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Kapitel 1 - Ein ungewöhnliches Angebot

Ungeduldig trommelte Chrissi mit den Fingern auf die Tischplatte. Sie hatte einen Termin mit ihrem Manager, mit dem sie ernsthaft reden musste. Seit sie in seinem Bett gelandet war, bekam sie nur noch Auftritte auf Geburtstagen oder privaten Feiern, die nur mittelmäßig bezahlt wurden. Abgesehen davon, dass sie sich eine Karriere als Sängerin anders vorstellte, reichte die Gage hinten und vorne nicht.
Endlich öffnete sich die Tür und Gerold kam herein, eilig richtete er seine Kleidung, was ihr eine ganze Menge verriet, auch die Lippenstiftflecken an seinem Kragen sprachen eine deutliche Sprache.
„Du hast mich tatsächlich wegen eines Quickies warten lassen?“ Christine bemühte sich kaum, ihren Unmut zu verbergen. Er sollte wissen, dass sie mächtig verärgert war, wobei es sich bei dem Ausdruck um eine Untertreibung handelte.
„So schlecht gelaunt an einem so schönen Tag?“ Charmant lächelte er ihr zu, als er sich hinter seinem Schreibtisch niederließ. „Du scheinst mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein.“
Innerlich zählte sie bis zehn, um sich ein wenig zu beruhigen, es brachte einfach nichts, ihn anzugehen, dadurch bekam sie kein besseres Engagement. „Wir müssen ernsthaft reden, Gerold. Es kann so nicht weitergehen. Du hast mir versprochen, wenn ich dich als Manager annehme, bringst du mich groß raus.“ Sie holte tief Luft, weil sie sich erneut in Rage redete. „Bisher hatte ich genau einen Auftritt am Deutschen Eck als supportig act.“ Auffordernd blickte sie ihn an, jetzt sollte er die Hosen runterlassen oder den verdammten Vertrag aufheben.
Nachdenklich blätterte er in seinen Unterlagen, ehe er sie fast schon mitleidig musterte. „Du bist nicht das, was ich erwartet habe, Chrissi. Es tut mir leid, aber ich erhalte nur Absagen, sobald ich deinen Namen ins Spiel bringe.“ Er runzelte die Stirn. „Ist irgendwas auf dem Konzert in Koblenz schiefgelaufen?“
Sofort schüttelte sie den Kopf, sodass ihre blonden Locken flogen. „Ganz im Gegenteil, die Leute waren begeistert. Ich hab dir die Fotos gezeigt, außerdem bekomme ich immer noch Fanpost.“ Sie riss sich zusammen, um ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. „Viele fragen, wann ich wieder auftrete.“
„Das ist seltsam, wie gesagt, ich tue, was in meiner Macht steht, allerdings sind deine Coversongs ziemlich abgenutzt. Vielleicht kannst du deine Stilrichtung ändern? Etwas mehr, sagen wir, Erotik?“
Spöttisch stieß sie die Luft aus. „Tut mir leid, ich bin Sängerin und verkaufe meinen Körper nicht.“ Im Stillen fragte sie sich, wie lange noch. „Pass auf, ich brauche eine Chance, außerdem müssen meine Auftritte besser bezahlt werden.“ In der Tat lebte sie seit einiger Zeit lediglich von Nudeln und Toast.
Seufzend strich Gerold sich über die Lider. „Vielleicht kannst du einen Job im Einzelhandel oder als Kellnerin bekommen.“ Er machte eine Kunstpause. „Allerdings wäre dann die Vertragsstrafe von 10.000 Euro fällig.“ Bei der Aussage blitzte die Gier in seinen Augen auf. „Wir könnten aber bestimmt einen Weg finden.“ In seinem Blick stand deutlich, was er im Sinn hatte.
„Vergiss es, egal, was du tust, ich schlafe nie mehr mit dir.“ Jetzt war ihr klar, was er mit seiner Taktik bezweckte: Sie sollte sein Betthäschen werden. Nur dazu war sie sich zu schade. „Also, was ist? Kannst du mir einen Auftritt anbieten oder bist du nicht in der Lage, deinen Teil des Vertrags einzuhalten.“ Was er konnte, konnte sie schon lange. „Vielleicht zahlst du mir eine Abfindung, damit du mich loswirst. Du scheinst nicht der richtige Manager zu sein.“
Jetzt richtete er sich auf, in seinen Augen erkannte sie eine eindeutige Warnung. „Zweifelst du meine Fähigkeiten an?“
Chris zuckte nichtssagend mit den Schultern. „Komm zum Punkt.“ Sie hielt seiner stummen Drohung stand.
