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Einerseits

Sie gingen mir entschieden auf die Nerven.

 

Die Weihnachtszeit zum einen -

und meine beste Freundin zum anderen. Trafen beide aufeinander wurde es besonders schlimm.

 

Mit Weihnachten hatte ich aus persönlichen Gründen schon seit Jahren nichts mehr am Hut.

 

Mit meiner besten Freundin eigentlich schon eher. 

 

Das ganze Jahr über verstanden wir uns prächtig, wenn wir auch bei weitem nicht immer einer Meinung waren. Doch jedes Jahr um den fünfzehnten November herum trennten sich unsere geistigen Wege um mindestens hundertzweiunddreißig Grad. Dabei sah es jährlich zunächst so aus, als wäre sie endlich zu Verstand gekommen und ließe die Weihnachtsstimmung und die Schenkerei endlich bleiben. Oder wenigstens mich dabei außen vor.

Wenn wir zusammen einkaufen gingen - was äußerst selten vorkam - und bemerkten, dass die Auslagen in den Läden bereits Weihnachtsgebäck feilboten - während wir mit der Spätsommerhitze kämpften - schimpften wir gleichermaßen.

Sie, weil sie es aus pädagogischen Gründen den Kindern gegenüber unverantwortlich fand. Wobei ich insgeheim dachte, dass der schwerwiegendere Grund wahrscheinlich jener sein mochte, dass sie selbst diesen Konsumgütern nur schwer wiederstehen konnte.

Ich hegte statt dessen einen Groll gegen diese Artikel, weil sie mich eine unnötig lange Zeit auf die bevorstehende dunkle Jahreszeit hinwiesen, die nun zwei Monate länger wie ein Damoklesschwert über mir hing. Einmal ganz abgesehen davon, dass ich es bevorzugte jegliche Gebäckstücke selbst zu erschaffen. Dennoch schaffte ich es, das festliche Drumherum zu ignorieren und mich auf meine Einkäufe zu konzentrieren. Sie hingegen schmiedete Pläne, dieses Jahr "... aber auf jeden Fall die Hälfte der Feuerwerkskörper zu behalten um nächstes Jahr sämtliche Christstollen, Dominosteine und Lebkuchen zu sprengen!"

Irgendetwas in die Luft zu Sprengen lag ganz in meinem Sinne. Alleine schon wegen dem "Rumms!".

Nicht unbedingt um etwas zu erwirken, jemanden zu erziehen oder gar irgendwelchen Leuten Schaden zuzufügen.  ...  Zumindest nicht allen...

 

Dieses Jahr war es der 13. 11. um 13.48h als sie die erste SMS sendete, weil es bei den Weihnachtseinkäufen mit irgendeinem Familienmitglied zu geistigen Kollisionen gekommen war. Da wusste ich, es ging wieder los.

Sie konnte Rücksicht nehmen wie kaum ein anderer, aber nur, solange es in ihrem Sinne war. Und meinem Bitten nachzugeben, mir wirklich Nichts zu schenken, schien ihr so gar nicht in den Sinn zu kommen.

Sie wollte angeblich keine Gegenleistung dafür, aber das machten meine Erziehung und mein persönlicher Ergeiz nicht mit. Die Erklärung es würde mich erheblich unter Druck setzen fand ihrerseits zwar Gehör, gelangte jedoch nicht bis ins Zentrum zwischen ihren Ohren. So schräg es sich anhört: Das Schlimmste an ihren Geschenken war, dass sie mich oft wirklich rührten. Sie schien sich Gedanken zu machen und eine Menge Herzblut in die Sache zu stecken, und genau das wollte ich nicht.

Ich hatte weder Nerven noch Kraft noch Ideen noch Zeit für diesen Konsumrausch. Dementsprechend graute mir vor den Weihnachtstagen noch ein Quentchen mehr, als nötig.

In der Tat wurde es auf die letzten Tage krittisch, denn in unregelmäßigen Abständen erreichten mich in jeglicher Weise Kontaktaufnahmen ihrerseits mit bedrohlichen Sätzen, es fiele ihr immer schwerer mir nichts zu kaufen.

