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Kapitel 1 - Ein dummer Unfall

„Verdammte Idioten, die machen uns das Geschäft noch komplett kaputt!“
Ole Peterson, der Besitzer einer kleinen Reederei für Hafenrundfahrten, warf ärgerlich die Tageszeitung auf den Tisch in seinem Büro.
Isabelle, seine jüngste Angestellte, blickte vorsichtig auf, während sie weiterhin einen Kasten mit verschiedenen Flaschen füllte.
Die nächste Fahrt ging in einer guten halben Stunde los und da sollten die Getränke auf dem Boot sein.
„Was glotzt du so dämlich, Tanzmaus? Sieh zu, dass du die Sachen an Bord schaffst und dieses Mal will ich, dass du mehr verkaufst. Wir leben nicht von den glücklichen Gesichtern der Gäste.“
Isabelle nickte, gleichzeitig verkniff sie sich eine Erwiderung. Es brachte nichts, sich mit dem Chef anzulegen, das hatte sie in den letzten vier Monaten gelernt.
Der Kapitän des Schiffes, das gleich auslaufen würde, zwinkerte ihr freundlich zu, doch er hütete sich, sich einzumischen.
Gerade, als sie den Kasten hochwuchtete, fiel ihr Blick auf die Tageszeitung. „Erneuter Leichenfund in der Speicherstadt“, prangte ihr in großen Buchstaben entgegen.
Ein aufforderndes Schnalzen des Reeders scheuchte sie aus dem Raum, trotzdem blieb ihr die Neuigkeit im Gedächtnis.
Während sie die Getränke einräumte und noch einmal nach dem Rechten sah, überlegte sie, was es mit den Morden in der Speicherstadt auf sich hatte.
Das war mittlerweile die vierte Leiche, die dort, ganz in der Nähe eines Sex-Klubs, gefunden wurde. Die Touristen bekamen Angst, die Polizei war ratlos. Bisher gab es wohl keinen Hinweis, wer die Leute umgebracht hatte. Gerüchte über Ritualmorde kamen auf, außerdem spekulierte man natürlich wild herum.
Es handelte sich um völlig unterschiedliche Personen, zwei Männer, zwei Frauen, die absolut nichts miteinander zu tun hatten.
„Nimm es dir nicht zu Herzen. Der Alte hat einen Hass auf alles, was mit den Musicals in Verbindung steht, seit er die Absage bekommen hat.“
Axel, der Kapitän des kleinen Rundfahrtbootes, trug eine zweite Kiste, die er am Ende des Bootes abstellte, gleichzeitig lächelte er sie freundlich an.
Er hatte immer ein nettes Wort für sie übrig und oft genug tröstete er sie, wenn der Chef sie wieder einmal runtergemacht hatte.
„Ich weiß, aber ich bin kaum dafür verantwortlich, dass es eigene Fährschiffe gibt, die die Leute zu der jeweiligen Musicalhalle bringen. Glaub mir, ich bin alles andere als glücklich, dass Pretty Woman nicht läuft, obwohl ich nur eine unbedeutende Nebenrolle hatte.“
Seufzend blickte sie den älteren Mann an, der nur leicht nickte.
Isabelle Schneider, genannt Bella, war vor einem Jahr nach Hamburg gekommen, weil sie ein Engagement bei dem bekannten Musical bekommen hatte.
Sie erinnerte sich genau, wie aufgeregt sie sich fühlte. Ihre erste Rolle nach der Musicalschule, wo sie Tanz, Gesang und Schauspiel studiert hatte.
Die Premiere war ein voller Erfolg gewesen, doch dann blieben die erwarteten Gäste aus, von ausverkauften Aufführungen konnten sie nur noch träumen, leider. Natürlich feuerte man zuerst die neuen Darsteller, die Anfänger.
Jetzt saß sie in Hamburg und musste sehen, dass sie ihren Job behielt, damit sie Geld für ihren Unterhalt aufbrachte. Da man ihnen Hoffnungen machte, die Situation würde sich eventuell im Laufe des Jahres etwas ändern, blieb sie in der Hansestadt.
Sie seufzte leise. Ehrlich gab sie zu, dass sie dumm genug gewesen war, ihre eigene kleine Wohnung in der Nähe von Frankfurt zu kündigen. Sechs Monate lang doppelte Miete zu zahlen, kam für sie kaum infrage.
Obwohl der Reeder von Anfang an keinen Hehl daraus gemacht hatte, dass er sie nicht leiden konnte, gab er ihr den Job. Wahrscheinlich, weil sie vielen männlichen Gästen gefiel. Allerdings gab es keinen Tag, an dem sie seine Verachtung nicht zu spüren bekam.
„Die Leute kommen gleich. Pass ein wenig auf. Heute sind zwei Kegelklubs an Bord, die nur aus Männern bestehen. Ich befürchte, dass sie ziemlich getankt haben.“
Axel sah sie besorgt an, doch Bella nickte nur resignierend. Sie würde sich die Meute schon irgendwie vom Hals halten.
Kurz darauf kamen die angekündigten Gäste, die wirklich bereits angetrunken waren.