„Es gibt da eine Möglichkeit, aber die wird dir kaum gefallen“, begann er, während er auf seinem PC eine Seite aufrief.
„Alles ist besser, als vor einer besoffenen Horde Männer zu singen, die einen Junggesellenabschied feiern.“ Sarkasmus troff aus ihrem Mund, denn bei ihrem letzten Auftritt wurde sie keineswegs wegen ihres Gesangs gebucht. Im Gegenteil, die Kerle hatten sie lautstark aufgefordert, sich auszuziehen. Gerold musste ihnen falsche Informationen gegeben haben, zumal sie die Gage um die Hälfte kürzten.
„Da ist ein Pub in Inverness, Schottland. Sie suchen derzeit eine Sängerin, um dem Ganzen ein wenig Schwung zu verleihen.“
Ungläubig riss sie die Augen auf. „Schottland? Das Land ist nicht gerade dafür bekannt, dass dort jemand aus Deutschland mit Coversongs groß rauskommt, oder? Gib es zu, du nimmst mich auf den Arm.“
Jetzt drehte er den Bildschirm, sodass sie draufsehen konnte. Tatsächlich gab es ein solches Lokal, in dem sie wohl einen bunten Abend mit verschiedenen Künstlern veranstalten wollten, trotzdem klingelten bei ihr alle Alarmglocken. Irgendwas war hier im Busch, darüber hinaus hatte sie gar keine Kohle, um nach Schottland zu fliegen. „Tolles Angebot und wie soll ich da hinkommen? Wie du weißt, war ich in der letzten Zeit kaum in der Lage, Geld zu verdienen.“ Bitter stieß sie die Luft aus.
„Da greife ich dir gerne unter die Arme, Kleine.“ Er lächelte hinterlistig. „Ich strecke dir die Kosten für den Flug vor, außerdem habe ich einen Bekannten, der dir dort ein Auto leiht. Du müsstest lediglich für deine Verpflegung aufkommen, da du in dem Lokal ein Zimmer bekommst.“
„Was verlangst du dafür? Ich gehe auf gar keinen Fall mit dir ins Bett!“ Sie beobachtete ihn eindringlich, um jede Hinterhältigkeit sofort zu erkennen. Der Auftritt war zwar nicht das, was sie erhofft hatte, aber besser als das, was er ihr bisher vorgeschlagen hatte. Darüber hinaus ergab sich vielleicht ja eine weitere Möglichkeit. Bei dem Gedanken hätte sie fast spöttisch aufgelacht, sie durfte keine Angebote annehmen, ohne die Genehmigung von Gerold. Immer wenn sie etwas an Land zog und ihm eine Nachricht schickte, bekam sie kurz darauf eine Absage. Christine biss die Zähne aufeinander, während sie auf seine Antwort wartete.
Gerold zupfte sich eine Fluse vom Hemd, gleichzeitig tat er so, als ob er überlegen müsste. „Ich bekomme statt der Hälfte siebzig Prozent, zumal anzunehmen ist, dass unter Umständen neue Anfragen kommen werden.“
Empört schnappte Chris nach Luft. „Du bist ein Halsabschneider, Gerold. Hast du es wirklich so nötig? Lassen deine anderen Häschen dich nicht ran?“ Sie verlor die Fassung, weil er sie dermaßen über den Tisch ziehen wollte.
„Du solltest auf deinen Ton achten, Kleine. Du bist nichts weiter, als eine von vielen, die sich einbildet, singen zu können.“ Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Du kannst dir mit etwas Aufwand gute fünfhundert Pfund verdienen, wenn dir das zu wenig ist, dann lehn das Angebot ab.“ Er zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Du kommst für alles auf, bis auf meine Verpflegung. Ich bekomme es schriftlich, dass ich den Flug, ein Auto und ein Zimmer erhalte. Wir reden hier von Hin- und Rückflug. Außerdem bezahlst du den Sprit, keine hinterhältigen Touren, ich warne dich.“ Ernst musterte sie ihn, wobei ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Wie war sie nur auf die Idee gekommen, mit ihm ins Bett zu steigen und mit ihm einige spezielle Praktiken auszuprobieren?
„Deal.“ Er hielt ihr seine Hand hin, dabei grinste er auf eine Weise, die ihr Angst einjagte, trotzdem schlug sie ein.
„Keine krummen Dinger, ich reiße dir den Allerwertesten auf.“ Sie musste sich überwinden, ihn anzufassen.
