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Reaching You.




Ein Zucken durchfuhr meinen Körper und im gleichen Moment blitzte es so hell auf, dass dieses Licht schon durch meine geschlossenen Augenlider zu brennen schien.
Dies brachte mich dazu, dass ich jeden Muskel schlagartig verkrampfte und ich eine duckende, Hände über dem Kopf schützende Position einnahm.
Dabei musste ich feststellen, dass ich keinen festen Boden unter meinen Füssen wahrnahm.
Keine Art von Materie fühlte.
Ich streckte – immer noch die Augen schliessend- meine Beine langsam und vorsichtig ein und aus.
Als sich meine Befürchtung bestätigte, dass ich schwebte, öffnete ich zaghaft meine Augen.
Das grelle Licht war anscheinend fort und nicht nur das, sondern alles Vernünftige oder sonst noch Logische war verschwunden.
Oder ich wäre auf einem Schlag blind – das würde dieses Phänomen wohl auch erklären, wenn auch auf einer merkwürdigen Weise.
Diesmal riss ich meine Augen ungeduldig auf und erhoffte was zu sehen.
Wenigstens blieb mir die Trost, meinen eigenen Körper erkennen zu können, der da im Nichts schwebte, was bedeutete, dass meine zweite Vermutung wohl ganz daneben war.
Doch was erklärte sonst diese Abnormalität?
Vielleicht war dies auch nur ein böser Traum – wie viele ähnliche Gedanken, die einem im Kopf kreisen, wenn man sich selbst Hoffnungen schöpfte.
Ich drehte meinen Kopf hin und her, probierte im weissen Nichts zu „schwimmen“ oder mich nur irgendwie fortzubewegen. Bitte lasst dieses Gekicher.
Ich bin weder ein guter Schwimmer noch adrett.
Allmählich spürte ich ein kaltes dumpfes Gefühl.
Die Angst kroch stets tiefer und tiefer in meine Brust und nagelte sich darin.
Panisch wedelte und fuchtelte ich herum, schrie abwechselnd mal „Hallo?!!“ und „Hilfee!!“ und hoffte jedes Mal nach einer Drehung um meine eigene Achse eine Tür zu erblicken – die rettende Tür, die mich hier endlich rausholten sollte.
Doch eine Enttäuschung nach der anderen häuften sich und ich blieb schliesslich still.
Als ich schon jeden Funken Hoffnung verloren hatte, hörte ich ein Geräusch.
Ausser meine Stimme war noch ein anders Geräusch zu hören.
„Jan, hörst du mich?“
Endlich! Das muss mein Retter sein! Der, der mich endlich aus meinem Alptraum wachrüttelt..!
Urplötzlich tauchte ein Wurmloch hervor und sog mich mit aller Wucht hinein.
Mir blieb nicht einmal Luft und Zeit um zu schreien.
Das Schlimmste dabei war, dass ich weder in Ohnmacht fiel noch sonst meine Augen geschlossen hatte und deshalb alles mit ansehen musste.
„Sei ganz beruhigt und unbesorgt! Dir wird nichts geschehen!“, hörte ich wieder diese eigenartige Stimme.
Als ob ich mich beruhigen könnte.
Noch nie in meinen jungen frischen Jahren von siebzehn, war ich in ein, zu dem was ich jetzt erlebte, vergleichbaren Fahrt.
Schockiert fand ich mich in einem runden Raum wieder.
Schlicht, immer noch weiss – doch immerhin sah ich schon Wände.
Es wird noch besser.. zudem war in der Mitte des Raumes ein Stuhl hingestellt worden.
Ich setzte mich eigenwillig drauf.
Das war das Mindeste was ich doch verlangen darf, nicht?
„Erinnerst du dich, Jan?“
Wie sollte ich das verstehen?
„Entschuldigen Sie mich, aber wer sind Sie und wo bin ich genau?“, fragte ich leicht empört von dieser überaus netten Gastfreundlichkeit.
„Erinnerst du dich oder nicht, Jan?“
Anscheinend war mein Gastgeber einer von den Sturen Sorten.
Ich war schon so ausgelaugt und reagierte deshalb, und das ist noch untertrieben, gereizt.
„Aber bitte hören Sie mal! Könnten Sie mir wenigstens sagen um was es hier geht?!“, schrie ich schon fast.
Die Stimme wurde lauter und energischer, sodass ich mir die Ohren zudrücken musste.
„Ich frage dich noch einmal. Erinnerst du dich oder nicht?!“
