Kapitel 6
Das erste Mal ist unkontrollierbar
Es waren jetzt drei Tage vergangen, seit Lilly die Begegnung mit Lukes zweitem Ich gehabt hatte. Seither merkte sie, dass sie ihn etwas genauer beobachtete. Aber auch er verhielt sich etwas anders und vor allem seit heute am Morgen, schien er beflissentlich mehr Abstand zu ihr zu halten. Lilly saß auf der Couch, hatte einen Teller mit Spaghetti auf dem Schoß als Luke ins Wohnzimmer kam. Zögerlich kam er zu ihr, setzte sich neben sie, sah sie an und rutschte ein Stück von ihr weg. Schließlich saß er auf der anderen Seite der Couch, fixierte sie und Lilly entging nicht wie sich seine Gefühle änderten. Sie sah zu ihm herüber, steckte sich eine weitere Gabel voll Spaghetti in den Mund.
„Alles Ok?“ fragte sie mit vollem Mund.
Luke nickte langsam, fixierte sie weiterhin.
Sie schluckte herunter: „Sicher?“ fragte sie schon fast besorgt.
„Ich glaube, ich sollte sobald es dunkel wird gehen!“
„Ja?“
Wieder nickte er.
Lilly kratzte die Reste mit der Gabel zusammen, steckte sie sich in den Mund und sah ihn
wieder nur an.
„Was?“ fragte er vorsichtig.
„Ich überleg nur ob du mich immer noch mitnimmst oder ob du überlegst, dass du mich lieber hier lässt!“
„Warum?“
„Ach nur so!“
„Nein! Wenn du mitwillst halt ich dich nicht auf!“
„Wenn ich mitwill? Klingt so als ob du davon nicht begeistert wärst!“
„Doch, wir müssen nur etwas schneller fahren!“
„Warum?“
„Ehrlich?“
„Ja, warum?“ Sie merkte wie Luke sich weiter von ihr abwand.
„Ob ich solange mit dir im Auto auf so engen Raum sein sollte, weiß ich nicht!“
„So schlimm?“ Ein leichter Anflug von Sorge machte sich bei ihr breit.
„Ich glaube, wenn ich nicht atme geht’s!“
„Willst du laufen, dann fahr ich hinterher? Du bist eh schneller wie ich!“
„Schon, aber weißt du wo´s Zero ist?“
Lilly überlegte: „Mmh, ich glaube nicht! Das letzte Mal hab ich bei der Hinfahrt nicht aufgepasst und als ich nach Hause bin, auch nicht wirklich!“
„Das hab ich mir fast gedacht! Das heißt wir fahren zusammen!“
„Willst du warten bis es dunkel ist, oder willst du auf die..“
„Rückbank?“ Luke griente, auch wenn Lilly merkte das ihm nicht unbedingt danach war: „Klingt irgendwie merkwürdig!“
„Aber die ist doch abgedunkelt, also dürfte dir die Sonne da nichts anhaben!“
Luke lächelte wieder: „Schon, aber ich denke wir warten bis es dunkel ist!“
„Reicht dir das?“
Er nickte, sah sie an und merkte was in ihr vorging: „Keine Sorge, wenn ich merken würde das es zu knapp würde, würde ich mit Sicherheit alleine gehen. Nochmal ich will dich nicht in Gefahr bringen und wenn es so wäre, wäre ich gar nicht mehr im selben Raum wie du! Ich merke es und deswegen sage ich heute und nicht erst morgen!“
Ein besorgtes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Dies war Luke nicht entgangen, zögerlich stand er auf, ging zu ihr herüber, nahm ihr den Teller vom Schoß. Bevor er in die Küche ging, drückte er ihr sanft einen Kuss auf die Stirn. Er tapste barfüßig an die Küchenzeile, wusch den Teller ab, sie merkte wie er immer wieder zu ihr sah. Lilly versuchte seine Gefühle besser zu erspüren, aber es gelang ihr nicht. Hatte er bereits die Kontrolle seine Gefühle von ihr abzuschotten?
Jedoch merkte Luke sehr wohl ihre: „Was ist? Warum so irritiert?“
„Beim letzten Mal hab ich was gemerkt, jetzt nicht!“
Lächelnd sah er zu ihr herüber: „Das war auch extrem! Momentan hab ich noch alles unter Kontrolle!“
„Wie nah kann ich an dich?“
„Na, beim letzten Mal lag ich in dem Zustand noch neben dir!“
„Warum weichst du mir dann aus!“
„Tu ich das?“
Lilly nickte: „Ja, oder wieso sitzt du auf der anderen Seite der Couch!“
Ein Lächeln huschte über Lukes Gesicht, als er zu ihr hinüber sah: „Unbeabsichtigt!“
„Lügner!“
Wieder lächelte er, diesmal verlegen und dieses spürte sie auch: „Ich will dich nicht beunruhigen!“
Jetzt lachte Lilly leise: „Nicht beunruhigen?“
„Zu deinem Schutz, ich will nicht das geringste Risiko eingehen! Es tut mir leid, wenn ich dir Sorge bereite!“
„Wer macht sich hier Sorgen?“
Luke lachte und Lilly merkte an seinen Gefühlen, dass er es auch wirklich so meinte. Auch er merkte ihre, merkte wie ihre Anspannung abfiel.
„Jetzt merkst du sie wieder!“
„Woher weißt du das!“
„Ich merks!“ Luke lachte auf, sah sie an, kam wieder zu ihr, setzte sich neben sie und legte ihr einen Arm um. Sie lehnte sich an ihn, zog vorsichtig den Vorhang etwas auf und schaute hinaus: „Bald wird es dunkel!“
„Ich weiß!“ sagte er: „Ich fühle es!“
„Du fühlst den Sonnenuntergang?“
„Nennen wir es Intuition! Überlebensinstinkt!“
„Selbst wenn du keine Uhrzeit hast und keinen Anhaltspunkt!“
Als Antwort nickte er nur, drückte sein Gesicht in ihre Haare.
Lilly kicherte, er merkte das sie trotz allem, im Moment keine Angst vor ihm hatte.
Zuerst wollte er ihr sagen, das es keine gute Idee sei, keine Angst zu haben, aber er schwieg. Ihre Nähe war zu gut, auch wenn sie gefährlich für sie war und auch ihre Gefühle taten ihm gut. Jedes Mal schienen sie ihn zu überfluten. Auch wenn er wusste, dass es gefährlich war, aber es tat so gut, nach so langer Zeit jemanden so nahe bei sich zu haben. Er musste einfach Kontrolle üben und wenn er sie immer auf Abstand hielt, würde er das nie lernen. Vielleicht, dachte er, hatte sie Recht. Ja, sie hatte bei der Tatsache, das nichts schlimmes passieren würde, wenn sie miteinander schliefen auch Recht gehabt. Zumindest nicht das was er befürchtet hatte. Aber was, wenn sie sich jetzt täuschte? Was wenn er die Kontrolle verlor?
Lilly merkte seine Sorgen: „Was ist denn?“
„Mmh!“ machte er.
„Was ist los?“
Er rieb wieder sein Gesicht an ihr: „Alles ok!“
„Wirklich?“
Sie hörte sein leises kichern: „Ja!“
Sie drehte ihren Kopf, sah ihn an: „Nicht flunkern! Du hat gesagt du sagst, wenn was nicht ok ist!“
Sanft fuhr er ihr über die Wange, küsste sie zärtlich auf den Mund: „Ich würde dich nie absichtlich in Gefahr bringen!“
Sie lächelte ihn an, drückte ihm ihrerseits die Lippen auf seine. Als sich ihre Lippen trennten, kuschelte sie sich wieder an ihn, Luke legte beide Arme um sie, hielt sie fest.
Nach einer Weile schob Luke sich unter ihr von der Couch: „Was ist?“ fragte sie.
„Es wird bald dunkel, wir sollten uns fertig machen!“ Er bot ihr seine Hand, sie ergriff sie, ließ sich von ihm auf die Beine ziehen und zusammen gingen sie nach oben in das Schlafzimmer. Luke verschwand kurz in dem begehbaren Kleiderschrank, kam mit einer schwarzen Hose und einem weißen Hemd bekleidet wieder zu ihr zurück. Lilly sah ihn abschätzend an, Luke folgte ihrem Blick an sich herab: „Ist was?“
Lilly lachte, schüttelte den Kopf: „Ich befürchte nur ich hab nicht annähernd etwas gleichwertiges hier!“
Luke lachte auf, legte seine Hände an ihre Taille, zog sie sanft an sich und küsste sie: „Jeanshose und ein T-Shirt reichen doch!“
„Und warum siehst du so aus?“
Luke sah wieder an sich herab: „Wie seh ich denn aus?“
„Naja, fehlt nur noch ein Jackett und du könntest in irgendne Nobelbude rein!“
„Sollte es dir noch nicht aufgefallen sein, aber ich lauf immer so rum!“ sagte er kichernd.
„Ja-ja, verarsch mich halt!“
Luke hob abwehrend die Arme: „So war das nicht gemeint!“
„So? Dann kann ich ja mit der Jeans gehen die ich anhabe, oder?“
„Ja, warum nicht!“
„Nur ein anderes T-Shirt vielleicht, oder ein Top?“
Luke zuckte mit den Schultern: „Du kannst auch das anlassen, aber du hast bestimmt auch andere!“
„Mmh, außer denen die du zerstört hast!“
„Ach komm, als ob du nur ein Top und ein T-Shirt hättest!“
„Ich hab keinen begehbaren Kleiderschrank!“ sagte sie gespielt sarkastisch.
Anstatt einer Antwort, schnappte sich Luke ihre Tasche, machte sie auf und leerte den gesamten Inhalt aufs Bett. Er kramte kurz darin herum, warf ihr dann ein rotes Top zu. Ihr zuzwinkernd ging er ins Badezimmer. Als sie sich umgezogen hatte, folgte sie ihm. Lilly sah wie er sich kurz Wasser ins Gesicht spritze, sich dann mit den nassen Händen durch die Haare fuhr.
„Machst du das immer so?“
„Eigentlich schon, ich mag kein Gel und meine Haare sind so geschnitten, das ich keine wirklich große Mühe habe!“
Sie trat neben ihn an den Spiegel, machte sich den Haargummi raus und zerwuschelte sich die lange, braunen Locken. Luke sah ihr im Spiegel zu, griente, als sie ihn ebenfalls im Spiegel ansah.
„Was?“
„Etwas Wasser und mehr brauchst du auch nicht, bei deiner Mähne!“
Lilly stemmte die Hände in die Hüfte: „Was zu meckern?“ fragte sie auffordernd.
Luke grinste, stellte den Wasserhahn wieder an, hielt seine Hände darunter, bis sie nass waren. Dann schüttelte er sie aus, griff ihr sanft ins Genick und drückte ihr den Oberkörper nach vorne, so dass sie mit dem Kopf nach unten vor ihm stand. Jetzt nahm er seine nassen Finger und fuhr ihr vom Genick bis in die Spitzen, diese wiederholte er ein paar Mal und sagte dann: „Jetzt den Kopf mit Schwung nach oben!“
Als sie jetzt in den Spiegel sah, sah sie wie intensiv ihre Haare sich lockten. Wieder hielt Luke seine Hände unter den Wasserhahn, schüttelte sie wieder nur ab und griff ihr in die Haare. Auch diesmal wiederholte er es ein paar Mal und ihre Locken wurden immer intensiver. Zwar waren ihre Haare jetzt feucht, aber sie wusste das sie schnell trocknen würden und dann würden diese Locken aber bleiben.
Lilly stemmte die Hände in die Hüfte, als sie wieder ihr Spiegelbild sah, schaute ihn dann an und sagte: „So, jetzt seh ich aus wie in die Steckdose gefasst!“
Luke lachte, griff ihr erneut mit beiden Händen in die Haare, hielt sie fest, zog sie etwas näher zu sich und küsste sie.
„Wenn jeder so aussehen würde, würden mehr freiwillig in die Steckdose fassen!“ Lilly hörte wie er sich das kichern unterdrückte.
„Ja, ja lach du nur!“
Jetzt wurde Lukes kichern wirklich lauter, er reichte ihr den Arm um sich unterzuhaken und ging mit ihr ins Schlafzimmer zurück. Dort sah er sie nochmals an: „Fertig?“
„Nein!“
„Warum?“
„Ich muss noch kurz wohin!“
„Sind wir nicht grad aus dem Bad gekommen?“
„Ja und! Willst du nachher anhalten?“
Luke lachte auf: „Ich wart unten auf dich!“
„Ok!“
Als Lilly schließlich die Treppe nach unten kam, sah sie Luke am Ende der Treppe warten. Er lehnte sich an das Geländer, hatte ihr den Rücken zugedreht und die Arme vor der Brust verschränkt. Lilly durchfuhr im ersten Moment ein Gefühl der Angst, zu sehr erinnerte sie dies an das, was sie vor drei Tagen erlebt hatte. Luke hatte es gemerkt, drehte sich zu ihr um: „Alles ok?“
Lilly nickte zuerst zögerlich, dann energischer. Jetzt wo sie ihm in die Augen sehen konnte, sah sie, dass alles ok war: „Ja, wirklich alles ok!“
Luke lächelte sie an, als sie die Treppe nach unten kam, legte ihr, als sie neben ihm stand den Arm um die Hüfte und zusammen gingen sie, zu ihrer Überraschung zur Vordertür.
„Stehst du vorne?“
„Ja, ich hab ihn aus der Garage nach vorne gestellt!“
Zusammen durchquerten sie das Foyer, an der Haustür angekommen hielt er ihr diese wieder auf. Der dunkle BMW stand direkt davor. Sie gingen hinüber, Luke hielt ihr die Beifahrertür auf, ließ sie einsteigen, setzte sich hinters Steuer und fuhr los.
Es dauerte wieder eine Zeit bis sie das alte Tor erreichten, dieses öffnete sich wieder per Knopfdruck und sie fuhren hindurch. Hinter ihnen schloss es sich wieder und sie fuhren Richtung Stadt.
Sie fuhren schweigend, erst als sie den Parkplatz des Clubs erreichten und Luke geparkt hatte, drehte er sich zu ihr: „Weißt du noch, die Regeln!“
Lilly kicherte: „Ja, zu allem Nein sagen, mit niemanden weggehen, nichts Alkoholisches trinken!“ zählte sie resigniert auf.
„Und?“
Lilly holte tief Luft, griente ihn an: „Auf dich hören!“
„Ja und wenn du das diesmal tust, dürfte es keine bösen Überraschungen geben!“ sagte er leise kichernd.
Nachdem Luke Lilly aussteigen hatte lassen, blieb er neben ihr stehen. Zusammen gingen sie zum Eingang. Luke gab ihr den Autoschlüssel, als Lilly stehen blieb und sich umdrehte: „Warum hast du so nah am Eingang geparkt!“
„Damit du nicht über den dunklen Parkplatz musst, wenn du doch eher nach Hause willst oder musst!“
Lilly nahm ihm den Schlüssel ab, steckte ihn sich in die Hosentasche und zusammen liefen sie zur Tür. Wieder stand einer dieser wandelnden Kleiderschränke davor, sah sie wieder beide abschätzend an, nickte Luke freundlich zu und hielt ihnen die Tür auf.
Drinnen hatte sich nichts verändert, gedämpftes Licht, kein Geflackere, keine dröhnende Musik. Luke brachte sie wieder an die Bar. Sofort erkannte sie wieder Diego, der auf sie zukam. Freundlich lächelte er sie und dann Luke an.
„Vergiss nicht, Nein und du bleibst hier! Diesmal wirklich!“
„Ja-ha!“ sagte sie resigniert.
Diego kam zu ihr, als Luke verschwunden war. „Hi, das gleiche wie letztes Mal!“
Lilly nickte kichernd.
Wieder wurde ein großes Glas halb Sirup halb Wasser gemischt und vor sie hingestellt: „Hab nicht erwartet dich hier wieder zusehen?“
Lilly zuckte mit den Schultern und Diego lachte nur.
Schließlich drehte er sich wieder herum und sprach mit jemand anderen.
„Hallo!“ hörte sie jemanden neben sich sagen. „Darf ich mich setzten?“
Als Lilly sich herum drehte, sah sie einen großen, dunkelhaarigen jungen Mann. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er nicht so jung war, wie er aussah.
„Ähm ich glaube nicht das das Luke gefallen würde!“
„Ach komm schon, was soll denn…!“ Er war näher an sie getreten, Lilly merkte wie er die Luft einsog und plötzlich innehielt. Verdutzt sah sie ihn an, realisierte wie er erst etwas näher kam, wieder die Luft einsog und dann auf Abstand ging. Schließlich drehte er sich herum und ging.
Lilly sah zu Diego, schüttelte irritiert den Kopf: „Was war das jetzt?“ fragte sie ihn als er vor ihr stand.
Anstatt seiner Antwort, hörte sie eine Frauenstimme neben sich. „Du riechst so dermaßen intensiv nach ihm, das riecht man Kilometer gegen den Wind!“
„Was?“ fragte sie verwirrt, schaute nach links und sah eine atemberaubend schöne Frau. Gesichtszüge wie aus Porzellan, lange blonde Haare, bekleidet mit einen roten Cocktailkleid, welches so eng saß, das man sah, das an ihr kein Gramm zu viel dran war.
„Du riechst so intensiv nach ihm, das sich keiner mehr an dich wagt.“
Sie kam näher zu ihr, schnüffelte ihr am Hals: „Du gehörst ihm!“ sagte sie flüsternd, trat einen Schritt zurück und sah Lilly an. Ein leichtes Lächeln huschte über das Gesicht der Fremden: „Keiner von uns wird es wagen, dich anzufassen!“
Damit verschwand sie förmlich vor Lillys Augen.
Diego sah sie an, griente: „Scheint als du hier in völliger Sicherheit bist!“
Lilly schüttelte wieder ungläubig den Kopf, merkte wie wieder jemand neben sie trat. Langsam drehte sie den Kopf, wieder stand ein junger Mann neben ihr, sah sie kurz an, sog die Luft ein, nickte ihr freundlich zu und ging wieder. Lilly sah ihm fassungslos nach, schaute zu Diego und kicherte. Wirklich nein, brauchte sie hier anscheinend nicht mehr zu sagen, dachte sie amüsiert.
Sie stand kurz auf, nahm ihr Glas und setzte sich so wieder hin, dass sie in den Club hineinschauen konnte und die Bar im Rücken hatte.
Sie versuchte Luke zu finden, sah ihn nach einer Weile am fast anderen Ende des Clubs. Lilly sah wie er sich mit einer jungen Frau unterhielt. Merkte wie sich seine Gefühle veränderten: Freude, Verlangen, fast Gier schwappte zu ihr herüber. Sie sah wie die Frau Luke die Arme um den Hals legte und beide zusammen in einen andern Raum gingen. Sofort spürte sie ihre aufwallende Eifersucht. Zwar wusste sie, dass es sein musste, aber dennoch konnte sie ihre Gefühle nicht kontrollieren. Es musste doch einen Grund geben, warum diese Frauen das freiwillig taten. Vielleicht brachte es den Frauen etwas. Und allein dieser Gedanke ließ ihre Eifersucht noch mehr aufwallen.
Sie versuchte sich abzulenken, schaute in ihr Glas. Plötzlich spürte sie jemanden neben sich, noch bevor sie hochschauen konnte, hörte sie eine vertraute Stimme: „Lass das!“ Luke klang schon verzweifelt.
„Was denn?“ fragte sie.
„Deine Eifersucht! Ich merk das, das weißt du!“
Lilly sah ihn flehend an: „Ich kann doch nichts dafür!“
„Ich weiß doch, aber das ist furchtbar. Ich merk das und deine Gefühle halten mich ab!“
„Sie halten dich ab?“
„Ja, ich kann nicht, wenn ich deine Eifersucht spüre. Das geht nicht!“
„Kannst du es nicht einfach ignorieren!“
Luke kam näher an ihr Gesicht, flüsterte: „Wie soll ich diese Intensität ignorieren! Da ist nichts mit diesen Frauen, da ist nichts anderes dahinter, außer das ich etwas von ihnen brauche, was ich von dir nicht bekommen darf!“
„Klingt wie die lahme Ausrede von nem Fremdgeher!“
Luke holte tief Luft, knurrte sie leise an. Lilly merkte das es nichts Böses an sich hatte, es klang eher verzweifelt-amüsiert.
Sie hob abwehrend die Hände: „Ok, ok ich versuch zu ignorieren das du die anbaggerst!“
„Ich baggere nicht!“
„Ich habs gesehen.“ sagte sie leicht deprimiert.
„Blödsinn, aber ich muss mich doch wenigstens unterhalten, bevor ich sie beiße! Ich kann sie ja schlecht packen, irgendwohin schleifen. Du weißt doch, dass ich erst um Erlaubnis fragen muss!“
„Ja!“ sagte sie resigniert: „Ich weiß, die Regeln!“
„Wenn du nicht hierbleiben willst oder möchtest, kannst du gehen, das weißt du!“
Lilly zog den Kopf zurück, sah ihn an: „Damit du hier treiben kannst, was du willst?“
„Lilly!“ jetzt war er wirklich verzweifelt. „Du weißt das das nicht stimmt!“
Zärtlich tätschelte sie seine Wange, küsste ihn sanft auf diese, griente ihn an: „Ich weiß ja!“
„Das machst du mit Absicht!“
„Was?“
„Mir ein schlechtes Gewissen!“
Lilly fing an zu lachen: „Nein, mach ich nicht! Es fällt mir nur schwer das zu sehen!“
„Was denn?“
„Das die dich anfasst!“ Jetzt wurde sie zickig: „Dieses rumgetatsche!“
Luke lachte auf, küsste sie sanft auf die Stirn: „Du weißt doch, das das nicht so ist!“
Enttäuscht stieß sie die Luft aus, sah ihn an: „Ja!“
Jetzt legte er ihr die Hände an die Taille, zog sie vom Hocker, drückte sie an sich und küsste sie energisch. Seine Gefühle durchfluteten sie.
Als er sie wieder freigab, sagte er: „Du weißt das ich dich liebe und das du die einzige für mich bist!“
„Und du meinst, das davon meine Eifersucht weniger wird?“
„Ich weiß, dass du es fühlst das ich dich nicht anlüge, aber du weißt auch, das es sein muss!“
Lilly nickte, daraufhin gab Luke ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn und verschwand wieder in der Menge.
Zögerlich setzte sie sich wieder auf den Hocker, drehte sich zur Bar. Wenn ich es nicht seh, stört es mich vielleicht nicht, dachte sie.
Langsam drehte sie ihr Glas zwischen den Händen, sah immer wieder hinein. Irgendwann kam Diego zu ihr, stellte sich vor sich: „Was ist denn? Was schaust du so deprimiert!“
„Ach nichts!“
„Ach komm schon! Ich würde hier nicht mehr arbeiten, wenn ich Menschen nicht einschätzen könnte!“
„Menschen? Ich glaube hier ist etwas anderes gefährlicher wie Menschen, die man einschätzen muss!“
„Er hat es dir also gesagt!“
„War nicht nötig, habs gesehen!“
„Deswegen war er so sauer auf mich!“
„Wieso?“
„Weil ich auf dich aufpassen sollte, vielmehr dafür sorgen sollte, dass du hier bleibst und nicht rumrennst, damit du nichts siehst!“
Lilly lachte.
„Und jetzt bist du wieder hier, obwohl du alles weißt?“
Sie griente nur.
„Also hat sie recht!“
„Wer?“
„Die Lady von vorhin!“
„Wie?“
„Das du zu ihm gehörst! Und wenn du wirklich so sehr nach ihm riechst, scheinst du auch mehr Zeit mit ihm zu verbringen!“
„Aha!“
Diego lachte, sah dann an ihr vorbei und nickte jemanden hinter ihr zu.
Noch bevor Lilly sich herumdrehen konnte, legte ihr jemand die Arme von hinten um ihren Oberkörper. Sie merkte den Atem bei jedem Wort: „Muss ich Diego jedes Mal bitten dich abzulenken?“
Ohne ihn anzusehen, fragte sie: „Bist du fertig?“
„Nein! Ich wollte nur schauen, warum ich von dir keine Eifersucht mehr merke!“
„Das heißt, du musst nochmal los?“
„Ich hab dir doch gesagt das eine nicht reicht! Ja, ich denke ich brauch noch ein paar!“
„Groß oder klein geschrieben!“
„Was?“
„Das paar!“
„Wie jetzt?“
„Ein paar groß geschrieben heißt zwei, klein geschrieben heißt mehr wie zwei!“
„Klein geschrieben!“
Lilly atmete tief ein und aus: „Also muss ich noch was warten!“
„Etwas!“
Plötzlich sah Luke nach hinten, Lilly folgte seinem Blick. Eine junge Frau, die irgendwie krank aussah, kam auf sie zu. Sie hatte lange, dunkle Haare, aber ein sehr eingefallenes Gesicht, war generell sehr dürr, das konnte Lilly unter ihrem dünnen, knapp knielangen Kleid erkennen.
Sie blieb neben Luke stehen, legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn an. Dann flüsterte sie ihm etwas ins Ohr, küsste ihn kurz auf den Hals und Luke nickte ihr zu. Nachdem sie weiter gegangen war, drehte sich Luke zu Lilly herum: „Fahr nach Hause!“
„Was?“
„Lilly keine Diskussion! Nimm das Auto und fahr heim, bitte!“ Sie merkte seine Unruhe.
„Aber?“
„Lilly! Die Regeln, geh! Jetzt!“
Lilly stand auf, sah wie Luke sich herum drehte und der Frau folgte.
Bevor sie die Tür erreicht hatte, hörte sie wie mehrere miteinander sprachen: „Blutrausch! Blutrausch!“
Sie wollte wirklich gehen, aber eine ganze Menge an Leuten drängten sich ihr entgegen, schoben sie zurück in den Club. Sie wurde bis in einen hinteren Teil des Clubs geschoben, hörte immer wieder: „Blutrausch! Blutrausch!“
Auf einmal stand sie in einem großen, runden Raum, in dessen Mitte eine Art Tisch stand. Ringsherum standen Menschen, sie stand in zweiter oder dritter Reihe. Sah wie die Frau zu einem andern ging, ihm ins Ohr flüsterte und küsste ihn dann, nachdem er genickt hatte, auf die Handgelenke.