„Wow, was für ein Anblick, da lohnt sich die Hafenrundfahrt ja doppelt“, rief einer, während er sich in einer verunglückten Verbeugung verrenkte.
Bella lächelte gezwungen. Es war immer dasselbe, die gleichen dummen Anbaggersprüche, worauf eindeutige Angebote folgten.
„Bitte, setzen Sie sich, wir starten in wenigen Minuten.“
Sie zeigte höflich auf die Sitzbänke und Stühle im Inneren des Bootes, woraufhin sich die meisten auch brav hinsetzten.
„Wir bleiben hier draußen bei dir“, bemerkte einer der Gruppe, dabei deutete er auf seine drei Kumpels.
„Gehen Sie lieber hinein. Es ist sicherer, außerdem besteht drinnen keine Gefahr, nass zu werden.“
Sofort schüttelten die jungen Männer die Köpfe.
„Ein bisschen Wasser macht uns nichts aus, es ist doch schönes Wetter.“
In der Tat strahlte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, sodass Bella nur leise seufzte. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte, die Leute unter Deck zu schicken, wo sie besser aufgehoben waren, zumal zwei ziemlich angetrunken schienen.
Auf ein Zeichen von Axel löste sie die Leinen, ehe sie zurück zu den anderen Gästen ging. Sie sollte möglichst viele Getränke verkaufen, sonst gäbe es nur wieder Ärger.
„Die vier draußen wollen partout nicht rein. Zwei sind betrunken“, teilte sie dem Kapitän mit, der nur leicht brummte.
„Schick sie zu mir, wenn sie aufdringlich werden. Ansonsten hast du meine Erlaubnis, ihnen zu sagen, dass sie das Boot verlassen müssen, falls sie sich weigern reinzukommen.“
Dankbar nickte Bella ihm zu. Auf eigene Faust hätte sie diese Drohung niemals ausgesprochen, denn sollte sich ein Gast beschweren, wäre sie ihren Job los und das konnte sie sich nicht leisten.
Mit einem gewinnenden Lächeln ging sie zurück zum hinteren Deck, wo die angetrunkenen Männer standen.
„Ich soll Ihnen einen lieben Gruß vom Kapitän bestellen, Sie müssen hineingehen, sonst wird er umdrehen, um Sie an Land abzusetzen. Leider sehen unsere Sicherheitsvorschriften es so vor.“
Bedauernd sah sie die vier Kerle an, die sich widerwillig in Bewegung setzten.
„Außerdem kann ich Ihnen drinnen einen Drink anbieten. Ein kühles Bier an so einem Tag kommt doch bestimmt gerade richtig, oder?“
Sofort nickten die Männer ihr zu, sodass sie erleichtert aufatmete. Hier würde sie ihr Soll auf jeden Fall erfüllen können.
Während Axel das Boot durch den Hafen steuerte und dabei allerlei Unterhaltsames erzählte, amüsierten sich die Gäste offensichtlich.
Bella versorgte sie mit Bier, Wasser, Cola und Limo, denn es hielten sich noch zwei Familien mit Kindern an Bord auf.
Erst als die Besucher zufrieden waren, setzte sie sich zum Kapitän, auch um den aufdringlichen Kerlen aus dem Weg zu gehen, denen der Sinn mehr nach anderen Freuden stand.
„Na, Deern, alles gut? Oder muss ich jemanden ins Brackwasser werfen?“
Axel zwinkerte ihr gutmütig zu.
„Danke, lieb von dir, aber bis jetzt haben sie ihre Finger bei sich behalten. Ich hoffe, es bleibt so.“
Sie hockte sich auf einen kleinen Stuhl, der etwas versetzt hinter dem Käpten am Boden festgeschraubt war.
Aufmerksam beobachtete sie die riesigen Containerschiffe, an denen sie gerade vorbeifuhren. Obwohl sie den Anblick mehrmals täglich sah, faszinierte es sie immer noch. Hier spürte sie die Sehnsucht nach Freiheit und der großen, weiten Welt.
„Meinst du, wir können heute in die Speicherstadt?“
Neugierig sah sie den Mann an.
Früher war es kein Problem, mit den flachen Booten in die Kanäle zu fahren, aber dummerweise versandete dort alles zunehmend. Sollte das Wasser nicht hoch genug steigen, würden sie die Leute enttäuschen müssen. Das war mittlerweile ein regelrechtes Würfelspiel geworden, besonders jetzt im Sommer.
„Ich hoffe es. Es ist für viele immer noch ein Highlight. Wir werden sehen, was die Anzeigen sagen.“
Axel griff erneut nach dem Mikrofon, um etwas über die Elbphilharmonie zu erzählen, die an ihrer Seite auftauchte.
Kurz darauf nahm er Kontakt zum Hafenmeister auf, um ein paar Fakten über die riesigen Containerschiffe zu bekommen, an die sie später noch einmal dichter heranfahren würden.
Außerdem wurde gerade eins dieser Schiffe an seinen Liegeplatz geschleppt, sodass er seine Gäste natürlich sofort auf das Schauspiel aufmerksam machte.
