Sie haben das Gebiet gesichert und werden Morgen mit dem Regulären Unterricht fortfahren.“, teilte er mir mit. Der Lift erreichte den 3. Stock und ich trat langsam hinaus in den Gang.
„Welch wundervolle Nachricht.“, sagte ich sarkastisch und schenkte ihm ein Lächeln.
„Ach ja, und du sollst Lucidya mitnehmen! Es gab heute die ersten Anzeichen dafür, dass sie auch übersinnliche Kräfte besitzt. Ich wäre froh wenn du sie zur Untersuchung und zum Einstufungstest mitnehmen würdest, um 9 Uhr bei Frau Mahony.“, sagte er, während sein Fuss die Türe des Lifts daran hinderte zu zugehen.
„Ok, werde ich. Gute Nacht Dan.“
„Bonnras Nottua, mi adores Aliena.“, sagte er süss und zog seinen Fuss in den Lift. `Gute Nacht, meine geliebte Aliena` , bedeutete es.
Die Türe des Lifts schloss sich und ich lief zum Gästezimmer. Nervös blieb ich vor der Tür stehn und atmete tief ein und wieder aus. Dann klopfte ich zwei Mal leise an und trat hinein. Es war dunkel, das einzige Licht kam vom Computer am anderen Ende des Zimmers. Lucy starrte gebannt in den Bildschirm. Sie hatte wohl nicht bemerkt, dass ich eingetreten war.
Ich lief auf sie zu und erhaschte einen kleinen Blick auf die Seite die sie so aufmerksam durchlas.

Traumteilung
Echt oder Einbildung? Es ist bewiesen das bestimmte Materialen, beispielsweise Goldgarnwolle in der Bettwäsche dazu führen können, das sich zwei Seelen den selben Traum teilen und diesen steuern können. Dies wird oft von Pärchen bevorzugt, da sie dadurch gemeinsam in ihre Traumwelt entschwinden können….