Lilly sah, wie Luke um den Tisch herum lief, zwei weitere, unter anderem den, den die junge Frau gerade eben angesprochen hatte, stellten sich mit Luke um den Tisch.
Luke stand an einer der Stirnseiten, ein anderer an die gegenüberliegende Seite und der, der zum Schluss von ihr angesprochen wurde, stellte sich an die Längsseite.
Der Tisch reichte Luke bis über die Hüfte, die junge Frau stellte sich an die Seite wo niemand stand. Diego lief mit Abstand im Kreis um den Tisch, damit die Gäste auf Abstand blieben.
Die junge Frau stütze sich mit den Armen rücklings am Tisch und wollte nach oben. Nachdem sie es beim ersten Mal nicht geschafft hatte, kam Luke zu ihr, hob sie an der Hüfte und half ihr auf den Tisch. Dann ging er wieder zu seiner Ausgangsposition, die Frau saß mit dem Rücken zu ihm. Zuerst sah sie den an, der am Fußende stand, dann den an der Seite und schließlich sah sie Luke an, nickte ihm langsam zu.
Immer noch erklang das leise Raunen, das wie ein Gebet anmutete: „Blutrausch! Blutrausch!“ Lilly zog sich weiter zurück, versuchte alle Gefühle abzuschalten. Immer stärker wurde ihr Gefühl, das es besser gewesen wäre, wenn sie auf ihn gehört hatte, aber jetzt kam sie nicht mehr raus. Sie zog sich weiter zurück, wollte nicht das Luke sie bemerkte.
Sie sah fast schon fasziniert zu, sah wie Luke der Frau sanft über die Wange strich, sprang dann aus dem Stand auf den Tisch und kniete sich hinter die Frau. Diese lehnte sich zurück, Luke legte beide Arme um sie, fast schon zärtlich mutete es an. Sie legte ihren Kopf zur Seite, Luke strich ihr die Haare beiseite. Jetzt sprangen die andern Beiden auf den Tisch, knieten sich neben sie. Der eine nahm ihre Hand, der andere kniete an ihren Füßen.
Und immer noch hörte Lilly das leise Murmeln der Menge: „Blutrausch! Blutrausch!“
Jetzt sah Lilly, die direkt gegenüber Luke stand, sah wie seine Augen silbern wurden. Sie sah wie seine Zähne spitzer wurden und er nacheinander die andern Beiden ansah. Dann sah er die junge Frau an, die völlig ruhig auf dem Tisch lag, strich ihr nochmals über die Wange, nickte ihr zu und als sie dies erwiderte, legte sie den Kopf zur Seite und Luke griff nach ihrem Hals.
In dem Moment als Luke zubiss, bäumte sich die Frau auf, griff dann mit der einen Hand nach oben und Luke in den Nacken. Sie fuhr ihm durch die Haare und jetzt sah sie, wie die andern Zwei auch zubissen. Einer in das Handgelenk, der Hand, welche nicht in Lukes Haaren war, der andere in den Knöchel. Die Frau blieb, außer den Bewegungen in Lukes Haaren, ganz ruhig liegen. Es schien ihr nicht wehzutun.
Lilly bemerkte wie die Bewegung der Frau langsamer wurde. Auf einmal ließ Luke von der Frau ab, hielt sie immer noch in seinem Armen, fauchte die Andern beiden, mit gebleckten Zähnen, an. Sofort ließen sie ab, blieben aber auf dem Tisch sitzen und duckten sich, fauchten leiser zurück. Sie wirkten so, als ob sie ihm unterwürfig waren, er der Dominante. Sofort wurde Lilly an das Geschehene, bei ihm zu Hause, erinnert. Der gleiche Ausdruck in den Augen, die gebleckten Zähne.
Als die zwei Anderen von der Frau abgelassen hatten, wand Luke sich ihr wieder zu, biss erneut zu. Lilly sah wie er trank und sah wie der Arm der Frau langsam aus Lukes Haaren rutschte. Lilly wusste warum, sie wurde schwächer, durch den Blutverlust. Nachdem der Arm der Frau neben sie auf den Tisch gefallen war, fingen die andern zwei wieder an von ihr zu trinken. Plötzlich ließ Luke wieder von ihr ab, fauchte die zwei wieder an, aber diesmal
sprangen sie vom Tisch runter. Luke ließ die Frau langsam auf den Tisch gleiten, sprang ebenfalls herunter und ging um den Tisch herum. An jeder Bisswunde der anderen Beiden blieb er stehen, beugte sich darüber und es sah aus, als ob er darüber leckte. Lilly sah, dass sie die Wunden sofort schlossen. Jetzt ging er zurück zu dem Kopf der Frau, tat am Hals das gleiche.
Lilly konnte immer noch nicht fassen, was sie gerade gesehen hatte. Fassungslos sah sie zu wie Luke die Frau sacht vom Tisch hob und sie irgendeinem anderen in die Arme legte. Sie war eindeutig tot, aber irgendwie sah sie zufrieden, ja fast glücklich aus.
Auf einmal sah Luke direkt in ihre Richtung, sie sah, dass seine Augen wieder blau waren, seine Zähne waren normal. Er sah ihr direkt in die Augen und sie merkte seine Wut. Sofort drehte sie sich herum und lief auf dem schnellsten Weg aus dem Club. Gerade hatte sie das Auto erreicht, als Luke sie einholte.
„Was hab ich dir gesagt!“ Er schien wirklich sauer zu sein.
„Ich wollte ja, aber die haben mich zurück gedrängt! Was war das?“
„Ach jetzt hast du plötzlich Angst, ich habe dir nicht umsonst gesagt, dass du gehen sollst!“
Sie drehte sich herum, lehnte sich an den Kotflügel: „Was passiert jetzt mit ihr, schmeißt der sie jetzt in irgendnen Graben?“
„Nein!“
„Sie ist tot!“
„Ja!“
„Warum?“
„Weil sie es wollte!“
„Wie sie wollte es?“
„Du hast sie gesehen, oder?“
„Ja, aber..?“
„Sie kam seit über zehn Jahren zu uns. Irgendwann rochen wir das was nicht stimmte. Sie war grad 19 Jahre, als sie mir erzählte das die Ärzte eine aggressiver Krebsart gefunden hätten. Fast sechs Jahre hatte sie jetzt Chemo, nichts half. Ihre größte Angst war es, allein zu sterben. Es war ihre Entscheidung zu uns zu kommen. Sie wusste, dass es hier nicht wehtun würde. Sie weiß, dass wir den Tod riechen und sie wusste selbst dass es soweit war, als sie heute Abend hierher kam. Jeder von uns hat sie gefragt ob sie sicher wäre und es auch wirklich wollen. Sie sagte, dass sie mittlerweile Knochenmetastasen hat und eh bald stirbt, aber sie wollte es nicht unter Schmerzen. Sie sagte, das die Schmerzmittel nichts mehr halfen und sie könne nicht mehr. Sie hatte keine Schmerzen, war nicht alleine, hatte keine Angst. Und … er bringt sie nach Hause. Wir sind keine wilden Tiere, die sie einfach in irgendeine Gasse werfen, wie Müll. Spätestens morgen früh, wird bei dem Rettungsdienst angerufen und gemeldet, das in ihrer Wohnung nichts mehr zu hören sei. Sie wird in ihrem Bett liegen und keiner wird Fragen stellen. Nicht bei ihrer Prognose. Sie hat nur das bekommen was sie wollte, sonst nichts!“
Lilly sah ihn an, wusste nicht was sie sagen sollte. Sie spürte, dass er ihr die Wahrheit sagte. Dennoch wusste sie nicht wie sie jetzt reagieren sollte.
„Sollen wir nach Hause?“ fragte er zögerlich.
„Wie, du hast gesagt du brauchst noch….!“
„Nicht nach so was!“
„Kommt das öfters vor?“
„Manchmal, aber nicht immer mit denselben!“
„Wir können nach Hause?“
„Ja!“
Lilly holt tief Luft, drückte ihm den Autoschlüssel in die Hand. Luke strich ihr sanft über die Wange, küsste sie zärtlich auf die Stirn. Er schloss auf, hielt ihr wieder die Beifahrertür auf. Nachdem sie eingestiegen war und er ebenfalls, fuhr er langsam aus der Stadt.
Erst als sie ein ganzes Stück gefahren waren, fragte Lilly: „Reicht es dir wirklich?“
„Ja!“
„Warum?“
„Normalerweise krieg ich ja höchsten 100 Milliliter, aber da waren es nahezu 5 Liter, also brauch ich nicht mehr!“
„Warum tun die das?“
„Was?“
„Sich von euch beißen zu lassen? Ich meine bringt es ihnen was?“
Luke schüttelte den Kopf: „Ich weiß es nicht!“
„Aber ich meine wieso dann? Wieso diese junge Frau?“
„Nochmal sie wollte es so. Sie wollte nicht alleine sterben, nicht mit Schmerzen, nicht mit Angst! Deswegen hat sie diesen Weg gewählt!“
„Aber warum die andern?“
„Ich weiß es nicht!“
„Merkst du nichts bei ihnen?“
„Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, aber sonst!“
„Angst?“
„Nein, würden wir riechen!“
„Riechen?“
„Ja, der Geruch verändert sich bei Angst!“
„Riechst du noch mehr außer Angst?“
„Ich rieche den Tod!“
„Wie du riechst den Tod?“
„Ich rieche wie nah ein Mensch dem Tode ist!“
„Wirklich?“
„Was glaubst du woher ich wusste, wie es um die junge Frau stand. Glaubst du ich hätt das einfach so gemacht! Ich bin kein Mörder!“
Lilly zuckte zusammen: „So hab ich das nicht gemeint!“
„Früher, wo es schwieriger war, das zu bekommen, konnte es mal schief gehen, oder wenn ich gerochen habe, das jemand bald stirbt!“
„Heute nicht mehr? Also ich meine das es schief geht?“
„Nein, ich hab relativ schnell meine Kontrolle gehabt!“
„Relativ?“
„Ja, schneller wie die meisten anderen!“
Er merkte wie sich Lillys Gefühle veränderten.
„Alles ok?“ fragte er.
„Du sagst es ging schneller wie bei anderen?“
Luke nickte.
„Vielleicht ist das alles so gedacht!“ sagte sie mehr zu sich selbst.
„Was?“
„Die Tatsache, dass du schneller kontrolliert warst, genauso wie die Tatsache das ich meine Periode nicht so oft bekomme! Wenn es schon so festgelegt war, ich meine das ich deine Gefährtin sein soll, vielleicht war das ja so geplant. Verstehst du, dass du schneller und wahrscheinlich auch besser kontrolliert bist.“
„Ob ich besser kontrolliert bin weiß ich nicht!“
„Immerhin leb ich noch, obwohl wir miteinander geschlafen haben!“
Luke sah sie von der Seite her an: „Meinst du?“
Er merkte ihre Zuversicht, war sich nicht sicher, ob er diese teilen sollte.
Im Moment ging es gut, er konnte ihre Nähe gut ertragen, aber er hatte ja genug bekommen. Es wäre so leicht, wenn er sich sicher wäre, dass er ihr nichts tun würde. Aber er wusste es nicht, er wusste gar nichts. Und er wusste nicht, ob er es riskieren konnte, den gewohnten Rhythmus einzuhalten.
Lilly merkte seine Unsicherheit: „Was ist denn?“
„Wieso?“
„Ich merk es doch!“
„Ich frage mich nur, ob ich deine Zuversicht teilen soll!“
„Warum?“
„Das frägst du mich wirklich!“
Lilly sah ihn von der Seite her an: „Ja, du hast ja Recht! Eigentlich ne ziemlich blöde Frage!“
Ein Lachen war seine Antwort, auch wenn es irgendwie verzweifelt klang.
„Es gibt keinen blöden Fragen, nur manchmal komplizierte Antworten!“
„Wem sagst du das!“ sagte sie kichernd „Trotzdem versteh ich immer noch nicht alles!“
Luke lachte wieder auf: „Ich befürchte auch, dass das noch dauern wird!“
„Wieso kommen die freiwillig zu euch? Woher wissen sie das es euch gibt? Was ihr tut?“
„Ähm, Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Manche kamen einfach in den Club, andere sind so ….ich weiß wie ich es sagen soll, Freaks klingt zu hart, nennen wir sie Vampirfans, die wahrscheinlich denken, dass wir nur Menschen sind.“
„Aber ihr beißt sie, ich meine das macht kein…!“
„Mensch?“
„Ja, also nein! Ach Luke, du weißt was ich mein!“
„Manche werden von Ärzten, die von uns wissen, zu uns geschickt! Wenn sie krank sind, oder fast tot!“
„Warum?“
„Manche Tode sind alles andere wie schön! Du bist Krankenschwester, ich muss dir nicht sagen, was manche Krankheiten anrichten können!“
„Aber….aber, der Arzt wird ja wohl kaum sagen, sie sind krank gehen sie in den Club, da sind Vampire!“
Luke lachte leise: „Nein, so nicht, aber manche, die sich selbst umbringen wollen, hauptsächlich weil es keine Heilung gibt oder sie einfach Angst haben. Denen wird etwas vorgeschlagen!“
„Und was?“
„Das es einen Club gibt, wo nur bestimmte hindürfen und wo sie Hilfe bekommen!“
„Woher weißt du das?“
„Frag Diego!“
„Wie? Frag Diego?“
„Diego ist krank!“
„Was hat er?“
„Ähm, er war schon immer Barkeeper, aber irgendwann konnte er nicht mehr dort arbeiten. Immer öfters wiederkehrende Kopfschmerzen. Zuerst glaubten die Ärzte an einen Tumor, dieser wurde ausgeschlossen. Irgendwann bemerkten sie Bluthochdrücke bis über 250. Wäre eine Möglichkeit für Kopfschmerzen!“
Lilly nickte nur.
„Er bekam Medikamente, diese drückten aber den Puls bis unter 40 Schläge pro Minute!“
Lilly stieß pfeifend die Luft aus: „Das ist zu niedrig!“
„Ja, er fiel immer wieder um. Also bekam er Tabletten zum Steigern der Herzfrequenz!“
„Man treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus!“
„Ja so ungefähr! Irgendwann fiel er um. Der gerufene Notarzt diagnostizierte Herzinfarkt. Diego ist keine 30 und hat schon einen Zweifach –Bypass, den vierten Herzinfarkt, Thrombosen, so was!“
„Und dann?“
„Irgendwann merkten sie das wohl irgendeine Fehlfunktion. Sein Blut wird immer dicker, ohne das er es merkte. Die Ärzte machten Dialyse, die aber nur noch mehr Flüssigkeit dem Blut entzog, dann Aderlässe um ihn mit Flüssigkeit neu aufzufüllen um das Blut wässriger zu machen!“
„Und dann?“
„Nachdem Diego an die 20 Tabletten am Tag nehmen musste, die wieder Nebenwirkungen hatten, immer wieder mehrere Stunden in der Woche an die Dialyse musste, Thrombosespritzen sich geben musste und regelmäßig zum Aderlass musste, wurde er von einem unserer bezahlten Ärzte zu uns geschickt. Wir erklärten Diego was wir tun würden. Er hatte die Wahl, entschied sich dafür, sein Blut nicht ins Abwasser zu schütten und er bekam von uns den Job.“
„Und?“
„Seit Diego bei uns arbeitet, nimmt er keine Tabletten mehr, keine Dialyse, keine Spritzen. Wir riechen wie viel Blut er hat, wenn es zu viel wird sagen wir es ihm und er muss halt mehr trinken, so um die 5 Liter am Abend, wenn wir ihm immer wieder Blut abzweigen. Das machen wir vielleicht zwei oder dreimal im Monat. Aber selbst bei ihm nehmen wir nicht mehr wie bei den anderen, aber immerhin hatte er seither keine Kopfschmerzen mehr, keinen Herzinfarkt oder gar schlimmere Gefäßverschlüsse!“
„Es geht ihm also besser!“
„Ja, ich denke schon. Frag ihn doch einfach beim nächsten Mal!“
„Und der jungen Frau?“
„Nur geholfen!“
„Mmh!“
„Wirklich Lilly, wenn es, oder vielmehr sie einen andern Ausweg gesehen hätte, wäre es anders gekommen!“
„Aber was wenn jemand kommt, der aus anderen Gründen sterben will, zum Beispiel, was weiß ich, Liebeskummer oder so was!“
„Ich sagte doch wir riechen den Tod, oder auch Krankheiten. Jemand der gesund ist, wird von uns nicht…“
„Warum nennen sie es Blutrausch!“
„Weil wir keine Kontrolle dabei halten müssen, wir müssen nicht aufhören bevor es zu spät ist. Wie bei……Haien zum Beispiel. Wenn sie Blut wittern, geraten sie in einen gewissen Rausch, sie können gar nicht aufhören. Und bei uns ist es bei so etwas, wo wir wissen das jemand wirklich sterben will und auch darf, genauso. Wir brauchen nicht aufzuhören, wir werden…..!“
„Was?“
„Wie wir sind!“
Bevor Lilly etwas sagen konnte, bremste Luke ab. Wieder hielt er ihr seinen rechten Arm vor den Oberkörper, damit sie nicht in den Gurt gedrückt wurde. Sie sah nach vorne, sah das sie bereits im Wald waren.
„Was ist?“
„Rehe!“ war alles was er sagte, zeigt nach links.
Sie versuchte etwas zu erkennen, sah aber in der Dunkelheit nichts. Plötzlich sprangen ein paar Meter vor ihnen eine ganze Gruppe von Rehen über die Straße. Hätte Luke nicht angehalten, wären sie voll hineingefahren, beziehungsweise die Rehe in das Auto gerannt.
„Woher….?“
„Ich hab sie gesehen?“
„Wie gesehen, es ist stockdunkel!“
„Ich sehe im Dunkeln!“
„So gut? Die waren doch ein ganzes Stück weg!“
„Ich habe weitaus schärfere Sinne wie du es für möglich hältst!“
Erst jetzt nahm er den Arm runter, sah sie von der Seite her an: „Ich warte drauf, dass es hier mal ordentlich kracht, so wie manche hier rasen!“
„Du fährst auch nicht grad langsam!“ gab sie zu bedenken.
„Ja!“ sagte er lachend: „Nur ich seh wesentlich besser und hab ne bessere Reaktion!“
Langsam fuhr er weiter, irgendwann bog er wieder ab. Lilly hätte den Weg, selbst im Scheinwerferlicht nicht gesehen. Nach ein paar Metern merkte sie, wie er wieder langsamer wurde. Schließlich blieb er ganz stehen. Lilly konnte im Scheinwerferlicht schwach mehrere reflektierende Augenpaare sehen.
„Was zum…“
„Noch mehr! Hier gibt es relativ viele Rehe, keine natürlichen Feinde, außer den Rasern!“
„Und du?“ fragte sie vorsichtig.
„Früher Mal, aber seitdem es diese Clubs eröffnet wurden, brauch ich sie nicht mehr!“
„Du hast sie gesehen? Warum stehen die hier, mitten in der Nacht! Sind die normalerweise nicht in der Morgen- und Abenddämmerung unterwegs?“
„Ja, schon. Aber hast du mal auf die Uhr geschaut?“
Lilly schaute kurz auf das Armaturenbrett, zog scharf die Luft ein: „Es ist fast 5 Uhr? Aber es ist noch stockdunkel! Müsste nicht bald die Sonne aufgehen?“
Luke schaute nach links aus dem Fenster: „Ungefähr noch ne dreiviertel Stunde! Außerdem ist es schon heller geworden!“
„Heller? Ne dreiviertel Stunde?“
„Ja, du siehst das noch nicht. Meine Augen gewöhnen sich schneller an wechselnde Lichtverhältnisse als deine. Ich sehe es schneller, selbst wenn es nur wenig heller wird.“
„Wie lang brauchen wir noch bis zum Haus?“
„Es reicht! Ich muss nur die Straße freikriegen!“
„Wie…?“ zu mehr kam sie nicht. Luke öffnete die Tür, stieg aus und Lilly hörte ein lautes Knurren. Die Rehe schauten in ihre Richtung und sprangen, wie vom Teufel gejagt, in verschiedene Richtungen davon.
Als Luke wieder eingestiegen war, sah sie ihn verwundert an: „Das war nicht nett!“ sagte sie amüsiert-tadelnd.
„So? Ich hab doch gar nichts gemacht?“ Das klang schon unschuldig.
„Du hast die voll erschreckt!“
„Ich hätte auch mitten rein springen können, aber dann wären sie eher vor Schreck erstarrt!“
„Und jetzt?“
„Jetzt können wir weiterfahren. Die sammeln sich in ein paar Minuten wieder!“ sagte er beschwichtigend.
„Das sind Fluchttiere! Die sind schreckhaft!“
„Sie sind ja geflüchtet!“ sagte er kichernd während er langsam weiterfuhr.
„Das war wirklich nicht nett! Die haben bestimmt ein ganz furchtbaren Schreck bekommen!“ sagte sie und klang dabei wie ein Kind.
„Ach, von dem bisschen Knurren! Außerdem sind die das gewöhnt!“
„So? Hast du das schon öfters gemacht, ja?“ fragte sie sarkastisch.
„Ja, schon ein paar Mal. Die stehen hier öfters, ist ein Privatweg, hier fahren nicht so viele! Sie sind hier relativ ungestört und stehen deshalb immer wieder mitten auf der Straße!“
„Und dann jagst du ihnen einen Riesenschreck ein!“
„Ja, ein bisschen, aber sie gewöhnen sich daran! Schau!“ Er bremste ab, blieb wieder stehen und sah nach hinten. Sie folgte seinem Blick, sah erst nichts. Luke legte den Rückwärtsgang ein und durch die helleren Lichter, sah sie wie die meisten Rehe bereits wieder mitten auf der Straße standen.
„Siehst du!“ sagte er.
Als sich Lilly wieder nach vorne drehen wollte, streifte sie Lukes Gesicht. Lilly war so nah bei ihm, dass sie merkte wie er lächelte.
Bevor sie etwas sagen konnte, küsste er sie sanft auf die Wange, flüsterte: „Ich bin gefährlich, man könnte mich als Raubtier bezeichnen, aber nur wenn es sein muss!“
„Nicht alles ist Gefahr?“
„Eigentlich nicht!“
„Was meinst du mit, wenn es sein muss?“ fragte sie ebenfalls flüsternd.
„Früher zum Überleben, heute überwiegend zum Schutz!“
„Zum Schutz, für was, gegen wen?“
„Wir sind alle Raubtiere und die müssen ihr Jagdrevier verteidigen und für dich!“
„Für mich?“
„Zu deinem Schutz, um dich zu verteidigen!“
„Wovor?“
„Vor allem, auch vor mir!“
Luke drehte sich nach links, sah hinaus: „Jetzt sollten wir aber wirklich weiter!“
Sie sah an ihm vorbei, bildete sich ein, jetzt zu erkennen, dass es heller wurde: „Ja, wäre besser!“
Luke fuhr weiter, diesmal aber schneller wie zuvor. Als sie den Vorplatz des Hauses erreichten, sah Lilly wie zwischen den Bäumen bereits die ersten Sonnenstrahlen durchscheinen: „Das wird knapp!“ stellte sie fest.
Luke sah sie an: „Rein wirst du alleine kommen, oder?“
Sie wollte gerade nicken, als Luke die Tür etwas öffnete und vor ihren Augen verschwand.
Während sie zusah, wie die Sonne weiter aufging, stieg sie aus und ging langsam zum Haus. Dort angekommen merkte sie, das die Haustür offen stand. Als Lilly das Innere betrat, sah sie Luke auf der Treppe stehen und sie anschauen: „Hast aber lange gebraucht!“ sagte er grienend.
„Bin halt nicht so schnell wie du!“ antwortet sie amüsiert, als sie näher zu ihm ging. Als sie direkt auf der Stufe vor ihm stand, griff er nach ihr, zog sie an sich. Lilly konnte nicht mal protestieren, so schnell hob er sie hoch und bevor sie wirklich wusste was geschah, setzte sie Luke bereits im Schlafzimmer wieder ab.
„Und jetzt?“ fragte sie.
„Also ich muss nicht schlafen, aber ich denke du schon!“
„Mmh!“
„Wie, nicht müde?“
Lilly sah ihn an, ging zum Bett und setzte sich darauf: „Mmh!“ Langsam rutschte sie bis zum Kopfteil, lehnte sich an: „Eigentlich nicht!“
„Du rennst die ganze Nacht rum und bist nicht müde?“
„Ich bin halt ne Eule?“
„Wie ne Eule?“
„Naja ich mach viel Nachtdienst und da bin ich auch die ganze Nacht wach!“
„Aber dann gehst du eigentlich gleich ins Bett!“
„Ja, aber das ist anstrengender mit Patienten, wie an ner Bar zu sitzen und nichts zu tun!“
Luke lachte, setzte sich neben sie und legte den Arm um sie: „War´s so langweilig?“
„Eigentlich, aber irgendwie verging die Zeit schneller wie ich gedacht habe. Müde bin ich nicht wirklich!“
„Und was jetzt?“
Lilly zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung! Was machst du denn normalerweise?“
„Nicht viel!“
„Nicht viel?“
„Wenn die Sonne hinter Wolken verborgen ist, gibt es draußen was zu tun und sonst, ..das Haus ist groß, es gibt immer was zu machen!“
„Wie? Putzen und so was?“
„Ha ja, oder glaubst du das macht sich hier selbst sauber. Manchmal räum ich Sachen in andere Räume, schau wo ich was so unterstelle, das es nicht beschädigt wird.“
„Das heißt, spätestens wenn ich einschlafe wuselst du hier drin rum!“
„So ungefähr, höchstens du willst mitwuseln?“
„Mmh, ich darf eh nicht in alle Zimmer!“
„Wieso nicht?“
„Ok, ich glaube es wäre besser, wenn ich nicht in alle Zimmer gehen würde! Besser so?“
„Warum?...Oh du meinst wegen deinem Geruch! Ich hab dir schon mal gesagt er verteilt sich eh im Haus. Ich riech dich eh schon hier, selbst wenn du nicht da bist!“
„Du riechst mich auf offener Straße. Das Thema haben wir, glaub ich schon abgehakt!“
Jetzt wo sie neben ihm lag, merkte sie das sie doch müde wurde.