Auch Bella sah fasziniert zu, wie die kleinen Boote den Giganten hinter sich herzogen. Sie wusste, dass an Bord jetzt ein Lotse war, der den Hafen bestens kannte, damit hier kein Unglück geschah.
Sie passierten die bunten Musicalhallen auf der anderen Seite der Landungsbrücken, was ihr einen leichten Stich ins Herz gab.
Bella sehnte sich danach, wieder auf der Bühne zu stehen, dabei war es ihr ziemlich egal, in welcher Rolle. Für sie war die Welt des Musicals etwas Magisches. Dort konnte sie ihre Umwelt vergessen und tauchte völlig in die jeweilige Person ein, die sie darstellte.
In Pretty Woman hatte sie nur kleine Nebenrollen gehabt, unter anderem eine der Verkäuferinnen, die die Hauptdarstellerin Vivian beraten hatte.
„Irgendwann gehst du zurück und zeigst es ihnen allen.“
Natürlich hatte Axel ihr leises Seufzen gehört.
Dankbar lächelte sie ihn an. Ihre Hoffnung schwand von Monat zu Monat. Trotzdem schrieb sie fleißig Bewerbungen, aber bisher hatte sie absolut kein Glück. Irgendwie schien es mit dem Teufel zuzugehen, dass sie in der Musicalstadt Hamburg so gar kein Engagement bekam.
Mit einem aufgesetzten Lächeln auf den Lippen ging Bella zu den Gästen zurück, um neue Getränke anzubieten.
„Hey, Zuckerschnute, setz dich doch ein bisschen zu uns“, rief einer der Männer, die sie am Anfang der Fahrt ins Boot schicken musste.
Das Kosewort gefiel ihr überhaupt nicht, trotzdem lächelte sie unbeirrt weiter.
„Es tut mir sehr leid, aber ich muss meinen Job erledigen. Möchten Sie noch ein Bier?“
Energisch schüttelte der Typ den Kopf.
„Ich habe für meinen Spaß bezahlt, also setz dich.“
In seinem Blick lag eine Gier, die sie zurückschrecken ließ. In dem Moment kam sie sich vor, als ob sie ihren Körper zum Verkauf anbieten würde.
„Ich fürchte, Sie verwechseln da etwas. Meine Gesellschaft ist kein Bestandteil dieser Rundfahrt. Wir sind nicht in der Herbertstraße.“
Wütend drehte sie sich um, doch der unverschämte Kerl packte sie schon am Handgelenk.
„Das ist mir klar, die Nutten dort verhalten sich wesentlich zuvorkommender.“
Sein Grinsen wurde schmieriger, was eine Gänsehaut der Angst über Bellas Körper jagte.
„Lass mich sofort los!“
Sie zischte ihm den Befehl nur zu, doch in ihrem Blick stand deutlich, dass er es bitter bereute, wenn er sie weiterhin festhielt.
„Hör auf! Uns erwarten willige Frauen.“
Einer seiner Kumpel sorgte dafür, dass sie freikam, sodass sie augenblicklich den Rückzug antrat.
Egal, ob sie genug verkaufte oder nicht, sie würde dieser Gruppe für den Rest der Fahrt aus dem Weg gehen. Auf keinen Fall wollte sie sich dem Kerl noch mal irgendwie nähern.
Schnell ging sie auf die andere Seite, um dort einige Flaschen Bier zu verkaufen, wobei sie bemerkte, dass die beiden Familien sich selbst versorgten.
Es gab keine Regel, die den Gästen verbot, eigene Getränke zu konsumieren, allerdings machte es ihr Leben kaum leichter.
Erneut setzte sie sich zum Kapitän, wo sie still vor sich hin grübelte. Mittlerweile sollte sie die dummen Anmachsprüche gewohnt sein, aber es traf sie, wenn man sie wie eine Nutte behandelte.
Einen Augenblick überlegte sie, ob sie sich vielleicht zu aufreizend gekleidet hatte. Doch daran konnte es nicht liegen. Ihre Jeans waren weit geschnitten, ihr T-Shirt sah verwaschen aus und verbarg ihre schlanke Silhouette.
„Lass sie reden. Viele verbinden Hamburg immer noch mit dem Sextourismus, für den die Stadt früher mal berühmt-berüchtigt war. Besonders solche Kandidaten.“
Axel deutete auf die Männer, die sich lachend versaute Witze erzählten.
Erneut nahm er das Mikro, um die Leute auf einige Sehenswürdigkeiten aufmerksam zu machen.
Sie fuhren bereits unter der Köhlbrandbrücke hindurch, was bedeutete, dass sie gleich in die Speicherstadt kommen würden, sollte der Wasserstand ausreichen.
„Die Köhlbrandbrücke ist eins der Hamburger Kulturdenkmäler, allerdings verhindert sie auch, dass die wirklich beeindruckenden Containerschiffe den neuen Hafenbereich anfahren können. Sie ist einfach zu niedrig, etwas, was man 1974, als man die Brücke baute, kaum ahnen konnte. Aktuell überlegt man, alles abzureißen und etwas Höheres, Größeres zu bauen, damit die Schiffe den Containerhafen Altenwerder zu jeder Zeit erreichen“, erzählte Axel gerade.
