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ährend ich jeden Tag das gleiche tat, wuchs mir der Frust bis unter die Schädeldecke.Ich fing sogar an, meine Fingernägel zu kauen, so unzufrieden war ich.Meine Tochter Anne hatte mit ihren vierzehn Jahren gerade ihre neue Phase- sie schottete sich ab, ging nun lieber einmal öfter mit ihren Freundinnen nachmittags in die Stadt und stand schon lange nicht mehr hinter mir, um mich zu fragen, ob ich ihr etwas vorlese oder ihr die Haare flechte.Um es genauer zu sagen, sie hat sich ihre blonde lange Haarpracht, die ich ihr Jahrelang mühevoll pflegte, kurzerhand abschneiden lassen zu einem frechen Kurzhaarschnitt. Inzwischen hatte sich auch ihr Kleidungsstil radikal gewandelt. Keine Ballerinas mehr und auch sonst nichts mehr, was halbwegs nach einer kleinen Prinzessin aussah. Ebenso hatte sie nun nicht mehr den Wunsch, Nageldesignerin zu werden, sondern wollte lieber einfach nur so häufiger “ chillen”, und erstmal “ gucken”, was noch passierte. In der Schule machte sie sich zum Glück bis heute ganz gut; dass war ein Trost für mich und darum ließ ich ihr auch überhaupt all diese Freiheiten, was Frisur und Klamotte angingen. Zu meinem Sohn Sebastian konnte ich herzlich wenig schreiben, da ich mit ihm meist nur übers Handy kommunizierte- war ich froh, dass es SMS gab, sonst hätte ich wohl ewig auf ein Lebenszeichen gewartet, denn Telefongespräche waren eher selten.Er war bereits 19 und vor einem Jahr ausgezogen. Er zog es vor, sich mit seinen Freunden eine WG zu suchen, allerdings blieb ihm auch nicht wirklich etwas anderes übrig, da er viel Zeit in der Universität verbrachte und in den längeren Pausen gerne mal ausspannte.Ich weiß nur, dass er momentan viel zu tun hatte und ihm maximal der Sinn danach stand, uns zu sehen, wenn er Geld brauchte, allerdings machte er sich da kaum noch die Mühe, uns persönlich aufzusuchen. Er hatte festgestellt, dass sein Vater, also mein Mann, ebenso auf SMS reagieren konnte und das der ihm sogar ohne zu zögern mal eben das Geld  online auf sein Konto überwieß. Das ich davon nicht viel hielt, konnte mein Mann nur bedingt nachvollziehen. Ich sollte dem Jungen doch seinen Weg gehen lassen, bekam ich von ihm dann zu hören.Also blieb mir fast nix mehr, außer mein Mann Thomas und der wiederum saß von morgens 8 bis abends 18 Uhr im Büro. Und wenn er dann an zwei Abenden pünktlich nach Hause kam, saß er zu Hause in seinem Büro. Und an den anderen Abenden ging er nach der Arbeit zum Sport, zum Skat und zum Billard. An den Wochenenden segelte er dann meist in seiner Freizeit und bei schlechtem Wetter konnte er sich stundenlang in Museen aufhalten, auch in denen er schon tausend Mal war. Es bereitete ihm Freude, schenkte ihm Ruhe und Gelassenheit und somit war er beschäftigt.Mir blieb unser Haus und der Garten, wobei der Gärtner alle 3-4 Tage kam und unsere  Putzfrau ebenfalls alle drei Tage vor der Tür stand. Mir blieb noch das Mittagessen, aber wozu kochen, wenn die Tochter sich lieber nachmittags Pommes in der Stadt kaufte und Mittags “ eh” keinen Hunger hat ?!Mir blieb also ... gar nichts, außer ich mir selbst ...Ich vereinbarte also mit  meiner Freundin Heide einen Termin in ihrem Friseurgeschäft, um mein Haar neu aufzuwerten. Die faden, langen Strähnen, die mir bis zur Schulter runterhingen, sahen einfach “ scheisse” aus, wie meine Tochter es mal “ krass” ausdrückte. Ich beschloss also etwas dagegen zu unternehmen und der Besuch beim Friseur war dann auch recht angenehm.Heide, Freiseurmeisterin und Inhaberin des Ladens erzählte mir von ihrem letzten Wochenendausflug. Sie fragte mich dann noch nach meinen Kindern.“ Ach weißt Du Heide,” , fing ich an und winkte müde ab: “ in meiner Familie läuft alles so wunderbar reibungslos, dass ich mich selbst zu Tode langweile.”Sie sah mich erstaunt an, riss die Augen weit auf und lächelte: “Mensch, dass ist doch prima. Dann hast du wohl alles richtig gemacht.”“ Das bezweifle ich. Meine Tochter läuft recht abstrakt gekleidet herum und mein Sohn weiß wahrscheinlich bald nicht mal mehr in welcher Straße unser Haus steht und mein Mann ist mit seiner Arbeit verheiratet und seine Geliebte ist sein Segelboot.”, entgegnete ich trocknen, wollte humorvoll klingen, aber sie merkte mir die Frustration an.“ Such dir doch irgendwas, was dich ausfüllt.”, schlug sie mir vor.Ich kniff die Augen zusammen. Das hatte ich jetzt davon. Davor hatte mir immer gegraust.Nun war es soweit. Ich war eine prüde, biedere, langweilige, alte, frustrierte Frau geworden. Und nun sollte ich Eine werden, die nochmal auf “ jung” macht. Wie oft bekam ich in den letzten Monaten von meiner Tochter nebenher zu hören, dass sich ihre Freundinnen, nicht alle, aber einige, für ihre Mütter schämten, die mit Ende 40 oder Ende 50 nochmal wissen wollten, was es sonst noch gibt und was man noch alles anstellen kann und ob die Trends, die für 20 und 30 Jährige galten, auch für sie noch modern seien. Und nun sollte ich auch so Eine werden ?!Ach, was wusste meine Tochter schon ?! Mit 14 konnte man noch derartige Sprüche reißen, aber mit 40 oder 50 hatte man für sowas weder Sinn, noch Zeit und ich war mit meinen 39 ja immerhin fast 40 und nun wollte ich es wissen. “ Das ist eine gute Idee, Heide.”, antwortete ich nach einer kleinen Pause.Heide lächelte mich an und zwinkerte.Eine Stunde später  ” So, deine neue Haarpracht. Wir sind fertig meine Liebe!”Sie wirbelte mich einmal in die Runde auf dem Stuhl und lachte, dann hielt sie mir den Spiegel hin und ich begutachtete meinen neuen Schnitt. Ein frecher Kurzhaarschnitt, der Pony etwas länger und leicht schräg über die Stirn. Meine fades köterblondes Haar hatte sie mit einem satten Goldton gefärbt und somit wirkte mein Gesamthaar nun wieder viel frischer und viel strahlender.“ Wenn du noch Maniküre oder Make up Beratung möchtest, sag ich Jule Bescheid und es kann  morgen Früh dann hier losgehen.”, schlug Heide mir vor. Wo ich schon gerade dabei bin, mich zu verändern, kann das ja wohl nicht schaden, dachte ich mir und nickte Heide zu. Wir lachten dann beide und ich ging mit ganz neuen guten Gefühlen nach Hause.Den Rest des Tages konnte ich keinen Spiegel im Haus umgehen, Ich blieb vor jedem Spiegel stehen und lächelte mich entzückt an. Als mein Mann Thomas am Abend nach Hause kam, bemerkte er meine neue Frisur leider nicht einmal.Nein, Thomas ist und war nie unhöflich mir gegenüber, er hat nur keinen Sinn für so etwas.Ich nahm es ihm nicht übel und stolzierte einfach unverblümt in sein Büro.“ Ich war heute bei meiner Freundin Heide im Laden und hab mir meine Haare schneiden lassen. Wie findest du es ?”, fragte ich ihn und lächelte freundlich.Er tippte kurz etwas an seinem Rechner zuende und schaute dann zu mir auf. Zuerst verzog er keine Miene, als müsste er erst nachdenken und überlegen, was ich ihn gerade eben gefragt hatte, dann erhellte sich sein Blick und er hob seine Hände und hielt sie offen in meine Richtung.“ Ja ganz wunderbar mein Schatz. Sieht ganz wunderbar aus.”Ich strahlte noch mehr, denn dieses Lob tat sehr gut.Dann starrte Thomas wieder gebannt auf seinen Rechner.Nachdem ich mich ein paar Minuten nicht weg bewegt hatte, hob er nochmals den Kopf.“ Kann ich dir noch irgendwie helfen Schatz ?”, fragte er mich und zeigte dann auf seinen Bildschirm: “ ansonsten würde ich hier gern weitermachen.”Er blickte auf seine Armbanduhr.Dann tippte er wieder etwas in seine Tastatur. “ Nein ist schon gut. Alles ist in Ordnung.”, sagte ich und ging auf leisen Sohlen wieder aus seinem Büro.Am nächsten Morgen sah mich meine Tochter Anne mit hochgezogener Augenbraue an.“ Was hast n du vor ?”, fragte sie mich fast frech. Ich schmunzelte innerlich, denn zumindest hatte ich durch den neuen Schnitt die Aufmerksamkeit meiner Tochter erlangt, wenn auch nicht gerade das erfreulichste Kommentar dazu kam, viel mehr eine Frage, die ich mir selbst auch noch nicht beantworten konnte.Was hatte ich vor ?! Wenn ich das nur wüsste.“ Ich sag es dir, wenn ich es herausgefunden habe.”, antwortete ich kurzerhand. Anne schüttelte mit dem Kopf, so als wollte sie mir damit sagen, dass ich jetzt ja wohl bald den Verstand verlieren würde. Dann rief sie noch ein kurzer “ tschau”, schnappte sich ihren Schulrucksack und verließ das Haus.Thomas hatte es an diesem Morgen auch wieder sehr eilig. Er zog sich schnell einen Kaffee an unserem Kaffeeautomaten, drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und wünschte mir einen schönen Tag. Das tat er jeden Morgen. Wie gesagt, Thomas hatte zwar so gut wie nie Zeit, war aber dennoch immer höflich.Zwei Stunden später saß ich bei Heide im Friseurgeschäft, dies mal ließ ich mir von ihrer Angestellten Jule das Make up machen, sowie die Maniküre. Es fiel dezent aus, denn ich mochte noch nie extreme Dinge. Meine blauen Augen strahlten mir im Spiegel entgegen. Ich freute mich heute noch mehr über mein neues Gesamtaussehen.