„Du kennst mich doch. Glaub mir, ich tue, was in meiner Macht steht, um dich zu unterstützen. Jetzt wartet mein nächster Termin auf mich.“ Er deutete zur Tür. „Ich schicke dir alles per Mail. Mach es gut.“
Damit war sie wohl entlassen. Chris beeilte sich aus dem Büro herauszukommen, weil sie sich besudelt fühlte. Außerdem breitete sich das Gefühl, betrogen worden zu sein, in ihrem Inneren aus. Irgendetwas stimmte hier nicht, davon war sie überzeugt, aber sie hatte keine andere Wahl.
Während sie mit dem Bus nach Hause fuhr, dachte sie darüber nach, wie dumm sie gewesen war. Sie hatte den Vertrag im guten Glauben unterschrieben, dass Gerold ihr tatsächlich helfen wollte. Wie naiv sie in seine Falle getappt war!

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Blake fluchte unterdrückt, während er versuchte, irgendwie zur Ruhe zu kommen. Seit ein paar Tagen fühlte er sich rastlos, unruhig, als ob eine Katastrophe auf ihn zurasen würde. Das letzte Mal, als er sich so ähnlich gefühlt hatte, wurde kurz darauf seine Familie abgeschlachtet, nur er und sein Bruder überlebten das Massaker. Schnell schüttelte er die Erinnerungen von sich, sie brachten ihn nur dazu, die verdammte Buchhaltung hinzuschmeißen.
Erneut blickte er auf die Konten, die ihn zu verhöhnen schienen. Weshalb konnte er sich nicht mehr konzentrieren? Klar, das Jonglieren mit den Zahlen war ihm schon immer verhasst, aber er kannte sich nun mal am besten damit aus. Er hatte ja genug Zeit gehabt, um alles zu lernen.
Wie gerne würde er sich jetzt in der Werkstatt aufhalten, einen Motor auseinandernehmen oder an seinem alten Ford F 250 basteln. Er hatte den Pick-up von einem Bauern bekommen, der ihn in seiner Scheune verrotten ließ. Ein wahres Prachtstück, sobald er fertig restauriert war.
Seufzend zwang er sich, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Verdammt, es war aber auch zum Schreien. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab, außerdem erwischte er sich selbst dabei, dass er auf der Tischplatte herumtrommelte.
Mürrisch stand er auf, schaltete das Radio ein, anschließend suchte er einen Sender, der seine Lieblingssongs spielte. Er hörte im Prinzip alles, nur meistens wurden die guten Songs totgespielt. Natürlich fand er nichts, was ihm gefiel, daher entschied er sich für seinen iPod, der die entsprechende Playlist zum Besten gab.
Unruhig lief er in seinem geräumigen Büro herum, fuhr sich mehrfach durch die Haare, ehe er sich zurück an die Arbeit zwang. Das Clantreffen war in ein paar Tagen, da musste er einen kompletten Bericht abgeben. Als Schatzmeister war er für die Finanzen verantwortlich, dabei handelte es sich um ein richtiges Vermögen.
Blake verwaltete die Gelder seiner Clanleute, legte sie gewinnbringend an oder sorgte dafür, dass sie ihren Besitz behielten, falls sie gezwungen wurden zu verschwinden. Seine Werkstatt deckte seine eigentlichen Ausgaben, außerdem machte es ihm Spaß an Autos oder Motorrädern zu schrauben. Erneut stieß er unwillig die Luft aus, der Bürojob raubte ihm heute wirklich jeden Nerv.
Es klopfte, doch ehe er eine Antwort knurren konnte, kam sein Bruder Cameron herein. „Bist du immer noch an der Buchhaltung?“ Erstaunt musterte er ihn.
„Ja, oder denkst du, dass ich hier meinen Jahresurlaub verbringe?“ Schlecht gelaunt betrachtete er ihn. „Was willst du?“
Lächelnd setzte Cameron sich auf die Tischplatte. „Nach dir schauen, du bist in den letzten Tagen außergewöhnlich harsch.“ Er blickte kurz auf den Bildschirm. „Außerdem kommst du mit den Buchungen nur schleppend voran.“
„Ja, weil ständig so ein Klugscheißer wie du mich von der Arbeit abhält.“ Blake biss die Zähne aufeinander. „Tut mir leid“, murmelte er. Sein Bruder konnte absolut nichts dafür, dass er so neben der Spur lief. Wieder trommelte er auf der Tischplatte herum.