Bella hing ihren eigenen Gedanken hinterher, zumal sie die Vorträge rund um den Hafen mehrmals täglich hörte.
Für sie war die Speicherstadt immer noch der schönste Teil. Hier atmete die Gegend Geschichte aus und man konnte sich gut vorstellen, wie es gewesen sein musste, als die Speicher ausschließlich als Lagerräume genutzt wurden.
Heutzutage gab es eine vielfältige Nutzung von Wohnräumen über Eventlocation, wie Hamburg Dungeon oder auch Lager.
„Soll ich dich nach Feierabend schnell nach Hause fahren?“
Axel sah sie freundlich an, aber Bella schüttelte lächelnd den Kopf.
„Das wäre Verschwendung, außerdem weiß ich, dass deine Frau auf dich wartet. Ich hab doch eine Karte für die U-Bahn.“
Sie mochte den älteren Kapitän, der ihr immer zur Seite stand.
Jetzt fuhren sie durch die Tore in die Speicherstadt, weshalb sie ihre Aufmerksamkeit erneut auf ihre Umgebung richtete.
Seufzend bemerkte sie, dass die Gäste auf dem Trockenen saßen, also verließ sie die kleine Führerkabine, um sich wieder um den Getränkeverkauf zu kümmern.
„Da bist du ja, Zuckerschnute. Hast es dir wohl anders überlegt, oder?“
Der Kerl grinste sie schmierig an, sodass sie ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte. Ihre Wut kochte über, als er sogar seinen Geldbeutel zückte.
„Ich bezahle auch gut. Was kostest du denn für eine Stunde?“
Hochmütig sah sie ihn an.
„Ich bin nicht käuflich und jetzt lassen Sie mich bitte mit Ihren unangebrachten Angeboten in Ruhe.“
Schnell drehte sie sich um, damit er nicht sah, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Die täglichen Demütigungen ihres Chefs, der mit seiner Verachtung nur selten hinterm Berg hielt, die Anbaggerversuche der Gäste, die im Sommer noch häufiger vorkamen, und ihre scheinbar aussichtslose Suche nach einem neuen Engagement sorgten dafür, dass sie ziemlich dünnhäutig geworden war.
Natürlich war der Verdienst nicht gerade so, dass sie sich ein bequemes Leben leisten konnte. Im Gegenteil, sie lebte in einer WG mit einigen Studenten, die es oft nachts krachen ließen. Außerdem wollte sie ihre Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio aufrechterhalten, denn sollte sie ihre Form verlieren, musste sie ihren Traum von einer Karriere beim Musical abschminken.
Das führte dazu, dass sie nur sehr selten genug Geld besaß, um auszugehen.
Seufzend stellte sie fest, dass die Kiste, die im Inneren des Bootes stand, leer war. Wenigstens klappte der Verkauf heute recht gut.
Schnell ging sie zum Heck, wo sie den Nachschub verstaut hatte. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und sie atmete den Geruch des brackigen Wassers ein.
Gerade als sie sich nach der zweiten Getränkekiste bücken wollte, packte ihr jemand an den Hintern.
Wütend drehte sie sich um, doch der Mann hinter ihr verlor das Gleichgewicht.
Bella spürte einen harten Schlag in ihrem Rücken, der sie über Bord warf. Entsetzt schrie sie auf, ehe sie mit dem Kopf gegen die Kaimauer prallte. Innerhalb von Sekunden wurde ihr schwarz vor Augen, während sie in dem dreckigen Wasser versank.

~~°~~

Darius ließ seufzend die Tageszeitung sinken.
„Wieder ein Toter in der Speicherstadt“, erklärte er auf den fragenden Blick seines Bruders Cailan, der ihm gegenüber am Küchentisch saß.
Genau in dem Augenblick klingelte das Telefon, was seine Laune kaum verbesserte.
„Hellberg?“
Seine Antwort war nur ein Knurren.
„Ich wünsche dir auch einen guten Morgen, Darius“, erklang Mortaugs spöttische Stimme.
Er war das Oberhaupt der Familie und es musste schon wichtig sein, dass er sich persönlich meldete.
„Was kann ich für dich tun? Oder wolltest du dich nur nach meinem Befinden erkundigen?“
Darius atmete tief durch.
„Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht so angehen dürfen. Ich mache mir Sorgen, weil wieder jemand ermordet wurde“, entschuldigte er sich ein wenig zerknirscht.
Mortaug konnte nun wirklich nichts dafür, dass er so schlecht gelaunt war.
„Schon gut, mein Junge. Wir alle sind über die Geschehnisse in der Speicherstadt beunruhigt. Jill und Damon sind auf dem Weg zu dir, doch irgendwas sagt mir, dass wir es mit einem Menschen zu tun bekommen, mit denen wirst du am besten fertig.“
Einen Augenblick entstand Stille in der Leitung, während Darius überlegte, was er über den Mörder wusste.
„Du hast vielleicht sogar recht. Der Killer ist nicht gerade wählerisch. Unsere Leute würden subtiler vorgehen. Aber eventuell ist das auch genau sein Trick.“
Er konnte Mortaug geradezu durch das Telefon sehen, wie er leicht nickte.