“ Vielleicht nochmal in ein Fachgeschäft für Klamottenberatung.”, schlug Jule nebenbei vor.Ich sah an mir herunter. Ich trug täglich Kostüme. Mein Schrank war voll davon. Weisse Blusen, graue, braune, blaue und schwarze Hosenanzüge und viele passende Blazer dazu.“ Ich finde meine Kleidung recht angenehm.”, antwortete ich.Thomas liebte meinen Stil. Ich arbeitete als Rechtsanwaltsfachangestellte in der Mahnabteilung einer Bank. Thomas wurde auf mich aufmerksam, als es ein großes Fest bei der Bank gab, bei dem auch seine Anwaltskanzlei eingeladen waren. Wir unterhielten uns und er lud mich für ein Abendessen für das kommende Wochenende ein.Es verging nicht viel Zeit, bis er mir seine Eltern vorstellte. Dann hielt er an Heiligabend in familiärer Runde um meine Hand an und mir blieb nichts anderes übrig, als “ Ja” zu sagen. Thomas war aber, wie gesagt, schon immer sehr höflich und ausgesprochen charmant und einen besseren Mann als ihn konnte ich mir weder früher, noch heute vorstellen.Er hatte mir von Anfang an die Welt zu Füßen gelegt. Das er ganz und gar mit seiner Arbeit und seiner Kanzlei verbunden war, hielt mich nicht davon ab, ihn noch glücklicher zu machen, indem ich seine Frau wurde. Sein Vater überließ ihm dann vor Jahren die Kanzlei und Sebastian, unser Sohn studiert derzeit an der Humboldt Universität, allerdings zog Sebastian es vor, sich in der Stadt eine WG zu suchen. Es ist praktischer und “ in”, wenn er direkt vor Ort ist und immer mal kurz zur Uni kann. Dies haben mein Mann und ich befürwortet.“ Das müssen Sie selbst entscheiden.”, sagte Jule. Es klang schon etwas zickig, doch ich machte mir nichts daraus. Jule selbst war vielleicht gerade mal 25, wenn überhaupt. Eine sehr zierliche Person, mit langen, glatten schwarzen Haaren, bei denen ich mir allerdings nicht sicher war, ob sie echt waren, zumindest nicht die extreme Überlänge. Heutzutage wusste man das aber ja nicht mehr so genau, bei wem etwas wirklich echt war und bei wem nicht.Da waren sich meine Tochter und ich zumindest einig. Keine künstlichen Haarverlängerungen oder Nagelverlängerungen oder ähnliches, was unecht war. Ich wusste allerdings, dass Anne neuerdings Push up BHs trug. Ich bedankte mich bei Jule für die alles, zahlte, unterhielt mich noch einen Moment mit Heide und verließ dann den Laden.Eine Stunde später lag ich zu Hause mit einem Buch auf dem Sofa. Wieder nichts besonderes an diesem Tag. Unsere Putzfrau erschien wie immer pünktlich, reinigte alles und war nach drei Stunden wieder weg. Ich winkte dem Gärtner kurz vom Fenster aus zu und das wars.Mehr geschah heute nicht. Es war bereits nachmittag, als ich wieder aufwachte. Ich musste eingenickt sein mit meinem Buch auf dem Sofa. Meine Tochter war in der Zwischenzeit einmal zu Hause gewesen, denn ich entdeckte ein Post it am Kühlschrank “ Hi Ma! War hier. Bin nun in der Stadt. Anne !”Kurz und knapp.Der Tag ging zuende und ich dachte noch drüber nach, was ich mir für ein Hobby suchen könnte. Mir fiel allerdings auf die Schnelle nichts ein, wofür ich mich hätte begeistern können.Somit ließ ich das Thema vorerst fallen und trottete durch den restichen Tag.Zwei Wochen später bat mich meine Tochter Anne, sie und ihre Freundin nach Berlin zur Columbia Halle zu einem Konzert zu fahren. Dies hatte ich bereits einige Male gemacht.Ich willigte ein und an einem Samstag ging es dann los.Ich fuhr wie immer zur Halle, ließ Anne und ihre Freundin Inka aussteigen und wir verabredeten, dass sie mich anrief, sobald ich sie wieder abholen könne.Anschließend fuhr ich zu den Hallen am Borsigturm, einem Einkaufscenter, wo ich mich gerne mal aufhielt, wenn ich im Bezirk war und wo eine Freundin von mir arbeitete.Im Thalia Buchladen fand ich meine Freundin. Betty kassierte gerade. Ich winkte ihr zu und sie nickte lächelnd, sprach sich kurz mit einer Kollegin ab und kam dann zu mir rüber.“ Ich hab dir auf Band gesprochen, dass ich heute vorbeikomme. Hast du es abgehört ?”, fragte ich sie, während wir uns umarmten. “ Ja, meine Liebe, hab ich.”, antwortete sie und wies dann Richtung Ausgang. “ Lass uns einen Café trinken gehen, ich hab meine Kollegin bereits informiert. Weiß ja, dass du nicht lange vor Ort bist.”Wir lachten und ich freute mich, dass sie für uns einen Moment Zeit mit eingeplant hatte.Nun war es bestimmt schon wieder sechs Monate her, seitdem wir uns gesehen hatten.Wir gingen gemeinsam zur Schule, als ich heiratete und wegzog, trennten sich unsere Wege.Betty war ebenfalls verheiratet und hatte eine Tochter im gleichen Alter, wie meine Tochter.Wir setzten uns ins 2. Obergeschoss ins Café und unterhielten uns zuerst über unsere Kinder und anschließend ein kurzer Austausch über unsere Männer. Danach kamen wir zum eigenen Leben, unserer selbst. Sie erzählte mir, dass sie zum Sommer hin ihre Schwester in den USA besuchen wollte und ich erzählte ihr,dass ich mir momentan überlegte, wieder arbeiten zu gehen, da mir sehr langweilig zu Hause sei und ich mir langsam, aber sicher, unbrauchbar vorkam. Betty nickte mir zu. Sie konnte das sehr gut nachvollziehen, da es ihr vor einigen Jahren auch so erging und sie dann wieder in die Buchhandlung ging, um wieder zu arbeiten. Mit nur einem Kind und einer Oma an der Seite war das dann auch möglich. Ich hatte allerdings zwei Kinder und mein Mann hielt nichts davon, dass ich arbeitete. Das Thema hatten wir allerdings vor vier Jahren und dann kam es nicht mehr auf den Tisch. Vielleicht sollte ich erneut das Gespräch suchen. Die Gründe, die er mir damals nannte, waren mir zu dem Zeitpunkt schlüssig. Er konnte nicht zwischendurch aus der Kanzlei raus, sollte etwas mit den Kindern sein und mein Arbeitsplatz wäre wahrscheinlich nicht direkt um die Ecke.Anne war zu dem Zeitpunkt erst 10 und Sebastian war 15. Ich ließ mich von meinem Mann davon überzeugen, dass es besser war, zu Hause zu bleiben. Es war meine erste kleine Krise vor 4 Jahren und nun hatte ich das Gefühl, sie kam zurück, aber diesmal noch gewaltiger.Betty schlug mir vor, Tageweise zu arbeiten oder einfach erstmal etwas ganz anderes zu machen, bevor ich mich wirklich wieder in die Wirtschaft stürzte. Sie riet mir zu Yoga- oder Schwimmkursen, Fitnessstudio oder anderen Freitzeitaktivitäten nur für mich allein, wo ich einfach mal rauskäme und zusätzlich noch etwas für meine Kondition tun konnte.Sie erzählte mir, dass sie jeden Morgen vor der Arbeit joggen würde. Ich sagte ihr das nicht so ehrlich, aber bereits morgens gerade nach dem aufstehen sofort durch die Straßen oder durch den Wald zu joggen, war wirklich nicht das, was ich mir vorstellte. Ich würde dies bestimmt einmal machen und dann kein zweites Mal, soweit kannte ich mich. “ Geh tanzen !”, schlug sie mir dann vor und lächelte. Tanzen ? Ich war ewig nicht tanzen, geschweige denn auf Feiern mit meinem Mann. Und da tanzte man maximal Walzer und mein Mann war überhaupt kein begeisteter Tänzer. “ Ich meine nicht Tanzschule, ich meine ausgehen und tanzen. Zur Musik hopsen kann jeder und gute Laune macht es auch.”, plapperte sie weiter: “ ich gehe jedes zweite Wochenende mit meinen Kolleginnen tanzen. Wenn du Lust hast und den Weg abends hierher nicht scheust, komm einfach mal mit.”Das klang allein schon wie Musik in meinen Ohren. Ich ging im Kopf meinen Kleiderschrank durch. Hatte ich überhaupt Tanzkleidung, normale Sachen, ausser Kostüme, Hosenanzüge, Blusen und ein paar Festkleider ?! Fehlanzeige! Ausser ein paar Hausanzüge gab es nichts mehr, was ich nicht schon an Ballast entsorgt hatte. Ich hatte so ziemlich alles im Haus sortiert und immer wieder alles über die Jahre entsorgt, was mir nicht mehr wichtig erschien und was nur den Keller überflutete. Was hätte ich auch sonst die letzten Jahre machen sollen ?! Doch damit war ich restlos fertig. Es gab kaum noch etwas, was ich hätte ausmisten können. Mein Haus war perfekt sortiert und organisiert und es gab in keinem Raum überschüssiges. Das Büro meines Mannes ausgenommen, denn da stappelten sich diverse Akten, an die ich mich nicht vergriff. Das Zimmer von Anne hatte ich auch seit Monaten nicht mehr betreten, da sie es mir ausdrücklich untersagt hatte. Sie wusste, dass ich einen Anfall bekommen würde und somit versprach sie mir einfach nur, es selbst aufzuräumen und mit “ ihrem Stil” würde ich eh nicht klarkommen, meinte sie. Ich würde das, was ich als Müll empfand, entsorgen, dabei war es für sie dekorative Kunst. Dinge, die ihr Zimmer zu dem machten, wie sie war und wie sie sich fühlte. Natürlich akzeptierte ich das. Streit wollte ich deshalb beim besten Willen nicht. Wir einigten uns darauf, dass Anne keine Essensreste in ihrem Zimmer