Gleich darauf ertönte ein so schrilles Geräusch, dass ich schon Angst hatte, mein Kopf würde in tausend Stücke zerspringen.
Ich fiel vor Schmerzen vom Stuhl und drückte den Kopf auf den Boden und meine Arme gleich schützend um herum.
Was würde ich in diesem Moment nur für ein Aspirin geben!
Die Schmerzen pochten in meinen Kopf.
Jeden Moment war es so weit und mein Haupt würde zerspringen.
Doch als ich glaubte bald wie ein Ei, das aufgeschlagen wurde, zu enden, wurde mir schwarz vor Augen.
Und ich sah ein Licht, das immer grösser wurde.
Dann ein Bild, ein Szenario. Zuerst verschwommen doch dann urplötzlich so scharf, als wäre ich live dabei.
So scharf, dass es mir schon in den Augen brannte.
Eine grössere Strasse, viele Menschen.
Alles so düster, dann auch noch dieser Regen.
Erst jetzt bemerkte ich, das ich leicht erhoben von allen Menschen war, als wäre ich auf einem Baum.
Die sogenannte Vogelperspektive hatte ich.
Träumte ich immer noch?
Die Szene wurde näher gezoomt und ich erkannte schon die Gesichter der Menschen.
Alle den gleichen Ausdruck. Schockiert und mitgenommen.
Ich hörte ein kleines Mädchen weinen. Endlos und verzweifelt. Ich drängte mich durch die Menge – ja, diesmal plötzlich keine Vogelperspektive mehr.
Was zur Hölle war bloss los?!
Es war schwer mich durchzukämpfen, doch es war nicht allzu schlimm.
Die Menschen schienen nichts dagegen zu haben, dass ich ihnen beinahe ins Gesicht schlug um durchzukommen.
Angekommen sah ich ein mit Blut bespritztes Auto.
Ein Unfall?
Das kleine Mädchen war ungefähr acht Jahre alt und auch sie war voller Blut.
Eine Frau kam, ihren Schal immer wieder zurechtrückend, sodass sie nicht drüberstolperte, herbeigeeilt und nahm das hysterisch weinende Kind zu sich.
Ein Glück. Das Kind war unverletzt.
Ich wandte mich an die Menschenmenge, doch niemand antwortete mir.
Zwei Männer schoben eine Trage in den Krankenwagen, der gleich daneben parkte.
Jedoch konnte ich nichts erkennen, da die darin liegende Person von einem Tuch verdeckt war.
Wahrscheinlich verstarb sie in einem Autounfall.
Bei den Ärzten angekommen wurde ich wieder ignoriert.
Ich stiess diese Männer zur Seite und wollte die Ambulanztür öffnen, jedoch war diese komischerweise verschlossen.
Wütend trat ich einige Male drauf und verfluchte den Mann, der den Schloss erfunden hat auf ewig.
Ich trottete noch schlechter gelaunt an die zwei Männer in den weissen Kitteln vorbei und konnte einige Gesprächsfetzen aufschnappen.
„Armer Junge. Hatte er Familie?“, sagte der Mann links.
„Nein. Und sonnst konnte ich auch nicht viel herausfinden“, sagte der andere mit dem Schnauz.
Irgendwie war das traurig. Ich spürte einen höllischen Schmerz in meiner Brust und liess meine Hand dort ruhen.
„Aber er hat etwas wirklich Heldenhaftes getan. Das Leben eines kleinen Mädchens zu retten..er verdient alle Ehre!“
„Zweifellos!“
Ich gesellte mich zu den Menschen und sah wie einer nach dem anderen eine Blume oder Strauss auf die Strasse legte, Kerzen anzündete und auf die Knien ging. Sie schlossen die Augen und senkten die Köpfe.
Auch ich tat dies. Das Weinen des kleinen Mädchens war immer noch zu hören.
Die Mutter hatte sie auf dem Schoss, auch sie betete.
Betete, während ihr Tränen die Wangen hinabkullerten.
Die Kerzen tauchten die Strasse in ein so warmes Licht, dass mir ganz schwummrig wurde.
Ich hörte nur noch das Geräusch von Regen, der leise auf den Asphalt prasselte.
Die zwei Männer in Kitteln stellten sich vor uns, die Blicke auf die Kerzen gerichtet.
„Wir möchten diesen Tag in Ehren halten“, fing der eine an.
„Der Tag, wo ein tapferer Junge sein Leben gelassen hat, um das eines kleinen Mädchens zu bewahren.“
Ich schaute um mich. Die Gesichter der Leute waren vom Kerzenlicht erhellt.