„Du bist nervös“, stellte Cameron mit einem wissenden Lächeln fest. „Du weißt, was David gesagt hat, oder?“
Völlig entnervt nickte er. „Ja, unser liebenswerter Cousin aus Irland ist der Meinung, dass mein Zustand meine Gefährtin ankündigt.“ Er lachte spöttisch auf. „Als ob sie so plötzlich vom Himmel fällt. Ich habe weiß Gott viele Frauen kennengelernt, aber keine war die Richtige. Außerdem haben die Normalen die dumme Angewohnheit zu sterben.“
Traurig stimmte Cameron ihm zu. „Du hast recht, trotzdem vertraue ich ihm. Er ist Wächter der Magischen Welt, die wissen immer etwas mehr.“
Blake machte eine wegwerfende Handbewegung. „Am Ende ist es doch nur eine Vermutung. Glaub mir, ich brauche kein Weib, das mir sagt, was ich tun soll oder mir die Ohren volljammert, dass ich mich zu wenig kümmere.“
Cameron lachte leise. „Den Eindruck hatte ich weder von Emily noch von den anderen Gefährtinnen. Ich würde eine solche Frau mit Kusshand nehmen, sogar die Kleine von Brian ist taff.“
„Wenn du jetzt genug gequatscht hast, ziehe ich es vor, weiterzumachen. Das Treffen ist in zwei Tagen, wie du weißt.“ Er deutete mit dem Kinn auf die Tür, woraufhin sein Bruder das Büro verließ.
Nachdenklich rieb er sich über das Gesicht, hatte David vielleicht doch recht? Sofort wehrte er den Gedanken ab, dass er sich in Kürze um eine Gefährtin zu kümmern hatte. Dazu hatte er weder Zeit noch Nerven. Am Ende war es sogar ein Mensch, sodass er sie in ein paar Jahren begraben durfte. Nein, danke, da verzichtete er lieber. Andererseits gab es die Möglichkeit, sie wandeln zu lassen.
Wütend warf er den Stift, mit dem er herumgespielt hatte, auf den Tisch. Jetzt dachte er schon über eine Frau an seiner Seite nach, er musste übergeschnappt sein. Alle weiblichen Wesen im Umkreis kannte er bereits, darunter versteckte sich seine Zukünftige bestimmt nicht. Wahrscheinlich war es nur ein dummes Gerücht und David machte sich einen Spaß daraus, sie auf den Arm zu nehmen.
Blake hielt es keine Sekunde länger aus, er stand auf, rannte fast aus dem Büro und lief auf seinen Patrol zu. Im Vorbeigehen rief er seinen Leuten zu, dass er für die nächsten Stunden weg sei.
Eine Staubwolke hinter sich herziehend, raste er die Straße entlang, bis er auf einen Schotterweg stieß, der ihn zwang, besonnener zu fahren. In der Nähe des Glencoe Campingplatzes ließ er seinen Wagen stehen, stieg aus, um auf einem der vielen Wanderwege einfach geradeaus zu gehen. Als er tief im Wald war, schlug er sich ins Gebüsch, streifte seine Kleider ab, anschließend ging er auf die Knie. Ein blaues Licht flackerte auf, gleichzeitig surrte es leise, während er sich in einen Wolf verwandelte.
Seine Haut platzte auf, das grau-braune Fell erschien, bevor sich sein Kiefer verlängerte. Aus seinen Fingern wurden Pfoten, zeitgleich verformte sich sein kompletter Körper. Die ganze Aktion dauerte nur wenige Momente und sofort fühlte er sich leichter. Die Nervosität klang im gleichen Maße ab, wie sich seine Sinne schärften.
Kurz hob er den Kopf, schnupperte, dabei nahm er die Gerüche des Waldes wahr. Der kräftige Duft von Harz und Holz besänftigte ihn.
Sein Gehör verriet ihm, dass keine Normalen in der direkten Umgebung herumliefen, aber Rehe, die sich durchs Unterholz bewegten. Neben ihm huschte eine Maus in ein Loch im Boden, außerdem plätscherte in der Nähe ein kleiner Fluss.
Gierig sog er die frische Luft ein, berauschte sich an den verschiedenen Eindrücken, ehe er losrannte.
Äste brachen, als er sich seinen Weg durch den alten Wald bahnte, sie verfingen sich zum Teil in seinem Fell, trotzdem blieb er nicht stehen. Immer schneller lief er, bestrebt, die Bäume hinter sich zu lassen, sein Herz pumpte kraftvoll, seine Muskeln spannten sich an. Ein Reh sprang auf, was seinen Jagdtrieb weckte, doch heute würde es ihm entkommen. Die Auszeit war wichtiger, als sich den Bauch vollzuschlagen.
Er kam aus dem bewaldeten Gebiet heraus, stoppte am Rand, um Witterung aufzunehmen, so kurz vor dem Clantreffen musste er verhindern, gesehen zu werden. Als er sicher war, dass sich niemand in der Nähe befand, setzte er sich in Bewegung, beschleunigte seine Schritte, bis er erneut rannte. Jetzt, wo er keine hinderlichen Äste mehr um sich hatte, fühlte er sich endlich frei. Der Wind peitschte über ihn hinweg, obwohl es ein sonniger Tag war.