aufbewahrte. Damit war sie einverstanden. “ Okay, ich werde dich und deine Freundinnen zum Tanzen begleiten.”, antwortete ich.Sie sah auf die Uhr und sagte mir, dass sie wieder in die Buchhandlung musste. Ich nickte, wir zahlten und umarmten uns dann noch ganz herzlich. Bevor ich aus dem Einkaufscenter verschwand, huschte ich noch durch verschiedene Modeläden. Eine Verkäuferin Mitte 30 beriet mich, als ich sie darum bat, mir ein paar Kleidungsstücke für einen lockeren Tanzabend zu zeigen. Ich muss sagen, ich lebte, was Mode anging, zum Zeitpunkt hinterm Mond.Ich war derart verkrampft, dass es mir fast selbst schon unangenehm war. Die Mitte 30erin war locker, humorvoll und freute sich regelrecht, mir ein Outfit nach dem anderen zu präsentieren. Somit verbrachte ich fast zwei Stunden ununterbrochen in der Umkleidekabine. Völlig durchgeschwitzt vom umziehen, aber zufrieden mit meiner Wahl, zahlte ich meine neuen Errungenschaften und zockelte mit drei vollen Einkaufstaschen aus dem Laden zum Parkhaus und suchte mein Auto auf. Als ich später zu Hause ankam, legte ich mich erstmal auf die Couch. Die Kleidungsstücke hatte ich zuvor alle ordentlich in meinen Kleiderschrank einsortiert.Der Tanzabend konnte kommen und ich war nun schon sehr aufgeregt. Am Abend holte ich meine Tochter und ihre Freundin Inka ab. Als ich einen Parkplatz fand und rückwärts einparkte, klopfte plötzlich Jemand an meine Autoscheibe. “ Hey ! Mein Rad ! Ham Sie keene Augen im Kopf ?!”, rief ein Typ mit rauher, harter Stimme, die mir kalten Schauer über den Rücken jagte.Er hatte schwarzes Haar und sein Pony hing ihm so tief ins Gesicht, dass ich kaum seine Augen erkennen konnte.Ich erschrak, hatte plötzlich Herzklopfen. Was war, wenn der Typ mir gleich die Scheibe einschlug und mich rauszerrte und zu Boden schlug ?! Ich hielt mir einfach die Hände vors Gesicht und hoffte, dass der Typ von alleine weg ging.Es klopfte wieder an die Scheibe. Nun schnürrte sich vor Panik mein Hals zu.Ich konnte nicht wegfahren, ich musste schließlich zur Halle und Anne auf ihrem Handy anrufen, damit wir uns nicht verpassten, doch ich war nicht in der Lage mich zu bewegen. “ Alles in Ordnung Miss ?”, fragte der Typ. Die Stimme war immer noch rauh, aber klang nicht mehr so hart, wie eben noch. Wer sich so erkundigte, konnte kein gemeiner jugendlicher Gewalttäter sein. Ich hatte einfach zuviele schlimme Zeitungsberichte über Jugendliche gelesen, eigentlich nur aus dem Grund, weil Anne sich mehr und mehr veränderte, was aber nicht gerade zu einem Mädchen gehörte. Zumindest nicht, was meine Vorstellungen anging. Natürlich hatte ich Angst, sie könnte in falsche Kreise geraten. Wieder klopfte es an die Scheibe. Dieses Mal an der Beifahrerseitenscheibe.Ich ließ meine Hände sinken und atmete wieder ruhiger. Ein kurzer Blick in den Spiegel, dann nahm ich meine Handtasche und stieg aus. Der Typ stand immer noch auf der Beifahrerseite an meinem Auto und sah mich an oder zumindest sah es so aus, als ob er das tat. Ich räusperte kurz. “ Ich hatte mich nur kurz erschrocken. “ , entgegnete ich ihm so sachlich und ruhig ich konnte. “ Ich muss nun gehn.” Der Typ strich sich das Haar aus der Stirn und ich konnte seine Augen sehen, musste dann zu meiner Überraschung feststellen, dass er doch gar nicht mehr so jugendlich war, als ich annahm. Ich schätze ihn nun eher auf 30.“ Was ist mit meinem Rad ? Und ihr Auto ? Macht es Ihnen nix aus, wenn ein Kratzer dran ist ?! “, fragte er mich. Wollte der Typ mich nun für dumm verkaufen, mich hier aufhalten oder gar anmachen ?!Ich schüttelte den Kopf. “ Ich habe nun keine Zeit, mich damit aufzuhalten, da ich meine Tochter vom Konzert hier abhole. Um das Auto wird sich mein Mann kümmern und wenn ihr Fahrrad einen Schaden erlitten hat, hinterlassen sie mir einfach Name und Telefonnummer auf einem Zettel hinter dem Scheibenwischer. Ich werde ihn meinen Mann geben, der kontaktiert sie dann für eine angemessene Entschädigung. “, antwortete ich trocken und machte dann auf dem Absatz kehrt.“ Ach so Eine sind Sie !”, rief er mir nach, betonte dabei das “ so” besonders, was mich ziemlich ärgerte, aber ich lief einfach weiter. Mein Handy klingelte und ich nahm an. Anne und ich telefonierten etwa eine viertel Stunde miteinander und navigierten uns zueinander, bis wir dann endlich wieder gemeinsam mit ihrer Freundin Inka zum Auto gehen konnten. Anne und Inka waren noch völlig in Trance vom Konzert, gackerten und freuten sich. Ich riss den Zettel unter dem Scheibenwischer, faltete ihn ungelesen und steckte ihn in meine Handtasche. Ungehobelter Typ. Wollte der doch tatsächlich eine Entschädigung für seinen Drahtesel. Ich lief einmal ums Auto herum und sah es mir genauer an. Kein Kratzer zu sehen, nirgendwo. Ich hab ehrlich gesagt, nicht mal ein Fahrrad gesehen. Vielleicht gabs den Typen nicht einmal und ich hatte mir alles eingebildet, wer weiß. Wir fuhren los.Zwei Tage später fiel mir beim gemeinsamen Abendessen mit Thomas der Zettel wieder ein.“ Wo du gerade von Fahrrad sprichst, ich hab da noch etwas.”, sagte ich und verließ die Küche.Ich nahm in der Diele meine Handtasche aus dem Schrank und suchte darin meinen Zettel. Da ich ausser Geldbörse, Schlüsselbund und Taschentücher, nix weiter mit mir herum trug, fand ich ihn schnell. “ 01119-0221110, Ruf an du so Eine  Maus ; ich warte. Dein Marcel” Ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke, mir fiel die Handtasche aus der Hand und den Zettel zerknüllte ich blitzschnell in meiner Hand. Mir wurde heiss und kalt und ich wusste nicht, ob ich wütend sein sollte, peinlich blamiert oder lachen sollte.Was war das denn für ein Typ ? Hatte ich nicht gesagt, dass ich Mann und Tochter hatte ?!Wie sollte ich meinem Mann nun den Zettel geben ?! “ Wo bleibst du Schatz ?!”, Thomas stand plötzlich hinter mir. Er sah zur Tasche hinunter, bückte sich und gab sie mir wieder. “ Wenn du hast, was du mir geben wolltest, legs mir einfach auf den Tisch im Büro, ja ? Ich muss da jetzt wieder weitermachen.”Er küsste mich leicht auf die Stirn und verschwand wieder.Ich sah ihm nach. Lieb und ruhig war er ja mein liebster Mann, aber immer im Büro. Ich seufzte. Na ja.Ein Tag noch, dann würde ich mit Betty und ihren Freundinnen tanzen gehen.Ich erzählte es am Abend Anne, als sie Heimkam.“ Du und tanzen ? Tz !”, Anne schüttelte den Kopf “ Da will ich nicht bei sein.”“ Ich weiß, dass du mich für langweilig hälst, aber das liegt nicht an mir, sondern an dir und an deinen Wandlungen.”, erklärte ich ihr einfach und ließ mich nicht weiter von ihren Worten beunruhigen.“ Klar ! Meine Wandlungen !”, motzte sie nun. “ Bei dir passiert gar nichts mehr, als mach mich nicht an, dass es an mir liegt.” Ich schüttelte mit dem Kopf. “ Du hast mich nicht richtig verstanden, Anne. Aber werd du erstmal so alt wie ich, dann sprechen wir uns wieder.” Nun rauschte Anne wütend ab. Das sie wütend war, hörte ich, nachdem sie ihre Zimmertür zu geknallt hatte, was sie eben nur dann tat, wenn ihr etwas zuviel war. Ich ertappte mich seit Jahren immer wieder dabei, dass ich wie meine eigene Mutter sprach. Inzwischen empfand ich es aber nicht mehr als unangenehm, nein, meine Mutter hatte tatsächlich Recht behalten, mit vielem, was sie mir früher sagte und das wusste ich heute und später würde Anne das gleiche zu ihren Kindern sagen. Es war soweit. Der Abend näherte sich und ich zog mir einen dunkelblauen Tunika an, eine weisse Röhrenhose und meine blauen Pumps.Ich schminkte mich etwas betonter. Meine Haare waren dank des Kurzhaarschnitts schnell fertig hergerichtet.Ich verabschiedete meinen Mann mit einem Kuss. “ Viel Spaß!”, wünschte er mir und sah wieder gebannt auf seinen Bildschirm. Ich glaube, er hatte gar nicht richtig gesehen, dass ich etwas völlig anderes trug, als wie immer, Kostüme oder Hosenanzüge. Ich stand beim Abschied allerdings auch hinter ihm. Er drehte seinen Kopf nur kurz zur Seite, um mir einen Kuss zu geben, den Blick weiterhin auf den Bildschirm gerichtet.Ich machte mir nichts daraus. So war Thomas halt. Betty trug ein langes, enges schwarzes Kleid, ein weisses dünnes Häkeljäckchen darüber. Ihre braunen Haare hatte sie sich hochgesteckt. Sie war eine sehr schlanke Frau.Ich hätte so ein Kleid nicht tragen können, dafür war meine Taillie dann doch etwas breiter, so das ich mich auch gar nicht wohl gefühlt hätte darin.Wir begrüßten uns mit einer herzlichen Umarmung bei ihr unten am Wohnblock, dann liefen wir zu Fuß zur U Bahnstation und stiegen ein.Zwei Stationen weiter stieg ihre erste Freundin dazu. Sie hieß Carola, trug schlichte Jeans, schlichte Schuhe und eine schlichte beigefarbene Bluse, aber sie hatte langes dunkles Haar, dass ihr fast bis zum Po reichte und obwohl sie gar nicht geschminkt war, hatte sie eine