Jeder einzelne hier teilte dem Held seinen Respekt.
Auch ich schaute auf die Kerzen. Die Kerzen, die für den jungen Helden angezündet worden waren.
„Wir danken dir. Du wirst für immer in unseren Erinnerungen weiterleben!“
Die Menschen nickten.
„Auf ewig und nie in Vergessenheit geraten, Jan Mihaels!“
Ich riss meine Augen von den Kerzen und richtete sie auf die Männer.
Starr.
Ich stand hastig auf. Die Menschen schienen mein abruptes Aufstehen nicht wahrzunehmen.
Was? B-bin ich etwa..?
„Auf ewig!“, hörte ich einige rufen. Die Mutter hinter mir stand auf. Die Augen waren auf sie gerichtet.
Ihr Gesicht voller Trauer, lief sie an mir vorbei. Hand in Hand mit ihrer Tochter lief sie durch die Menge.
Ich rannte an denen vorbei. Sprachlos und schockiert rannte zum Krankenwagen und hämmerte auf die Tür.
„Nein!! Ich will es sehen! Lasst mich rein! Lasst mich sehen!!“, schrie ich fassungslos.
War ich das wirklich? Lag ich da etwa auf der Trage? ..tot?
Meine Hand schmerzte.
Das Kind liess sich zu den Blumen und Kerzen am Boden nieder und schluchzte.
Die Mutter neben ihr, krallte ihre Finger in den Boden und weinte.
Sie weinten.
Es war still, nur der Regen und wir.
Ich schaute zum Himmel empor. Dunkel, grau. Das Flackern der Kerzen deutlich zu sehen.
„Es ist schon vorbei? Mein Leben?“, flüsterte ich.
Ich drehte mich um. Die Mutter sass immer noch kniend vor all den Leuten bei den Kerzen.
Das Kind weinte. Tränen. Überall.
Ich hatte keine Eltern. Ich kannte des Gefühl von Elternliebe nicht.
Mein Leben war sowieso wertlos, nicht so schlimm sie weggegeben zu haben.
Ich lächelte. Die Mutter musste wirklich glücklich sein. Ihre Tochter lebte.
Ich sah, wie der Rücken dieser Mutter zitterte. Vor der Kälte?
Sie drehte sich um. Sie drehte sich zu mir um und schaute mir in die Augen.
Sie schaute mich tatsächlich an. Die erste Person die mich hier wahrnahm.
Eine junge Mutter war sie. Ihre Augen rot, die Tränen immer noch die Backen runterkullernd.
Sie flüsterte. Ihre Stimme war zu schwach und schwer zu hören in diesem heftigen Regen.
„Danke.“
Ein Wort. Ein Wort. Ein Wort.
Ein Wort aus tiefstem Herzen.
Ich spürte wie auch mir ganz heiss wurde. Meine Augen wurden feucht.
Ihre Augen immer noch starr auf mich gerichtet. Alle anderen schienen es nicht zu bemerken, alle starrten immer noch auf die Kerzen, einige hatten ihre Blicke immer noch gesenkt.
Sprachlos war ich.
„Danke“, flüsterte sie nochmals.
Als ob nur noch wir da wären. Für diesen einen Moment.
Ich nickte, Tränen rannten mir die Wangen runter. Ich weinte.
Es war so warm und herzzerreissend.
Sie sagte dies, weil sie traurig war. Sie blickt mich an.
Diesmal weinte sich nicht, weil sie glücklich um ihr Kind war.
Sie vergoss Tränen für mich. Für einen Fremden.
In Stelle meiner Mutter.
Ich griff nach meiner Brust. Schmerzen.
So fühlt sich Mutterliebe an, nicht wahr?
Schmerzhaft schön. Und fast bereute ich gehen zu müssen.
Ich schloss die Augen.
Warm. Es war wärmer als die hellste Kerze hier.
Ihren Blick werde ich nie vergessen. Der Blick, der mein Leben einen Wert gab. Die Blicke aller Menschen hier.
Dank ein Wort, konnte ich gehen.
Gehen.
Mit einem Lächeln.


„Ich erinnere mich“, flüsterte ich.
Ich empfand den Raum noch fader und lebloser als vorhin.
Eine Tür öffnete sich vor mir, dahinter war nur ein grelles Licht zu erkennen.
Grell aber warm. Wie Kerzen..
Ich stand auf und machte einen Schritt nach vorn.
Ich schloss meine Augen und ging.

Jan Mihaels ging von dieser Welt.

Er ging als Mensch und lebt als Held.


ENDE

Impressum

Texte: Anna Nguyen
Tag der Veröffentlichung: 05.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

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