Lilly lehnte sich mehr an ihn dran, legte ihren Oberkörper auf seinen. Sie merkte wie Luke leise lachte: „So viel dazu, dass du nicht müde bist!“
Als Antwort haute Lilly ihm mit der flachen Hand auf den Brustkorb. „Au!“ sagte er, allerdings bezweifelte sie, dass sie ihm wirklich wehgetan hatte.
„So fest hab ich gar nicht zugehauen!“ rechtfertigte sie sich.
„Hab schon schlimmeres abbekommen!“
Lilly hob den Kopf, sah ihn an: „Wie schlimmeres?“
„Im Krieg zum Beispiel, ich war immer in dem Alter um eingezogen zu werden. Allerdings ließ ich mich meist relativ schnell erschießen und beerdigen. Hab mich dann nach ein paar Tagen wieder selbst ausgebuddelt und bin nach Hause!“
Lilly stieß erschrocken die Luft aus: „Was?“
„Ha ja, wie sonst hätte ich aus dem Scheiß rauskommen sollen. Manchmal wurden wir gar nicht beerdigt, sondern einfach auf dem Schlachtfeld liegen gelassen, das war dann einfacher!“
Lilly starrte ihn fassungslos an: „Das ist Wahnsinn!“
Luke lachte auf: „So wie die meisten Kriege auch! Manchmal wenn ich hierher zurückkam, musste ich erst mal aufräumen, bevor ich hier leben konnte und da ich ja offiziell gefallen war, wohnte hier eigentlich keiner!“
„Dann muss ich mich ja nicht wundern, warum es hier spucken soll! Dich hat bestimmt ab und zu jemand gesehen!“
„Eigentlich nicht! Es war meist so, dass diese Haus von je her als Spuckhaus galt. Und manchmal wurde es von Teenies dazu verwendet um Mutproben zu machen. So nach dem Prinzip, wer traut sich aufs Gelände, wer ins Haus und wer bleibt da ne Nacht drin. Wenn ich da war, hab ich sie manchmal indirekt vertrieben, weil wenn sie ins Haus kamen überall rumgelochert haben und das kann ich nicht brauchen. Zumal eh schon einiges fehlt.“
„Was denn zum Beispiel?“ fragte sie hörbar schläfriger.
„Gemälde, Statuen, Schmuck, Kerzenleuchter!“
Lilly kicherte: „Ja ja, nur weil ich einen wollte!“
„Nein, wirklich alles was halt leicht genug war um mitzunehmen!“
„Das ist bestimmt ärgerlich!“
„Ärgerlich ist kein Ausdruck, einen Teil hab ich mir wiedergeholt, aber manche Sachen wurden teilweise von Soldaten oder Plünderern aus dem Land geschafft, verkauft und wahrscheinlich auch irgendwo noch in Privathänden. Schmuck teilweise eingeschmolzen und so was halt!“
„Dann versteh ich, warum du keine Fremden hier magst! Wenn sie alles stehlen! Waren es wertvolle Sachen?......Blöde Frage, wertvoll ist relativ! Ich denke es waren bestimmt auch Sachen die finanziell nicht wertvoll waren!“
„Manchmal, ja!“
Jetzt kuschelte sie sich enger an ihn.
„Komm, schlaf was!“
„Warum?“
„Weil ich merke wie müde du bist! Auch wenn du es nicht sagen willst!“
Wieder haute sie ihm sanft auf den Brustkorb: „Lass das!“
„Was?“
„In meiner Gefühlswelt rumzustromern!“
„Warum denn? Außerdem stromere ich nicht, ich merk das!“
„Jaja!“ sagte sie schläfrig.
„Na! Wie war das mit der Eule?“
„Eulen schlafen auch tagsüber!“
„Jetzt auch noch so daher kommen!“
Lilly kicherte leise. Luke merkte wie müde sie wurde, legte seine Arme fester um sie und Lilly legte ein Bein über seine Hüfte. Nach knapp einer viertel Stunde schlief sie tief und fest.
Und wieder sah Luke ihr nur zu, hielt sie in den Armen.
Es war später Nachmittag als Lilly wieder wach wurde, sie sah auf die große Standuhr. Sie zeigte bereits halb Fünf. Langsam räkelte sie sich auf dem Bett, stand schließlich auf und sah sich um. Luke war nirgends zu sehen, kurz ging sie ins Bad. Nachdem sie auf Toilette war und sich die Hände und das Gesicht gewaschen hatte, ging sie hinaus, lief die große Treppe nach unten. Als sie am Fuß dieser stand, hatte sie das Gefühl, dass sich etwas geändert hatte. Sie sah sich kurz um. Schließlich merkte sie, was anders aussah.
Zwischen den beiden Fenstern, die an dem Plateau der Treppe, waren, hing ein großes Bild. Nahezu nahm es den gesamten freien Platz ein. Lilly konnte in dem Dämmerlicht, das durch die Vorhänge erzeugt wurde, nicht viel erkennen. Sie schaltete den Deckenlüster ein und ging wieder zurück zur Treppe. Jetzt konnte sie genauer erkennen, was auf dem Bild zu sehen war. Es war ein altes Ölgemälde in einem goldfarbenen, barocken Rahmen. Es zeigte eine Familie, der Vater stand auf der linken Seite. Er war blond, hatte einen dunkelblauen Anzug mit silbernen Knöpfen, oder so was Ähnliches an, darunter ein weißes Rüschenhemd. Freundliche, markante Gesichtszüge und das intensivste waren die hellblauen Augen, die sie ansahen. Auf jeden Fall war er älter, wie die Mutter. Diese saß zu seiner linken, dunkle Haare, hochgesteckt mit weißen, kleinen Blüten, ein feingeschnittenes Gesicht, blaue Augen, aber nicht so intensiv wie die des Vaters, helle Haut und tiefrot geschminkte Lippen, ein freundliches Lächeln. Sie hatte ein schönes, elegantes, barockaussehendes Kleid an. Tiefrot, mit Goldverzierungen, eine goldenen Kette mit einem Kreuz daran. Zwischen ihnen standen drei Jungs. Der älteste, war um die 12 Jahre, stand direkt vor seinem Vater, der eine Hand auf dessen Schulter gelegt hatte. Er hatte die dunklen Haare der Mutter, blaue Augen. Trug einen ähnlichen Anzug wie der Vater, nur in Dunkelgrün, ebenfalls ein weißes Rüschenhemd. Der mittlere, ebenfalls dunkelhaarig, so um die 9 Jahre, stand zwischen seinem Bruder und der Mutter, hatte ebenfalls einen Anzug an, aber in Rot. Der Jüngste, so um die 5 Jahre, war blond, hatte einen hellblauen Anzug an, schien nicht ganz so glücklich zu sein. Wohl wegen dem sicherlich langen stillstehen. Er stand direkt vor seiner Mutter, diese hatte einen Arm um ihn gelegt, vielleicht saß er auch auf ihrem Schoß. Das konnte sie nicht richtig erkennen, so tief reichte das Bild nicht. Ein feines, fast mädchenhaftes Gesicht. Aber am intensivsten waren die Augen, die sie ansahen. Selbst auf dem Bild, schienen sie sie zu bannen. Die Frage wer das war, hatte sich erübrigt. Lukas Cunningham war, obwohl jetzt älter, unverkennbar.
Lilly stand immer noch vor dem Bild, als Luke hinter sie trat und beide Arme um sie legte.
„Deine Familie!“ es war keine Frage, sie wusste es.
Luke hatte seinen Kopf auf ihrer Schuler liegen, daher merkte sie, wie er nickte.
„Warum hast du es aufgehängt?“
„Ich hab dir doch gesagt, dass ich es manchmal aufhänge!“
„Zum Erinnern!“
Wieder fühlte sie wie er nickte, spürte wie seine Gefühle sie durchströmten: Trauer, Sorge, Vermissen.
Sanft griff sie nach hinten, fuhr ihm mit der Hand über die Wange, schließlich durch seine Haare in sein Genick. Dort ließ sie ihre Hand liegen, kraulte ihn sanft im Nacken. Sie fühlte wie er seine Arme fester um sie schloss. Als sie ihren Kopf etwas drehte, entdeckte sie das er die Augen geschlossen hatte, sanft küsste sie ihn auf die Wange.
„So schlimm?“ fragte sie leise.
Traurig lächelte er und wieder fluteten die Gefühle Lilly: „Was frag ich eigentlich, als ob ich es nicht merken würde!“
Luke küsste sie sanft auf die Halsseite: „Hunger?“ fragte er unvermittelt.
„Was?“
„Ob du Hunger hast?“ Er hatte immer noch die Arme um sie, zog sie langsam nach hinten: „Komm, ich wollt dich grad wecken. Du musst was essen!“
Lilly lachte leise, ließ sich weiter rückwärts in Richtung Wohnzimmer ziehen. Als sie die Tür erreichten und Luke sie öffnete, stieg ihr ein verführerischer Duft in die Nase. Sofort knurrte ihr Magen, Luke lachte auf: „Scheint wohl ja zu heißen!“ sagte er kichernd.
Lilly wurde weiter in den Raum geschoben, sah im Augenwinkel, wie Luke das Licht im Foyer ausmachte. Sie wollte gerade in die Küche, als Luke sie festhielt und zur Couch schob, schubste sie, als sie davor standen, darauf: „Setzt dich, ich bring dir was!“
„Ich kann das selber!“
„Ja, und dann verbrennst du dir wieder die Finger!“
Lilly sah ihm nach, streckte ihm die Zunge raus.
„Das hab ich gesehen!“ behauptete er.
„Kannst du gar net, oder hast du Augen im Hinterkopf!“ quengelte sie.
„Ha, jetzt hast dich selbst verraten!“ sagte er kichernd.
„Manno!“
Luke kam zurück, hatte einen Teller in der einen und Besteck in der andern Hand. Erkennen was darauf lag, konnte sie nicht, aber es roch gut. Erst als er den Teller vor ihr auf den Wohnzimmertisch stellte, erkannte sie es: „Lasagne!“
„Ja, warum magst du keine?“
„Doch!“ sie sah es sich genauer an: „Was ist da alles drin?“
„Hackfleisch, Paprika, Tomaten, Zucchini, mmh was noch?“
„Also so ne richtig bunte!“
„Ja!“
Sie nahm das Besteck und schnitt ein Stück ab, steckte sich einen Bissen in den Mund und kaute darauf rum.
Als sie nichts sagte, hakte er nach: „Was ist? Schmeckt es nicht?“
„Doch!“ sagte sie mit vollem Mund: „Aber heiß!“
Luke lachte wieder, schüttelte den Kopf. Wieder schnitt sie ein Stück ab, schob es auf die Gabel: „Willst du auch?“
Er schüttelte den Kopf: „Ess du, ich hab!“
Kauend sah sie ihn an, klopfte neben sich auf die Couch. Luke setzte sich, lehnte sich an und sah ihr beim Essen zu.
Nachdem Lilly fertig mit essen war, sah sie Luke an: „Warum schaust du so?“
„Wie denn?“
„Bist du sauer wegen gestern?“
„Wenn ich es wäre, würdest du es doch merken!“
Sie stand auf, nahm den Teller ging zur Küchenzeile und wusch ihn ab, erst jetzt sah sie, was sie für einen Teller hatte.
Der Rand war verschnörkelt mit blauen Äpfeln oder so was verziert, der gesamte Teller war blau verziert, mit einer Art Blume oder Baum, oder so ähnlich. Vorsichtig drehte sie ihn herum, sah auf der Rückseite etwas in blau was aussah wie gekreuzte Säbel.
„Du weißt schon das das Ziergeschirr ist, oder?“
Noch bevor Lilly zu ihm schauen konnte, merkte sie wie er hinter ihr stand. Er nahm ihr den Teller ab: „Das ist ganz normales Meißen-Porzellan! Davon hab ich hier viel.“
Lilly schluckte: „Meißen? Weißt du wie teuer das ist, da kann man doch nicht von essen!“
„Wir haben davon immer gegessen! Ich hab mehrere Service davon, ob Essen oder Kaffee. Außerdem solltest du wissen, dass teuer relativ ist!“
„Wie du hast mehrere Service?“
„Ja, schau!“ Luke machte die Hängeschränke der Küche auf. Außer dem, von dem Luke den Teller in der Hand hatte, sah sie hier allein noch drei verschiedene:
Eines ebenfalls nur mit Blau mit Blumen in der Mitte und am Rand waren Insekten, außerdem war der Rand wie gewellt und mit Gold verziert. Das andere war weiß, hatte überall verteilt kleine Blümchen, der Rand war weitaus filigraner verziert, ebenfalls mit Gold.
Lilly stieß erstaunt die Luft aus, sie wusste zwar nicht viel über Porzellan, aber Meißen war teuer, sauteuer, und das hier sah alles noch in Topzustand aus. Irritiert sah sie ihn an: „Wie kannst du davon essen?“
„Ich?“ dabei zeigt er mit dem Finger auf sich: „vergisst du nicht etwas. Ich muss nicht essen!“
„Du hast mehrere davon?“
„Ja, oben müssten noch ein paar Kaffee- und Teeservice stehen!“
Luke klang irgendwie gelangweilt.
„Ein paar?“ fragte sie erstaunt, schaute ihn an und sah ein Lächeln über sein Gesicht huschen.
„Ja!“ sagte er nickend: „Ein paar!“
„Groß oder klein geschrieben?“
Jetzt lachte Luke auf: „Klein, denke ich!“
„Du weißt das gar nicht!“
Er lachte wieder: „Warum soll ich mich um Geschirr kümmern, wenn ich keines brauche. Ich hab das nur hierhergestellt, weil du ja was brauchst!“
„Luke, so teures Zeug! Das ist zu schade dafür, das steht normaler weise gut geschützt in ner Vitrine!“
Als Antwort legte er ihr beide Arme um den Körper, zog sie an sich. „Ach du! Teuer ist..“
„Relativ! Ich weiß, aber trotzdem, wenn das kaputt geht!“
Luke zuckte mit der Schulter. „Na und! Dann ist halt ein Teller weniger!“
Immer noch sah sie ihn ungläubig an, schüttelte den Kopf: „Hast du noch mehr davon, also ich meine nicht nur Geschirr?“
„Ja, kleine Skulpturen, Beistelltische, so was!“
„Alles von Meißen?“
„Überwiegend ja, meiner Mutter hat das immer so gefallen und deswegen hat es mein Vater ihr gekauft!“
„Aber davon kann ich nicht essen?“
„Was? Warum nicht?“ Lilly merkte seine Irritiertheit.
„Weil das viel zu schade ist! Da gibt es billigeres das tut es auch und es macht nichts wenn was kaputt geht. Wenn mir das runter fällt, brauch ich kein schlechtes Gewissen zu haben!“
„Brauchst du hier auch nicht!“
„Werd ich aber haben! Wie spät ist es, vielleicht kann man noch irgendwo was kaufen oder wir fahren zu mir und holen da was. Mehr wie ein Teller, ne Tasse und Besteck brauch ich nicht!“
Luke sah sie an, immer noch fühlte sie seine Irritiertheit. Er verstand nicht, was daran so schlimm sein sollte, selbst wenn was kaputt gehe, er und seine Familie haben immer davon gegessen. Aber, dachte er, sie wird schon ihre Gründe haben. Vielleicht hätte sie wirklich ein schlechtes Gewissen, wenn etwas zu Bruch ginge.
„Hallo?“ Luke sah wie Lilly ihm mit der Hand vor den Augen wedelte.
„Ähm… was?“
„Ich hab gefragt wie viel Uhr es ist?“
Luke zeigte in Richtung der Couchen: „Da steht ne Kaminuhr auf dem kleinen Tisch in der Ecke zwischen den Couchen!“
Lilly sah dorthin, erkannte etwas Rot-Goldenes.
Als sie näher ging, sah sie eine alte Uhr, geformt wie ein Geigenkorpus, dunkelrot mit schwarzen Einschlüssen, die Ränder uns Kanten waren golden besetzt, selbst die Zahlen auf dem Ziffernblatt und die Zeiger waren golden. Die Uhr war ungefähr 40 cm hoch, Lilly musste sich eingestehen, sie hier gar nicht gesehen zu haben.
Laut der Uhr war es gerade halb acht, daher drehte sich Lilly zu Luke, der immer noch in der Küche stand: „Eigentlich können wir noch kurz fahren, oder? Der Laden macht erst um Mitternacht zu!“
„Ach Lilly du hast schon letztes Mal von den Tellern gegessen, das ist doch egal was für Teller!“
Sie stemmte die Hände in die Hüfte. „Also wenn das egal ist, können wir ja welche holen!“ sagte sie neckend.
Luke legte den Kopf in den Nacken, lachte: „Du gibst nie auf, oder?“
„Mmh, nö!“
„Also gut.“ Sagte er gespielt resigniert: „Dann fahr ma halt noch kurz!“
Auf einmal legte er den Kopf schief, sah sie an: „Dein Handy!“
„Was?“
„Dein Handy klingelt!“
„Meins?“ dabei zeigt sie mit dem Finger auf sich: „Also ich hör nichts!“
„Ja, deins. Und ich höre es aber, glaub mir!“
„Wo hab ich es denn eigentlich?“ Sie sah sich um Raum um.
„Nach dem Geräusch her, kommt es von oben! Wart ich hols!“
Damit verschwand er vor ihren Augen.
Nach kurzer Zeit hörte sie es auch, Luke musste wohl wieder näher kommen. Schließlich betrat er den Raum, hielt ihr immer noch klingelndes und vibrierendes Handy in der Hand. Mit einem leisen „Bitte.“ drückte er es ihr in die Hand.
Lilly nahm ab: „Ja!“ Dabei setzte sie sich wieder auf die Couch, Luke nahm neben ihr Platz, hörte wie eine aufgeregte Frauenstimme etwas von Ausfall wegen Krankheit erzählte und Nachtdienst.
Lilly sah ihn an, verdrehte kurz die Augen. „Du weißt das ich Urlaub hab!“
Wieder hörte er nur aufgeregtes Gebrabbel.
„Ja, aber erst morgen Abend, oder? Heut wärs etwas zu spät!“
Weiteres Gebrabbel, hätte Luke sich auch nur etwas angestrengt, hätte er verstanden um was es ginge, aber er konnte es sich aufgrund Lillys Antworten denken.
„Ja, ok! Morgen!“ Sagte sie und Luke merkte, das ihre Stimme wesentlich freundlicher klang wie sie sich fühlte.
Nachdem sie aufgelegt hatte, sah sie ihn entschuldigend an.
„Was ist?“ fragte er.
„Ach die Nachtwache ist krank, Vicki springt heute ein, aber ab Morgen haben sie niemanden. Und da ich ja eh nie was vorhabe…“ sagte sie sarkastisch: „können sie mir ja meinen Urlaub verlegen!“
„Dürfen die das einfach?“
„Laut PDL ja, allerdings muss ich den Urlaub spätestens zwei Wochen darauf nehmen!“
„Das heißt er verschiebt sich einfach nur!“
„Ja, trotzdem..!“ Luke merkte ihren Frust.
„Hättest du nicht einfach nein sagen können?“
Lilly schüttelte den Kopf: „Dafür steck ich meiner Stationsleitung nicht tief genug im Arsch!“
Sofort schlug sie die Hand vor den Mund, wurde rot und sah ihn wieder entschuldigend an.
Luke konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, dadurch wurde sie nur noch röter und Luke spürte ihre wachsende Scham.
„Tja, wird wohl nichts draus mich tagelang zu ärgern!“ sagte er vergnügt und stupste sie in die Flanke.
Lilly zuckte zusammen, fing an zu kichern: „Ja ja, schon klar bist froh drum mich los zu sein!“
„Nein!“ sagte er schnell: „Du weißt das das nicht stimmt! Dann….dann besuch ich dich halt wieder im Krankenhaus!“
„Du weißt das ich das nicht darf! Luke, wenn dich einer sieht…“
Schnell hob er abwehrend die Hände: „Erstens mach ich das und nicht du und zweitens sieht mich keiner, war beim letzten Mal auch so!“
„Ja klar, bis auf den Junkie, der heulend, wimmernd am Boden lag! Was hast du mit dem gemacht?“
„Nichts, ich hab ihm nur gezeigt, das ich gefährlicher bin wie er!“
„So? Außerdem…“ sie stieß ihm den Zeigefinger an die Brust: „hat es damit zu tun das du zu mir kommst und ich das erlaube!“
„Ach komm schon, Ich muss dich doch beschützten! Und sag nicht das dir keine Gefahr droht. Hat man ja gesehen beim letzten Mal!“
Lilly zog die Hand zurück, verschränkte ihre Arme vor der Brust und zog die Beine auf die Couch. Dabei sah sie Luke an, zog einen Schmollmund und schob die Unterlippe nach vorne. Als Luke das sah, rutschte er näher zu ihr, legte beide Arme um sie und begann sich mit ihr langsam vor und zurück zu wiegen. Es dauerte nicht lange bis Lilly wieder kicherte.
„Wenn wir runterfallen, bist du Schuld.“ Sagte sie gespielt jammernd: „Und dann…..dann mach ich mir Aua!“
Luke fing an zu lachen, zog seine Arme fester um sie: „Dazu müsst ich dich loslassen und das mach ich nicht!“
„Dann fallen wir halt beide runter!“ Ihre Stimme klang wie die eines Kindes und Luke lachte lauter.
„Niemals würde ich zulassen, das du dir aua machst!“
„So?“
Luke nickte: „Niemals!“ flüsterte er. „Und das weißt du!“
Langsam hob sie den Kopf, sah ihn an, Luke lächelte, küsste sie sanft auf die Stirn
„Niemals?“ fragte sie leise.
„Niemals! Vorher würde ich…!“
„Sag das nicht!“ unterbrach sie ihn. „Ich hab dir schon mal gesagt, so was ist leicht zu sagen, wenn man schon tot ist!“
„Bin ich tot?“ fragte er, legte den Kopf schief und schielte sie an: „Ich weiß nicht, ich bin zwar gestorben aber nicht tot geblieben! Also bin ich wohl nicht ganz tot!“
„Ja ja, ich weiß es gibt noch eine Steigerung!“
„Siehst du!“
„Du kannst nicht krank werden!“ sagte sie nach einer Weile.
Luke schüttelte den Kopf.
„Kannst du Krankheiten übertragen?“
„Wie?“
„Zum Bespiel, wenn du jemanden gebissen hast der krank ist, bist du dann Überträger, oder?“
„Eigentlich nicht. Alles stirbt sofort ab!“
„Eigentlich?“
„Ja zum Beispiel wenn jemand HIV hat, dann bin ich in gewisser Weise ansteckend. Also für den nächsten den ich beißen würde. Oder wenn ich dich küssen würde!“
„Wie jetzt?“ Luke merkte wie sie sich in seinen Armen versteifte.
„Blutübertragung! Wir sind keine Parasiten, die Krankheiten weiterverbreiten. Wenn wir merken, riechen das jemand etwas ansteckendes hat, dann beißen wir den zum Schluss um niemanden anzustecken. Und ich würde dich nie auf den Mund küssen, solange ich noch Blut schmecke. Sobald ich keinen Geschmack davon mehr habe, ist eine Ansteckung unmöglich. So was wie Krebs ist nicht über das Blut ansteckend, aber andere. Früher Schwindsucht oder ähnliches. Aber wir riechen ja wenn jemand krank ist und wir merken, wenn es über das Blut übertragbar ist. Wenn wir es doch erst schmecken, wird derjenige in gewisser Weise markiert und wir beißen dann keinen anderen mehr, solange wir das Blut des anderen schmecken. Wie gesagt, danach ist keine Ansteckung mehr möglich.“
„Keine Gefahr für mich?“
„Nein! Ich würde dich nie in solche Gefahr bringen!“
„Das heißt wenn du mich nicht mehr küsst, brauch ich mir keine Sorgen zu machen!“
„Inwiefern?“
„Das du sauer oder was auf mich bist!“
Luke lachte. „Nein! Erstens würdest du es ja fühlen und zweitens würde ich dir schon sagen!“
„Was?“
„Warum ich dich nicht küsse, bevor ich geduscht und mir die Zähne geputzt habe!“
„Was passiert mit dem Blut?“
„Es zersetzt sich, wird komplett von uns verbraucht!“
„Keine….Abfallprodukte?“
Wieder lachte er: „Nein, Vampire müssen nicht auf die Toilette, wenn du das meinst!““
„Aber wie geht das, ich meine im Blut sind doch so viele Stoffe!“
„Alles was man braucht zum Überleben. Wasser, Nährstoffe! Was glaubst du warum ich nicht trinken und essen muss!“
„Alles über das Blut?“
„Ja! Es wird komplett von unserem Körper verbraucht! Jeder Bestandteil!“
„Aber ich meine irgendetwas muss doch zurück bleiben, zum Beispiel Krankheitserreger, was passiert mit denen. Die nehmt ihr ja auch auf!“
„Die bestehen ja auch aus irgendetwas. Teilweise sind es ja umgebaute körpereigene Zellen, die werden genauso von uns verbraucht. Aber sie könne sich in uns nicht vermehren, in dem Punkt sind wir tot. Zum Beispiel HI-Viren sind abgestorben sobald das Blut geronnen und getrocknet ist.“
„Heißt das, das Blut gerinnt in euch!“
„Nicht das was wir schlucken, es wird zu schnell aufgespalten um zu gerinnen, nur das was wir vielleicht noch im Mund haben, kann gerinnen, aber das ist meist sehr wenig, aber bei diesem muss ich halt bei dir…auch bei anderen aufpassen!“
„Also wäre es möglich, dass du Überträger bist!“
„Bis das Blut entweder geronnen oder ganz aus dem Mund verschwunden ist, solange theoretisch ja. Deswegen haben wir einen gewissen Zeitfaktor zwischen den einzelnen Menschen festgelegt, je nach Krankheit des Vorgängers, selbst wenn er nichts hat, was durch Blut übertragen wird. Zur Sicherheit für euch!“
„Aber ihr riecht doch Krankheiten, warum beißt ihr die dann.“
„Wie gesagt, wir können nicht krank werden und wir wissen mittlerweile wie welche Krankheit riecht und können abschätzen was wir wann tun.“
Lilly sah ihn fragend an.