unglaublich schöne Ausstrahlung. Und wenn sie lachte, bildeten sich ganz viele kleine Fältchen um ihre Augen, was sie noch symphatischer machte.Auch die zweite Freundin, die eine weitere Station dann dazu stieg, war sehr freundlich.Hannah trug ein gewagtes Glitzershirt und eine schwarze Hose dazu. Ihre kurzen blonden Haare waren meiner Frisur fast ähnlich. Wir landeten in einem Tanzlokal mit angrenzendem Café. Wir setzen uns zuerst ins Café und plauderten. Carola erzählte von ihrem Hund Spongebob. Als ich sie fragte, ob sie Familie hätte, verneinte sie. Sie hätte sich bewusst dagegen entschieden. Ihr Freund arbeitete im Ausland, jeder hatte eine eigene Wohnung.Sie selbst war 44 und Zahnärztin. Hannah war 40 und seit drei Jahren geschieden. Ihr Sohn lebte beim Vater seit er 14 war. Inzwischen ist er 16. Hannah war ebenfalls Angestellte in der Buchhandlung. Als ich von meinem Leben berichtete und das ich nun zu Hause saß und mich langweilte, sahen Hannah und Carola mich bemitleidend an. Sie rieten mir dann ebenfalls, wieder voll in Arbeit zu gehen. Ich nickte, denn der Gedanke daran gefiel mir von Tag zu Tag besser. Zum späteren Abend hopsten wir auf der Tanzfläche. Und gegen 1 Uhr traten wir den Rückweg mit der U Bahn an. Gegen 2 Uhr saßen ich und Betty noch bei Betty auf dem Sofa und sprachen über Gott und die Welt. Sie erzählte mir, dass Bernd, ihr Mann, sich vor einem Jahr noch ein Kind gewünscht hatte und das fast die Ehe daran zerbrochen sei, weil sie keine Kinder mehr wollte und er sich zu dem Zeitpunkt auch noch seinen Arbeitsplatz verloren hatte. Darum wollte er dann wahrscheinlich auch nochmal ein Kind. Inzwischen sei das aber alles wieder geregelt. Ich erzählte ihr dann von dem fremden Typen und fragte sie, was ich davon halten sollte. Dabei musste sie dann doch losprusten.“ Ehrliche Antwort ?”, fragte sie mich. “ Ja bitte.”, antwortete ich und war gespannt auf das, was sie mir sagte.“ Ruf ihn einfach mal an und sag, dass du den Zettel unverschämt findest. Und warte ab, was passiert.”, sagte sie dann und lachte.“ Das ist nicht dein ernst, oder ?!”, ich blickte sie schockiert an.Sie lachte noch mehr, legte den Kopf in den Nacken  und klopfte sich aufs Bein. “ Guck mich nicht so irritiert an.”Ich wusste gar nicht, was daran so witzig sei.“ Ich will gar nicht wissen, wie du mit dem Typen gesprochen hast. Ich kanns mir bildlich vorstellen, so gut kenn ich dich noch immer Rosalie!” brach es aus ihr heraus.Nun musste ich auch lachen.Am nächsten Morgen wachte ich erschrocken um kurz nach 10 auf. Ich fand mich auf dem Sofa von Bettys Wohnzimmer wieder. Sie kam kurz darauf im Bademantel zu mir rein und zeigte aufs Bad. “ Guten Morgen. Mach dich frisch und dann komm auf den Balkon, ja ? Wir frühstücken.”, sagte sie und lächelte. Ich nickte. Nachdem ich mich gewaschen hatte und wir draußen saßen, rief ich erstmal Thomas an. Er wünschte uns einen schönen Guten Morgen und sagte mir, dass ich mir Zeit lassen könnte, da er sowieso heute in der Kanzlei zu tun hätte.Betty verdrehte die Augen, nachdem ich aufgelegt hatte.“ Immer noch, wie am Anfang, was ? Immer am arbeiten, der Gute.”, sagte sie und sah mich an. Ich zuckte mit den Schultern. “ So ist das halt. “, sagte ich. Wir frühstückten und dann machten wir einen Spaziergang am Tegeler See.Mittags gingen wir zum Restaurant und am Nachmittag fuhr ich dann wieder nach Hause.Es vergingen weitere zwei Wochen, an denen ich mich wieder mal sehr langweilte. Thomas musste dann beruflich für drei Tage zu einer größeren Veranstaltung. Ich war bereits ein paar Mal dabei, allerdings langweilte mich das die letzten Male sehr und somit entschied ich mich irgendwann dazu, zu Hause zu bleiben.“ Möchtest du wirklich nicht mit, mein Schatz ?”, fragte mich Thomas am Abend vor seiner Abreise.“ Nein, wirklich nicht.”, antwortete ich. Bisher hatte ich das Thema, dass ich wieder arbeiten wollte, noch nicht neu aufgerollt, allerdings wollte ich es bald tun. Morgens verabschiedeten wir uns mit einem flüchtigen Kuss und dann war Thomas auch schon verschwunden und ich spazierte erstmal langsam durch unseren Garten. Wir hatten einen riesigen Garten, der wunderschön angelegt war. Ein Teich der der Natur entsprechend nachempfunden war. Der Gärtner kam im Sommer dreimal die Woche. Es gab immer was zu tun. Es wuchsen Buchsbäume, schöne lilablühende grosse Lavendelbüsche.Ich setzte mich auf die weisse Bank unter unserem Weidenbaum, der unser Grundstück zierte. Mir ging der Typ nicht aus dem Sinn. Egal, was ich machte. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich an ihn dachte, dabei kannte ich ihn nicht einmal. Es war einfach dieser dumme Zettel. Und ich hatte ihn auch noch dazu aufgefordert !Ich schlug mir mit der flachen Hand an die Stirn. DAS war es ! Genau, dass war es !ICH hatte ihn quasi dazu animiert, mir so eine Nachricht zu hinterlassen, da er dachte, ich wollte die Unnahbare spielen und eingefangen werden.Oder so ähnlich ! Aber was wollte er mit so einer alten Schachtel wie mir ?!Immerhin war ich bereits 39 und die 3 vorne legte ich dieses Jahr noch kurz vor Weihnachten ab. Somit gute alte 40 !Mir grauste heute schon davor. Mich konnte der Typ nicht wollen. Vielleicht meine Tochter ?! Ja, dass war es. Er wollte sich an meine Tochter ranmachen. Wohlmöglich kannte er sie und versuchte es deshalb. Aber dann würde er sie doch selbst ansprechen, oder ?Ich schüttelte den Kopf. Nein, dass konnte es auch nicht sein.Ich lehnte mich mit dem Kopf zurück und sah hinauf zum Baum. Die Blätter bewegten sich leicht im Wind, die Sonne blinzelte dadurch. Es war nicht heiss, aber auch nicht kalt. In meinem Hausanzug konnte ich es hier draußen gut aushalten. Es war Juni.Marcel. So hieß er also. Der Name klang recht schön. Kannte er etwa meinen Sohn Sebastian ? Ich verdrehte die Augen. Nein, bestimmt nicht.Vielleicht wollte er Geld ? Ja, dass könnte es sein. Ich sollte ihm Geld zahlen. Er hatte mein Auto gesehen und ich hatte ihm gesagt, dass er eine Entschädigung bekäme und nun wollte er mich erpressen und forderte Geld ! Ich wurde blass ! Was ist, wenn er meinen Mann aufsuchen würde und ihm das erzählen würde, dass ich ihm angeboten hatte, dass er Geld bekäme ?!Ich ging zum Haus zurück und holte den Zettel aus dem Versteck hervor, dass war bei mir eine kleine Schublade in meinem Schmuckkästchen.Ich holte mein Handy aus der Tasche und tippte die Nummer von Marcel.“ Der Teilnehmer ist ... “, Sprachbox ! Ich wartete, bis ich losplappern konnte.“ Hör mal zu mein Freund ! Du kriegst kein Geld von uns ! Lass uns in Ruhe !”Ich legte auf. Meine Hand zitterte, meine Ohren waren ganz heiss und ich kniff die Augen zusammen. WAS hab ich denn jetzt gemacht ?! Wie peinlich war das denn ?!So bin ich doch sonst nicht. Ich legte das Handy zurück in die Handtasche, machte mir in der Küche einen Kaffee und flitzte dann hektisch nochmal zurück. Ich holte das Handy wieder aus der Handtasche und sah drauf. Nix passiert. Ich entschloß mich, dass Handy auszuschalten. Nun atmete ich auf. Ich war unter keinen Umständen erreichbar.Bis zum Abend erwischte ich mich noch x Mal dabei, wie ich immer wieder an meine Handtasche ging, um auf das ausgeschaltete Handy zu starren. Es passierte aber nichts.Anne kam zum Abendessen nach Hause.Sie setzte sich schweigend zu mir an den Tisch. Es war eine der wenigen Abende, wo sie keinen Ton sagte. “ Alles in Ordnung ?”, fragte ich sie.“ Pah !”, blaffte sie mich plötzlich an “ Alles in Ordnung ! Nix ist in Ordnung ! Alles fürn Arsch !”“ Nun beruhige dich doch erstmal und erzähl mir was los ist !” , beschwichtigte ich sie.“ Mein feiner Freund macht mit meiner besten Freundin rum ! DAS ist los ! Willst du noch mehr wissen ?” , blaffte sie wieder, diesmal klang es aber jämmerlicher.Ich wollte sie in den Arm nehmen, doch ich vermutete, dass sie mir schon vorher ausweichen würde, also blieb ich ruhig auf meinem Stuhl sitzen. Sie warf ihre Serviette auf den Teller, nachdem sie fertig war.“ Erzähl mir, was genau passiert ist.”, sagte ich sanft.“ Das könnte dir so passen !”, blaffte sie mich an und ihre Augen glühten fast vor Trauer und Wut. Ich konnte aber erkennen, dass es mehr Trauer war, ihre Augen sahen ziemlich verheult aus. Ich wollte ihr zu ihrem patzigem Gehabe etwas sagen, doch ich schwieg. Sie brauchte jetzt bestimmt nicht noch meine Zurechtweisung, also ließ ich die Fragerei und widmete mich einfach der Zeitung, die neben mir auf dem Stuhl lag.Anne verließ die Küche und ging in ihr Zimmer. Ich konnte nichts tun, nur hier sein.Während ich den Geschirrspüler einräumte, riss mich das Klingeln des Telefons aus meinen Gedanken. “ Schatz ! Da bist du ja. Wieso ist dein Handy ausgeschaltet ? “Es war Thomas.“ Oh! Tatsächlich ?” Ich glühte vor Scham und war heilfroh, dass Thomas mich nicht sehen konnte.