„Deshalb sind Jill und Damon auf dem Weg zu dir. Wir bleiben in Kontakt.“
Die Männer verabschiedeten sich, anschließend legte Darius nachdenklich auf.
Cailan sah ihn fragend an, da er natürlich nur einen Teil des Gesprächs mitbekommen hatte.
„Jill und Damon kommen gleich. Wir sollen den Mörder gemeinsam finden.“
Ein erfreutes Lächeln machte sich auf Cailans Miene breit.
„Ich freue mich, unsere bezaubernde Cousine wiederzusehen. Auch Damon ist viel zu lange nicht mehr hier gewesen.“
Dem stimmte Darius zu, nur beschäftigten ihn die Vorgänge in der Speicherstadt extrem.
„Kann ich irgendwie nützlich sein? Braucht ihr Boten? Oder Beobachter?“
Cailan sah ihn offen an. Unschlüssig zuckte dieser mit den Schultern.
„Leider können deine kleinen Helfer nachts kaum etwas erkennen. Allerdings wäre es gut, wenn sie die Augen aufhalten.“
Verstimmt nickte Cailan. Er war in der Lage, mit Vögeln zu sprechen. Dummerweise hielten die sich nur selten in den dunklen Gassen der Speicherstadt auf. Und wie sein Bruder bereits gesagt hatte, konnten die wenigsten seiner geflügelten Freunde in der Dunkelheit sehen.
In diesem Teil Hamburgs gab es keine Eulen, die er auf den Fall hätte ansetzen können.
Darius stand auf, um nachdenklich aus dem Fenster zu starren. Noch einmal dachte er an alle Details, die er über die Morde wusste.
Es sah aus, als ob es sich um Ritualmorde handelte. Jedes Opfer wies erhebliche Verletzungen im Genitalbereich auf. Die Männer hatte jemand entmannt, dabei war unklar, ob sie zu dem Zeitpunkt lebten.
Außerdem malte der oder die Täter ein Pentagramm auf die Brust der getöteten Personen.
Irgendetwas an den Beschreibungen störte ihn gewaltig, doch noch kam er nicht darauf, was es war.
Natürlich hatte die Polizei sich direkt nach dem ersten Mord in seinem SM-Klub gründlich umgesehen.
„Es leben die Klischees und Vorurteile“, murmelte er leise, als er an die Hausdurchsuchung dachte.
Als wenn er so dumm wäre, ausgerechnet in seinem Etablissement einen Menschen zu töten oder dort etwas zu verstecken, was ihn verraten könnte!
Wieder sah er gedankenverloren aus dem Fenster. Er beobachtete, wie Touristen auf einer Barkasse sich die Gegend ansahen. Das Geschäft mit den Hafenrundfahrten ließ nach, das wusste er von einem befreundeten Skipper.
Seit die Kanäle in der Speicherstadt immer mehr versandeten und sie nie genau sagen konnten, ob sie den Leuten die alten Speicher zeigen durften, gab es ständig weniger Fahrgäste.
Plötzlich fluchte er. Ohne nachzudenken, rannte er aus der Wohnung, flog förmlich die Treppe runter bis zu einem Tor, das direkt über dem Kanal, den die Hamburger Fleet nannten, lag. Hier hechtete er mit einem Kopfsprung ins Wasser, wo er gerade noch eine junge Frau zu packen bekam, die im Begriff war unterzugehen.
Er hatte deutlich gesehen, wie sie von dem Ausflugsschiff über Bord gegangen war, weil jemand sie anrempelte.
Mit kräftigen Zügen schwamm er zur Kaimauer, die genug Vorsprünge hatte, sodass er trotz seiner Last sicher zurück in seinen Speicher klettern konnte.
Eilig trug er sie ins zweite Stockwerk, brachte sie in sein Schlafzimmer, ehe er ein großes Badetuch holte. In Windeseile zog er sich um, ehe er zu der verunglückten Frau zurückging.
Cailan stand in der Küchentür.
„Soll ich einen Arzt rufen? Oder brauchst du Hilfe?“
Ablehnend schüttelte Darius den Kopf. Im Augenblick wollte er die Kleine erst mal trocken bekommen, ehe er weitere Schritte einleitete.
Ohne seinen Bruder weiter zu beachten, verschwand er mit dem Tuch in seinem Schlafzimmer.
Einen Moment blickte er besorgt auf die zarte Gestalt, die bleich auf dem Bett lag, bis er sah, dass sich ihr Brustkorb bewegte. Sie atmete, zum Glück.
Vorsichtig streifte er ihr die nassen Sachen vom Körper, dabei bemühte er sich, sie nicht anzustarren, was ihm extrem schwerfiel.
Sie war durchtrainiert und trotzdem an den richtigen Stellen gerundet. Irgendwie hatte sie etwas von einer Tänzerin.
Diese Gedanken schob er energisch von sich. Er konnte wohl kaum aufgrund ihres Aussehens auf ihren Beruf schließen. Außerdem trug sie ein T-Shirt, das sie als Angestellte der Reederei auswies.
Darius zog sie aus, wickelte sie in das Badetuch, rubbelte sie trocken, anschließend warf er das Tuch achtlos auf den Boden.