„Ich geh seit fast fünfzig Jahren in solche Clubs und noch nie habe ich jemanden mit irgendetwas angesteckt!“
„Und ich?“
„Wie und du?“
„Wie groß ist die Gefahr das ich mich an irgendetwas anstecke!“
„Durch mich?“
„Ja!“
„Keine Gefahr! Noch mal ich werde dich nicht küssen, wenn wir aus dem Club gehen, höchstens ich bin mir ganz sicher, nur von Gesunden getrunken zu haben und dann überlass ich es dir, ob du dich küssen lassen willst!“
„Und wenn ich mit deinem Blut in Berührung komme?“
„Wirst du nicht!“
„Wie kannst du dir da so sicher sein!“
„Ich blute nicht!“
„Wie du blutest nicht?“
„Blut ist sowas kostbares für mich, ich blute nicht!“
„Wieso, ist dein Blut geronnen, oder wieso nicht, aber du hast doch einen Herzschlag und einen Blutdruck, sonst hättest du ja nicht mit mir schlafen können, dazu muss dein Blut fließen?“
„Das kann ich steuern!“
„Ob dein Blut fließt?“
„Ja!“
„Wie?“
„So wie ich meinen Herzschlag und meine Atmung steuern kann!“
„Wie, so nach dem Prinzip, ja lass ma mal das Blut fließen?“
Luke hörte ihren Argwohn, jetzt deutlicher wie zuvor, auch spürte er ihre Verwirrtheit!
„Wenn mein Herz schlägt, pumpt es Blut, wir haben gerinnungshemmende Stoffe in uns, daher gerinnt auch das Blut nicht, wenn wir trinken!“
„Wie bei einer Mücke?“
„So ungefähr, auch können wir die Bisswunden schneller heilen!“
„Wie bei der jungen Frau, an der Hand und am Fuß und am Hals, man hat nichts mehr gesehen!“
„So ein paar Bissspuren können verräterisch sein. Deswegen sag ich ja, die gibt es nicht!“
„Das heißt, dein Blut ist flüssig!“
„Ja, aber es fließt nur, wenn mein Herz schlägt!“
„Das heißt, wenn du dich schneidest oder sonst wie verletzt, blutet es erst, wenn dein Herzschlag einsetzt!“
„Ja! Und solange ich das nicht mache, fließt kein Blut!“
„Mmh!“
„Ja ich weiß ist etwas kompliziert!“
„Eigentlich nicht, aber etwas verwirrend!“ gab sie zu.
„Ich weiß, ich merks!“
Lilly lächelte ihn an: „Aber irgendwie auch logisch! Also…..!“
Er konnte sich ein Lachen nicht verkneifen: „Verwirrend aber logisch?“
„Ja!“
Jetzt lachte er lauter.
Nach einer Weile sah er sie an: „Du musst also ab morgen Nachtdienst machen!“
Lilly nickte: „Scheint wohl so!“
„Mmh! Willst du morgen früh heim, oder von hier aus zur Arbeit?“
Lilly sah ihn irritiert an: „Wie schnell kannst du eigentlich das Thema wechseln?“
„Schnell!“
„Ich merks, aber eigentlich müsst ich mich daran gewöhnt haben, machst du ja von je her!“
„Wie meinst du das?“ fragte er leicht zynisch.
„Wann hab ich zum ersten Mal eine richtige Antwort auf meine Fragen bekommen?“ fragte sie sarkastisch.
„Du hättest mir das nie geglaubt! Was hätte ich denn tun sollen!“
Lilly sah ihn an, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, musste sich aber eingestehen, dass er Recht hatte. Sie hätte ihm das nie geglaubt. Lächelnd sah sie ihn an, küsste ihn sanft auf die Wange: „Ja, hast ja Recht! Hätte ich bestimmt nicht!“
„Also?“
„Was also?“
„Wie oder wann willst du zurück?“
„Ach so! Eigentlich reicht es, wenn ich morgen Abend direkt von hier aus gehe, denk ich! Außerdem hab ich hier morgen tagsüber wenigstens in Ruhe schlafen!“
„Meinst du?“
„Ja, so wie du rumschleichst, ich glaube nicht das du mich störst. Ich hab dich heut auch nicht gehört!“
„Auch gut! Dann hab ich dich länger bei mir!“
„Du könntest auch bei mir bleiben!“
„Ja, aber hier hab ich mehr Ausweichmöglichkeiten um dich nicht zu stören, bei dir …“
„Ist weniger Platz, zumal du, eventuell den ganzen Tag bei mir bleiben müsstest!“
„Das ist es nicht, du weißt das mir das nichts ausmachen würde, zumal du ja auch da wärst, aber… ach eigentlich ist es egal. Ich überlass es dir!“
„Das ist aber schön!“ sagte sie amüsiert: „Ich dachte schon du fällst in alte Muster!“
„Wie?“
„Frauen haben nichts zu sagen, Männer bestimmen alles!“
Luke hob abwehrend die Hände: „Das würde ich nie tun. Ich glaub die Zeiten sind vorbei!“ sagte er grienend.
„So, das will ich dir auch schwer raten!“ sagte sie vergnügt und wedelte mit ihrem Zeigefinger vor seiner Nase herum.
Es lachte kurz auf, schüttelte den Kopf: „So was wie dich, ist mir noch nie untergekommen. Ein Mensch der so frech ist, zumal er genau weiß wer oder besser was ich bin!“
„Tja!“ zuckte dabei mit den Schultern: „Ich sag doch ich hab keine Angst vor dir!“
„Ähm..“
Warnend hob sie den Zeigefinger, stupste ihn auf seine Brust: „Jetzt sag nicht wieder, das
es besser wäre!“
Luke holte Luft, wollte gerade etwas sagen. Jedoch unterbrach sie ihn: „Ey, nein!“
Sie sah wie ein lächeln seinen Mund umspielte, fühlte aber seine Sorge.
„Hör auf dir Sorgen zu machen!“ sagte sie zu ihm: „Mittlerweile, glaub ich, hab ich alles
gesehen, ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass es noch was anderes gibt!“
Plötzlich spürte sie wieder dieses merkwürdige Gefühl, Lilly sah Luke an: „Was ist?“
„Wieso?“
„Schon wieder dieses Gefühl!“
„Nicht von dir?“
„Nein, ich dachte das kommt von dir, Luke!“
„Nein, zumindest nicht bewusst!“
„Wie denn dann?“
„Es ist merkwürdig, ich merk es auch, aber ich dachte es kommt von dir?“
Luke schüttelte den Kopf: „Nein, aber ich weiß nicht mal was das für ein Gefühl ist!“
„Toll, ich dachte du könntest es mir sagen!“ Sie konnte ihren Sarkasmus nicht
verhindern.
„Weißt du, mittlerweile hab ich mich daran gewöhnt, dass es in deiner Gegenwart
manche Merkwürdigkeiten gibt!“
„In meiner Gegenwart? Ich denke ehern das ich einiges Merkwürdige in deiner Gegenwart
erlebe!“ sagte sie vergnügt.
Luke lächelte: „Du bist unmöglich!“
„Unmöglich?“
„Mmh, wohl eher einzigartig!“
„So? Klingt schon anders!“
Sie kuschelte sich wieder an ihn, legte sich bequem auf die Couch. Luke legte wieder
beide Arme um sie und hielt sie fest.
Es verging etwas Zeit, bis Lilly sich langsam bewegte.
„Was ist denn?“ fragte er.
„Nichts! Ich hab mich doch nur bewegt!“
Nachdem sie eine Weile hin und her gerutscht war, lehnte sie sich wieder an ihn. Sie
suchte nach der Fernbedienung, schaltete den Fernseher, nachdem sie sie gefunden hatte,
ein. Sofort flackerten die ersten Bilder über den Bildschirm.
Lilly schaltete die Programme durch, erst beim zweiten Durchlauf ließ sie schließlich einen Film drin, wenn auch eher etwas außerhalb ihres Alters.
Luke lag ruhig hinter ihr, wenn sie es nicht besser gewusst hätte, wäre sie der Meinung
gewesen, dass er eingeschlafen ist.
Der Film war bereits halb fertig, als Luke eine bekannte Melodie hörte: „Schwanensee?“
„Ja, aber auf Kinderniveau getrimmt!“
„Wie?“
„Da guck!“
Sie merkte wie Luke sich hinter ihr aufrichtete: „Was ist das? Sieht aus wie Zeichentrick.“
„Mehr Computeranimation!“
„Ok, ein Zeichentrickfilm mit Schwanensee!“
„Ja, Barbie!“
Luke fing an zu lachen: „Ok!“
„Ja, aber vielleicht die einzige Möglichkeit um Kindern etwas klassische Musik nahe
zubringen!“
„Ja, zu meiner Zeit war das normal, da gab es nicht wirklich andere Musik, außer dieser.
Wobei nicht alles schlecht war. Vivaldi, Chopin sind eigentlich gar nicht so schlecht. Das
heute, kann man nicht immer als Musik bezeichnen!“
Lilly lachte: „Bei manchen Sachen geb ich dir Recht!“
Sie fühlte wie er sich wieder hinter ihr auf die Couch legte, Lilly streckte sich aus und
schaute weiter. Immer wieder merkte sie, wie Luke sich, jedes Mal wenn eine neue Musik
anfing, sich hinter ihr aufrichtete, sich aber dann wieder hinlegte.
„Rutsch doch höher, dann kannst du auch schauen!“ sagte sie.
„Ich will ja nicht unbedingt schauen, aber ...“
„Es interessiert dich doch!“
„Es interessiert mich, wie die Musik eingesetzt wird. Aber kein Vergleich zur Opernaufführung!“
„Warst du da drin?“
„Ja! Ist aber schon ne Weile her!“
„Ich war noch nie in ner Oper, Musical ja, aber Oper?“
„Warum nicht?“
„Erstens alleine ist langweilig, zweitens ist es nicht gerade billig und drittes muss man da ja irgendwie hinkommen. Und außerdem weiß ich gar nicht, wo rein ich sollte!“
„Also Schwanensee ist gut, der Nussknacker ist auch nicht schlecht. Ich glaube wenn man
so was mag, gefällt einem fast alles!“
„Magst du das?“
„Opern? Als Kind nicht, aber mittlerweile ja, ab und zu. Hat was von Nostalgie.“
„Erinnerungen?“
„In gewisser Weise ja!“
„Fehlt dir das Leben von damals ab und zu?“
„Manchmal. Das Leben war anders wie heute. Nicht unbedingt besser, aber, vielleicht lag es nur daran, dass ich einfach zu jung war, um wirklich zu wissen, was gutes Leben ist. Ich bin wohlbehütet aufgewachsen, das richtige Leben habe ich erst dann kennen gelernt, als ich kein Mensch mehr war.“
„Was meinst du mit richtigem Leben?“
„Die andere Seite der Medaille. So was wie Krieg oder Gewalt gab es bei uns nicht. In anderen Familien wurden die Angestellten misshandelt, geschlagen, getreten. Ich habe bei einem Freund mal gesehen wie ein junges Hausmädchen mit Fußtritten von der Treppe getreten wurde. Nur weil wieder Dreck auf den Stufen war, die sie erst geputzt hatte. Angeblich hätte sie nicht richtig geputzt, aber wie hatten den Dreck mit unseren Schuhen hereingetragen. Aber das war wohl normal, sie waren nichtsnutzig, für diese Familie. Bei uns gab es so etwas nicht, unsere Angestellten wurden nie geschlagen oder misshandelt, sie haben nicht in den Ställen geschlafen, sondern in einem Teil des Hauses, dort wo die Garage war oder viel mehr ist. Ihre Kinder durften sie behalten, anderswo wurden sie ab einem gewissen Alter verkauft, das gab es bei uns nicht.“
„Wie verkauft?“
„Na ja, es waren Sklaven, sie wurden von uns gekauft, lebten bei uns. Unsere Köchin zum Beispiel, wenn Essen übrig war, wurde es nicht weggeworfen, unsere Angestellten bekamen es. Am Anfang hat unsere Köchin, die wir gekauft haben, weil sie schwanger war, mit Absicht mehr gekocht, für ihr Kind und sich. Irgendwann hat es meine Mutter gemerkt, hat sie zur Rede gestellt. Im Endeffekt durfte sie mehr Kochen, damit alle Angestellten mitessen konnten. Zwar nicht bei uns am Tisch, aber….!“
„Du weichst mir aus!“
„Diese Sklaven, sie arbeiten für uns. Anderswo mussten sie arbeiten ohne etwas zu bekommen. Bei uns bekamen sie Nahrung, Unterkunft, so was. Unsere Köchin war mit einem unserer Gärtner schließlich liiert. Die erste Tochter, mit der sie schwanger war, war eine unserer Dienstmädchen. Die weiteren Kinder blieben ebenfalls bei uns, die Mädchen als Küchenhilfe oder Dienstmagd, die Jungs als Stallburschen und Gärtner. Ein paar Ältere lernten sie ein, teilweise die Eltern. Keiner unseren Angestellten wurde verkauft oder misshandelt. Es ging ihnen gut bei uns. Meine Mutter legte Wert darauf, dass Kinder oder gar Säugling nicht von ihren Müttern getrennt wurden. Also blieben sie bei uns. Als wir krank wurden, blieben sie lange bei uns, trotz der Gefahr. Sie wussten, dass wir drei Jungs ohne ihre Hilfe aufgeschmissen waren. Selbst als alle weg waren, fanden wir ab und zu Essen vor unserer Haustür, wir waren uns sicher, das es unsere Köchin war, die uns immer wieder was zu Essen brachte. Keiner von ihnen wurde gezwungen zu bleiben, wir hatten mehr wie genug Personal. Selbst wenn die Hälfte abgehauen wäre, hätten wir genug gehabt.“
„Ihr habt sie nicht als euer Eigentum angesehen? Ich meine Sklaven waren Eigentum, oder?“
„Ja schon, aber meine Eltern, waren der Meinung, das Menschen denen es gut geht auch besser arbeiten, zuverlässiger, einfach besser halt. Jemandem dem es schlecht geht, unterernährt war oder misshandelt wurde, arbeitet anders.“
„Klar, aber das war nicht selbstverständlich!“
„Nein! Deswegen sag ich ja, das richtige Leben!“
„Aber in der Zeit war doch der Bürgerkrieg, wegen der Sklaverei, oder. Yankees gegen die Konföderierten, um die Sklaverei abzuschaffen.“
„Schon, aber währenddessen wurde es schlimmer, Sklaven wurden Reihenweise hingerichtet, als Kanonenfutter sozusagen. Ja, das war 1861 bis 65, aber in diesen vier Jahren, war es schlimmer wie je zuvor, was die Sklaven anging. Und als die Südstaaten merkten, das sie verloren, wurde es schlimmer. Uns als Lincoln kurz vor Ende des Krieges erschossen wurde, kam nochmal ein Höhepunkt der Sklaventötung.“
„Mmh!“ war alles was Lilly sagte, drehte sich zu ihm herum. Er lag auf der Seite, sie lag auf dem Rücken vor ihm: „Und eure?“
„Sie sahen sich nicht als Sklaven! Nach meiner Verwandlung begegnete ich unserer Köchin. Sie sah mich ganz entsetzt an, es wurde ja überall gesagt, dass die ganze Familie gestorben war. Sie sah mich an, wollte etwas sagen, aber bekam nichts heraus. Sie war fast 60, traute ihren Augen wohl nicht. Sie dachte bestimmt, sie verwechselt mich.“
„Hast du ihr gesagt wer du bist?“
„Nein! Ich habe in ihren Augen gesehen, dass sie sich schließlich sicher war, dass ich ich bin. Aber gesagt habe ich ihr nichts. Sie hat nur angefangen zu weinen, zu mir gesagt, dass sie nicht glaube was sie sehe, aber sie habe es gehofft!“
„Was gehofft?“
„Ich glaube, das nicht alle gestorben sind!“
Lilly merkte wie seine Gefühle sich änderten: Trauer, teilweise Wut.
Sanft strich sie ihm über die Wange, Luke legte seinen Kopf auf ihre Brust, ließ sich von ihr durch die Haare fahren. Sie merkte wie sich seine Gefühle wieder anfingen zu ändern, jetzt merkte sie eine Art Zufriedenheit, Wohlbehagen. Irgendwie erwartete sie, dass er bald anfing zu schnurren. Obwohl sie wusste, das er das tun konnte, fing sie unwillkürlich an zu kichern.
„Was ist?“ fragte er leise.
„Nichts!“
„Ach komm schon, schon wieder kichern ohne Grund?“
„Also gut, ich warte auf was!“
„Auf was?“
Wieder kicherte sie, kraulte ihm im Nacken: „Ehrlich?“
„Ja!“
„Irgendwie wart ich darauf, dass du anfängst zu schnurren!“
„Ach so! Meinst du so…“ Dadurch, dass er auf ihrer Brust lag, spürte sie das Schnurren sofort, es vibrierte durch ihren ganzen Körper. Aber nicht dieses intensive, erregende. Es fuhr nur durch ihren Körper, es jagte von ihren Haarspitzen bis zu ihren Fußsohlen. Es hinterließ ein angenehmes Gefühl. Luke lachte leise, unterbrach dabei kurz das Schnurren, hob den Kopf und sah sie an: „Ach, dabei kicherst du nicht!“
„Nein!“
„Warum?“
„Wieso soll ich kichern?“
„Du hast gekichert, auch ohne Grund!“
„Ok, ok! Du merkst es doch eh!“
„Was? Deine Gefühle?“
„Ja, genauso wie ich deine fühle!“
„Irgendwie macht das, das ganze einfacher?“
„Was?“ fragte sie.
„Das ich fühle, was du fühlst! Dadurch ist es für mich einfacher, vielleicht auch um dich besser zu verstehen.“
„Wieso?“
„Weil du eh schon kompliziert für mich bist!“
„Ich für dich?“
„Ja, du bist anders wie alle andern!“
„Ich? Anders? Wer von uns beiden ist nochmals der, der unter anderem den Bürgerkrieg mitbekommen hat!“ fragte sie amüsiert-zynisch.
Luke lachte auf, legte wieder seinen Kopf auf ihre Brust: „Schon kapiert!“
Lilly begann ihm wieder durch die Haare zufahren. Nach und nach, merkte Luke wie dieses Streicheln langsamer und träger wurde. Es dauerte noch etwas und schließlich blieb ihre Hand in seinem Genick liegen.
Luke spürte, dass sie eingeschlafen war. Zusammen blieben sie einen Weile auf der Couch liegen, er genoss ihre Nähe, spürte ihre Ruhe. Irgendwann begann sie sich zu bewegen, sie versuchte sich herum zu drehen. Sie lag ja auf dem Rücken, Luke auf der Seite neben ihr, hatte seinem Arm um sie gelegt, den Kopf immer noch auf ihrer Brust. Allerdings war die Couch etwas zu schmal damit sie sich richtig drehen konnte, sie stieß immer wieder an ihn. Es gelang ihr schließlich sich so weit zu drehen, dass sie ihm zugedreht auf der Seite lag, allerdings befürchtete er, dass sie bei der nächstens Drehung vielleicht doch runterfallen würde. Außerdem, entschied er, war die Couch wahrscheinlich nicht unbedingt gut geeignet zum Schlafen. Daher schob er sich langsam von der Couch, griff mit einem Arm unter ihren Rücken und mit dem anderen unter ihre Knie. Langsam hob er sie hoch, trug sie ins Schlafzimmer.
Am nächsten Tag merkte Luke, der neben ihr lag, wie sie wach wurde. Langsam drehte sie sich zu ihm, legte ihren Arm und ihren Kopf auf seinen Brustkorb. Im wachwerden, rieb sie ihr Gesicht an ihm. Auf einmal setzte sie sich abrupt auf, sah sich erstaunt um, fuhr sich verschlafen mit den Händen über das Gesicht. Lilly sah sich nochmals um, schaute ihn dann an: „Wo…? Wie…?“
Luke konnte sich ein grienen nicht verkneifen, er lag auf dem Rücken, verschränkte die Arme hinter den Kopf: „Es ist es erst halb Zwei! Du kannst noch schlafen!“
„Wie komm ich hierher?“
Luke lachte auf: „Ich hab dich hierher getragen!“
„Ach so!“ sagte se verschlafen, ließ sich auf ihm sinken, kuschelte sich an ihn: „Kann ich also weiter schlafen?“ fragte sie quengelnd.
Wieder ein Lachen, er legte beide Arme um sie, drückte sie an sich: „Ja, kannst du. Ich weck dich! Wann?“
„Um Neun muss ich ihm Krankenhaus sein!“
„Also gut, je nachdem wie das Wetter ist, weck ich dich rechtzeitig!“
„Wie, je nachdem..?“ fragte sie gähnend.
„Zeig ich dir!“
„Also gut!“ Sie legt ihren Arm um ihn, ihr Bein über seine Hüfte.
Nach ein paar Minuten, war sie wieder eingeschlafen und Luke merkte wie sie fröstelte. Er kramte eine Decke heran und deckte sie damit zu. Fast sofort merkte er, wie sie sich entspannte.
In den nächsten Stunden spürte er immer wieder wechselnde Gefühle von ihr. Mal Zufriedenheit, mal hörte er wie ihr Herz schneller schlug. Schließlich merkte er Angst, beinahe Panik. Lilly setzte sich auf, stieß die Decke weg und sah sich gehetzt um.
„Hey, was ist denn?“ fragte er.
Sie sah ihn an, fuhr sich wieder über das Gesicht: „Nichts! Glaub ich. Irgendeinen Scheiß geträumt!“
Luke richtete sich auf, legte beide Arme um sie und zog sie wieder nach hinten aufs Bett: „Komm her, was ist denn?“
Erst als sie wieder halb auf ihm lag, sagte sie: „Ich weiß es nicht mal mehr! Dann ist es auch egal!“
„Du hast immer so intensive Träume!“
„Woher..?“
„Ich hab dir mehr wie eine Nacht beim Schlafen zugesehen!“
Lilly kicherte.
„Na schau an, wieder alles gut?“
Als Antwort nickte sie langsam, kuschelte sich wieder nah an ihn.
Nach einer Weile räkelte und streckte sie sich: „Wie spät ist es eigentlich?“
„Kurz vor Sieben!“
„Mmh! Das heißt ich muss bald aufstehen! Ich fahr über ne Stunde!“
„Ja, ich weiß! Allerdings hatte ich die Hoffnung, dass es bald dunkel wird, dann könnte ich dich bringen. Würde schneller gehen!“
„Aber wenn die Sonne noch scheint?“
„Musst du vorfahren, dann komm ich nach!“
„Brauchst du nicht!“
„Mach ich aber!“
Lilly kicherte: „Du klingst wie ein quengeliges Kind! Mach ich trotzdem!“ sagte sie und machte ihn übertrieben nach.
„Toll!“ sagte er lachend: „jetzt werd ich auch noch veralbert!“ Er stupste sie mit der Fingerspitze auf ihre Nase: „Freches Ding! Mylady ihr solltet euch was schämen!“
Jetzt lachte Lilly laut auf: „Red nicht so! Das klingt albern!“
„So? Tut es das!“
„Na ja irgendwie schon! Aber irgendwie…“
„Ja?“
„Ach ich weiß auch nicht. Klingt halt einfach merkwürdig!“
„Merkwürdig? Du müsstest mal hören, wenn sich zwei Teenies unterhalten!“
Wieder kicherte sie: „Hast auch wieder Recht!“
„Also?“
„Ja ja, klingt halt einfach…!“
„Alt?“
„Altertümlich trifft es wohl ehern!“
Jetzt lachte Luke.
Lilly räkelte sich noch mehr: „Vielleicht sollte ich doch jetzt aufstehen! Ist schon spät! Sonst komm ich doch zu spät!“
Gerade als sie aufstehen wollte, packte er sie mit beiden Armen und zog sie zurück an sich.
„Ahh, Luke, lass das!“ sagte sie kichernd: „Ich muss wirklich aufstehen!“
Luke holte tief Luft: „Also gut!“ Er ließ sie los, Lilly stützte sich von ihm ab, krabbelte über ihn drüber und stand auf.
Sie schlurfte barfüßig ins Badezimmer, Luke hörte nach einer Weile wie Wasser lief. Selbst durch die geschlossene Tür, roch er sie, als das warme Wasser ihren Geruch noch verstärkte. Er blieb regungslos auf dem Bett liegen, schloss die Augen und inhalierte ihren Geruch.
Nachdem er hörte wie sie das Wasser abgestellt hatte, dauerte es etwas bis sie, nur mit einem Handtuch bekleidet, aus dem Bad kam. Immer noch mit geschlossenen Augen hörte er, wie sie sich anzog. Anschließend wieder ins Bad ging und dort herum kruschtelte. Als sie wieder ins Schlafzimmer kam, öffnete er die Augen, sah sie an. Bekleidet mit einer alten Jeans und einem T-Shirt von ihm, mit geflochtenen Haaren, stand sie vor dem Fußende des Bettes.
„Was denn?“ fragte sie.
„Nichts! Ich schau doch nur!“
Lilly grinste ihn an: „So? Einfach nur so?“
„Ja, einfach nur so!“
„Und jetzt?“ fragte sie kichernd.
„Jetzt? Mmh….ich befürchte die Sonne geht so schnell nicht unter. Ich denke du musst wohl alleine fahren!“
„Tja!“ sagte sie amüsiert: „Dann muss ich halt alleine fahren!“
Sie drehte sich herum und ging aus dem Schlafzimmer. Noch bevor sie die Treppe ganz unten war, merkte sie wieder einen Luftzug. Sie dachte sich nichts dabei, ging weiter in die Küche und sah Luke bereits an der Küchenzeile stehen.