„Hey Lu, ich bin wieder zurück.“, sagte ich und legte ihr meine Hand auf die Schulter. Sie zuckte zusammen.
„Uff! Hast du mich jetzt erschreckt, ich habe dich gar nicht gehört..“, sagte sie und stand hektisch auf. Sie umschlang mich mit ihren Armen und ich spürte ihren schnellen Herzschlag an meiner Brust.
„Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe.“
„Schon in Ordnung. Aber du siehst nicht gerade glücklich aus… Ist alles ok? Hat Liam irgendetwas getan?“, fragte sie besorgt und betrachtete mein Gesicht.
„Er hat mich geküsst.“, gab ich zu und schloss angewidert meine Augen. Es war lange ruhig. Ich drehte mich mit gesenktem Kopf um und setzte mich auf das Bett. Sie setzte sich vorsichtig neben mich und legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Hat er dir etwas angetan?“, fragte sie etwas angekratzt. Ihre Hand ballte sich zu einer Faust.
„Naja, er hat mich gegen meinen Willen geküsst und unsanft fest gehalten, doch das ist nicht der Punkt.“ Ich rang mit meinen Worten. Sie streichelte mir den Rücken und wartete ab.
„Weisst du, ich habe in der Menschenwelt so einiges durchleiden müssen. Ich bin so viele Male enttäuscht worden und das auch von guten Freunden! Ich will ihn nicht als besten Freund verlieren… Und plötzlich kommt er auf mich zu und sagt mir das er mich liebt und das ich ihn verändert habe…“ Die Worte platzen nur so aus mir hinaus. Lu umarmte mich und streichelte mir sanft über das Haar.
„Das schlimmste dabei ist, dass ich ihn danach ziemlich unsanft klar gemacht habe, wie ich dazu stehe und das ich abstand brauche. Ich habe ihn mit meinem Exfreund verglichen und ebenso behandelt.“, sagte ich. Ich fühlte mich schrecklich.
„Hey Kleines…“, sagte sie sanft und löste sich aus der innigen Umarmung.
„Heyy Kleine, schau mir in die Augen.“, sagte sie und hob meinen Kopf mit zwei Fingern. Ich blinzelte und versuchte etwas zu sehen. Lucy wusch mir mit ihren Fingern sanft die Tränen vom Gesicht und nahm es dann zwischen ihre beiden Hände.
„Hör mir zu, alles wird wieder gut. Da bin ich überzeugt, wirklich! Liam wird das verstehen, ausserdem hattest du das Anrecht dazu überrascht und abweisend zu sein. Bei so einer Sache muss man auch einen Niederschlag in Kauf nehmen können!“, sagte sie selbstbewusst und stark. In ihren Augen war wieder dieses Faszinierende Etwas. Bling!
Doch in ihren Gesichtszügen war viel mehr zu erkennen; Mitgefühl, Trauer, Freude und ich glaube auch ein wenig Neugier. Ich war in diesem Moment unglaublich froh sie hier zu haben. Ich gab ihr ein lautloses „danke“ und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Weisst du schon das neuste? Du kommst morgen mit mir auf die Schule für Bändigung und Zauberei!“, verkündete ich.
„Was? Wirklich? Ich dachte die anderen haben mich nur reingelegt als sie heute davon redeten! Ich wollte schon immer an diese Schule, seit ich davon gehört habe.“, antwortete sie aufgeregt, ihre Augen weiteten sich ein wenig während sie sprach.
„Ja, morgen werde ich dich zur Untersuchung und zum Einstufungstest begleiten. Das wird sicher spannend.“, sagte ich lächelnd. Ich wusste noch genau wie es bei mir abgelaufen war. Bei meinem allerersten Test wurden mir auf einem Tisch fünf Gegenstände gezeigt. Was ich damals noch nicht wusste, war das jeder Gegenstand für eines der Elemente Stand; Feuer, Wasser, Erde, Luft und Magie. Aus dem ersten Reflex aus entschied ich mich für die rote Kugel, sie hatte mich total fasziniert. Sie sah aus wie eine Gläserne Kugel, in ihr war ein rötlicher Rauch, er verformte sich je nach meinen Bewegungen. Bewegte ich mich auf die Kugel zu, zog er sich kunstvoll zusammen, ging ich von ihr weg so breitete sich der Rauch wieder aus. Auf dieser Basis musste ich jegliche weitere Tests durchführen, welche zu dem eindeutigen Resultat kamen das ich eine Feuerbändigerin bin.
„Weisst du als ich in diese Welt kam, da war gerade der Krieg ausgebrochen. Ich hatte keine Wahl, ich musste um mein Leben kämpfen und als ich dann plötzlich festgenommen wurde, hatte ich alles aufgegeben… Ich habe aber vieles von dieser Schule gehört und wollte schon immer dazu gehören. Ich wollte auch etwas Besonderes sein! Moment mal, Einstufungstest? Wieso hat mir niemand etwas von einem TEST erzählt?“, sagte sie plötzlich
„Hehe, beruhige dich Lu. Das wird eine spannende Erfahrung für dich, da bin ich mir sicher! Ausserdem sind das keine Tests auf die du dich vorbereiten könntest. Ich werde bei dir sein, jederzeit und dir beistehn, versprochen!“, sagte ich lächelnd und streichelte ihre Hand. Sie lächelte mir dankbar zu und drückte meine Hand.
„Aber jetzt sollten wir schlafen gehen, morgen sollst du fit sein.“, sagte ich anschliessend und lief ins Bad. Lu schaltete den Computer aus und legte sich aufs Bett. Sie hatte ein merkwürdiges Lächeln auf dem Gesicht. Ich blieb in der Tür stehn und blickte zu ihr.
„Sag mal, dir ist schon bewusst das die Bettwäsche dieses Gästebetts mit Goldgarnwolle bezogen ist oder?“, fragte ich vergnügt.
„Ja, das ist mir bewusst.“, sagte sie süss und starrte verführerisch in meine Augen.
Daraufhin begab ich mich auf meine Seite des Betts. Lächelnd entschwand ich kurz darauf in meine Traumwelt, in unsere Traumwelt…

Fortsetzung Folgt...



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Texte: All Copyright's reserved by Slania
Tag der Veröffentlichung: 20.01.2012

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