Noch einmal sah er sie genau an, um mögliche Verletzungen zu entdecken, aber außer einer Platzwunde an ihrem Hinterkopf sah er nichts, was ihre Bewusstlosigkeit erklärte.
Leicht schlug er ihr auf die Wange.
„Wach auf, kleine Nixe.“
Angestrengt überlegte er, ob er so etwas wie Riechsalz hatte, doch sofort schüttelte er über sich selbst den Kopf. So langsam sollte er in diesem Jahrhundert ankommen!
Sie stöhnte leise, gleichzeitig bewegte sie sich unruhig.
So wie es aussah, war er rechtzeitig zur Stelle gewesen, sodass sie kaum Wasser geschluckt hatte.
Ihr Glück, dass er über eine enorme Schnelligkeit verfügte, so wie alle seiner Art.
Noch einmal klopfte er mit den Fingerspitzen gegen ihre Wange und atmete erleichtert auf, als sie ihn ansah.
Der Blick aus braunen Augen ging ihm unter die Haut, daher starrte er sie einen Moment einfach nur an.
„Wo bin ich?“
Sichtlich verwirrt sah sie sich um, bis sie sich mit einem schmerzerfüllten Laut an den Hinterkopf griff.
„Du bist in der Speicherstadt. Erinnerst du dich daran, was passiert ist?“
Darius bemühte sich, leise zu sprechen, um sie nicht zu erschrecken.
Einen Augenblick sah sie ihn nur verständnislos an, ehe sie vorsichtig den Kopf schüttelte.
„Ich war dabei, die Getränke aufzufüllen ...“
Sie brach ab, um erschöpft die Augen zu schließen.
Seufzend wartete er kurz ab, bevor er sie erneut am Arm berührte.
„Kannst du mir sagen, wie du heißt und wo du wohnst?“
Langsam nickte sie, ohne die Lider zu heben.
„Isabelle Schneider. Ich lebe in einer Studenten-WG in der Kieler Straße.“
Jetzt atmete Darius auf. Sie schien mit einem Schrecken davon gekommen zu sein.
„Sieh mich bitte an, damit ich feststellen kann, ob ich einen Arzt kommen lassen muss.“
Mühsam öffnete Bella die Augen, um den Mann, der sie offensichtlich gerettet hatte, anzusehen.
Er runzelte die Stirn, während er sie eindringlich musterte.
„So wie es aussieht, hast du eine Gehirnerschütterung. Deine Pupillen sind ungleichmäßig geweitet. Ist dir schlecht? Oder hast du Kopfschmerzen?“
Vorsichtig nickte sie, gleichzeitig schloss sie die Lider wieder.
„Bleib liegen, ich hole einen Arzt. Bin gleich zurück.“
Darius stand auf, doch sie hob sofort einen Arm, um ihn zurückzuhalten.
„Warte, ich brauche keinen Doktor.“
Sie öffnete die Augen, zuckte zusammen und blinzelte, wahrscheinlich, weil das Licht ihr wehtat.
Mühsam richtete sie sich auf, rückte an die Kante des Bettes, um ihre Beine darüber zu schieben.
„Du meine Güte, was soll das denn werden? Bleib liegen, du bist kaum in der Lage, geradeaus zu sehen.“
Besorgt ging Darius einen Schritt auf sie zu, doch sie stemmte sich schon hoch, um ihm direkt darauf in die Arme zu fallen.
Geschickt fing er sie auf, hielt sie fest an sich gedrückt, während ihm extrem bewusst war, dass sie keine Kleider anhatte.
„Unvernünftiges Kind“, tadelte er sie, als er sie hochhob.
„Lass mich runter. Ich muss an meine Arbeit“, murmelte sie, versteckte aber ihr Gesicht an seiner Brust.
Zart strich er über ihren Rücken, trug sie die zwei Schritte zum Bett zurück, wo er sie vorsichtig ablegte.
„Du bist überhaupt nicht in der Lage, irgendetwas zu tun. Sei vernünftig und bleib liegen.“
Eindringlich sah er sie an, zog die Decke unter ihr hervor, um sie zuzudecken.
Erst jetzt färbten sich ihre Wangen tiefrot.
„Wo sind meine Kleider?“, flüsterte sie erstickt.
Nachlässig deutete er auf den nassen Haufen, der neben dem Bett lag.
„Ich konnte dich kaum patschnass liegen lassen, oder?“
In seinen Augen blitzte es verlangend auf, doch die Regung unterdrückte er schnell wieder.
„Bleibst du freiwillig oder muss ich die Tür abschließen?“
Unwillig wollte sie den Kopf schütteln, brach aber mitten in der Bewegung ab, gleichzeitig verzog sie schmerzerfüllt das Gesicht.
„Ich kann es mir nicht leisten, hier herumzuliegen. Ich brauche den Job“, flüsterte sie verzweifelt.
Seufzend setzte sich Darius zu ihr an den Bettrand.
„Du bist kaum in der Lage, dich auf den Beinen zu halten. Wie willst du da die Gäste auf einem Boot bedienen? War es ein so tolles Gefühl, über Bord zu gehen?“
Ernst sah er sie an. Zu gerne hätte er darauf verzichtet, seine besondere Gabe ausgerechnet an ihr anzuwenden, aber sie ließ ihm keine Wahl.