"Und auch nichts zu basteln!", pflegte ich dann zu ergänzen, als redete ich mit einem extrem Unterbelichteten. Ihre halbherzigen Beteuerungen zu versuchen sich daran zu halten machten mir wenig Mut.

 

Als sie dann am 23. breitgrinsend vor meiner Tür stand, mit einer roten Zipfelmütze auf dem dem Kopf und einem glitzernen Briefumschlag in der Hand, hätte ich sie am Liebsten mit der hässlichen Lichterkette meiner Nachbarn stranguliert.

 

Andererseits

Sie gingen mir entschieden auf die Nerven.

 

Den Zeitdruck und die Arbeit um die Weihnachtszeit zum einen -

und die Einstellung meiner beste Freundin dem ganzen "Tamtam" gegenüber zum anderen. Trafen beide aufeinander wurde es besonders schlimm für mich.

 

Jedes Jahr kam mir etwas dazwischen in Ruhe meinen Weihnachtsvorbereitungen zu fröhnen. Dabei freute ich mich darauf.

Mit den Weihnachtsdekorationen in den Geschäften hatte ich seit Jahren große Probleme.

 

Mit meiner besten Freundin eher weniger. 

 

Das ganze Jahr über verstanden wir uns prächtig, wenn wir auch bei weitem nicht immer einer Meinung waren. Doch jedes Jahr um den fünfzehnten November rum trennten sich unsere geistigen Wege um Welten. Mit der Zeit gab ich die jährlichen Hoffnungen auf, sie käme endlich zu Verstand und würde mich endlich etwas schenken lassen, ohne dass ich Ausreden erfinden musste.

 

Als wir zusammen einkaufen gingen - was äußerst selten vorkam - bemerkten wir, dass die Auslagen in den Läden bereits Weihnachtsgebäck feilboten - während wir mit der Spätsommerhitze kämpften - schimpften wir gleichermaßen.

Ich, weil ich es aus pädagogischen Gründen den Kindern gegenüber unverantwortlich fand (und immer noch finde) sie so lange auf Weihnachten warten zu lassen. Wobei ich insgeheim eingestehen muss, dass der schwerwiegendere Grund jener war (und immer noch ist), dass ich selbst diesen Konsumgütern nur schwer wiederstehen konnte und es auch heute noch kaum kann.

Meine beste Freundin hegte einen tiefen Groll gegen diese Artikel. Vielleicht weil sie in dieser Weise eine unnötig lange Zeit an die bevorstehende dunkle Jahreszeit erinnert wurde. Einmal ganz abgesehen davon, dass auch ich ihre eigenen Kreationen viel lieber aß, die sie in ihrer Küche mit viel Können fabrizierte.

Während sie es schaffte das festliche Drumherum zu ignorieren um sich weiter auf die Einkäufe zu konzentrieren, vergaß ich die Hälfte meines Einkaufs und schmiedete bereits wilde Pläne, dieses Jahr "... aber auf jeden Fall die Hälfte der Feuerwerkskörper zu behalten um nächstes Jahr sämtliche Christstollen, Dominosteine und Lebkuchen zu sprengen!" Nur kaufte ich selten Feuerwerkskörper. 

Ich vermute, irgendetwas in die Luft zu Sprengen lag ganz im Sinne meiner Freundin. Vor allem mit viel "Rumms!".

Nicht unbedingt um irgendwelchen Leuten Schaden zuzufügen.  ...  Hoffte ich zumindest ...

 

Dieses Jahr war es der 13. 11. um 13.48h als ich mich bei den Weihnachtseinkäufen mit irgendeinem Familienmitglied verbal so richtig in der Wolle hatte. So sendete ich einen Hilferuf an meine Beste, und noch während des Absendens wusste ich, ich hatte eine unsichtbare Schwelle überschritten.

Es fiel mir mit jedem weiteren Tag des schwindenen Jahres schwerer auf ihren Wunsch Rücksicht zu nehmen. Sie wollte absolut und unwiederruflich nichts von mir haben, aber das machte meine Persönlichkeit kaum mit.