Er witterte einen Hasen und die Versuchung, ihn zu fangen, ließ ihn knurren. Er bog jedoch sofort in die entgegengesetzte Richtung ein. Der Boden war am Waldrand matschig, da es in den letzten Tagen geregnet hatte, sodass er sich aus seiner Deckung herauswagte.
In dieses Gebiet wagten sich nur die wirklich erfahrenen Wanderer, zumal es bereits auf den Berg hinauf ging. Hier bedeckte nur noch Moos die blanken Felsen, dennoch rannte er weiter, spürte sein Blut durch die Adern rauschen.
Nach einer ganzen Weile bremste er seine Geschwindigkeit ab, hob den Kopf und heulte seinen Frust in die Welt. Wahrscheinlich fragte seine Sippe sich jetzt, was los war, aber er zählte darauf, dass Cameron ihnen Bescheid sagen würde.
Langsam trottete er den Weg zurück, wobei seine Krallen leise über die Steine kratzten. Er fühlte sich besser, trotzdem wusste er, dass die Unruhe viel zu schnell zurückkommen würde.
Vorsichtiger als auf dem Hinweg, schlich er sich in das Waldstück, wo seine Kleider lagen. Fluchend bemerkte er, dass seine Sachen feucht waren, kein Wunder, überall entdeckte er Löcher voll Morast, da der Waldboden sich beim letzten Regen vollgesogen hatte.
„Verdammte Scheiße, das muss aufhören“, murmelte er, ärgerlich über sich selbst, weil er anscheinend kaum klar denken konnte. Außerdem fühlten sich die klammen Klamotten unangenehm an.
Blake fuhr zurück, zog sich um, ehe er sich in sein Büro verkroch, wo er wenigstens einen Teil der Buchhaltung hinter sich brachte, dabei betete er, dass der Zustand bald beendet wurde.

~~°~~

Chris überlegte, ob sie den Trip nach Schottland wirklich antreten sollte, andererseits hatte sie kaum eine Alternative. Ihr Geld war mehr als knapp und blödsinnigerweise hatte sie den Vertrag unterschrieben. Sie haftete dafür, dass der Auftritt auch zustande kam.
Wieder schüttelte sie über ihre Naivität den Kopf. Sie war gerade volljährig geworden, als sie glaubte, das große Los gezogen zu haben, weil Gerold ihr anbot, sie zu einem Star zu machen. Spöttisch lachte sie auf. Der Kerl war lediglich an seinen Spielchen im Bett interessiert. „Später ist man immer schlauer“, murmelte sie, während sie überlegte, welche Outfits sie mit nach Schottland nehmen sollte. Wahrscheinlich musste sie sich auf ein Minimum beschränken, da ihr liebenswerter Manager kaum zusätzliches Geld für einen normalen Koffer ausgeben würde. Den Punkt hatte sie völlig vergessen, sodass sie sich jetzt mit der flachen Hand vor die Stirn schlug. Sie wusste doch, dass er sie über den Tisch zog, wo er konnte.
Eilig nahm sie ihr Handy, um die Mails zu checken. Mit einem mulmigen Gefühl öffnete sie die Nachricht, auf die sie gewartet hatte, nur um kurz darauf vor Wut mit der Faust auf die Tischplatte zu hämmern. Er hatte in der Tat einen Billigflug gebucht, bei dem sie das Gepäck selbst zahlen musste. Hinterhältig teilte er ihr mit, dass er ihr die Summe von ihrem Verdienst abziehen würde.
Chris rieb sich über das Gesicht, weshalb war sie auch so überstürzt aus dem betreuten Wohnen ausgezogen? Ihre Betreuer hätten sie vor so einem Schwein beschützt, aber sie hatte ja gedacht, es besser zu können. Plötzlich fühlte sie sich dermaßen einsam, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Eilig lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Mail, soweit schien alles in Ordnung zu sein. Das Auto sollte vollgetankt in der Nähe des Flughafengeländes auf sie warten und Gerold hatte ihr das Spritgeld überwiesen, zumindest behauptete er das. Ein schneller Blick auf ihr Konto sagte ihr, dass die Buchung noch nicht durch war, doch bisher war er in dem Punkt ehrlich gewesen.
Mit gemischten Gefühlen packte sie ihre Sachen, anschließend checkte sie die Möglichkeiten, um zum Flughafen zu kommen.

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Tag der Veröffentlichung: 25.08.2023

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