“ Dann ist mein Handy wohl aus gegangen. Ich werde es gleich aufladen.”“ Ja, mach das.” Thomas erzählte mir kurz, dass er gut angekommen sei und das es ein langer Tag war und er nun ins Bett gehen würde. Ich sagte ihm, dass ich mich freue, dass er gut angekommen sei und wünschte ihm eine Gute Nacht.Dann legten wir beide auf.Ich wartete bis spät abends und bevor ich ins Bett ging, schaltete ich mein Handy ein.EIN Anruf von Marcel um 17. 50 Uhr und 1 SMS um 17. 51 Uhr: “ Schade.”Mehr nicht ?????Einmal hatte er es nur versucht und nicht einmal drauf gesprochen, sondern nur ein lausiges “ Schade” hinterlassen ?! Ich war enttäuscht. Frustriert legte ich mich ins Bett. Im Bett kreisten meine Gedanken weiter.Wieso war ich überhaupt enttäuscht ? Und was hatte ich erwartet ?Ich musste einsehen, dass es alles nur lächerlich war. Ich nahm den Zettel aus meinem Schmuckkästchen und zerriss ihn in kleinste Stückchen, dann ging ich extra nach draußen zur Mülltonne und vergrub und verteilte die kleinen Fitzel unter und zwischen dem anderen Papier. Ich würde so oder so die Nummer nicht mehr lesen können.Zu guter letzt löschte ich den Anruf bei Marcel aus meiner Anrufliste, löschte seinen Rückruf und löschte die SMS.Im Bett tauchte dann sein Name wieder auf. Marcel. Ich konnte alles löschen, aber nicht meine Gedanken.Ich versuchte einzuschlafen. Am nächsten Tag passierte wieder nichts.Ich schlich nun um mein Handy wie eine Raubkatze.Anne ging morgens zur Schule und verschwand mittags nach dem Essen direkt in ihr Zimmer.Sie sprach nicht mit mir und erzählte mir nichts.Ich fühlte aber regelrecht, dass sie sehr traurig war und das tat mir fast selbst im Herzen weh. “ Magst du morgen mit mir shoppen gehen ?”, fragte ich sie am Abend.Sie sah mich an und schüttelte den Kopf.“ Wir haben unterschiedliche Vorstellungen von shoppen Mama.”, murmelte sie und ich war ziemlich erstaunt, dass sie sogar mal wieder einen vernünftigen Satz, der sogar das Wort Mama beinhaltete, aussprach.Ich gab noch nicht auf.“ Dann zeig mir, wie du shoppst. Ich mach alles mit.” Ich lehnte mich auf den Stuhl zurück und sah sie herausfordernd an. “ Na was ist.”Anne sah mich prüfend an, dann schmunzelte sie und ihr Blick erhellte sich.“ Okay.” , antwortete sie. “ Du machst alles mit.”Wir beschlossen, gleich morgen nach der Schule nach Berlin zu fahren. Die Hallen am Borsigturm eigneten sich gut zum Shopping, fand ich, doch Anne wollte mit der U Bahn weiter und zwar Richtung Spandau. Sie fand dort einen tollen Laden. Ich fand den Laden überhaupt nicht toll, aber ich wollte keine Spießerin sein. Also kaufte ich ihr ein paar neue Klamotten, die eigentlich aussahen, wie getragen, aber ich verkniff mir jegliches Kommentar.“ Darf ich ein Piercing?”, fragte sie mich, als wir bei McDonalds saßen.“ Du spinnst wohl!”, sagte ich und tippte mir mit dem Zeigefinger an die Stirn.Sie lachte. “ Das war auch ein Scherz. Wenn ich 18 bin, lass ich mich tätowieren. Piercings mag ich selber nicht. Ausserdem ist mein Ex gepierct und ich hab kein Bock darauf, dass er denkt, ich hätte das nur gemacht, um ihn wiederhaben zu wollen. Der Arsch kann mich mal!”“ Wo wir grad beim Thema sind. Magst du mir nicht erzählen, was war ?”, fragte ich vorsichtig.“ Meine Exbeste Freundin hat sich meinen Exfreund geschnappt und der dumme Arsch geht voll drauf ein!” , erzählte sie. “ Und wie äussert sich das im Detail ?”, fragte ich.“ Nee Mama, dass ist echt zu fett jetzt. Hab kein Bock jetzt auf die Scheisse ! Echt nicht !”Ich hob abwehrend die Hände. “ Schon gut, schon gut. Ich frag nicht mehr!”“ Weißt du, warum ich mit dir überhaupt hierher mitgefahren bin ?” , fragte sie mich dann und als ich den Kopf schüttelte, sprach sie weiter: “ weil du kein biederes, ödes Kostüm trägst, sondern ne Normalojeans und ne Shirt.” Ich sah sie nun irritiert an. “ Findest du meine Kostüme etwa bieder und öde ?”, fragte ich sie.Ich war tief getroffen, trug ich doch schon Jahrelang immer Kostüme und auch Hosenanzüge und ich fühlte mich darin weitestgehend wohl. Thomas liebte das an mir.Auch der bekam nun von Anne nichts gutes gesagt.“ Nur weil Papa die öde Klamotte gut findet, musst du nicht ewig rumlaufen wie ne vertrocknete, öde Tomate. Ausserdem nimmt Papa dich kaum wahr, da kannste auch nackt gehen, dass würd dem nicht auffallen. Mich nimmt er noch weniger wahr. Hauptsache Sebastian, der blöde Penner! Bin froh, dass der Blödmann nicht mehr zu Hause wohnt.”Soviele harte Worte auf einmal. “ Du urteilst aber ziemlich hart über deinen Vater, weißt du das ?!”, fragte ich sie.“ Du wolltest doch ne Meinung und nun haste sie. Ich sagte doch, dass wir  unterschiedlich sind. Für dich ist unsere Familie heile, für mich ist sie fürn Arsch. Papa sieht und hört nix und du wirst auch immer schlimmer. “ Ich seufzte. “ Dein Vater hat immer sehr viel zu tun, Anne. Er hat schließlich die Kanzlei. Das kann man nicht einfach mal liegen lassen.” versuchte ich ihr zu erklären.Anne stellte scheinbar die Ohren auf Durchzug.Am Abend kam Thomas zurück und gerade, als ich das Essen auf den Tisch stellte, klingelte mein Handy laut. Ich hatte vergessen, es wieder in die Handtasche zu stecken. Ich trug es mit mir herum in meiner Hosentasche.Thomas und Anne sahen mich beide gleichzeitig irritiert an.Ich ließ es einfach klingeln und ein paar Sekunden später piepte es dann auch noch. Wir saßen am Tisch und ich hatte glühendheisse Ohren.Ich wusste genau wer es war. Es konnte nur Marcel sein. Ich spürte es förmlich.Ich musste mich strikt ein Grinsen verkneifen.“ Warum gehst du nicht an dein Handy, Mama ?”, fragte mich Anne mit weit aufgerissenen Augen.“ Die Frage lautet doch: Warum trägst du dein Handy mit dir herum, mein Schatz, hm ?!”, sagte Thomas.“ Betty wollte mich anrufen wegen einem erneuten Tanzabend und ich habe ihr versprochen, sofort erreichbar zu sein, da sie nur wenig Zeit hat.” , log ich und mein Hals schnürrte sich fast zu. “ Kapier ich nich !”, sagte Anne. “ Was ist das denn fürn stumpfsinniger Schwachsinn, wenn du nun nicht ans Handy gegangen bist ?!”“ Anne ! Bitte !”, mischte Thomas sich ein.“ Iss jetzt Anne.”, beendete ich das Thema.Ich sah weder Thomas, noch Anne an, sondern konzentrierte mich auf mein Essen.Später verschwand Anne in ihr Zimmer und Thomas teilte mir kurz mit, dass er noch am Skatabend teilnehmen wollte. Somit war ich allein.Nachdem ich die Küche aufgeräumt hatte, nahm ich ein Bad.Anschließend legte ich mich ins Bett.Im Bett schaute ich auf mein Handy.Ein Anruf von Marcel, trotz unbekannter Anruf, ich erkannte die ersten Ziffern seiner Nummer, um 18. 30 Uhr und eine Nachricht auf der Mailbox.Ich hörte die Mailbox ab. “ Schade.” Das einzige, was Marcel mir auf die Mailbox gesprochen hatte, war “ SCHADE” ???Ich ließ mir die Nachricht noch etwa zehn Mal wiederholen.Das “ Schade” klang ruhig, aber seine Stimme war rauh. Es klang nicht böse, nicht genervt, nicht traurig, nicht egal. Es klang, wie es war, schade einfach.Am nächsten Tag war ich mit Heide zum Frühstück verabredet.Sie wollte mir die Wege für einen Wiedereinstieg in den Beruf erörtern, was ich beachten und berücksichtigen müsste, da ihre Schwester Meike als Coachin arbeitete und ihr ganz viele Tipps für mich mitgegeben hatte. Die Schwester selbst wohnte in München, somit war ein Treffen mit ihr nicht möglich.Ich machte mich zurecht, nachdem Thomas und Anne das Haus verlassen hatten.Heidi begrüßte mich mit einer herzlichen Umarmung.“ Ich machs kurz. Ich bekomme nicht alle Informationen zusammen, so wie du sie brauchst, aber Meike hat mir eine Visitenkarte von einem guten, ihr bekannten Coacher geschickt. Sie hat ihn bereits kontaktiert und deinen Namen erwähnt und solltest du Interesse haben, zieht er dich vor.”, erklärte Heide mir freundlich und legte mir ihre Hand auf meine Hand: “ Wenn du meinen Rat hören möchtest. Ich empfehle dir, diesen Mann aufzusuchen, denn er wird mit dir alles besprechen, was dir auf der Seele brennt.”Meike war private Berufsberaterin für Wiedereinsteiger und Wiedereinsteigerinnen. Ich nickte. “ Ich finde diese Idee gut und ich werde es annehmen.”Ich steckte die Karte in meine Handtasche. Wir frühstückten.Zu Hause holte ich mein Handy aus der Handtasche, sowie die Visitenkarte.Die Sekretärin war am Apparat und wir vereinbarten gleich einen Termin für den kommenden Nachmittag.Ich freute mich, dass es so schnell ging, aber das hatte mir Heide ja schon versichert, da mein Name dort vorgemerkt war.Tags darauf kam ich pünktlich in Berlin, im Bezirk Reinickendorf bei dem Gebäude an, wo das Büro des Coachs sich befand. Ich hatte mich zurecht gemacht, trug kein Kostüm, sondern ein rot weiss gestreiftes Stretchkleid. Dazu hatte ich Riemchensandalen an.Die Sekretärin empfing mich freundlich. Sie war eine alte Frau, bestimmt schon fast 60.Aber sehr gepflegt und freundlich. Sie zeigte auf eine Tür im Raum, ich nickte und ging ins Büro des Coachs. Ich setze mich ans Fenster auf die mit Kissen ausgelegte Rattanbank. Das Büro war gross und sehr hell und es gab ein riesiges Panoramafenster mit einer wunderbaren Aussicht. Die Sonne schien, blendete aber nicht. Es war warm in dem Raum, angenehm warm. Ich fühlte mich sofort wohl. Neugierig und auch etwas aufgeregt wartete ich auf den Coach. Nun hatte ich immer noch nicht mit Thomas gesprochen, dass ich wieder anfangen möchte zu arbeiten. Vielleicht würde es ihn aber ja auch gar nicht interessieren ? Ja, vielleicht würde er noch nicht einmal merken, wenn ich wieder arbeiten ginge ? Aber dann bräuchte ich meine Putzfrau am besten schon jeden Vormittag im Haus, da sie Frühstück abräumen, sowie Mittagessen hinstellen müsste. Aber das könnte ich unmöglich verlangen. Dafür brauchte es wieder Jemand anderes. Olivia war nur zum reinigen bei uns. Nicht mehr und nicht weniger.Ich machte sonst alles selbst.