Lilly sah sich verwirrt um, sah immer wieder von der Tür zu Luke: „Wie…wie hast du…“
„Ich sagte doch, ich bin schnell!“
„Oh mann, du bist wirklich schnell. Wie lange würdest du brauchen bis zum Krankenhaus?“
„Kürzer wie du oder ich mit dem Auto!“
„Mit dem Auto brauch ich ungefähr ne Stunde?“
„Ungefähr, je nach Verkehr!“
„Wie lange brauchst du?“
„Ohne dich….mmh ne viertel Stunde, mit dir zwanzig Minuten!“
„Wow!“
„Deswegen sag ich ja, wenn die Sonne untergegangen wäre, hätte ich dich gebracht. Es würde schneller gehen!“
Lilly sah wieder auf die Uhr, sah das es bereits fast acht war: „Oh weih, ist das spät. Ich glaube ich muss los.“
Sie kramte in ihrer Tasche: „Verflucht!“
„Was denn?“
„Ich hab meinen Arbeitsschlüssel vergessen. Ich muss nochmal nach Hause!“
„Dann solltest du jetzt wirklich losfahren! Das wird eh schon knapp!“
Als Lilly sich herum drehte, hörte sie: „Lilly!“ Sie drehte sich wieder zu ihm herum, sah das etwas auf sie zuflog. Im Reflex fing sie es auf, sie sah eine Tüte in ihrer Hand: „Was ist das?“
„Was zum Essen! Oder willst du acht Stunden ohne Essen auskommen!“
Lilly lachte: „Nein Mama!“ sagte sie vergnügt: „Welches Auto krieg ich?“
„Welches willste denn?“
„Mmh, die Sonne scheint noch, also..“
„Den Mercedes!“
Lilly nickte heftig: „Ja!“
„Schlüssel steckt!“
Gerade hatte sie die Tür hinter sich zugezogen, war auf dem Weg in die Garage. Zumindest glaubte sie das.
„Hey Lilly, findest du den Weg?“ fragte er amüsiert.
„Lass das, hör auf in meinen Gefühlen rum zustromern! Ja, ich finds schon!“
„Fahr langsam, hast du gehört!“
„Ja, Mama!“ sagte sie wieder.
Luke lachte: „Schon kapiert!“
Ein leises Kichern kam aus dem hinteren Bereich des Hauses, Lilly kam in die Garage, sah den Mercedes vor der Tür stehen.
Sie zog das Tor auf, setzte sich hinein und fuhr los.
„Lilly!“ hörte sie, als sie gerade aus der Garage fuhr. Sie bremste ab: „Was?“
„Links in der Seitentasche ist der Toröffner für das Haupttor!“
„Danke!“ sagte sie und fuhr weiter.
Nach der schon fast gewohnten Zeit erreichte sie das alte Metalltor, kramte in der Seitentasche und fand einen schwarzen, kleinen Kasten mit einem Knopf in der Mitte, sie drückte drauf und hörte wie das Tor quietschend aufging. Sie fuhr weiter, drückte nochmals auf den Knopf um das Tor zu schließen. Als das Tor wieder zu war, fuhr sie in Richtung Stadt, sah kurz auf die Uhr und stellte fest, dass es wirklich spät war. Zwangsläufig trat sie mehr aufs Gas, fuhr schneller. Sie musste ja auch noch in ihre Wohnung.
Als sie ihre Wohnung erreicht hatte, hatte sie das Gefühl wesentlich länger gebraucht zu haben wie zu ihm. Schnell rannte sie die Treppe nach oben, suchte ihren Schlüssel, rannte dann wieder nach unten und fuhr zum Krankenhaus. Gerade als sie den Parkplatz erreicht hatte und ausgestiegen war, machte sie gerade das Verdeck zu, als unvermittelt ein junger Arzt vor ihr stand: „Hey, hast du nicht Urlaub?“
„Ja!“ sagte sie im vorbei laufen: „aber jemand ist krank, ich muss einspringen und bin spät dran!“
Sie merkte wie er ihr ins Krankenhaus nachging. Kurz grüßte sie den Pförtner, ging dann nach oben um sich umzuziehen. Als sie auf der Station ankam, war es bereits nach Neun: „Sorry!“ sagte sie kurz und warf ihre Tasche in den Schrank. Dann setzte sie sich an den Tisch, wo ihre Kolleginnen bereits saßen: „Also gut, fangt an!“
Es ging schneller wie erwartet, sie kannte noch die meisten der Patienten. Bevor ihre Kolleginnen ihre Sachen packten um zu gehen, kam der junge Arzt zu ihnen ins Dienstzimmer.
„Sag mal, seit wann hast du ein Auto?“
„Du hast ein Auto?“ fragte einer ihrer Kolleginnen.
„Ja!“ sagte Lilly: „Nur so ein Altes!“
„Altes?“ sagte der Arzt: „ich glaube das läuft als Oldtimer. Ein komplett restauriertes Mercedes Cabrio!“
Lilly zuckte mit den Schultern: „Ja ja!“
„Ein Cabrio?“ fragte jetzt die andere Kollegin „Wie kannst du dir so was leisten?“
„Ich habs geliehen!“
„Von wem denn?“ fragte der Arzt.
„Geht dich nichts an!“ sagte sie zynisch
„So, wie heißt er denn?“
Sie stand auf, stieß den Arzt mit dem Zeigefinger auf die Brust: „Da könnt ja jeder kommen! Du musst nicht alles wissen!“
„Aha, also doch en Mann!“ sagte er.
„Ein Mann?“ fragten ihre Kolleginnen wie aus einem Mund.
Lilly schüttelte den Kopf: „Ihr seid ja gar nicht neugierig!“
„Wie heißt er denn?“ fragte eine.
„Pff, als ob euch das was angeht!“ sagte sie schmunzelnd.
„Naja, da muss schon was dahinter sein. Ich mein so ein teures Auto gibt man nicht einer Frau!“
Diesmal versetzte sie dem Arzt einen Schlag auf die Brust: „Frauen machen viel weniger Unfälle wie Männer!“
„Wenn sie fahren vielleicht, aber beim Einparken…“ Weiter kam er nicht, Lilly versetzte ihm einen festeren Schlag: „Aua!“ sagte er, rieb sich die Stelle, wo sie ihn getroffen hatte.
„Weichei!“ sagte sie lachend.
Mittlerweile waren ihre Kolleginnen bereits aus dem Stationszimmer draußen, wohl angesäuert nichts erfahren zu haben. Aber das war ihr auch egal.
„So!“ sagte der Arzt: „jetzt sind sie weg. Also komm erzähl!“
„Nöö! Sag mal, musst du nichts schaffen?“
Jetzt zog auch der Arzt ab, sie sah ihm noch nach.
Dann setzte sie sich an den Schreibtisch und nahm die ersten Kurven und begann sich aufzuschreiben, was sie für den Frühdienst richten musste.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch in der Teeküche, sie drehte sich herum und sah Luke in der Tür stehen.
„Wie kommst du denn hier rein?“
„Durch das Fenster, das ist auf und vierter Stock ist kein Problem!“
„Ok? Und jetzt?“
„Nichts! Ignorier mich einfach!“
„Ignorieren? Wie soll ich das machen!“
„Einfach machen. Ich bleib jetzt einfach hier..“ dabei zog er sich einen der Stühle zu sich und setzte sich darauf: „.. einfach hier sitzen und halt dich nicht von der Arbeit an!“
„So? Ob das klappt!“
Luke hob die Hände hoch: „Hey, beim letzten Mal hab ich dich auch nichts gestört, oder?“
Lilly kicherte: „Nein! Eigentlich nicht!“
„Siehst du! Ich hab dir nur geholfen!“
„Ja, hast ja Recht!“
„Und wenn jemand kommt, bin ich ganz schnell weg!“
„Das mit dem ganz schnell, glaub ich dir!“
Luke lachte, drehte sich mit dem Stuhl herum und sah den Flur entlang. Bevor Lilly etwas sagen konnte, sah sie wie sich der Stuhl drehte, er war leer!
Auf einmal hörte sie wie die Tür aufgeschlossen wurde, der junge Arzt stand im Dienstzimmer: „Alles ok?“
„Klar! Alles ok!“
„Wenn was ist rufst du an!“
„Ja, mach ich!“
„Also gut, ich geh dann ins Bett!“
„Gut, schlaf gut!“
„Mach ich, du rufst an, ja?“
„Yeap!“
„Gut, hoffe wir sehen uns nicht mehr!“
„Hoff ich auch!“
Dann verschwand er wieder im Flur, kaum war er außer Sichtweite, saß Luke wieder auf dem Stuhl: „Der ist merkwürdig!“
„Wer?“
„Der Arzt!“
„Warum?“
„Ich mag ihn nicht!“
Lilly merkte plötzlich Lukes Eifersucht, sie fing an zu lachen: „Du bist Eifersüchtig!“
„Bin ich nicht!“ er klang zickig.
„Do-och bist du!“ zog sie ihn auf: „Ich merke es!“
„Ich mag den nicht!“ sagte er wieder.
Sie lachte wieder auf: „So? Du magst ihn nicht!“
„Nein!“
„Warum denn?“
„Einfach so!“
Sie lächelte, schüttelte den Kopf: „Aber mir erzählen, dass ich keinen Grund zur Eifersucht habe. Nur im Gegensatz zu dir, werd ich nicht von ihm angetatscht!“
„Angetatscht, das wäre ja noch schöner, reicht schon das dem der Herzschlag und auch der Blutdruck nach oben schießt!“
„Tut es das?“
„Ja!“ das klang irgendwie sauer.
Lilly rollte mit dem Stuhl näher zu ihm, legte ihm die Hände auf die Oberschenkel, sah ihn dann an: „Eifersüchtig!“ zog sie ihn wieder auf.
„Ja ja, Ärger mich nur weiter!“
„M-mm!“ wieder schüttelte sie den Kopf, zog sich näher zu ihm und küsste ihn.
Ihre Lippen hatten sich noch nicht ganz getrennt, als Luke sagte: „Doch, tust du. Und sei froh, das ich dem nicht hinterher bin. Mal schauen wie schnell der ist, wenn ihm schon der Blutdruck hochgeht!“ Obwohl seine Stimme sehr ernst klang, merkte sie an seinen Gefühle, dass er sich darüber amüsierte.
„Das würdest du nicht tun!“ flüsterte sie.
„Mmh, vielleicht doch! Wenn der nicht brav ist, ist er dran!“
Lilly lachte, wedelte mit ihrem Zeigefinger vor seiner Nase: „Sei bloß brav, hast du gehört! Ich brauch den vielleicht heute Nacht noch!“
„Du brauchst den heute Nacht noch? Wie soll ich das verstehen!“
„Nicht so, wie du es grad machst!“ Wieder küsste sie ihn: „Und jetzt sei brav, damit ich arbeiten kann und nicht auf dich aufpassen muss!“
„Ok! Bin brav, bleib hier einfach sitzen und bin ruhig!“
„Kannst du das?“ fragte sie vergnügt.
Als Antwort verschränkte Luke die Arme vor der Brust, schob sich mit dem Stuhl in eine der Ecken und sah sie an.
Dort blieb er auch überwiegend der Nacht, ab und zu sprachen sie miteinander, aber Luke schien eher wie eine Art Schatten in diesem Dienstzimmer zu sein.
Den Rest der Nacht blieb ruhig, sie brauchte keinen Arzt, die Patienten schliefen überwiegend und wenn doch mal einer ans Dienstzimmer kam, verschwand Luke kurz und sobald der Patient wieder weg war, tauchte er genauso schnell und leise wieder auf.
Irgendwann merkte Lilly wie Luke unruhiger wurde.
„Was ist?“ fragte sie.
„Es wird heller, die Sonne geht bald auf!“
Lilly sah auf die Uhr: „Oh, ist ja schon fast fünf!“
„Ja! Wo willst du heute bleiben?“
„Wie bleiben?“
„Na ja, willst du zu mir wieder zurück zum Haus oder in deine Wohnung?“
„Eigentlich…“ Sie lehnte sich im Stuhl zurück, drehte sich einmal herum als sie überlegte: „Könnt ich ja noch zu dir nach Hause. Ne Stunde fahren müsste noch gehen!“
„Müsste? Nein, wenn du schon so anfängst bleiben wir bei dir! Nachher passiert dir auf der Hinfahrt noch was!“
„Also gut!“
„Gut! Dann wart ich da auf dich!“ Luke stand auf, ging in die Teeküche und wollte gerade aus dem Fenster, als Lilly ihn zurückrief: „Luke, wart mal!“
„Was denn!“
Er sah wie sie in ihrer Tasche herum kramte: „Nimm meinen Schlüssel! Ich weiß ja nicht wie du in meine Wohnung kommst, aber da ich nicht glaube das du als Nebel unter der Tür durchwaberst, wirst du wohl irgendwie einbrechen!“
Leise lachte Luke auf als er auf sie zukam und ihr den Schlüssel abnahm: „Was du wieder denkst! Ich hab dir schon mal gesagt, schau nicht immer obskure Filme an!“
Lilly hob abwehrend die Hände, griente: „Ja ja versprochen!“
Nachdem Luke ihr einen sanften Kuss gegeben hatte, sprang er aus dem Fenster und verschwand.
Als ihre Kolleginnen kamen, machte Lilly Übergabe und zog sich um. Sie ging nach unten, lief zum Parkplatz und stellte fest, dass sie Luke mit ihrem Schlüsselbund auch den Autoschlüssel gegeben hatte. „Verflucht!“ sagte sie laut, als sie das Auto erreichte. Zu ihrer Überraschung sah sie, das die Fahrertür nicht abgeschlossen war. Sie machte sie auf, setzte sich hinein und sah das der Schlüssel steckte. Luke hatte wohl eher gemerkt, dass er den Autoschlüssel auch hatte, daher hatte er ihn abgemacht. Allerdings fand sie es sehr riskant, bei ihm war das kein Problem, aber hier?
Lilly fuhr schließlich nach Hause, parkte den Wagen, schloss ihn ab und ging zur Haustür. Irgendwie kam es ihr merkwürdig vor, bei ihrer eigenen Wohnung zu klingeln.
„Ja!“ kam es aus der Gegensprechanlage.
„Lu-uke!“
Sie hörte ein kichern: „Willst du rein?“
„Luke!“ sagte sie warnend: „Machst du auf!“
Wieder ein kichern, schließlich hörte sie den Summer. Sie drückte gegen die Tür und ging nach oben. Ihre Wohnungstür war nur angelehnt, sie trat ein und schloss hinter sich ab. Luke hatte, wie sie feststellte, Frühstück gemacht.
„Wo hast du die Brötchen her?“
„Vom Bäcker.“ Kam die Antwort aus ihrem Schlafzimmer. Es war bereits hell, die Sonne schien und Luke hatte sich bereits ins Schlafzimmer zurückgezogen.
„Danke!“
„Bitte!“
Lilly legte ihre Tasche ab, schmierte sich ein Brötchen und ging ins Schlafzimmer. Er lag lang ausgestreckt auf ihrem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und sah sie an, als sie das Zimmer betrat. Sie schaute ihn an, biss nochmals vom Brötchen ab und legte es im vorbeigehen auf den Nachttisch. Luke sah wie sie im Bad verschwand, hörte ihr zu. Nach kurzer Zeit kam sie zurück, sie hatte ein langes Nachthemd an, nahm sich, bevor sie sich ins Bett legte, den Rest vom Brötchen.
„Isst du immer im Bett?“
„Isst du immer außerhalb!“
Luke lachte: „Ganz schön frech!“
Lilly kicherte während sie kaute: „Isch weisch!“
„Du weißt es, da bin ich aber froh!“ sagte er immer noch lachend.
„Hah!“ machte sie, steckte sich den Rest des Brötchens in den Mund und lehnte sich kauend an ihn.
„Komm her!“ flüsterte er, legte den Arm um sie und begann ihre Bettdecke unter sich hervor zuziehen.
„Was machst du da?“
„Dich zudecken!“
„Ok!“ Sie kuschelte sich näher an ihn.
Es dauerte etwas bis Luke die Decke unter ihnen herausgezogen hatte und sie zudeckte. Lilly legte ihren Kopf auf seinen Brustkorb. Die gesamte vergangene Zeit, wo er bei ihr gewesen war, hatte sein Herzschlag sie beruhigt. Jetzt hörte sie nichts. Immer noch hinterließ es ein merkwürdiges Gefühl, nichts zu hören. Kein Herzschlag, keine Atmung. Luke merkte es: „Alles ok?“
„Ja, aber…“
„Zu ruhig?“
Lilly lachte leise: „Irgendwie schon, aber….ich hab gesagt, dass ich mich daran gewöhnen muss! Also irgendwie!“
„Irgendwie?“
„Ja irgendwie schon!“
Sie merkte wie er leise kicherte: „Also soll ich nichts dagegen machen?“
„Nein!“
„Also gut!“
Er drückte sie fester an sich, müde kuschelte sie sich an ihn, legte ihren Arm und ihr Bein um ihn. Nach kurzer Zeit schlief sie ein.
Wieder war es ihr Wecker, der sie wach machte. Sie schlug blindlings nach dem piepsenden Ding.
„Au!“
Lilly setzte sich auf: „Oh, Tschuldigung! Ich hab ganz vergessen, das du da bist!“
„Na toll, jetzt werd ich schon von dir ignoriert!“ Luke stellte den Wecker ab.
„Kommt davon, wenn du mir sagst ich soll das machen!“
„Und seit wann hörst du auf mich?“ fragte er vergnügt.
„Manchmal!“
„Aber immer nur dann, wenn es nicht unbedingt sein muss!“
Jetzt lachte sie.
„Und wann hast du vor aufzustehen?“
„Willst mich loshaben?“
„Nein! Ich will nur nicht das du Hektik hast!“
„So?“
„Ja!“
„Also gut.“ Sagte sie resigniert, stütze sich beim Aufstehen auf seinem Brustkorb ab und kroch über ihn drüber.
Luke lachte: „Hey…dein Bett hat zwei Ausgänge!“
„Ausgänge?“ lachte sie: „ich weiß nicht, ob man das so nennt!“
„Du weißt was ich meine!“
Sie kicherte, stupste ihn in die Flanke und ging ins Bad.
Luke blieb liegen, hörte ihr wieder nur zu. Schließlich kam sie zurück, war angezogen, lief am Bett vorbei.
„Und jetzt?“ fragte sie, als sie in die Küche ging. Sie hörte wie Luke aufstand: „Die Sonne ist fast untergegangen!“
Lilly sah aus dem Wohnzimmerfenster: „Stimmt!“
„Das heißt..!“
„Das heißt?“
„Wenn du noch etwas wartest, kann ich dich hinbringen!“
„Schneller wie sonst!“
„Ja.“
Sie sah auf die Uhr: „Müsste reichen!“
„Gut, dann kannst du ja langsam machen! Wie wärs mit Frühstück!“
Ein Lachen war ihre Antwort: „Du bist wirklich wie meine Mutter! Kind du musst was essen, Kind fahr langsam, Kind pass auf dich auf!“ Sie versuchte die Stimme ihrer Mutter nachzumachen.
Luke lachte: „Ja ja, ich weiß!“
„Gut so!“ sagte sie kichernd: „dann muss ich dir das nicht sagen!“
Sie sah wie Luke an ihr vorbei in die Küche ging und begann in ihrem Kühlschrank zu kramen. Nach und nach räumte er verschiedene Gläser und Packungen auf ihre Arbeitsplatte. Schließlich holte er die restlichen Brötchen aus dem Schrank und stellte alles auf die Theke. Lilly sah ihm zu, setzte sich auf den Barhocker und konnte sich ein grienen nicht verkneifen.
„Was denn?“ fragte er.
„Nichts! Mir hat nur schon lang keiner mehr Essen gemacht!“
Er stellte gerade ein Marmeladenglas vor ihr auf die Theke und hielt abrupt in seiner Bewegung inne, stemmte die Hände in die Hüfte und legte den Kopf schief. Bevor Lilly etwas sagen konnte, griff er zu ihr und zog ihr sanft an der Nase. „Jetzt aber? Was soll denn das heißen?“
„Ich…ich meine außer dir…also vor dir. Also…du…weißt…was…ich..!“
Luke lachte, zog ihr nochmal an der Nase und ließ sie dann los, stellte weiter Sachen vor sie hin: „Ja ja, ich hab schon verstanden!“ Irgendwie klang es leicht zickig, zumindest empfand Lilly das so.
„Ach komm…“ sagte sie sanft, strich ihm über die Wange.
Wieder grinste er: „So?“ Immer noch diesen leicht zickigen Tonfall, aber sie merkte seine Gefühle, merkte wie er sich amüsierte.
Luke sah sie an: „Du frühstückst, ich geh duschen!“
„Wie du gehst duschen? Hast du auf die Uhr geguckt?“
„Laut deinem Wecker hab ich noch genug Zeit! Außerdem brauch ich nicht so lang, zumindest wenn ich alleine bin!“
„Ach jetzt bin ich schuld?“
Luke lachte auf, streckte ihr, beim Verlassen des Wohnzimmers, die Zunge raus.
„Oh, das hab ich gesehen!“ sagte sie kauend: „Das ist aber nicht nett!“
Sie hörte Luke lachen aus dem Schlafzimmer: „Jetzt wird se auch noch zickig!“
„Werd ich gar nicht!“ sagte sie.
Wieder nur ein Lachen. Dann hörte sie wie die Dusche anging. Lilly hatte gerade ein Brötchen gegessen, als Luke bereits wieder ins Wohnzimmer kam: „Wenn ich jetzt bös wäre, würde ich jetzt ein fieses Kommentar abgeben!“
„So welchen denn? Komm raus damit!“ Er kam näher zu ihr, legte ihr beide Arme um die Taille.
„Mmh nee! Lieber nicht!“
Luke drückte sie näher an sich, legte seinen Kopf auf ihre Schulter: „Mylady, es ist nicht schicklich etwas zu beginnen und es dann nicht zu beenden!“
Wieder lachte sie auf: „Unmöglich!“
„Was?“
„Nicht was, sondern wer?“
„Wer denn?“ fragte er fast unschuldig.
Sie griff nach hinten, stupste ihn auf die Nase: „Mmh, lass mich überlegen? Wer kann das denn sein?“
Luke kicherte.
„Wie kann man nur sooo blöde Fragen stellen?“
„Oh, jetzt wird Mylady aber unfein!“
Wieder lachte sie auf.
„Also was wolltest du für böse Kommentare von dir geben?“
Lilly kicherte, schüttelte den Kopf.
„Ach komm schon! Raus damit! So schlimm kann es ja wohl nicht sein!“
„Mmh, do-och!“
„So? Komm schon.“
„Ich wollte sagen….das wenn du bei allem…so schn…schnell bist….“ Mehr sagte sie nicht, kicherte verlegen.
Luke kniff ihr sanft in die Taille: „Hey, du freches Etwas!“
„Ach, was ist plötzlich aus Mylady geworden?“
„Du kicherst doch immer, wenn ich dich so nenn!“
„Nein! Ok, vielleicht ab und zu. Es klingt nur merkwürdig. So redet keiner mehr!“
„Ich schon! Zumindest manchmal!“
„Aber du weißt ja, das ich dich nur etwas ärger!“ Dabei hielt sie Daumen und Zeigefinger ein paar Zentimeter auseinander.
„Ja ja, du ärgerst mich immer. Irgendwann…irgendwann..!“
„Was? Willst du mir drohen?“ fragte sie, sah ihn an und zog eine Schnute.
„Nein!“ sagte er sarkastisch: „Niemals würde ich dir drohen!“
„So?“
„Ach komm schon.“ Er begann sie, immer noch engumschlungen, hin und her zu schaukeln.
Lilly kicherte: „Ah, Luke!“
„Ja-ha?“
„Lass das! Wie spät ist es?“
„Mmh, keine Ahnung!“
Lilly schlug ihm sanft auf den Oberarm: „Ach manno, Luke!“
„Ich schau!“ Er verschwand kurz in ihrem Schlafzimmer: „Kurz vor halb Neun!“
„Oh weh, dann muss ich los!“
„Langsam! Ich hab doch gesagt ich bring dich, das dauert keine fünf Minuten!“
Lilly zuckte die Schultern: „Wenn du es sagst!“
„Ja, glaub mir.“
„Ich sag ja, wenn du bei allem so...“ wieder biss sie sich auf die Lippe.
„So, willst du damit was Bestimmtes sagen!“
Lilly grinste: „Ich weiß es ja besser!“
Schnell drehte er sie auf dem Hocker herum, schaute sie an und riss mit gespieltem Entsetzen die Augen auf: „So? Weißt du das besser?“
Wieder kicherte sie, nickte und Luke spürte wie ihre Verlegenheit größer wurde. Jetzt lachte er: „Erst ne große Klappe riskieren und jetzt verlegen werden! Das hab ich gern!“
Als Antwort streckte sie ihm die Zunge raus.
„Komm!“ sagte er, zog sie vom Hocker runter: „Ich bring dich hoch!“
„Ach, jetzt willst mich loswerden?“
„Ja!“
Lilly sah ihn entsetzt-schockiert an: „Boah, bist du fies.“
„Selber schuld!“ sagte er kichernd: „Du hast angefangen!“
„Stimmt!“ sagte sie kleinlaut: „Und was jetzt?“
Luke kicherte: „Hast du deine Tasche?“
„Mmh, gleich!“ Sie ging an ihre Garderobe, nahm ihre Jacke und ihre Tasche: „Hab alles!“
„Also gut! Komm!“ Er hielt ihr den Arm hin, sie hakte sich ein. Zusammen gingen sie zur Tür, Luke hielt sie ihr auf und Lilly schloss, nachdem sie beide im Flur standen, ab. Langsam gingen sie die Treppen nach unten, als Lilly die Haustür aufmachte, konnte sie erkennen, dass die Sonne bereits ganz untergegangen war. Als beide vor der Haustür standen, legte Luke seinen Arm um sie: „Komm!“
Luke sah sich kurz um, hob sie dann hoch, als er sich sicher war, dass sie niemand sah.