Die Erklärung es würde mich erheblich unter Druck setzen, ihr nichts schenken zu dürfen fand ihrerseits zwar Gehör, sie hielt es jedoch für einen dämlichen Spruch und reagierte dementsprechend unwirsch. So schräg es sich anhört: Das Anstrengenste für mich war, ihr nichts zu schenken und den vielen guten Dingen und Ideen zu widerstehen, die da riefen "Kauf mich!" "Bastel mich!" "Verschenk mich!". Mir wurden die Vorweihnachtstage immer mehr zum Greuel, zumal ich dieses Jahr endlich die Möglichkeit hatte, in Ruhe durch die Geschäfte zu ziehen.

 

In der Tat wurde es auf die letzten Tage krittisch, und ich beschloss sie auch ein wenig an meinem Leid teil haben zu lassen. Schließlich hatte sie mir diese Bürde auferlegt, also durfte sie nun das Leid auch mit mir teilen. Ein wenig auch um sie gegebenenfalls vorzuwarnen, beherrschte mich nicht mehr ihr gegenüber immer mal wieder zu äußern, es fiele mir zunehmend schwerer nichts für sie zu kaufen. 

"Und auch nichts zu basteln!", pflegte sie dann zu antworten, als sei ich extrem unterbelichtet. Sie klang mutlos und dementsprechend verärgert. Was mir wiederum die Kraft gab, einen weiteren Tag durchzuhalten. Aber bis Weihnachten dauerte es noch mehr als einen Tag.

 

Dann kam endlich der 23. 12. und ich hatte durchgehalten. Vor Lauter stolz durchkramte ich den Stapel von Weihnachtskarten, suchte die schlichteste heraus, die ich finden konnte und steckte sie in den Umschlag. Die Weihnachtsmütze setzte ich auf, weil meine Wollmütze meinem Kater zum Opfer gefallen war und ich ohne Kopfschutz nicht in die Kälte wollte.

Als ich ihr nun stolz und breitgrinsend die Karte mit meinem wohl größten Geschenk unserer langjährigen Freundschaft überreichte, schien das harmloseste, was sie mir würde antun wollen zu sein, mir den Umschlag deftig um die Ohren zu hauen.

Beiderseits

Am 23. 12. standen sich zwei junge Frauen auf einer Veranda gegenüber.

Die gut gelaunte Besucherin trug robuste Stiefeletten, Jeans und Tuchmantel, die allesamt schon bessere Zeiten erlebt hatten. Ihre nagelneue weihnachtliche Zipfelmütze hob sich beinahe grotesk gegen die leicht fettigen Haare und ihr ramponiertes äußeres ab. Alleine das Strahlen des - trotz der Kälte - erhitzten Gesichts passte ein wenig dazu.

Die Hauseigentümerin war aufgeräumt und gepflegt aus der Tür getreten. Der Menge ihrer vierbeinigen Mitbewohner entsprechend zweckmäßig gekleidet. 

Ihr recht freundliches Gesicht Besuchern gegenüber schien heute leicht grimassenhaft. Man konnte einen Streit in der Verwandschaft, ein erkranktes Tier oder ungebetene Gäste vermuten.

 

Den offensichtlich gut gemeinten Weihnachtsguß nahm sie nur widerwillig entgegen.

"Du solltest mir doch nichts zu Weihnachten schenken!" Ihre Worte klangen angestrengt.

"Es ist auch kein Weihnachtsgeschenk! Deswegen kannste jetzt schon reinschauen!" Der ramponierte Weihnachtself-Verschnitt wippte - trotz üppiger Figur - vergnügt wie ein kleines Kind auf den Zehenspitzen.

Seufzend fügte sich die Dame des Hauses in ihr Schicksal, entnahm und entfaltete die Karte.

 

Sie stutze und fiel dann der Freundin lachend um den Hals. 

"Du verrücktes Huhn! Frohe Weihnachten!"

Beide lachten einige Zeit und wischten sich verstohlen die Augen.

 

Die Karte fand vorrübergehend einen Ehrenplatz auf der Anrichte im Wohnzimmer und noch bis zum vierten Januar konnte jeder Besucher ihren kurzen Text lesen:

 

"NICHTS"

Impressum

Texte: S. Bult
Bildmaterialien: S. Bult
Lektorat: C.K.
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
allen Vorweihnachtsmuffeln und denen die es nicht sind

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