“ Guten Tag Frau Henze. “, riss mich eine rauhe Stimme aus meinen Gedanken und ich drehte meinen Kopf schockiert in die Richtung des jenigen.Auch der Mann selbst sah mich plötzlich verwundert an, dann schmunzelte er: “ ach nee.”Ich hatte sofort glühend heisse Ohren und mein Hals schnürrte sich zu. Ich wollte am liebsten wegrennen, aber ich wusste nicht wohin und so blieb ich einfach stocksteif sitzen.“ Ist das Zufall oder eine Strategie von Ihnen ?” , fragte er und grinste nun breit. “ Wollen sie auch einen Kaffee ?” Er ging zum Kaffeeautomaten, den er in einer Ecke des Raums auf einem Regal stehen hatte, holte zwei Tassen aus dem unteren Fach und schaltete die Maschine ein.Während der Kaffee durchlief, blätterte er in einem Ordner und dann legte er ein paar lose Blätter auf dem Glastisch vor mir hin, ohne mich dabei anzusehen. Er stellte die erste volle Tasse Kaffee dazu auf den Tisch. “ Gut, weder so noch so. Verstanden. “ sagte er und lief rüber zu einem anderen Schrank, holte Kugelschreiber und einen Ordner heraus. “ Sie sind hier, weil Sie wieder ins Berufsleben einsteigen wollen.” , sprach er weiter  und legte Ordner und Kugelschreiber  auf den Stuhl, der gegenüber der Bank stand auf der ich saß. Ich nickte, aber ich war mir nicht sicher, ob er das überhaupt wahrnahm. Immer noch saß ich wie erstarrt da und konnte nicht fassen, mit wem ich hier im Raum war. Es war Marcel !!! Der Typ !!!Aber er sah null aus wie ein Penner oder sonstwas. Er trug sein schwarzes Haar zwar immer noch strubbelig, aber es hing ihm nicht in den Augen und er trug auch keine Lumpenkleidung wie neulich, sondern eine Stoffhose und ein Hemd mit Krawatte. Im Kostüm oder im Hosenanzug hätte ich mich in dieser Situation wohl sehr viel wohler gefühlt. In meinem Kleid fühlte ich mich nun einfach nur klein und hilflos und irgendwie wie ein Mädchen, was den Mund nicht aufbekam. Zum Glück reichte das Kleid immer noch bis über die Knie auch im sitzen. Ich legte blitzschnell die Beine übereinander und verschränkte die Arme vor die Brust.Glücklicherweise war das Kleid hochgeschlossen, so das ich mir darüber keine Gedanken machen musste. “ Wir besprechen Ihr Problem und entwickeln Lösungsstrategien. Wo Sie gerade stehen, wohin Sie wollen u.s.w., ...”, sprach er weiter und stellte die zweite Kaffeetassee auf den Tisch. Dann holte er noch Zucker und Milch und anschließend nahm er Ordner und Kugelschreiber und setze sich auf den Stuhl mir gegenüber. Den Ordner, sowie den Kugelschreiber legte er sich auf den Schoß.Ich starrte stumm auf die Blätter, die auf dem Tisch neben den Tassen Kaffee lagen.“ Ich baue Ihre Ängste ab, bereite Sie auf Bewerbungsgespräche vor und gebe Ihnen zusätzlich wertvolle Tipps.” sprach er weiter. “ Nun dürfen Sie sich mir aber erst einmal  detaillierter vorstellen und mir mitteilen, wo Sie sich gerade in Ihrem Leben befinden und wo Sie beruflich wieder anknüpfen möchten.” Ich wusste, dass er mich nun ansah, aber ich traute mich nicht, den Kopf zu heben und es ihm gleich zu tun. Dann müsste ich ihm in die Augen sehen und mir wäre alles noch viel unangenehmer. Es war zwar sehr freundlich von ihm, wie er nun die gesamte vergangene Situation diskret überging, dennoch hatte ich plötzlich die Szene auf dem Parkplatz wieder vor meinem inneren Auge und es war mir alles unsagbar unangenehm.“ Bitte entschuldigen Sie.”, setzte ich leise an, hob dann den Kopf und sah ihn so sachlich an, wie möglich, obwohl mir innerlich zum heulen zumute war. “ Da wir uns im Vorfeld unangenehm begegnet sind, halte ich es für ungut, mit Ihnen über mein Leben zu sprechen. Eine Zusammenarbeit lehne ich aus diesem Grund ab. ““ Nichts für ungut, dennoch sollten Sie gleich wieder lernen, dass Sie privates und berufliches trennen müssen.”, antwortete er trocken.Er sah mich nun nicht mehr an, sondern trank seinen Kaffee.“ Trinken Sie Ihren Kaffee. Ich werde Ihnen keine Rechnung ausstellen. Es fand ja kein Gespräch statt.” , erklärte er, ohne mich anzusehen.Ich trank meinen Kaffee in kleinen Schlucken und sah dabei zu, wie er wieder Ordner und Blätter wegräumte. Dann ging er sogar an sein Handy, als dies summte.“ Ja ? .... ist in Ordnung. Ich bin da. Gleiche Uhrzeit wie gestern, genau. Okay. Bis nachher.”“ Machen Sie auch Hausbesuche oder was war das ?”, fragte ich.“ Nein, dass ist mein Zweitjob.”, antwortete er trocken und setzte sich an seinen Bürotisch auf den Stuhl. Ich stellte die Tasse zurück auf den Tisch und stand auf. Er stand dann ebenfalls wieder auf und geleitete mich zur Tür. Er fasste an die Türklinke, um sie runterzudrücken und zu öffnen. Ich stand direkt neben ihm und konnte ihn riechen. Und er musste mich auch riechen können. Mir war kochendheiss und fast schwindelig. Nachdem er die Tür einen Spalt geöffnet hatte, drückte er sich in der nächsten Sekunde wieder zu und stellte sich davor. Nun ganz dicht vor mir, so das ich einen Schritt zurückwich.“ Ich fand unsere Begegnung im Vorfeld keineswegs unangenehm.”, sagte er sanft mit seiner rauhen Stimme. Mir glühten wieder die Ohren. Ich nickte nur und hoffte, dass er nun endlich die Tür öffnen würde. “ Ich find es sehr schön, dass ich dir begegnet bin und du jetzt hier bist.”, sprach er weiter.Sein Kopf neigte sich vor und er trat einen Schritt dichter an mich ran. Unsere Körper berührten sich nun fast und ich bekam Herzklopfen bis zum Hals.“ Ich muss jetzt los.”, platzte es aus mir heraus und Marcel wich dadurch wieder einen Schritt zurück. “ Okay, okay.”, sagte er und öffnete mir die Tür. “ Tschüss.”, murmelte ich und floh regelrecht an ihm vorbei zur Tür hinaus. “ Tschüss.”, hörte ich ihn sagen und seine Tür ging wieder zu.Der Sekretärin winkte ich nur kurz zu und dann verließ ich auch schon die Etage, strumpelte die Treppen im Hausflur herunter und atmete erst wieder tief ein und aus, als ich unten auf der Straße angekommen war. Dann eilte ich schnell zum Parkplatz, stieg in mein Auto und fuhr weg.Es dauerte in dem Verkehr eine halbe Ewigkeit bis ich aus der Stadt war. Zu Hause angekommen ließ ich meinen Tränen erst einmal freien Lauf. Ich hatte mich selten so schrecklich gefühlt. Alles war falsch und drucheinander und ich wusste nicht mehr, was ich fühlen sollte. Am Abend saß ich zusammen mit Anne beim Abendbrottisch. Thomas verspätete sich.Erst als wir bereits mit dem Essen fertig waren, kam er nach Hause.Aber er ging direkt in sein Büro und ich ließ mir ein Bad ein. Ich stopfte das rot- weiß gestreifte Kleid in einen Sack und legte ihn zu den anderen Sachen, die ich entsorgen wollte. Die Riemchensandalen packte ich in einen Schuhkarton und brachte sie in den Keller zu anderen Schuhkartons.“ Mein Ex hat mir heute eine SMS geschickt.”Anne stand plötzlich im Badezimmer vor mir, während ich in der Wanne lag.Was war denn nun los ? Ich wollte meine Gedanken sortieren, doch ich konnte Anne unmöglich rausschicken, da sie so gut wie nie von sich aus ankam und erst recht nicht mehr ins Bad, wenn ich in der Wanne lag. “ Und was stand drin ?”, fragte ich.Sie setzte sich auf den Hocker, der neben der Badewanne stand und zupfte an ihrem Shirt herum. “ Da stand drin, dass er mich um Verzeihung bittet und er nur mich liebt und mit Laura nichts lief.” , erzählte sie.“ Und was glaubst du ? Was willst du nun tun ?”, fragte ich sie weiter.Sie zuckte mit den Schulten.“ Was soll ich schon tun ?”, murmelte sie : “ Ich hab die beiden doch gesehn.”“ Was hast du denn gesehen ?”, fragte ich.“ Na wie die beiden zusammen standen und geredet haben und wie Laura dann gegrinst hat.”, erzählte sie.“ Hast du denn gefragt, worum es da ging ?”, fragte ich weiter.“ Sicher ! Mama ! Glaubst du, ich mach mich völlig zur Idiotin und lauf dann noch zu denen hin ?” , motzte sie plötzlich.