„Festhalten und mach die Augen zu!“
Lilly griente, legte ihre Arme um ihn, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen: „Ok!“
Ein kalter Luftzug fuhr über ihren Körper, nach kurzer Zeit stellte er sie wieder auf die Beine.
Sie standen in einem dunklen Bereich des Parkplatzes.
Immer noch die Arme umeinander geschlungen, flüsterte sie: „Warum hier?“
„Hier ist es dunkel genug, dass niemand merkt, dass wir plötzlich auftauchen. Könnte manche verwirren auf einmal zwei Personen vor sich auftauchen zu sehen.“
„Stimmt!“
Luke lächelte: „Du hast noch fast zwanzig Minuten Zeit dich umzuziehen. Wenn die anderen weg sind, komm ich wieder zu dir, ok?“
Lilly nickte, küsste ihn sanft auf die Wange und ging Richtung Eingang.
Nachdem sie sich umgezogen hatte und ihre Kolleginnen gegangen waren, stand Luke wieder in der Teeküche, lehnte sich an den Türrahmen und sah ihr zu.
„Was denn?“ fragte sie.
„Ich schau dir nur zu und pass auf dich auf!“
„So, machst du das!“
„Natürlich!“
Plötzlich sah er sich um und Lilly sah, wie er wieder in einer der dunklen Ecken verschwand.
Noch bevor sie richtig realisierte, warum er verschwunden war, stand der Arzt wieder im Dienstzimmer: „Und wie geht’s!“
„Gut und selbst!“ Lilly saß auf einem der Bürostühle und hatte dem Arzt den Rücken zugedreht.
„Wie, kein Auto heute dabei?“
„Nein!“
„Wie bist du dann hierher gekommen?“
„So wie immer! Gelaufen!“
„Alleine?“
„Nö!“
„So?“
Sie merkte wie er näher hinter sie trat, sofort merkte sie Lukes aufwallende Eifersucht.
„Hat er dich hergebracht?“
„Ja!“
„Was ist das für ein Kerl, den würde ich zu gerne sehen!“ Er kam noch näher zu ihr, legte seine Hände auf ihre Schultern. Noch bevor Lilly etwas tun oder sagen konnte, spürte sie wie Lukes Eifersucht in Wut umschwang. Schnell drehte sich Lilly mit dem Stuhl herum, sodass die Hände des Arztes von ihren Schultern rutschten. Irgendwie hatte sie die Befürchtung, dass Luke sonst nicht so friedlich bleiben würde.
„Lass das!“
„Warum denn?“
„Ich mag das nicht!“
„Seit wann?“
„Seit einiger Zeit!“
„So, kaum irgendeinen Kerl und schon wirst du so!“
„So? Wie denn?“
„Merkwürdig!“
„Meine Sache!“ Lilly versuchte möglichst abweisend zu klingen, sie hatte kein gutes Gefühl bei der Sache und das was sie von Luke spürte, war auch nicht wirklich beruhigend.
Mann Doc, dachte sie, verschwind endlich, sonst wird das Übel für dich enden!
Der Arzt stand immer noch nah bei ihr, strich ihr über den Oberarm. „Ach komm, war doch nicht so gemeint!“
Lukes Gefühle fluteten sie, er war stocksauer. Und dieses Gefühl konnte sie nicht ignorieren, vor allem da es ihre eigenen beeinflusste: „Musst du nichts schaffen?“
„Im Moment nicht!“ sagte er und wollte sich gerade neben sie auf den Stuhl setzen.
„Ich aber schon!“
Beschwichtigend hob er die Hände. „Schon ok, habs kapiert, bin schon weg! Wenn du was brauchst, sag Bescheid!“
„Ja, mach ich!“
Jetzt ging der Arzt und er war kaum um die Ecke verschwunden, als Luke hinter ihr wieder auftauchte: „So viel zum Thema, der tatscht mich nicht an!“ Immer noch fühlte sie seine Eifersucht, seine Wut.
Lilly griff nach ihm, zog ihn am Ärmel näher zu sich. Dann strich sie ihm mit beiden Händen über die Wangen: „Ach komm schon, Luke, lass das!“
„Ja!“ er klang resigniert, aber sie fühlte wie seine Gefühle schwächer wurden.
„Mach dir doch keine Sorgen, ist doch gar nicht mein Typ!“
Luke brachte ein zynisches Lächeln zustande: „Um dich mach ich mir, so gesehen, keine Sorgen, aber ich mag den nicht. Ich mag den überhaupt nicht!“
„Ich habs gemerkt!“ sagte sie und versuchte zu lächeln, aber immer noch waren es Lukes Gefühle die sie verwirrten und so blieb es nur bei einem schwachen Versuch.
„Und jetzt?“ fragte er.
Lilly zuckte mit den Schultern: „Ich weiß nicht! Arbeiten?“
Er lachte kurz auf und zu ihrer Beruhigung spürte sie, dass sich seine Gefühle milderten.
Wieder nahm er sich einen der Bürostühle, setzte sich und rollte wieder in eine der Ecken, beobachtet sie. Lilly fühlte förmlich seine Blicke, aber es störte sie nicht, es hatte etwas Beruhigendes.
Und auch diese Nacht verlief ohne weitere Komplikationen, Luke blieb in der Ecke sitzen, was Lilly etwas irritierte. Zumindest verstand sie jetzt, was er damit gemeint hatte, dass Menschen es verwundert, wenn jemand so lange nahezu bewegungslos in einer Position verharren kann.
Auch ihre Patienten waren ruhig, schliefen überwiegend und das was es zu klären gab, konnte sie alleine machen, dadurch musste sie nie den Arzt anrufen, was ihrer Meinung nach, Luke allzu angenehm empfand. Immer wieder drehte sie sich zu ihm herum, teilweise um zu schauen ob er überhaupt noch da war. Und immer sah er sie an, lächelte ihr zu blieb aber schweigend sitzen. Nicht einmal wenn sie zu ihm ging, ihm durch die Haare fuhr, machte er mehr, wie sich etwas an sie zu lehnen. Er sprach eigentlich gar nicht mit ihr, wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie vermutete, dass er sauer auf sie war.
Erst als der Morgen graute stand Luke auf, drückte sie kurz, küsste sie auf die Wange und sagte, bevor er wieder durch das Fenster verschwand: „Ich wart in deiner Wohnung!“
Lilly konnte diesmal nicht mal einen Antwort geben, so schnell war er verschwunden.
Vielleicht doch sauer, fragte sie sich. Unsinn das würde ich doch merken.
Auf dem Nachhauseweg entschied sie, Luke gar nicht darauf anzusprechen, er wollte sie wahrscheinlich einfach nicht stören bei der Arbeit.
Zu Hause angekommen, ging sie ohne etwas zu essen ins Bett. Luke lag bereits darauf, sah sie an: „Keinen Hunger?“
„Nein.“ Sagte sie schläfrig, drehte sich zu ihm und kuschelte sich an ihn, bevor sie einschlief.
In den kommenden vier Nächten und Tagen wiederholte sich dieses Spiel immer wieder. Luke brachte sie auf die Arbeit, blieb die ganze Nacht ruhig bei ihr, morgens verschwand er und wartete dann in ihrer Wohnung auf sie, um dort den ganzen Tag bei ihr zu bleiben.
Als sie ihre Nachtdienste zu Ende gebracht hatte, bekam sie endlich ihren Urlaub. An dem Tag blieben sie noch bis zum Abend in ihrer Wohnung und erst als die Sonne untergegangen war, fuhren sie zu Luke nach Hause.
Lilly war schon fast froh wieder in dem alten Herrenhaus zu sein, sie fühlte sich dort wohl, obwohl sie, wenn sie ehrlich war, sehr froh darüber war, dass Luke sie nachts nicht alleine ließ.
Und, hatte Lilly in den Küchenschränken entdeckt, Luke hatte wirklich anderes Geschirr gekauft, obwohl sie nicht annähernd erahnen konnte, wann. Sie war sich sicher, dass Luke während ihrer Nachtdienste immer bei ihr gewesen war. Vielleicht, dachte sie, war er kurz weg gewesen, als sie tagsüber geschlafen hatte. Das wäre zumindest eine Erklärung.
„Wann hast du die gekauft?“ fragte sie, als Luke in der Küche die Arme um sie legte.
„Was?“
„Die Teller? Das Geschirr?“
Er grinste: „Musst nicht alles wissen!“
„Ach komm schon, wann warst du weg?“ fragte sie, als sie sich in seiner Umarmung drehte und ihn ansah.
Wieder grinste er: „Da siehst du mal, wie tief du schläfst! Merkst nicht einmal wenn ich geh!“
„Hah, das hast du schon öfters gemacht, wenn du dich daran erinnerst!“
„Was?“
„Einfach gegangen, wenn ich noch geschlafen habe!“
„War nur zu deinem Schutz!“
„Ja ja!“
Als Antwort darauf, zog er sich fest an sich, küsste sie sanft: „Mach das nicht immer!“
„Was denn?“
„So zynisch und sarkastisch sein!“
„Bin ich das?“ Lilly ließ es bewusst noch sarkastischer klingen.
„Nein! Du doch nicht!“
„Ach und ich bin sarkastisch?“ fragte sie grienend, drehte sich aus seiner Umarmung und ging zu den Couchen. Dort ließ sie sich auf eine plumpsen und sah ihn auffordern an.
Luke stand immer noch in seinen Küche, schüttelte langsam den Kopf und Lilly sah wie er griente: „Hattest du vor was zu essen oder hast du nur so in die Schränke geschaut?“
„Ach eigentlich hab ich gar keinen richtigen Hunger!“
„Wie keinen richtigen Hunger?“
„Na ja, mehr aus Langeweile!“
„Wie aus Langeweile, wieso isst man aus Langeweile?“
Lilly zuckte mit den Schultern: „Ach so halt!“
Jetzt lachte Luke auf, saß auf einmal neben ihr und knuffte sie sanft in die Flanke.
„Aua!“
Wieder lachte Luke: „Leicht zickig? Noch nicht ganz ausgeschlafen die Kleine?“
„Do-och!“
„So?“ neckte er sie: „Ich glaub die muss noch schlafen!“
„Die?“
„Ja die da!“ sagte er und stupste ihr auf die Nase: „Komm her!“
Er legte ihr die Arme um den Oberkörper, zog sie soweit zu sich herüber, dass sie schließlich auf der Couch lag und sich an ihn lehnte.
„Ich will nicht schlafen.“ sagte sie bockig.
„So? Jetzt warten wir noch zehn Minuten und dann pennt sie!“
„Nein.“ quengelte sie.
„Doch doch! Mylady wird sehen!“
„Lu-uke!“ sagte sie warnend.
Als Antwort kicherte er leise: „Ja?“
„Nicht!“
„Oh doch. Mylady sollte etwas ruhen!“
Jetzt lachte Lilly auf: „Unmöglich!“
Er drückte sein Gesicht in ihre Haare und wieder kicherte er leise: „Heia machen.“ flüsterte er.
„Nein.“ sagte sie wieder bockig: „Will nicht!“
„Von wollen kann hier gar keine Rede sein!“
„Ich hab Hunger!“
„Ach jetzt hat se Hunger! Wollen Mylady mich veralbern!“
Lilly lachte: „Vielleicht.“
„So?“
„Ja!“
Er gab ihr darauf keine Antwort mehr, er hielt sie nur fest.
„Mach Fernseh an!“ Sie rempelte ihn an, als er nicht reagierte: „Hey du da! Mach Fernseh an!“
Luke zeigte keine Reaktion, hielt sie nur fest. Nach einer Weile drehte sie sich etwas herum, damit sie ihn anschauen konnte, rempelte ihn wieder an: „Hey ma-ach!“
Sie sah wie Luke grinste.
„Manno, mach Fernseh an oder lass mich los.“
Jetzt lachte Luke: „Jetzt werdet ihr aber wirklich zickig!“
„Nein, werd ich nicht!“ sagte sie bockig.
„So?“ wieder drückte er sie an sich.
Diesmal rempelte sie ihn fester an.
„Also gut!“ sagte er resigniert: „Hast gewonnen! Was willst du den schauen?“
Lilly zuckte mit den Schultern: „Weiß doch gar nicht was kommt!“
Sie merkte wie Luke sein Gesicht an sie drückte, kicherte leise: „Unmöglich! Weiß nicht mal was kommt, will aber fernseh schauen!“
„Ja!“
„Ok!“ wieder klang er resigniert, griente aber, suchte nach der Fernbedienung und schaltete schließlich den Fernseher an. Lilly schaute eine Weile, sagte dann: „Umschalten. Langweilig!“
Jedoch hörte Luke, dass ihre Stimme bereits leiser und schläfriger klang. Unwillkürlich griente er, flüsterte: „Wohin denn?“
„Egal.“ sagte sie leise.
Luke schaltete um, wartete ob Lilly irgendetwas sagte, aber sie murrte nur leise.
„Das?“
„Mmh!“
„Nicht?“
„Mmmmh!“
Er lachte leise, zog sie näher zu sich. Ihr tiefes Einatmen verriet ihm, dass sie fast eingeschlafen war. Viel trennte sie nicht mehr davon.
Nach ein paar Minuten stupste er sie sanft an, wieder hörte er nur ein murren als Antwort. Er schlüpfte an ihr vorbei von der Couch, legte sie richtig darauf und deckte sie zu. Langsam ging er Richtung Vorhalle, ging in das alte Wohnzimmer, machte die Terrassentür auf, ging hinaus und setze sich auf die oberste Stufe der Treppe, die in den Garten führte. Der Vollmond stand hoch am Himmel, leuchtete den gesamten Garten aus und selbst wenn Luke nicht in der Dunkelheit sehen könnte, hätte er im Moment keine Probleme alles zu erkennen. Er zog die Beine an, schaute ins Leere.
Wie lange er dagesessen hatte, wusste er nicht, als er Lillys Geruch intensiver wahrnahm. Luke hörte, wie sie auf die Terrasse trat, sich hinter ihn kniete und ihre Arme um ihn schlang.
„Alles ok?“ fragte sie hörbar schläfrig.
„Du bist wach?“
Sanft knuffte sie ihn: „Wie sollte ich denn sonst bei dir sein?“
Er lachte leise, drehte sich etwas zu ihr herum und rieb sein Gesicht an ihr.
Vorsichtig strich sie ihm über die Wange: „Was ist?“
„Nichts! Was soll sein?“
„Warum sitzt du dann hier draußen?“
„Ich sitzt manchmal hier draußen!“
„Einfach so?“
„Ja, wieso nicht. Tagsüber ist das je nach Witterung nicht möglich!“
Lilly fühlte wie er traurig wurde, sie setzte sich hinter ihn, zog ihn an sich dran und legte ihr Kinn auf seine Schulter. Wieder atmete sie tief durch.
„Nachtsonne!“
„Was?“ fragte er.
„Nachtsonne!“
„Was ist das?“
„Das da!“ sie streckte ihren Arm an ihm vorbei, zeigte nach oben.
„Der Mond?“
„Ja! Nachtsonne!“
Luke lachte und sofort spürte sie wie sich seine Gefühle wieder änderten.
„Du bist unmöglich!“ sagte er lachend.
„Wieso?“
„Nachtsonne?“
„Ja, die Sonne die nachts scheint!“
„Aha!“
Sie knuffte ihn sanft: „Du sollst mich nicht verarschen!“
Luke lachte: „Das würde ich nie tun!“
„So?“
„Ja!“
Langsam zog sie ihn weiter nach hinten: „Nicht!“
„Was?“
„Zieh mich nicht nach hinten!“ Er ruderte mit den Armen um sein Gleichgewicht zu halten, aber Lilly war in der besseren Position. Schließlich lag sie auf der Terrasse, Luke lag zwischen ihren Beinen, mit dem Rücken auf ihrer Brust. Er überstreckte den Hals, sah sie an: „Ich bin zu schwer!“
„Nein!“
„Doch!“ Er schob ihre Arme weg, drehte sich herum und stütze sich über ihr seitlich ab.
Lilly kicherte, legte ihm die Arme wieder um den Hals, zog ihn wieder zu sich herab.
„So war das nicht gemeint!“ sagte er kichernd: „Außerdem ist der Steinboden nicht wirklich bequem und zudem kalt. Wenn du krank wirst…“
Wieder kicherte sie, zog ihn noch näher und küsste ihn.
Er packte sie und drehte sich mit ihr herum. Jetzt lag sie auf ihm: „Und jetzt?“
„So ist besser!“
„Sagt wer?“
„Ich!“
Lilly lachte: „Meinst du?“
„Ja!“ Luke kicherte.
Als Antwort kuschelte sie sich an ihn, nach einer Weile sagte sie: „Man ist das hell, dafür das es dunkel ist!“
Luke lachte auf: „Du bist so süß!“
Sanft schlug sie ihm auf den Brustkorb.
„Aua! Was denn? Warum haust du mich?“
„Ich hab nicht gehauen!“
Er nahm ihre Hand, klopfte sich damit auf den Brustkorb: „Und wie nennst du das!“
„Das bist du selbst!“ konterte sie vergnügt.
Anstatt ihr zu antworten, drehte er ihr vorsichtig die Arme auf den Rücken und schlang seine Beine um ihre Hüfte.
Lilly kicherte nur, versuchte sich zu wehren, gab aber nach ein paar vergeblichen Versuchen auf.
„Und jetzt?“
Sie merkte wie Luke mit den Schultern zuckte: „Weiß nicht!“
Ein kindliches Kichern entfuhr ihr. „Und ich bin unmöglich?“
„Manchmal schon!“
„So?“
Luke ließ ihre Arme los, schlang seine fest um sie: „Wenn dir kalt wird, sagst du Bescheid, ja?“
Immer noch den Kopf auf seiner Brust liegend nickte sie.
Zusammen blieben sie noch eine Zeitlang liegen, bis Lilly anfing zu frösteln: „Kalt!“ sagte sie leise.
„Komm meine Kleine!“
„Ey, ich bin nicht klein!“
„Doch!“ sagte er kichernd, setzte sich mit ihr auf und als sie auf seinem Schoß saß, schaute er sie im Mondlicht an: „Ich glaube wir sollten rein!“
Lilly sah nach oben, schaute den Vollmond an: „Ja leider!“ sagte sie fast traurig.
Sanft fuhr er ihr über die Wange: „Warum so traurig!“
„Es ist schön hier draußen! Aber…“ sie fröstelte: „…es ist kalt!“
Luke lachte leise, hob sie, während er aufstand nach oben.
„Ich kann auch laufen!“ sagte sie.
„Ich weiß, aber jetzt hab ich dich schon auf dem Arm!“
„Dann lass mich doch runter?“
„Mmh, nö! Jetzt kann ich dich tragen!“
Noch bevor sie etwas dazu sagen konnte, stand er schon mit ihr im alten Wohnzimmer. Der Vorhang war offen, so dass sie die Einrichtung im Mondlicht erkennen konnte. Allerdings sah sie nur abgedeckte Möbel. Luke setzte sie ab.
„Was ist da drunter?“
„Unter was?“
„Unter den weißen Tüchern?“
„Möbel!“
„Ha ha, ich meine was für Möbel?“
Luke setzte sie vorsichtig ab: „Schau doch nach!“
„Wirklich?“
Luke lachte auf: „Natürlich!“
„Mmh, aber ich kann doch nicht alles abdecken!“
„Warum nicht! Vielleicht gefällt dir was davon!“
„Und was wenn ?“
„Dann sehen wir weiter!“
Lilly kicherte.
„Nicht kichern! Schau nach und wenn dir was gefällt, dann schauen wir! Willst alleine schnüffeln!“
„Was? Nein!“
„Aber?“
Da er immer noch nah an ihr stand, lehnte sie sich rücklings an ihn: „Ich glaube heut nicht mehr! Morgen!“
„Also gut!“ sagte er vergnügt, packte sie, hob sie wieder hoch: „Willst du ins Bett?“
„Mmh, ja!“
„Na komm, Augen zu! Ich bin dich hoch!“
Lilly grinste, kniff die Augen zu und wurde kurz danach wieder auf den Boden gestellt.
Als sie die Augen dennoch zuließ, merkte sie wie Luke sie sanft nach hinten drückte. Sie ließ sich einfach nach hinten fallen und landete, wie sie erwartet hatte, auf dem Bett. Sie konnte sich ein lautes Kichern nicht verkneifen. Immer noch mit geschlossenen Augen, rutschte sie weiter ins Bett, legte sich richtig hin.
Erst nach einer Weile, merkte sie wie sich die Matratze nachgab. Lilly merkte wie sich Luke an sie legte, fühlte seine Wärme. Unwillkürlich erschauderte ihr Körper, als sich seine Wärme an ihr entlang ausbreitete. Lilly merkte wie Luke sich von ihr abwand, spürte wie er etwas von ihren Füßen ab über ihren Körper zog. Erst als sie die Decke an der Nase spürte, fing sie an zu kichern.
„Was denn?“ flüsterte er.
„So hoch nicht.“ sagte sie amüsiert.
„Aber grad eben wars dir noch kalt!“
„Ich weiß…“ sagte sie immer noch kichernd: „…aber….“ Sie wackelte mit den Kopf, bis die Decke wieder an ihrem Hals war: „…Trotzdem musst du mich nicht so hoch zudecken!“
„Und dann?“
„Dann……kommst du eben mit unter die Decke!“
„Als Wärmflasche!“
Lilly nickte: „Ja!“ sagte sie albernd kichernd.
Jetzt schielte sie ihn von der Seite her an, Luke sah sie an, rutschte wieder näher an sie.
Ihr Grienen wurde breiter, sie hob die Decke etwas an und Luke folgte ihrer Einladung. Sofort kroch er zu ihr, zog die Decke an seinem Rücken nach unten, sodass sie beide zugedeckt waren.
„Und jetzt bin ich deine Wärmflasche?“
Lilly nickte schnell, kuschelte sich nah an ihn: „Mmh, ja!“
„Und das mit Klamotten!“
Lilly lachte: „Ja!“
„Ach, bei mir geht das?“ fragte er vergnügt.
„Ja?“ fragte sie leicht verunsichert.
„Ja!“
Lilly griente ihn an, rieb ihr Gesicht an seinem und küsste ihn sanft: „Mmh...ok!“
Sie merkte während sie ihn küsste, wie er grinste, ihr fester die Lippen auf ihre drückte: „Weiter schlafen?“
Als Antwort nickte sie, kuschelte sich näher an ihn. Nach kurzer Zeit schlief sie wieder ein.
Am nächsten Tag, wurde sie wieder von dem Geruch von frisch gebackenen Brötchen geweckt. Sie räkelte sich etwas, stand schließlich auf und bemerkte dass sie immer noch vollständig angezogen war. Sie richtete ihre Kleidung und ging langsam aus dem Schlafzimmer und die Treppe hinunter. Als sie das Zimmer erreicht hatte, sah sie Luke wieder an der Küchenzeile stehen. Er räumte verschiedene Dinge auf ein Tablett.
„Morgen.“
„Morgen ist gut!“ alberte er.
„Wieso?“
„Ist schon fast Mittag und daher dachte ich, dass ich dich vielleicht mit etwas zu essen aus dem Bett locken kann!“ Immer noch klang er vergnügt und Lilly spürte das er auch genauso fühlte.
Sie trat an ihn heran, legte ihm die Arme um seinen Oberkörper: „Musst du mich immer ärgern?“
Luke drehte sich in ihrer Umarmung, sah sie an, küsste sie sanft auf die Stirn: „Ach mein Schatz, das hab ich doch gar nicht vor.“
Lilly schob die Unterlippe nach vorne, zog einen Flunsch: „So? Machst du aber!“
„Ach nein. Mach ich nicht! Ist nur ganz liebes necken!“ sagte er liebevoll zu Lilly, legte seinerseits die Arme um sie und schaukelte langsam hin und her.
Ein breites Grinsen konnte sie sich nicht verkneifen, dann gab sie ihm einen sanften, aber intensiven Kuss auf den Mund.
Zärtlich erwiderte er ihren Kuss, fragte sie als sich ihre Lippen wieder trennten: „Frühstück? Falls man das zu der Uhrzeit noch sagen kann!“
Ihre Gesichter waren immer noch nah aneinander, denn als Lilly langsam nickte, streiften sie sich.
„Na dann komm! Am Tisch oder ...?“
„Ist es nicht unhöflich im Wohnzimmer vor dem Fernseher zu essen?“
„Ich glaube die Zeiten, wo man still schweigend zu Tisch saß und während des Essens nicht sprechen dufte!“
Lilly lachte, küsste ihn schnell auf den Mund: „Also gut! Aber…“
„Aber was?“
„Red nicht so!“
„Wie denn?“
„So ….. geschwollen!“
Luke fing schallend an zu lachen: „Geschwollen?“
„Ja!“
Er hob die Arme seitlich hoch, sah sie unschuldig an: „Ich kann doch nichts dafür!“
Sie konnte sich nicht verkneifen ihm mit beiden Händen über die Wangen zu streicheln, lächelte ihn an: „Ich weiß ja!“
„So?“
Lilly nickte.
„Und, wohin jetzt?“
„Mmh, Couch!“
Luke grinste: „Dacht ich mir irgendwie!“
„So, warum?“
Als Antwort zuckte er mit den Schultern, nahm das Tablett von der Arbeitsplatte und trug es zu den Couchen. Dort stellte er es wieder auf die ausklappbaren Füße direkt vor die Couch. Lilly tapste hinter ihm her, setzte sich und begann sich ein Brötchen zu schmieren. Wieder sah sie Luke an, welcher immer noch neben ihr stand: „Hinhocken!“
„Warum?“ fragte er grienend.
„Es ist schon merkwürdig das du nicht mitisst, dann bleib nicht auch noch neben mir stehen, als ob du zu Besuch wärst!“
Während er sich setzte, lachte er leise. Schließlich zog er die Beine an, setzte sich so, dass er sich an die Armlehne mit dem Rücken anlehnen konnte und sah ihr zu.
Erst als sie das erste Brötchen gegessen hatte, fragte er sie: „Und was hast du heute vor?“
Lilly zeigt kauend mit dem Zeigefinger auf sich: „Isch?“
„Ja du!“
Anstatt einer Antwort zuckte sie mit den Schultern.