Sein Blick bohrte sich in ihren, so als ob er sie hypnotisieren wollte.
„Du möchtest hier auf den Arzt warten. Außerdem wirst du dich ausruhen, bis es dir wirklich gut geht.“
Ein leises, spöttisches Auflachen antwortete ihm.
„Bist du nicht ganz klar? Wieso glaubst du, mir sagen zu können, was ich will? Oder hast du gerade versucht, mich zu hypnotisieren? Das hat nicht geklappt.“
Bella kostete diese Antwort viel Kraft, das sah er ihr an, aber dass sie sich überhaupt gegen ihn stellen konnte, irritierte ihn extrem.
Natürlich hatte er von Anfang an gespürt, dass er sich von ihr angezogen fühlte, mehr als von jeder anderen Frau. Allerdings zeigte ihm ihre Fähigkeit, seiner besonderen Gabe auszuweichen, dass er es hier mit seiner Gefährtin, seiner Seelenverwandten zu tun hatte.
Sanft strich er ihr über die Wange. Durfte er wirklich annehmen, dass sie zu ihm gehörte? Oder lag es an ihrer Gehirnerschütterung?
Tief in seinem Inneren wusste er die Wahrheit: Diese kleine Nixe war seine Dualseele.
„Tu dir selbst einen Gefallen und bleib liegen. Ich hole einen Arzt. Danach sehen wir weiter. Glaub mir, ich schrecke nicht davor zurück, dich ans Bettgestell zu fesseln.“
Einschüchternd sah er sie an, gleichzeitig strich er zart mit den Fingerknöcheln über ihre Wange.
Ihm fiel es verdammt schwer, sie alleine zu lassen, aber er musste sicher sein, dass sie nur eine Gehirnerschütterung hatte. Auf keinen Fall würde er ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, weil sie sich gegen ihn wehrte.
„Das wagst du nicht und jetzt will ich gehen“, murmelte sie.
Mit einem Seufzen stand er auf, trat ein paar Schritte von dem Bett weg, ehe er die Arme vor der Brust verschränkte.
„Tu, was du für richtig hältst, wenn du kannst.“
Seine Stimme klang gleichgültig, was ihm extrem viel abverlangte, allerdings wusste er zu gut, dass sie bestimmt nicht aus dem Zimmer kam.
„Gib mir etwas zum Überziehen, sofort.“
Herrisch sah sie ihn an, gleichzeitig zog sie die Bettdecke bis zum Kinn hoch.
„Hm, deine Kleider sind nass, aber du könntest sie natürlich gerne anziehen. Sie liegen ja gleich neben dem Bett.“
Erneut deutete er auf den Stapel, dabei musste er sich ein Grinsen verkneifen.
Einen Augenblick schloss sie die Lider, wahrscheinlich um Kraft zu sammeln, ehe sie ihn wütend ansah.
„Du bist ja die Hilfsbereitschaft in Person.“
Sarkasmus tropfte aus ihrer Stimme, gleichzeitig schossen ihre Augen tödliche Blitze in seine Richtung.
„Ich bekomme immer meinen Willen und jetzt bestehe ich darauf, dass du brav liegen bleibst. Wieso sollte ich dir also helfen? Außerdem schadest du dir nur selbst.“
Die Wut gab ihr offensichtlich Kraft, denn sie stemmte sich erneut aus dem Bett, wobei sie ihm keinen Blick schenkte.
Sie schaffte sogar einen wackeligen Schritt auf ihre Kleider zu, ehe ihr wieder so schwindelig wurde, dass sie die Augen schloss.
Sofort war Darius bei ihr, hielt sie an der Taille fest, gleichzeitig zog er sie an sich.
„Unvernünftiges Kätzchen, zieh die Krallen ein. Ich will dir wirklich nur helfen. Die Sache mit dem Job bekommen wir auch hin. Zur Not kannst du bei mir dein Geld verdienen.“
Ohne auf ihre Antwort zu warten, hob er sie hoch, um sie erneut ins Bett zu legen.
Einen Augenblick betrachtete er sie mit einem liebevollen Grinsen. Das war mal ein anderes Kaliber! Keine Frau, die sich ihm direkt an den Hals warf. Es würde ihn ein hartes Stück Arbeit kosten, bis sie einsah, dass sie zu ihm gehörte, aber es war die Mühe absolut wert.
„Bleibst du jetzt liegen oder muss ich dich fesseln?“
Müde nickte sie nur, so wie es aussah, hatte sie für den Moment kapituliert, allerdings machte er sich keine Hoffnungen, dass es auch so blieb.
„Ich bin gleich wieder da.“
Schnell ging er zum Bett, küsste sie auf die Stirn, ehe er das Zimmer verließ.
Mit einem Seufzen drehte er den Schlüssel herum, so stellte er sicher, dass sie zumindest im Raum bleiben musste.
Auf keinen Fall ließ er sie mit einer Gehirnerschütterung herumlaufen.
Eilig lief er in die Küche, wo noch sein Handy lag.