“ Wie kannst du dann sagen, dass die beiden etwas miteinander hatten ?”, fragte ich sie.“ Weil ich es gesehn habe !” , jetzt schrie Anne mich fast an.“ Frag doch erstmal, anstatt gleich das schlimmste zu vermuten.”, riet ich ihr.“ Deine Tipps sind echt fürn Arsch!”, motzte sie mich an und stand vom Hocker auf: “ Vergiss was ich gesagt habe, du hast keine Ahnung ! Deine Ehe mit Papa ist der letzte Scheiss ! Kein Wunder, dass du solche bescheuerten Fragen stellst ! “ Ehe ich noch etwas erwidern konnte, war sie aus dem Badezimmer verschwunden.Meine Ehe ist der letzte Scheiss ! Und das von unserer Tochter.Ich kniff die Augen zusammen und tauchte erstmal im Badewasser kurz unter. Irgendwann, kurz vorm einnicken, stieg ich aus der Wanne.Ich wickelte mich in den Bademantel und ging rüber ins Schlafzimmer. Nachdem ich mir meinen Pijama angezogen hatte, legte ich mich ins Bett. Thomas stand auf einmal im Schlafzimmer und gab mir einen Gute Nacht Kuss, was selten vorkam. Heute Abend ging auch er mal wieder früher ins Bett.Es verging eine ganze Woche und immer noch konnte ich nicht aufhören, an Marcel zu denken.An einem Tag, mitten in der Woche hatte ich einen erneuten Anruf in Abwesenheit auf meinem Handy. Es war Marcel, doch ich hatte ihn konsequent gelöscht.Zum Wochenende kam endlich Sebastian nach Hause.Ich freute mich überaus und machte Hackbraten. Für den Nachmittagskaffee hatte ich einen Frankfurter Kranz gebacken.Sebastian kam für einen ganzen Mittag und Nachmittag. Aber er wollte nicht allein kommen, sondern uns jemanden vorstellen.Ich rannte permanent von Küchenfenster und Haustür hin und her, weil ich sehr aufgeregt war. Ich trug ein weißes langes Spaghettiträgerkleid und einen blauen Bolero dadrüber.Thomas wollte erst zum späten Nachmittag nach Hause kommen, da er noch mit ein paar Kollegen segeln war. Anne versteckte sich immer noch durchgehend in ihrem Zimmer, allerdings hatte sich ihre Laune ein wenig gebessert. Vielleicht erzählte sie es mir nicht, aber vermutlich hatte sie sich doch wieder mit ihrem Freund versöhnt. Ich strahlte übers ganzes Gesicht, als ich den weissen Golf auf den Hof fahren sah.Ich stand vorm Küchenfenster und beobachtete, mit wem mein Sohn ausstieg. Mein Sohn kam in einem beigefarbenen Anzug und hatte sich doch tatsächlich seine blonden Locken abschneiden lassen. Er trug jetzt kurzgeschorenes Haar. Die Frau, die auf der Beifahrerseite ausstieg war perfekt geschminkt und trug einen strengen, kastanienfarbenen Bob. Ihr eleganter weisser Zweiteiler und die weissen Pumps rundeten das Bild ab. Ehe Sebastian und seine Begleitung an die Tür schellen konnten, war ich auch schon dort und öffnete sie. “ Mutter, darf ich dir Victoria vorstellen ? Meine Freundin.”, sagte Sebastian und lächelte.“ Wunderbar. Ich bin Rosalie.”, sagte ich und nahm sie sofort herzlich in den Arm.Victoria wirkte etwas steif. Als ich sie losließ, strich sie erst ihren Zweiteiler wieder glatt, ehe sie mich dezent anlächelte. “ Freut mich.”, sagte sie schließlich.“ Wunderschöner Garten. Haben Sie den selbst angelegt ?”“ Nein, den haben wir so anlegen lassen.”, antwortete ich und begrüßte dann meinen Sohn mit einer Umarmung. “ Herrlich. “, sprach Victoria weiter und zeigte in die Richtung wo mein Auto stand.“ Ihr Auto ? Ein Audi. Welches Jahrgang ?”, fragte sie mich.Ich musste überlegen, war etwas überrumpelt.“ Äääh, ... ich glaube ...” “ Sie wissen es nicht ?! Macht ja nichts. Ich vermute, er ist aus der Baureihe 2000.” , sprach Gabriele weiter, ohne, dass ich zuende sprechen konnte.“ Das kann sein. Ich kann ja mal ..”“ Haben Sie Limonade im Haus ? Mir ist leicht schummerig von der Sonne. “Ich nickte.“ Kommt erstmal rein und setzt euch.”, sagte ich und sprach jetzt extra schnell, damit Victoria mir nicht wieder ins Wort fiel.Die beiden setzten sich in die Küche an den Tisch und ich holte Limonade aus dem Kühlschrank.“ Denk dran, dass wir pünktlich wieder los müssen.”, flüsterte Victoria Sebastian zu und tippte sich energisch mit dem Zeigefinger auf ihre Armbanduhr.Sebastian nickte und ich tat so, als hätte ich nichts gehört.“ Das Essen ist bereits fertig.” sagte ich und reichte Victoria die Limonade.“ Haben sie auch Eiswürfel ?”, fragte sie mich und ich holte Eiswürfel aus dem Tiefkühlfach.“ Wo ist denn Papa ?”, fragte mich Sebastian.“ Der ist noch beim segeln mit ..”“ Dein Vater segelt ? Wunderbar.”, unterbrach mich Victoria und sah erst zu Sebastian und dann wandte sie sich mir zu.“ Sind sie gar nicht dabei ? Segelt ihr Mann allein ?”Ich stellte die Töpfe auf den Tisch.“ Nein, ich segel selten mit ihm zusammen. Er hat dafür seine Kollegen.”, antwortete ich.So ging es dann die ganze Zeit während des Essens weiter.Ich musste mich nach dem Mittagessen für einen Moment ausruhen, von dem vielen Gefrage und von Victorias vielen Unterbrechungen. Ich schickte die beiden in den Garten, da Victoria ohnehin auch den Rest unserer herrlichen Anlage betrachten wollte.Mit Sebastian konnte ich so gut wie noch kein Wort wechseln.Victoria war sehr energisch.  “ Wer isn die Tussi ?!”, fragte mich Anne und warf einen abwertenden Blick Richtung Garten.Ich lag gerade einen Moment auf der Couch, als Anne ins Wohnzimmer kam.“ Victoria.”, murmelte ich nur.“ Agentin, Anwältin, Bänkerin ?”, fragte Anne gehässig und rümpfte die Nase:“ so ne blöde Nuss !”“ Bitte Anne.”, sagte ich leise, “ es ist Sebastians Freundin. Nun geh mal raus in den Garten und stell dich vor. Hättest ruhig zum Essen runterkommen können.”“ Hatte keine Lust. Mach ich mir später in der Micro warm, wenn die Tussi wieder weg ist.”, motzte Anne. “ Bleiben die noch lange ?”“ Vermutlich nein.”, murmelte ich. Das Victoria Sebastian bereits bei der Ankunft schon wieder mit der Abfahrt konfrontiert hatte, behielt ich für mich.Eigentlich hatte ich mich auf meinen Sohn gefreut, aber nun in Begleitung dieser Person, war ich fast froh, wenn beide wieder losfuhren. Mir tat selbst leid, dass ich so dachte. Ich wünschte mir nun sehnlichst Thomas herbei. Vielleicht konnte er das junge Paar etwas unterhalten. Vielleicht war ich die falsche Ansprechpartnerin für Victoria. Ihre Themen waren mir zumindest nicht alltäglich. Details über Autos und Segelboote, sowie genauste Details über jede Pflanze im Garten waren mir nicht wichtig und so konnte ich auch kein richtiges Gespräch mit ihr führen, des weiteren ließ sie mich nicht zuende reden, wartete nicht einmal meine Antwort ab.Ich rief Thomas kurzerhand an und fragte ihn, wann er nach Hause kommen würde, doch er ließ mir ausrichten, dass es vor dem Abendessen nichts werden würde.Beim segeln war das verständlich, aber ich hoffte, dass sie umkehren könnten.Er fragte mich, wieso ich überhaupt wolle, dass er früher käme, ich würde dies sonst nie tun. Ich sagte ihm, dass Sebastian mit seiner Freundin da war.Er wünschte uns einen schönen Nachmittag und sagte mir, dass ich Sebastian von ihm grüßen solle und unter Umständen könnte das Paar ja auch zum Abendessen bleiben, sollte ich genügend vorbereitet haben. Ich stimmte dem zu und legte dann auf.Natürlich hatte ich mehr als genug, doch ich hielt ehrlich gesagt, nichts davon, das Paar länger als bis zum Nachmittagskaffee aufzuhalten. Victoria würde schon dafür sorgen, dass sie pünktlich fortkäme, soviel war sicher und ich hatte auch keine Lust mehr, mich über derartige Themen zu unterhalten, bei denen ich sowieso nicht zu Wort kam.Sebastian und Victoria kamen nach etwa einer Stunde wieder ins Haus und wir gingen gemeinsam wieder raus und ich servierte Kaffee auf der Terrasse. “ Wir werden zusammenziehen, Mama.”, sagte Sebastian plötzlich.Ich starrte Sebastian an, dann Viktoria und dann wieder Sebastian. Zusammenziehen ? Wozu ? Warum ?“ Wie lange seid ihr denn jetzt zusammen ?”, fragte ich.“ Exakt 5 Monate und 4 Tage.”, sagte Viktoria wie aus der Pistole geschossen. “ Ich habe ein großes Appartment in Tegel am See, mit Dachterrasse und toller Aussicht. Wir werden auch zu zweit dort Platz haben. Sebastian verbringt ohnehin schon fast jede Nacht bei mir.”, erklärte Viktoria.“ Das wusste ich ja nicht.”, sagte ich und war schon etwas enttäuscht. Was wusste ich überhaupt noch von meinem Sohn ? Vor sechs Monaten hatte ich ihn zum letzten Mal gesehen, an Weihnachten und kurz an Neujahr. Dann reiste er für 3 Monate fort und nun war er zurück. “ Wir sind uns auf der gemeinsamen Studienreise näher gekommen.”, sprach Viktoria weiter und erzählte dann, wie und was es alles interessantes gab, dabei sprach sie sehr detailliert, aber auch derart schnell, dass ich meine Ohren am liebsten auf Durchzug gestellt hätte. Zwischendurch blickte sie immer mal wieder auf ihre Armbanduhr.