Luke sah wie sie den Rest des Brötchens herunterschluckte, ihn dann ansah: „Schnüffeln!“
„Hä!“
„Möbel anschauen!“
„Ach du meinst im Wohnzimmer!“
Sie zeigte in den Raum: „Ist das nicht das Wohnzimmer?“
„Jetzt schon, aber vorher war es der andere Raum.“
„Ach so! Ja dann da! Du hast gesagt ich darf!“
„Darfst du auch!“
Wieder schweigend kauend saß sie ein Weile neben ihm, Luke sah ihr zu, roch ihren Geruch. Mehr und mehr wurde ihm bewusst, wie lange er nicht mehr im Zero gewesen war. Er musste bald hin.
Morgen, entschied er. Überlegte nochmals und war sich dann nicht mehr so sicher, ob heute nicht besser wäre. Er war wirklich schon eine ganze Weile nicht mehr gewesen und ehrlich gesagt hatte er nicht erwartet, dass überhaupt ohne Zwischenfall auszuhalten.
Es muss daran liegen, dass ich, was mich angeht zurückstecke um sie zu schützen, dachte er. Oder es lag einfach an der Krankenhausluft, das ganze Desinfektionsmittel, das andere Blut und noch diverse andere Gerüche, hatten ihren die ganze Zeit schon fast überdeckt. Deswegen war er ihr nur ungern von der Seite gewichen. Luke roch sie dort nicht so gut und das missfiel ihm sehr.
Lilly merkte seine Veränderung in den Gefühlen, er schien irgendwie besorgt.
„Willst oder besser musst du weg?“
„Nein! Heute noch nicht. Morgen!“
Sie sah ihn an, glaubte ihm. Schließlich merkte er es besser wie sie, wie viel er noch vertrug. Sie wusste ja nicht, dass er seit ihrem gemeinsamen Besuch nicht mehr im Zero war, sonst hätte sie es ihm nicht so einfach abgenommen, hätte ihn vielleicht sogar geschickt. Aber so? Lilly vertraute ihm, sie wusste dass er ihr nie etwas tun würde, sie nicht beabsichtigt in Gefahr bringen würde. Trotz dieser unschönen Begegnung.
Nachdem Lilly mit Frühstück fertig war, räumte sie alles weg, wusch ab und sah Luke schließlich auffordern an.
„Was?“
„Darf ich schauen gehen?“
„Natürlich!“
„Nur in dem einem Raum, versprochen!“
„Ich sagte doch, dein Geruch wird sich eh im ganzen Haus verteilen!“
„Ja schon, aber jetzt doch noch nicht!“
„Wieso nicht! Umso mehr ich dich rieche umso einfacher wird es.“
„Du meinst das desensibilisieren funktioniert!“
„Ich glaube schon, sonst...“ Bevor Lilly realisieren konnte, was geschah, stand Luke bereits hinter ihr und hatte wieder seine Arme um sie gelegt: „…hätte ich dich schon längst…“ Luke schwieg, überlegte kurz: „Ach, vergiss es! Es funktioniert!“
Sie drehte sich in seinen Armen, legte ihm ihre um den Hals, sah ihm in die Augen: „Du sagst, wenn was nicht stimmt, ja?“
Luke nickte: „Ja, versprochen. So etwas wie letztens wird nicht mehr vorkommen!“
„Ok!“ Langsam löste sie sich aus seiner Umarmung, ging aus dem Zimmer und in Richtung des alten Wohnzimmers. Dort angekommen, stellte sie sich mitten in den Raum, sah sich um. Lilly überlegte wo sie anfangen sollte, ging schließlich auf ein kleines, knapp hüfthohes, abgedecktes Etwas zu. Vorsichtig zog sie das Tuch herunter und sah einen kleinen weißen Tisch. Eigentlich war es nur eine Metallplatte, keine 20 cm im Durchmesser, die auf einem geschwungenen Fuß stand. Nichts außergewöhnliches, aber irgendwie trotzdem schön. Einfach aber schon elegant. Lilly faltete das Tuch zusammen, legte es dann auf den Tisch und sah sich weiter um. Ein paar Meter daneben, stand an derselben Wand etwas das aussah wie eine Couch, allerdings schien etwas zu fehlen. Sie zog das Tuch herunter und entdeckte eine Art Couch. Ganz in schwarz, bezogen mit schwarzem Samt. Allerdings fehlte eine Seitenlehne, auch sah es aus, als ob jemand die Rückenlehne diagonal abgeschnitten hätte. Dort wo keine Armlehne war, war auch keine Rückenlehne mehr. Bei genauerer Betrachtung, erkannte Lilly aber, dass es wohl so sein sollte.
„Das ist ein Chaiselongue!“
„Ein was?“
„Ein Recamier!“
Immer noch sie ihn irritiert an.
„Das ist eine Art Couch, davon gibt es hier mehrere!“
Sie sah es weiterhin an: „Fehlt da was?“
Luke lachte: „Nein, das gehört so. Eine Liege, wenn du so willst!“
Langsam ging sie darauf zu, setzte sich zögerlich darauf und sah Luke an.
„Hinlegen.“ Sagte er, kam zu ihr, griff nach ihren Beinen und legte sie so darauf, dass sie mit dem Rücken an der Armlehne lag und sich ganz darauf ausstreckte: „Und dadurch das die Lehne nicht so hoch ist, kann man sich auch seitlich liegen und sich mit dem Arm abstützen.
Lilly griente ihn an, drehte sich dann auf die Seite. Dadurch das an dem Ende noch eine Rückenlehne war, konnte sie sich gleichzeitig an zwei Seiten abstützen aber immer noch ihre Beine frei bewegen. Sie lachte, sah ihn an. „Ist gar nicht so unbequem!“
„Sag ich doch!“
„Sieht trotzdem so aus, als ob was fehlt!“ sagte sie kichernd.
„Oh, hier irgendwo muss noch was stehen, was für dich so aussieht als ob was fehlt!“
„So?“ fragte sie, setzte sich richtig hin und stand schließlich auf: „Wo denn?“
Luke lachte: „Such doch!“
„Also gut!“
Nach und nach zog sie von allem was in dem Raum stand die Tücher herunter, faltete sie zusammen und legte sie auf das jeweilige Etwas.
Da waren Stühle, Sessel, die ehern wie Throne anmuteten, noch ein paar kleine Tische und Kommoden. Und schließlich fand sie, was er meinte.
Eine Art Sofa, mit zwei hüfthohen, geschwungenen Armlehnen. Ebenfalls gepolstert und mit schweren, dunkelrotem Stoff bezogen. Allerdings sah es wirklich so aus, als ob die gesamte Rückenlehne fehlte. Lilly stemmte die Hände in die Hüfte, sah diese merkwürdige Bank an. Doch bevor sie etwas sagen konnte, huschte Luke an ihr vorbei, warf sich fast auf dieses Ding, lehnte sich an die eine Armlehnen und legte seine Beine über die andere. Obwohl Luke nicht wirklich groß war, hatte er in dieser Position kaum Platz. Die Armlehnen waren gerade soweit auseinander, dass man sich bequem zwischen reinsetzten konnte, aber so wie Luke im Moment lag, sah es sehr beengt aus. Lilly kicherte. „Ist das bequem?“
„Eigentlich schon, aber irgendwie war ich früher kleiner!“ gab er zu bedenken. Jetzt lachte Lilly auf: „Versteh mich nicht falsch, aber ich glaube nicht das man so da drauf saß!“
„So?“ Luke riss mit gespieltem Entsetzten die Augen auf: „Woher willst du das denn wissen?“ Als Antwort zuckte sie zuerst nur mit den Schultern, sagte aber dann: „Weil das nicht sehr elegant aussieht!“
Luke fing an zu lachen, nahm die Beine von der Lehne und setzte sich gerade, mit den Füßen auf den Boden, hin: „Hast ja recht! Eigentlich sitzt man so darauf, aber anders ist es auch bequem!“
„Wirklich?“ fragte sie sarkastisch: „Sah nicht so aus!“
„Komm, probier es selbst!“ Luke stand auf und ging einen Schritt zur Seite. Sie ging an ihm vorbei, setzte sich zuerst so hin, wie es richtig war. Nach einer Weile wurde es unbequem, man konnte sich nicht anlehnen. Als legte sie sich so hin, wie Luke zuvor. Es war wirklich bequemer, obwohl sie befürchtete, das wenn sie lange so lag ihr der Rücken wehtun würde und vor allem ihre Beine einschlafen würde. Die Lehne war genau in ihren Kniekehlen und würde bestimmt auf kurz oder lang die Blutzufuhr beeinträchtigen. Aber es war bequem, zumindest für den Moment.
Nach einer Weile sah sie Luke, der immer noch ruhig dastand an: „Naja!“ sagte sie, als sie die Beine von der Lehnen nahm: „Wenn das breiter wäre und man sich bewegen könnte, oder zumindest die Beine anwinkeln könnte, wäre es bequemer. Dieser…“ Sie zeigt an die gegenüberliegende Wand: „Recla…irgendwas ist eindeutig bequemer!“
„Recamier!“
Sie winkte ab: „Von mir aus auch so, trotzdem bequemer!“
„Willst du den?“
„Wie jetzt?“
„Ob du den willst?“
„Wohin?“
„In deine Wohnung?“
„Hey, du kennst meine Wohnung, wohin in Gottes Namen soll ich den Recam….dieses Ding stellen?“
Luke lachte wieder: „Ja hast ja recht, soll ich ihn ins Wohnzimmer stellen?“
„Da steht doch auch schon alles voll. Zwei Monstercouchen und dann noch dieses Ding!“
„Schlafzimmer?“
„Und dann?“
Luke zuckte mit den Schultern. „War nur ein Vorschlag. Also bleibt er hier stehen! Harrt der Dinge die da kommen!“
Jetzt lachte Lilly: „Ja, aber vielleicht sollte wir wieder alles abdecken!“
„Wir?“ fraget er sarkastisch: „Du deckst hier alles ab und…“ weiter kam er nicht, sie boxte ihn in den Bauch.
„Werd bloß nicht frech, Kleiner!“
Luke stellte sich genau vor sie, er überragte sie ein paar Zentimeter: „Wer ist hier klein!“
„Nur weil du höher gewachsen bist! Du bist grad mal 18!“
Luke lachte: „Ja schon, aber das seit fast 150 Jahren!“
Wieder boxte sie ihn sanft: „Alter Sack, damit würde ich gar nicht so angeben!“
Abermals lachte Luke auf. „Ja ja als drauf!“ Er holte tief Luft, sagte dann resigniert: „Also gut, will ich euch mal behilflich sein!“ Lilly sah wie er griente, als er nach dem nächstgelegenen Tuch griff und mit einer einzigen Handbewegung diese Bank abdeckte.
Sie sah ihn an, kicherte leise: „Hah, ich glaub du kannst das alleine!“
Luke, der bereits das nächste Tuch in der Hand hatte, sah sie an: „Wär nicht das erste Mal! Schon öfters hatte ich hier so neugierige Nasen, die alles abgedeckt hatten und dann einfach gegangen sind!“
Die Hände in die Hüfte gestemmt, schielte sie ihn von der Seite an: „Was soll das heißen, neugierige Nasen? Du hast gesagt ich darf!“
Sicher, ob das nur gespielt war, war sich Luke nicht mehr, als er ihren schon fast traurigen Gesichtsausdruck sah: „Ich weiß doch, war doch nicht so gemeint!“ sagte er beschwichtigend.
„Wirklich?“ fragte sie.
„Ja, war nur Spaß! Komm schon, helf mir kurz, geht schneller!“
Lilly nickte, ging zu ihm und zusammen deckten sie wieder die ganzen Möbel ab.
Als sie damit fertig waren, gingen sie zusammen zurück in das andere Wohnzimmer. Lilly setzte sich wieder auf die Couch, sah auf die Uhr und stellte fest das es bereits halb neun war.
„Und was jetzt?“ fragte Luke sie, noch an der Tür stehend.
„Keine Ahnung.“ gestand sie.
„Ich glaube zu wissen, dass irgendwo in der Nähe deiner Wohnung eine Art Markt oder Fest sein soll!“
Lilly sah ihn an, zog einen Augenbraue nach oben: „Du glaubst zu wissen?“
„Ich denke das ich wüsste… besser so!“
Sie schüttelte den Kopf: „Nicht wirklich!“
Er hob die Arme, ließ sie resigniert wieder nach unten fallen: „Also was ist, Lust?“
„Ich weiß gar nichts davon! Bist du sicher?“
„Ziemlich!“
Wieder zog sie die Augenbraue nach oben.
„Es gäbe da einen einfachen Weg es herauszufinden!“
Lilly griente: „So welchen denn?“
„Wir gehen einfach hin!“
„Und dann?“
Mittlerweile saß es neben ihr auf der Couch: „Wenn das wirklich in der Nähe deiner Wohnung ist, höre ich es ja und dann haben wir Gewissheit!“
„Stimmt! Aber ich glaube es wäre besser wenn…. also wenn wir fahren würden!“
Luke sah sie leicht irritiert an: „Hä!“
„Du hast gesagt wir gehen hin!“
Jetzt lachte Luke auf. „Ob fahren oder gehen ist doch egal, du weißt doch das ich zu Fuß schneller bin!“
„Ja schon, aber wir können das Auto ja bei mir stehen lassen und dann nur dahin laufen. Aber von hier aus…..ich weiß nicht!“
„Warum nicht?“
Als Antwort zuckte sie nur mit den Schultern.
„Ok, wenn es dir lieber ist, können wir auch fahren. Es macht zwar keinen Unterschied, aber egal!“
„Doch macht es!“ sagte sie barsch und Luke spürte ein aufflackern von Wut.
„Hey, was ist denn?“ fragte er leise.
„Nichts!“ sagte sie bockig, verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Zögerlich rutschte er näher zu ihr, legte, als er nah genug war, seine Arme um sie und zog sie an sich.
Zuerst erwartete er das sie ihn wegschob, aber sie ließ es sich gefallen. Erst als er spürte das sich ihre Gefühle wieder änderten, fragte er unsicher: „Was ist denn los!“
„Ich denke einfach es wäre besser, wenn wir zumindest das Auto bei mir stehen hätten, den Rest laufen wir!“
„Ok, wenn es dir lieber ist, machen wir das so!“ Ich weiß zwar nicht warum, fügte er in Gedanken hinzu.
Lilly merkte etwas, sie wusste das er damit nicht zufrieden war, das er nur um der Ruhe willen einlenkte.
„Weißt du, was ist wenn wir das Auto brauchen, oder vielmehr ich. Du bist zwar schnell genug aber ich nicht. Du hast gesagt du musst morgen ins Zero und da ist es doch besser ein Auto zu haben, oder nicht! Und vorher noch hierher zurück, oder morgen früh je nach Uhrzeit ist auch nichts, also ist es besser das Auto gleich mitzunehmen!“
„Du willst wieder mit ins Zero?“ fragte er vorsichtig.
„Ja warum? Soll ich nicht?“ fragte sie kleinlaut: „Willst mich nicht mehr dabei haben?“
„Doch!“ sagte er sanft: „Aber nur wenn du diesmal…“ er fing an zu kichern: „…wenn du diesmal nicht wieder vor Eifersucht platzt!“
„Mach ich gar nicht!“
„Machst du wohl!“
Anstatt einer Antwort knuffte sie ihn fest in die Flanke. Luke zuckte zusammen, zog seine Arme von ihr zurück und rutschte ein Stück weg: „Aua!“
Lilly lachte, wedelte mit dem Zeigefinger vor seiner Nase: „Das kann gar nicht wehgetan haben!“
„Do-och!“ sagte er, griente sie aber an: „Also was jetzt, sollen wir fahren und schauen!“
„Ja!“
Lilly stand auf, ging nach oben ins Schlafzimmer und zog sich um. Duschen, entschied würde sie zu Hause. Irgendwie rechnete sie damit, das ihr, wenn da ein Fest war, irgendjemand irgendetwas an ihr herabschüttete. So wie meist.
Bevor sie richtig angezogen war, kam Luke in Schlafzimmer, kramte ein paar Sachen aus der Kommode und seinen Kleiderschrank und zog sich ebenfalls um.
Nachdem sie beide fertig waren, gingen sie zur Garage. Dort blieben sie stehen: „Welchen?“ fragte Luke.
„Wieso frägst du mich?“
„Du brauchst es doch!“
Sie schaute von einem zum anderen: „Ich glaube BMW ist besser!“
Lachend ging Luke an ihr vorbei: „Ok!“
Wieder hielt er ihr die Beifahrertür auf auch wenn er schneller am Auto war wie sie und etwas warten musste.
„Du musst das nicht machen, ich kann das auch alleine.“ sagte sie, nachdem er zu ihr eingestiegen war: „Was?“
„Die Tür aufmachen!“
Er zuckte mit den Schultern: „Hab ich mir so angewöhnt! Manche Dinge kann man sich schlecht wieder abgewöhnen! Warum, stört es dich?“
„Nein, das nicht, ist nur ungewohnt. Macht keiner!“
„Ich mach viel, was sonst keiner macht!“ gab er zu bedenken.
Lilly lachte leise: „Ja ich weiß!“
Langsam fuhren sie die Auffahrt entlang, bis sie wieder das alte Tor erreichten. Lilly hatte das Gefühl, das es immer mehr quietschte und ächzte, wenn es auf und zugemacht wurde.
„Solangsam braucht das Ding mal Fett!“ sagte er, als ob er wüsste was sie dachte.
„Ja, sonst geht es irgendwann gar nicht mehr!“
„Normalerweise benutz ich das selten, nur ab und zu. Ich glaube so oft wie in der letzten Zeit hab ich es schon lange nicht mehr benutzt!“
„Aha, deshalb quietscht das so, musst es mehr benutzen ist bestimmt eingerostet.“
Luke lachte: „Ja, und das Wetter macht ihm auch zu schaffen. Ich muss mal wieder etwas mehr machen hier, bevor alles zusammen fällt!“
„So hab ich das nicht gemeint!“ sagte sie schnell.
„So hab ich das auch gar nicht aufgefasst. Es ist aber so, ich muss wieder mal was machen. Alles geht irgendwann kaputt, wenn sich keiner drum kümmert!“
Lilly nickte nur, sah dann aus dem Seitenfenster und bemerkte wieder, wie schnell die Bäume an ihnen vorbeihuschten. Irgendwie bekam sie Bauchweh, da sie wusste das Luke mit Sicherheit wieder schneller fuhr, wie es gut war. Oder besser wie sie es als gut erachtete. Vielleicht lag es einfach daran, dass sie sich immer noch nicht richtig vorstellen konnte, wie gut seine Reflexe waren, dass er so schnell fahren konnte. Oder er fuhr so schnell, weil er selbst bei einem Unfall ja nicht sterben konnte.
Luke fühlte ihre Sorge, er war sich nicht sicher worüber sie sich sorgte: „Was ist?“
„Was soll sein?“
„Ach komm schon, ich merk es doch!“
Er sah, wie sie als Antwort auf den Tacho schielte, wieder scharf die Luft einsog, als sie sah das er wieder an die 150 fuhr. Sofort nahm Luke den Fuß vom Gas, der Wagen drosselte seine Geschwindigkeit: „Besser so?“
Sie nickte nur, sah wieder stur geradeaus.
„Komm schon, nur weil ich deine Gefühle spüre, weiß ich nicht was du denkst. Du musst mir schon sagen, wenn dir was nicht passt!“
Lilly sah ihn an: „Erstens… schau bitte auf die Straße und zweitens du musst doch selbst wissen, wie schnell du fahren kannst!“
„Ich weiß wie schnell ich fahren kann, aber das heißt nicht das ich es auch muss und schon gar nicht wenn du Panik dabei kriegst.“
„Ich krieg keine Panik!“ Sie sah ihn wieder an.
„So?“ fragte er leicht zynisch.
„Ja…ok vielleicht ein bisschen Bauchweh. Ich mag es nicht, wenn einer so rast!“
„Dann sag es, ok. Ich bin es halt gewohnt so zu fahren!“
„So?“ fragte sie sarkastisch. „Ein neurotischer Raser!“
Luke lachte: „Also neurotisch klingt etwas hart!“
Jetzt lachte Lilly auch. Auf eine Art vertraute sie ihm ja, aber sie konnte ihre Gefühle nicht so gut kontrollieren wie er. Zumindest war sie sich sicher, dass er es konnte. Selbst nach so kurzer Zeit, hatte sie das Gefühl nicht alles von ihm zu spüren, er hingegen schien jede kleinste Gefühlsregung zu merken. Sie war fast schon neidisch wegen dem.
„Worauf bist du neidisch?“ fragte er unverhohlen.
„Genau darauf!“ kam ihre prompte Antwort.
„Auf was?“
„Das du alles spürst!“
„Tust du doch auch!“
„Aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass du das besser kontrollieren kannst. Das ich längst nicht alles fühle, oder nur ganz intensive Gefühle.“
Sie sah wie Luke grinste: „Also doch, du kannst das steuern!“ platze es aus ihr heraus.
„Nein, nicht unbedingt, nicht alles! Aber ich bin halt kontrollierter wie andere und außerdem zählen Gefühle für mich nicht viel!“
„Warum?“
„Weil sie keine interessiert haben und mich auch nicht. Die, die ich hatte, habe ich am besten ignoriert, bevor sie mich wahnsinnig gemacht hätten!“
„Das ist nicht gut!“ sagte sie traurig.
„Doch, bei den Gefühlen die ich hatte schon!“
„Wieso?“
„Immer nur die Angst der Menschen zu riechen hinterlässt Schuld, Scham, Schande, das Vermissen meiner Familie, das Gefühl allein zu sein, niemanden zu haben und am besten gar nicht zu existieren. Das kann einen wahnsinnig machen, vor allem dann wenn man weiß oder glaubt das das nie aufhören wird!“
„Also wird es ignoriert?“
„Manchmal einfacher! Nur bei dir funktioniert das auch nicht!“
„Was?“
„Meine Gefühle dir gegenüber zu ignorieren!“
„Willst du das?“
„Eigentlich…. Nein, obwohl ich glaube das es besser wäre!“
„Jetzt fang nicht wieder damit an. Du kannst deine Gefühle nicht kontrollieren oder ignorieren, genauso wie ich, also …!“
„Wieso bist du dir so sicher, dass ich nur meine Gefühle nicht kontrollieren kann!“
„Weil ich sonst wahrscheinlich nicht mehr leben würde!“ Erst als Lilly es ausgesprochen hatte, machte sie sich Gedanken darüber, ob es klug gewesen war.
Zu ihrer Überraschung lachte Luke: „Ja, da hast du wohl Recht! Ich hätte sonst schon in der ersten Nacht wo ich dich gefunden hatte, dich…“ Er sprach nicht weiter, musste er auch nicht, Lilly konnte sich denken, was er sagen wollte.
Nun schwiegen beide, solange bis sie vor dem Haus standen, in welchem Lilly wohnte. Luke parkte, machte den Motor aus und stieg aus.
Toll, dachte sie traurig aber zeitgleich wütend, hab ja wieder ein super Thema angeschnitten.
Und wieder musste Luke es gespürt haben, denn er sagte, als er ihr wieder die Tür aufhob: „Hey, ist doch alles ok!“ Er legte den Kopf schief: „Soweit ist das also doch weg!“
„Was?“
„Dieser Markt oder Fest oder was das ist!“
„Woher..?“
„Ich höre es, aber es sind schon ein paar Blocks von hier! Vielleicht sollen wir doch fahren!“
„Awa!“ sagte sie als sie ausstieg und sich neben ihn stellte: „Das Stück könne wir laufen, außerdem gibt es da bestimmt keine Parkplätze mehr. Komm schon es ist nicht kalt und außerdem ist laufen gut!“
Luke fing an zu lachen, schloss den BMW ab und reichte ihr den Arm, damit sie sich wieder unterhaken konnte: „Wie ihr wünscht. Aber das ist ein ganzes Stück!“
Lilly kicherte: „Wenn ich nicht mehr mag, musst du mich halt tragen.“
Wieder lachte Luke auf und Lilly war froh, dass das von ihr angeschnittenen Thema scheinbar vom Tisch war.
Zusammen gingen sie los, immer wieder versuchte Lilly etwas von dem Fest zu hören, aber so sehr sie sich auch anstrengte, es gelang ihr nicht.
In einem Punkt hatte Luke Recht gehabt, es war ein ganzes Stück zu laufen. Erst nach fast einer halben Stunde vernahm Lilly erste Geräusche, die auf den Markt hindeuteten: Musik, lautes Gebrülle und schließlich erkannte sie auch die ersten blinkenden Lichter. Ein Blick zu Luke verriet ich, dass ihm das ganze irgendwie nicht gefiel. Je näher sie kamen umso unglücklicher wirkte er, aber sie fühlte nichts derartiges.
„Was ist?“ fraget sie als sie, als sie den Straßenzug erreichten, wo die ersten Buden standen. Überall wuselte es, Menschen drängten sich an einander vorbei, hier und da brüllte ein Verkäufer um seine Ware an den Mann zu bringen.
„Man ist das hier voll!“
„Du magst keine Menschenansammlungen!“
„Nicht nur das. Ich hab dir doch gesagt das meine Sinne schärfer sind. Dieses Gebrülle, dieses Geflackere und von den Gerüchen ganz zu schweigen.“
„Du wolltest doch hierher!“
„Ich hab ja auch nicht vor zu gehen, aber du hast mich gefragt!“ Und außerdem kann ich hier noch etwas länger in deiner Nähe sein, hier vermischt sich dein Geruch, anders wie zu Hause, dachte er, sah sie an und lächelte. Luke hoffte, dass sie das überzeugt hatte, weil so sicher war er sich da nicht, das es funktioniert hatte.
„Also gut!“ sagte sie, drängte sich etwas näher zu ihm, als sie zwischen die andern Menschen gingen: „Keine Sorge so lange will ich hier auch nicht bleiben! Wie spät ist es eigentlich?“
Luke hielt ihr seine Armbanduhr vor die Nase. Es war bereits nach halb elf.