„Was hat das denn jetzt zu bedeuten?“
Cailan grinste ihn wissend an, als er das Zimmer betrat.
„Sollte ich sie vielleicht ertrinken lassen?“, blaffte Darius ihn an.
Auf ein Verhör durch seinen jüngeren Bruder hatte er so gar keine Lust, außerdem war er selbst von seinen Gefühlen überfahren. Niemals hätte er gedacht, dass seine Seelengefährtin auf diese Weise in sein Leben purzelte.
Schnell schnappte er sich das Telefon, rief eine Nummer auf und trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf dem Küchentisch herum, während er darauf wartete, dass sich jemand meldete.
„Kaiser?“, erklang eine tiefe, freundliche Stimme.
Darius seufzte auf.
„Darius hier. Ich brauche deine Hilfe, Jason. Vor unserem Speicher ist eine junge Frau ins Wasser gefallen. Ich befürchte, dass sie eine Gehirnerschütterung hat.“
Jetzt hielt er die Luft an, während er eine Antwort abwartete.
„Wieso bringst du sie nicht in ein Krankenhaus?“
Genau darauf hatte er gewartet.
„Weil ich sie kaum splitterfasernackt durch die Gegend schleppen kann, oder? Ihre Kleidung ist nass und ich habe keinen Ersatz für sie hier.“
Einen Augenblick herrschte Stille in der Leitung.
„Bitte, Jason, es ist mir wirklich wichtig, dass du sie untersuchst.“
Darius hasste den flehenden Klang seiner Stimme, doch im Moment konnte er es nicht unterdrücken.
Falls er Isabelle ins Hospital brachte, wäre er sie sofort los. Er würde nicht mal eine Antwort bekommen, sollte er sich nach ihrem Gesundheitszustand erkundigen.
Außerdem befürchtete er, dass sie ihn nie wiedersehen wollte. So wie sie ihn eben angegangen war, durfte er kaum annehmen, dass sie sich vor Dankbarkeit überschlug, wenn er sie mit Gewalt ins Krankenhaus schleppte.
„Du empfindest etwas für sie. Das ist der Grund, oder?“
Jasons Stimme klang vergnügt.
„Ja, zum Teufel. Ich kann es dir nicht erklären. Kommst du oder muss ich ernsthaft betteln?“
Erleichtert hörte er, wie der Freund leise auflachte.
„Selbstverständlich sehe ich mir die Frau an. Bin gleich bei dir.“
Ehe Darius sich bedanken konnte, hatte der Arzt bereits aufgelegt.
„Wow, du hast dich aber schnell verliebt“, bemerkte Cailan jetzt auch noch süffisant.
Natürlich hatte er das Gespräch interessiert angehört.
Ungeduldig zuckte Darius mit den Schultern.
„Ich kann sie nicht manipulieren“, flüsterte er.
Mit der Tatsache, dass er gerade seine Gefährtin aus dem Fleet gezogen hatte, musste er sich erst einmal auseinandersetzen.
„Wie meinst du das? Alle Menschen tanzen nach deiner Pfeife. Niemand ist in der Lage, dir etwas entgegenzusetzen. Das ist deine Besonderheit, dein spezielles Talent.“
Cailan sah seinen Bruder irritiert an, doch der nickte nur leicht.
„Ich weiß, Bruderherz, das ist meine Gabe. Nur bei ihr funktioniert sie nicht.“
Bei der Antwort grinste Cailan breit.
„Aber das heißt, dass sie deine Dualseele ist“, brachte er fast ehrfürchtig hervor.
„Wirklich? Da wäre ich jetzt von alleine niemals drauf gekommen.“
Darius verdrehte genervt die Augen.
Es klingelte und er atmete auf, wobei er Jason so schnell keinesfalls erwartet hätte.
Eilig lief er die Treppe runter bis zum Erdgeschoss, wo er ungestüm die Tür aufriss.
„Wow, ich wusste nicht, dass du uns so dringend sehen wolltest“, begrüßte sein Cousin Damon ihn.
Schlagartig verdunkelte sich sein Gesicht. Daran hatte er überhaupt nicht mehr gedacht.
„Kommen wir ungelegen? Wir können uns auch ein Hotelzimmer nehmen.“
Jill sah ihn fragend an, woraufhin er sofort den Kopf schüttelte.
„Nein, auf keinen Fall, kommt rein. Ich habe nur geglaubt, dass ein befreundeter Arzt vor der Tür stünde.“
Mit der Antwort hatte er die Neugierde seiner Verwandtschaft natürlich erst recht geweckt, aber ehe sie fragen konnten, deutete er auf die Treppe.
„Lasst uns hochgehen. Ich glaube, wir brauchen alle einen Kaffee, ehe ich euch die Geschichte erzähle.“
Dem stimmten die beiden anderen zu, doch genau in dem Augenblick klingelte es erneut.
Dieses Mal stand wirklich Jason vor der Tür und Darius atmete erleichtert auf.
Ehrlich gab er zu, dass er sich Sorgen um Isabelle machte, obwohl sie sich so kratzbürstig gab.

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Tag der Veröffentlichung: 01.08.2020

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