“ Bist du auch 19 ? “, fragte ich. “ Ja, bin ich, zwei Tage jünger als Sebastian.”, antwortete sie und erzählte, dass sie Informatik studieren würde, ihre Mutter wäre Ingenieurin und ihr Vater wäre Lehrer an einer Universität in Berlin. Er lehrte Mathematik, Physik und Chemie.Sie hatte keine weiteren Geschwister. Das Appartment bezahlten ihre Eltern, sowie ihr Auto einen Audi Q5. Mir drehte sich der Kopf innerlich immer noch, als ich die beiden am Nachmittag verabschiedet hatte und ich mich zurück auf die Couch legte.Sebastian war ein kleiner Schlaumeier, dass hatte er von seinem Vater.Viktoria kannte ich noch nicht gut genug. Ich konnte nur meine ersten Eindrücke wiedergeben. Ihre strenge, energische Art, ihre Angespanntheit und ihr schnelles in einer Tonlage Reden. Ihren Hang zur Perfektion, was das Gesamterscheinungsbild anging, sowie ihre stocksteife Art, sich zu bewegen. Sie verzog selten eine Miene an dem ganzen Tag, wo sie hier war mit Sebastian, aber scheinbar schienen die beiden sich irgendwie zu verstehen. Sebastian hatte zwar nicht mehr viel zu sagen, da er nicht mehr zu Wort kam, doch es schien ihn keineswegs unglücklich zu machen.Ich beschloss, ihn am nächsten Tag mal anzurufen, in der Hoffnung, ihn dann alleine zu erwischen.Sebastian war, genauso wie Thomas, kein großer Redner, aber wenn er was sagte, hatte das Gewicht. Er suchte sich gewissenhaft jemand passendes für sich aus, dass wusste ich.Am Abend, nachdem Thommas, Anne und ich gegessen und Thomas ins Büro gegangen war, klingelte erneut mein Handy. Ich ging ran, ohne drüber nachzudenken, war ich doch noch ganz versunken im Nachmittag bei Sebastian und Victoria.“ Ja bitte ?”“ Hui ! Damit hatte ich nun nicht gerechnet. Viel eher wollte ich dir was auf die Mailbox hinterlassen.”Jemand lachte etwas überrumpelt und ich erkannt sofort Marcels Stimme.“ Marcel !” Ich schrie fast in den Hörer und hielt mir schnell die Hand vor den Mund, mein Herz raste mit einem Mal. Ich war geschockt durch seinen Anruf, geschockt, dass ich ihn angenommen hatte und in Panik, weil ich mit dem Handy in der Küche stand und Thomas oder Anne jederzeit reinkommen könnten.“ Was willst du ? Warum rufst du an ? Lass mich bitte in Ruhe ! Ein für allemal!”Ich flüsterte nun, aber ich sprach bestimmt und klar.Einen Moment lang kam gar nichts von Marcel.Er seufzte.“ Ich kann dich nicht vergessen.”Nun wars mir aber echt zuviel. Mein Herz hüpfte zwar vor Freude, aber mein Kopf meldete permanent Höchstalarm ! Ganz gefährliches Terrain ! Grenzwertig !“ Hör zu ! Du löscht mich und meine Nummer und suchst dir gefälligst ganz schnell irgendeine Frau, die du dann erobern kannst. Ich bin verheiratet ! Kapier das endlich !”Ich sprach sehr deutlich, sehr klar, zischte fast und hatte Herzrasen ohne Ende.Mir war heiss und kalt.Am liebsten wäre ich sofort in mein Auto gestiegen und nach Berlin zu ihm gefahren, doch das ging einfach unter keinen Umständen.“ Rosalie, bitte ...”“ Kapier das endlich !!! “ zischte ich lauter und legte dann schweren Herzens auf. Ich schaltete mein Handy aus und legte es zurück in meine Handtasche. Dann eilte ich mit Tränen in den Augen schnell ins Schlafzimmer, warf mich aufs Bett und vergrub mein Gesicht ins Kopfkissen.Es klopfte an der Tür. Ich beruhigte mich schnell, wischte mir verstohlen die Tränen von den Wangen und sagte leise heiser “ Herein”.“ Mama ?!” Anne stand in der Tür und kam zu mir ans Bett.“ Will ja nicht stören, aber ich wollt mal fragen, ob Inka fürn paar Tage zu uns darf. Die hat voll Zoff mit ihren Alten.” Anne sah mich mit großen Augen hoffnungsvoll an.Ich räusperte mich.So schnell konnte ich mich gar nicht sortieren.“ Die Eltern müssten einverstanden sein, Anne. Ich kann hier nicht einfach ein Mädchen aufnehmen, verstehst du ?”, murmelte ich sachlich.“ Boah !” blaffte Anne jetzt und ging wieder hinaus aus dem Schlafzimmer. “Und ich dachte, du bist endlich mal cooler geworden !” Dann knallte sie die Schlafzimmertür zu und stapfte wütend in ihr Zimmer zurück, wo ich ebenfalls die Tür knallen hörte.Ich war cool, aber nicht so cool.Lange starrte ich an die Zimmerdecke, dann fielen mir die Augen zu.Tags darauf hatte Thomas es wieder sehr eilig. Anne hatte bereits das Haus verlassen, Thomas stürmte in die Küche, zog sich einen Kaffee am Automaten , beugte sich zu mir rüber, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben, murmelte ein “ Guten Morgen!” und schnappte sich die Morgenzeitung, um sie schnell durchzublättern.“ Ich möchte mal wieder ausgehen !”, sagte ich plötzlich zu ihm. Ich sah direkt zu ihm rüber.Er sah nur in die Zeitung. “ Schatz, du gehst doch jetzt Samstags mit deiner Freundin aus.” “ Ich möchte mit dir ausgehen!”, sagte ich und betonte das dir besonders.“ Das können wir ja mal in Ruhe besprechen, wenn ... “ Ich fuhr von meinem Stuhl hoch.“ Ich will nichts in Ruhe besprechen ! Ich will mit dir raus hier ! Ausgehen !” schrie ich jetzt fast.Thomas sah nun irritiert zu mir auf.“ An was dachtest du denn da ?” , fragte er dennoch ruhig.“ Ist mir doch egal. Kino, Konzert, Essen gehen, was weiß ich. “, sagte ich und verschränkte die Arme vor die Brust.“ Ist gut mein Schatz.”, antwortete er und sah auf seine Armbanduhr. “ Nun muss ich aber in die Kanzlei.” Er stand auf, kam zu mir rüber, küsste mich auf den Mund und ging dann los.Er küsste mich nur noch selten auf den Mund, aber wenn er es tat, fühlte sich das immer noch wahnsinnig gut an. Ich sah aus dem Küchenfenster. Sah sein Auto vom Hof fahren. Ich war wieder allein für den Tag. In der nächsten Stunde würde ich maximal den Gärtner grüßen können, der sich heute mal wieder in unserem Garten zu schaffen machte.Am Nachmittag kam ein Anruf von Thomas.Ich wunderte mich darüber.Er bat mich, mich bis zum Abend zurecht zu machen, da wir Essen gehen und anschließend ins Kino gehen würden.Er bat mich des weiteren, dass anzuziehen, was ich mochte, kein Kostüm und keinen Hosenanzug.Ich lächelte am Telefon, sagte ihm zu und legte dann auf.Noch völlig verwundert, aber hoch erfreut verschwand ich für zwei Stunden im Bad und verbrachte anschließend noch eine Stunde in unserem Ankleidezimmer.Ich entschied mich für ein koralle farbenes Kleid mit Wasserfallkragen.Dazu trug ich korallefarbene Pumps und steckte mir eine weisse Blüte ans Haar.Als Thomas nach Hause kam, musterte er mich und lächelte mich liebevoll an.“ Du siehst bezaubernd aus mein Schatz.”, sagte er und hielt mir seine Hand hin. Ich reichte sie und wir stiegen in sein Auto.Wir gingen in ein französisches Restaurant und anschließend ins Kino.Zu Hause angekommen, setzen wir uns noch auf die Terrasse in unsere Hollywoodschaukel.Thomas zog mich ganz dicht zu sich heran. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Es war Monate her, dass wir so eng beieinander saßen. Und doch war es sooo vertraut.“ Schatz, ich möchte gerne wieder in meinen alten Beruf zurück.” , flüsterte ich.“ Ich weiß.”, sagte er sanft und sah zu mir runter.Als sich meine Augen weiteten, sprach er weiter. “ Deine Freundin Heide hat es ihrem Mann erzählt und der hat es mir mitgeteilt, ich tat natürlich so, als wenn ich es bereits wüsste.Ich weiß auch, dass du unter keinen Umständen in meiner Kanzlei arbeiten möchtest, sondern am liebsten woanders. Ist das richtig ?”Ich nickte leicht beschämt. Ich hatte nichts gegen seine Kanzlei, aber mir war es einfach nichts, mit meinem Mann den ganzen Tag am gleichen Arbeitsplatz zu sein, noch dazu, wo er quasi dann mein Vorgesetzter war.“ Der Günther hat mir letztes Jahr erzählt, dass die Frau in der Mahnabteilung im Frühling in Elternzeit geht, darum ist dort seit ein paar Wochen ein Platz frei. Es wurde bisher auch noch niemand passendes gefunden und der Günther würde sich freuen, wenn du dir das zutrauen würdest.” Ich stand nun auf. Ich musste kurz nachdenken.Das war es doch was ich wollte, oder ?Ich hätte vielleicht am Anfang ein paar Schwierigkeiten, aber ich würde es bestimmt schaffen. Ich hatte mich viel informiert in letzter Zeit und die Grundkenntnisse verlernte man nie. Ich sah zu Thomas runter und nickte dann stumm.Thomas stand ebenfalls auf. Er nahm meine Hände in seine Hände und sah mir tief in die Augen. “ Ich liebe dich.”, flüsterte er mir ins Ohr. Wir küssten uns sehr lange und sehr intensiv. Thomas streichelte mir über den Rücken, hinunter bis zum Po und wieder hinauf.Ich vibrierte innerlich. Thomas nahm meine Hand und wir gingen ins Haus.Und dann verschwanden wir ins Schlafzimmer und ließen in dieser Nacht nach vielen, vielen Monaten endlich wieder alle Hüllen fallen ...“ Ich liebe dich auch ...”, flüsterte ich, als Thomas irgendwann in den frühen Morgenstunden eingeschlafen war. Ich lag noch eine Weile wach und genoss seine Wärme, seine Geborgenheit, seine Liebe ...

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Tag der Veröffentlichung: 15.03.2014

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