„Lass uns erst mal schauen was es hier überhaupt alles gibt!“ schlug sie ihm vor.
Luke legte den Arm fester um sie, als sie weiter in das Gedränge gingen. Dieser Markt, oder was das genau sein sollte, zog sich einige Straßenzüge weit. Überall standen Buden, mal mit Essen, mal mit Trinken, mal waren es irgendwelche Fahrgeschäfte oder Schießbuden. Aber auch Verkaufsstände waren darunter, entweder mit frisch und selbstgemachten Sachen, wie Honig oder irgendwelche Stick- und Stricksachen, mal Dinge von irgendwelchen Großmärkten, die von Vertretern angepriesen wurden.
Und obwohl Lilly eigentlich nicht lange bleiben wollte, verflog die Zeit. Allerdings merkte sie es erst, als sie an den ersten geschlossenen Buden vorbeiliefen und der Menschenandrang nachließ.
„Wie spät ist es denn!“ fragte sie Luke.
Diesmal sah er auf die Uhr: „Fast halb fünf!
„Morgens?“ fragte sie erstaunt.
Luke lachte: „Natürlich morgens!“
„Oh, dann sollten wir aber heim!“
„Ja!“
Lilly drehte sich einmal um die eigene Achse. „Weißt du wo es lang geht, ich hab keine Ahnung!“
Luke kicherte, nahm sie an der Hand und führte sie eine der Straßen entlang, sie mussten wirklich nach Hause.
Es war später oder besser früher geworden wie Lilly erwartet hatte und sie wusste das bald die Sonne aufgehen würde. Und da sie wirklich keine Ahnung hatte, wo es zu ihrer Wohnung ging, verließ sie sich auf Lukes Orientierungssinn.
Luke merkte irgendwann das sie jemand verfolgte. Er wusste sofort, dass es kein Mensch war, der hinter ihnen herschlich. Sie liefen, wie so oft durch ehern unbelebte Straßenzüge, vorbei an Fabriken, Lagerhäusern und Umschlageplätze für Güter. Lilly hatte in seiner Begleitung keine Angst das etwas passieren würde. Sie bemerkte jedoch, dass Luke irgendwie nervös wirkte, er sah sich ungewöhnlich oft um, seine Schritte beschleunigte er immer mehr.
„Was ist los mit dir?“ fragte sie, sicher das etwas nicht stimmte.
„Komm!“ sagte er, nahm sie fester bei der Hand: „wir sollten uns beeilen weg von hier zu kommen!“
„Warum? Luke was ist los?“ So kannte sie ihn nicht.
„Jemand folgt uns!“ flüsterte er ihr ins Ohr.
Verwirrt sah sie ihn an: „Und was ist…“
Sein Gesicht kam noch näher zu ihrem, wieder flüsterte er: „Kein Mensch!“
Lukes Griff wurde noch fester und er zog sie schneller: „Komm, schneller!“
Es schien fast so, als ob er Angst habe, aber er hatte seine Gefühle soweit von ihr abgeschottet, dass sie nicht fühlen konnte, ob das wirklich der Fall war.
Als sie um die nächste Ecke gebogen waren, standen plötzlich zwei Gestalten, keine zehn Meter entfernt, vor ihnen.
„Wohin denn so eilig?“ fragte einer von ihnen.
„Ja, wohin denn, willst du nicht teilen?“ kam vom anderen. Lilly sah das merkwürdige Glühen in den Augen der beiden. Wie Katzenaugen, schoss es ihr durch den Kopf, es waren also… weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht. Luke stand plötzlich vor ihr, beugte sich etwas nach vorne und duckte sich langsam, seine Stimme hatte etwas Beängstigendes an sich als er sprach: „Verschwindet! Sie gehört mir, verstanden, mir alleine. Sucht euch etwas anderes!“ Die Zwei lachten nur, wobei das eher wie ein Knurren klang, Luke drückte Lilly langsam nach hinten.
„Geh!“ sagte er leise zu ihr: „Lauf nach Hause, ich werd sie aufhalten.“
Als sie sich nicht bewegte, drehte er seinen Kopf zu ihr: „Los jetzt!“
Sie sah in seinen Augen, wie sie grün wurden, ebenfalls langsam anfingen zu glitzern: „Mach schon!“ Aber sie reagierte nicht.
Plötzlich war Luke vor ihr verschwunden, auch die zwei anderen konnte sie nicht mehr sehen, sie hörte nur wie etwas krachte und auf einmal, sah sie wie Luke mit dem Beiden kämpfte. Sie konnte kaum etwas erkennen, es war dunkel und sie bewegten sich zu schnell. Auf einmal sah sie wie eine dritte Gestalt sich förmlich aus dem nichts auf sie zubewegte. Ihr Verstand riet ihr zu laufen, aber ihre Beine gehorchten ihr nicht. Wie angewurzelt stand sie da, sah wie der Fremde immer näher auf sie zukam.
„Verschwinde!“ hörte sie Luke brüllen, aber sie konnte es einfach nicht.
„Was hast du zu melden?“ brüllte der Fremde zu Luke: „Muss ich dir erst noch Manieren beibringen?“
Lilly sah wie der Fremde sich herumdrehte und zu Luke und den anderen lief. Die zwei hatten es geschafft Luke zwischen sich zu bekommen und ihn festzuhalten.
Wie können die das, fragte sie sich, ok zwei gegen einen, aber Luke war stark, hatte Erfahrung. Sie konnte immer noch nicht fassen, was sich gerade abspielte, aber sie sah wie der Dritte immer näher zu den anderen aufschloss.
„Du bist also der Meinung das sie dir gehört?“ fragte er Luke.
Immer noch völlig starr, sah Lilly wie er direkt vor Luke trat, der immer noch festgehalten wurde und ihn ansah: „Was ist, keine Chance gegen zwei? Hast schon ne Weile nichts mehr bekommen, was?“
Was meint der damit? Lilly begann zu überlegen, was das bedeuten sollte. Was Luke schon eine Weile nicht mehr hatte. Die Antwort traf sie wie ein Schlag: Luke war fast zwei Woche immer nur bei ihr gewesen, war die ganze Nacht mit ihr zusammen, hatte also nichts getrunken. Und er hatte ja gesagt, dass er ins Zero sollte. War er ihnen deswegen unterlegen? Mit Sicherheit, er braucht es ja zum Überleben.
Bevor sie den Gedanken, welche Konsequenzen das wohl habe, zu Ende gedacht hatte, sah sie wie der Dritte, der immer noch dicht vor Luke stand, ausholte und Luke ansah.
Er machte keine Faust, stellte sie fest, er hatte seine Finger ausgestreckt. Sie fragte sich was das werden solle und sah völlig schockiert, wie der Fremde seine ausgestreckten Finger in Lukes Brustkorb rammte. Lilly schrie auf, konnte nicht glauben was sie sah. Luke riss sich von den anderen zwei, die ihn festhielten, los, aber die Hand des Dritten steckte immer noch bis zum Handgelenk in seinem Brustkorb.
„Luke!“ keuchte sie. Das war aber auch das einzige was Lilly über die Lippen brachte, sie fühlte nicht wirklich was er fühlte, aber allein das zu sehen, verursachte ihr körperliche Schmerzen. Immer noch stand sie da, war nicht in der Lage sich zu rühren, konnte nur mitansehen was sich da ereignete. Luke hatte mittlerweile den Arm seines Angreifers gepackt und sie hörte nur, wie es knirschte als Luke den Arm kurz vor dem Handgelenk abriss. Sein Angreifer taumelte zurück, ob wegen der Schmerzen oder nur aus Reflex, wusste sie nicht. Sie sah nur wie er auf sie zulief, den Stumpf seines Armes an die Brust gedrückt.
„Dafür wirst du büsen!“ schrie er: „Dafür wird sie sterben!“
Lillys Verstand schrie ihr zu, das sie laufen müsse, weit weg von ihm, aber wieder gehorchte ihr Körper nicht. Wie festgenagelt stand sie da, sah wie der Fremde immer näher auf sie zukam. Fast hatte er sie erreicht, als sich etwas Dunkles vor sie schob, sie abschirmte. Sofort wusste sie, obwohl sie es nicht richtig sah, dass es Luke war, der sich zwischen sie und den Fremden gestellt hatte. Der Fremde kam immer noch auf sie zu, wollte Luke zu Seite stoßen. Dieser packte ihn an den Schultern, drehte ihn herum, zwang ihn auf die Knie, legte beide Hände an seinen Kopf und wieder hörte Lilly nur ein Knirschen, als Luke dem Fremden den Kopf abriss. Die anderen zwei hatten das ganze aus der Ferne gesehen, drehten sich herum und flohen.
Ihr Verstand konnte immer noch nicht richtig glauben, was sie gerade gesehen hatte, ihr Körper bewegte sich immer noch nicht.
Luke, der immer noch mit dem Rücken zu ihr stand, ließ den Kopf des Angreifers fallen, griff sich an die Brust und zog etwas heraus. Erst als er das auch fallen ließ, erkannte Lilly was es war: Die Hand des Fremden, die immer noch ins Lukes Brustkorb gesteckt hatte.
Sie sah wie Luke anfing zu taumeln, erst jetzt konnte sie sich bewegen, schnell machte sie einen Schritt nach vorne und erwischte Luke gerade noch, bevor er in die Knie ging.
Langsam ließ sie ihn an sich herunterrutschen, half ihm sich vorsichtig hinzulegen und sah schockiert das Loch mitten in seinem Brustkorb. Unwillkürlich stöhnte sie auf, wollte die Hand auf die Wunde drücken, aber er hielt sie davon ab.
„Oh Gott Luke!“ entfuhr es ihr: „Was war….“ Weiter kam sie nicht, sie sah wie er an ihr vorbei sah, entsetzt die Augen aufriss und etwas hinter ihr anstarrte. Sie befürchtet schon, dass die zwei anderen sich von ihrem Schreck erholt hatten und zurückgekommen waren. Langsam drehte sie den Kopf um in dieselbe Richtung zu sehen wie Luke, aber es waren keine Angreifer die er so angesehen hatte. Schlimmeres kam unaufhaltsam in ihre Richtung: die Sonne war am Aufgehen.
Lilly sah wie die Schatten immer weiter in ihre Richtung zurückgedrängt wurden, immer mehr Sonnenlicht flutete die abgelegene Straße. Immer näher kam das für ihn tödliche Licht, sie versuchte ihn auf die Beine zu ziehen, aber kaum stand er, knickte ihm die Beine wieder ein und er ging erneut in die Knie.
„Luke bitte!“ flehte sie ich an: „komm steh auf, es sind nur noch ein paar Straßen bis zu mir. Steh auf!“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme hysterisch wurde, sie war den Tränen nahe, wusste das sie in der Falle saßen, wenn Luke nicht aufstand.
„Bitte. Bitte, steh hin!“ Wieder zehrte sie ihn auf die Füße, packte ihn am Gürtel und legte sich einen Arm über die Schulter. Mehr schleppend als gehend, schaffte sie es ihn etwas weiter nach hinten zu ziehen, aber sie wusste, dass wenn er nicht mitlief, die Sonne sie bald einholen würde.
„Komm schon!“ fauchte sie ihn an: „Los beweg dich! Lauf endlich!“ Sie zerrte ihn unerbittlich die Straße entlang, sah immer wieder nach hinten um zu sehen wie weit die Sonne aufgegangen war.
Plötzlich hörte sie ein Lodern, ein Zischen, sie drehte sich herum und sah, dass die Sonne die Stelle erreicht hatte, wo der tote Angreifer lag. Sie sah wie der Körper erst rauchte und dann in Flammen aufging. Das reichte ihr um Luke noch mehr anzutreiben: „Komm Luke, schneller, bitte, beeil dich doch!“
Auf einmal blieb Luke stehen, drehte sich herum und sah nach hinten.
„Luke! Nicht, komm schon, lauf!“
Aber er blieb stehen, lehnte seine Stirn auf ihre Schulter, fuhr ihr mit der Hand über die Wange und küsste sie dann sanft. Lilly fühlte was in ihm vorging.
„Was soll….! Nein Luke nein! Vergiss es. Los komm schon, bitte.“
Er sah sie an, sah ihr direkt in die Augen. Kein Wort sagte er, schaute sie nur an.
„Luke, nein ich lass dich hier nicht ster…“ sie holte tief Luft: „Luke bitte, umso länger wir hier stehen umso knapper wird es. Es sind nur noch ein paar Meter, nur noch um ein paar Ecken. Bitte komm! ... Ich will dich nicht verlier…“ Ihre Stimme versagte, die letzten Worte waren nur noch ein flüstern.
Immer noch sah er ihr in die Augen, biss sich auf die Unterlippe und schloss dann die Augen, ließ den Kopf nach vorne sinken.
„Bitte!“ flüsterte sie ihm zu: „bitte Luke!“ Tränen schwangen in ihrer Stimme mit.
Sie wollte, konnte ihn nicht verlieren. Das durfte nicht passieren. Sie liebte ihn zu sehr um ihn sterben sehen zu wollen, oder um ihn einfach hier liegen zu lassen. Trauer, Angst, Verzweiflung vermischten sich mit Wut, Zorn, ja fast Hass auf ihn. Wie kannst du mir das antun, fragte sie ihn in Gedanken. Sie versuchte ihn mit ihren Gefühlen zu fluten.
Plötzlich hob er den Kopf, sah sie an. Das Blau seiner Augen war fast grün. Langsam setzte er einen Fuß nach vorne, sie griff wieder fester nach ihm, zog ihn bei jedem Schritt ein Stück weiter.
Es waren mehr wie nur ein paar Meter, aber sie war sich sicher, dass er das gewusst hatte. Die Sonne ging erbarmungslos auf, verdrängte immer mehr Schatten und Dunkelheit. Es war wie ein Wettlauf gegen einen scheinbar unbesiegbaren Gegner. Als sie um eine weitere Ecke herumkamen, sah sie bereits das Haus in dem sie wohnte, allerdings kam die Sonne ihnen jetzt entgegen, so dass sie auf sie zulaufen mussten. Lilly merkte wie Luke sich kurz sträubte, Angst durchströmte sie und sie wusste das es seine war. Angesichts der Tatsache, dass sie ihn direkt darauf zuführte, was er meiden musste um zu überleben, verstand sie das. Trotzdem mussten sie weiter.
„Wir müssen in meine Wohnung, Luke! Nur da kann ich dich vor der Sonne abschotten!“
Langsam ließ er sich von ihr weiter ziehen. Sie merkte, dass es sehr knapp wurde, die Sonne war bereits soweit aufgegangen, das die Strahlen fast die Haustür erreicht hatten. Er musste wahrscheinlich kurz durch die Strahlen um ins Haus zu kommen und genau das schien er auch zu wissen. Sie merkte wie er wieder langsamer wurde.
„Ich weiß, ich seh es, aber wenn wir langsamer machen, musst du nur noch länger durch die Sonne!“
Also beschleunigte sie ihre Schritte, zog ihn hinter sich her. Sie erreichten die Haustür, Lilly ließ ihn ein paar Schritte entfernt stehen, da wo noch keine Sonne hinkam, schloss die Tür auf, packte ihn am Kragen und schupste ihn in den Hausflur. Die Sonne hatte ihn nur kurz gestreift, aber sie sah wie bereits Rauch an seinen Sachen aufstieg. Schnell zog sie ihn die Treppen hinauf, bevor die Sonne den gesamten Hausflur fluten konnte. Sie schloss auf, ging voran in ihr Wohnzimmer, die Sonne war noch nicht bis hierher vorgedrungen, aber sie wusste das ihr Schlafzimmer ganz mit Sonne ausgeleuchtet war. Nachdem sie das Zimmer betreten hatte, zog sie sofort die Vorhänge zu. Kaum waren sie vor dem Fenster, war es fast stockdunkel. Lilly schaltete das Nachtischlicht ein und ging zurück ins Wohnzimmer. Luke stand immer noch wo sie in stehengelassen hatte, in ihrer Haustür, angelehnt an dem Türrahmen, sah er sie an, als sie auf ihn zukam.
„Komm.“ Ihre Stimme klang wesentlich sanfter, jetzt wo er in Sicherheit war: „Ich hab im Schlafzimmer die Vorhänge zu!“
Langsam ging sie auf ihn zu, legte ihm die Arme um die Taille, damit er sich auf ihr abstützen konnte, schloss die Wohnungstür und zog ihn hinter sich her ins Schlafzimmer.
Sie brachte in ans Bett, ließ ihn sich setzten, zog ihm seine Kleidung aus und half ihm sich vorsichtig hinzulegen. Erst jetzt sah sie seine ganzen Verletzungen.
Er hatte tiefe Wunden an Armen, an den Flanken, quer über die Brust, über die Schultern, die sich mit Sicherheit bis auf seinen Rücken zogen. Diese sahen aus wie tiefe Kratzer, wie von einer Tierpranke. Aber das grausamste war das Loch, das durch sein Brustbein ging. Die Rippen waren gebrochen, das konnte sie sehen, auch bildete sie sich ein seine Lunge zu sehen, zumindest sah das so ähnlich aus.
„Kannst du atmen?“
Er schloss kurz die Augen und sie hörte wie er vorsichtig Luft holte. Erschrocken sah sie, wie das was sie als Lunge geglaubt hatte zu erkennen, sich langsam anhob, aber sofort wieder kollabierte. Luke schüttelte langsam den Kopf.
„Ok, dementsprechend auch nicht reden.“ stellte sie fest.
Diesmal zögerte er etwas, holte dann wieder Luft und flüsterte: „Nicht viel,.... nicht gut.“
„Was kann, was muss ich tun?“
Anstatt einer Antwort setzte er sich auf.
„Langsam!“
Er hob abwehrend die Hand: „Linke... Schulter... raus.“ flüsterte er.
Lilly setzte sich neben ihn und fuhr vorsichtig über diese, er hatte recht, sie war nicht mehr richtig: „Was soll ich tun?“
„Reinmachen!“
„Was? Das kann ich nicht, da musst du zu nem Arzt, die machen das unter Narkose!“
Luke schüttelte den Kopf, deutete auf seinen Brustkorb.
„Ich weiß auch nicht wie ich das erklären soll! Aber nochmal das geht nur unter Narkose, schon allein wegen dem Muskel, von Schmerzen ganz zu schweigen. Kann man nicht warten bis der Brustkorb verheilt ist?“
Wieder schüttelte er den Kopf: „Knochen... heilen.. zu schnell, wäre...wären.. zusammen gewachsen,.. falsch!“
Lilly fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, holte tief Luft: „Was, also wie soll ich das machen?“
Langsam drehte Luke seinen linken Arm nach hinten: „Setzen, hinter mich….Arm am Ellenbogen…. hoch ziehen!“
Er hatte merkliche Probleme beim Reden, seine Lunge war mit Sicherheit sehr schwer verletzt.
Klar, dachte sie, er hat ja auch ein nicht unerhebliches Loch im Brustkorb.
Abermals holte sie tief Luft, setzte sich hinter ihn, nahm seinen Ellenbogen, legte ihm die eine Hand auf die Schulter und zog mit der anderen seinen Arm Richtung Kopf. Ein schauerliches Knirschen, als Knochen auf Knochen rieb, ertönte. Seine einzige Reaktion war, das er kurz zusammen zuckte, als das Schultergelenk wieder in die richtige Position sprang.
Lilly legte ihm beide Hände auf die Schultern, zog ihn dann vorsichtig nach hinten und auf die Seite, damit er wieder lag. Langsam drehte er sich auf den Rücken, legte beide Hände auf seinen Brustkorb und begann sich selbst die gebrochenen Rippen wieder in ihre richtige Position zu schieben. Jedes Mal ertönte dieses furchtbare Knirschen und immer zuckte er kurz zusammen, bis sich jede Rippe wieder an ihrem Platz befand.
Fassungslos saß sie neben ihm auf dem Bett, sah ihm zu und merkte wie sie, genau wie er, jedes Mal zusammen zuckte. Es tat ihr körperlich weh, obwohl er seine Gefühle von ihr zurückhielt, aber allein das zu sehen reichte ihr.
Nachdem er fertig war, ließ er beide Arme seitlich aufs Bett fallen.
„Was jetzt?“ fragte sie immer noch schockiert.
„Nichts,…warten, regener….“seine Stimme versagte ihm.
Lilly verstand, kramte eine Decke heran, deckte ihn damit zu, fuhr im vorsichtig durch die Haare: „Schlafen! Oder so ähnlich.“
Er nickte nur, lächelte sie an. Vorsichtig beugte sie sich über ihn, küsste ihn sanft.
„Danke.“ flüsterte er.
„Wofür? Du hast mich verteidigt, deswegen bist du ..“ ihre Stimme versagte ihr. Sie fühlte sich schuldig, es war ihre Idee gewesen dahin zu gehen, zu laufen und nicht das Auto zu nehmen.
„Du hast keine Schuld.“ Sagte er wieder leise.
„Erstens, hör auf in meiner Gefühlswelt rumzustromern und zweitens, halt die Klappe und ruh dich aus!“ Wieder lächelte er sie an.
Dieses Mal stand sie auf, ging ins Wohnzimmer und zog die Tür hinter sich zu.
Den gesamten Tag verbrachte sie auf der Couch, sah fern, überlegte was da eigentlich passiert war und ging ab und zu ins Schlafzimmer um nach ihm zu sehen. Sie erwischte sich dabei, wie sie da stand und darauf wartete Atemzüge zu sehen, musste über sich selbst grinsen und ging dann jedes Mal zurück auf die Couch.
Als es dunkel wurde, ging sie wieder zu ihm. Luke lag auf der Seite, zusammen gerollt, wie ein Kind und schien zu schlafen. Langsam ging sie hinüber zum Bett, setzte sich darauf und sah, dass die meisten der tiefen Kratzer an Rücken und Arm gut verheilt waren. Vorsichtig zog sie die Decke zurück und stellte fest, das die Wunde am Brustkorb scheinbar unverändert war. Unwillkürlich zog sie scharf die Luft ein. Dadurch schlug Luke die Augen auf, drehte sich auf den Rücken und sah sie an.
„Was ist?“ fragte er.
„Das frägst du mich? Warum ist das nicht so viel besser wie die anderen?“ sie deutete auf seinen Brustkorb. Er sah an sich herab, sah dann auf seine Arme.
„Wie lange hab ich.. war ich…?“
„Geschlafen? Fast siebzehn Stunden, warum?“
Luke sah sie mit großen Augen an: „Eigentlich müsste alles komplett verheilt sein!“
„Und warum ist es das nicht?“
„Zu wenig Energie.“
„Wann hast du das letzte Mal was getrunken?“
„Ne Weile her!“
„Warum?“
„Weil du… eifersüchtig wirst, wenn… du mich mit… anderen …Frauen siehst“
Lilly holte tief Luft: „Und deswegen trinkst du nichts, weil du denkst das ich eifersüchtig werden“
„Ich denk es …nicht, ich…fühle ..es!“ seine Stimme wurde stockender, er hatte Mühe zu sprechen.
„Du, du… bist unmöglich. Das heißt ich werde dich jetzt ins Zero schaffen!“
Er schüttelte den Kopf: „Nein! Das geht nicht!“
„Warum?“
„Verletzt, schwach. Die anderen würden es merken und mich….!“
„Und dich was?“
Luke lächelte: „Vertreiben!“
„Milde ausgedrückt! Was dann? Pizzabote oder eine vom Straßenstrich?“
Luke fing leise an zu lachen: „Essen nach Hause? Nein das geht nicht… Weißt du noch…Regeln. Nichts gezwungenes nur… frei..freiwillig!“
Lilly merkte wie er schwächer wurde: „Was dann? Luke was…“
Sie überlegte. Freiwillig, in den Club kann er nicht, dann bleibt nur noch….
„Komm her, setzte dich hin!“
„Was hast du vor Lilly?“
„Du kannst nicht ins Zero, ich kann dir nichts beschaffen, weil es dann nicht freiwillig passiert, also bleibt nur eins. Etwas freiwilliges, was schon hier ist!“
Vorsichtig zog sie ihn ins sitzen, kniete sich über seine Beine, legte den Kopf zur Seite und strich sich die Haare nach hinten.
„Nein! Lilly nein! Vergiss ….vergiss das gleich wieder. Hast du gehört! Lass es! Das ist zu gefährlich!“
Während er sprach, zog sie sein Gesicht näher an ihren Hals: „Du hast keine andere Wahl, Luke und das weißt du auch! Ich bin im Moment die einzige die dir geben kann was du brauchst!“
Sie spürte seine Atemzüge an ihrem Hals, wie er ihren Geruch einsog, seine Lippen streiften bereits ihre Haut: „Lilly, bitte nicht…ich….ich werde.. nicht…ich hab ..keine….Kontrolle… bei ..bei dir. Bitte,…tu ..tu das nicht…du weißt nicht…was…“
Sie unterbrach ihn: „Ich habe keine Angst. Ich weiß mir wird nicht geschehen! Deine Kontrolle reicht, ich weiß es! Du hast keine andere Wahl!“
Luke zog den Kopf zurück, sah sie an: „Ich…ich ..werde…das…nicht…tun!“
Seine Augen waren bereits silbern.
„Du hast keine Wahl im Moment! Tu es!“ Lilly legte wieder den Kopf schräg, fuhr ihm durch die Haare, legte ihre Hände in sein Genick und zog sein Gesicht an ihren Hals. Seine Gier, sein Verlangen war so stark, das sie es fühlte. Er strich mit seinen Lippen an ihrem Puls entlang, legte einen Arm um ihren Oberkörper, die andere Hand in ihr Genick.
Lilly fühlte wie er zubiss, aber es tat nicht weh, es fühlte sich an, als ob sie jemand mit einen Bleistift oder Kugelschreiber in den Hals stupste. Als er begann von ihr zu trinken, fühlte sie wie es ihr durch den gesamten Körper zog. Es zog bis in ihrem Unterleib, kein Schmerz, es war fast schon erregend. Sie begann ihm durch die Haare zu fahren, je mehr er trank umso intensiver zog es in ihrem Körper. Jetzt wusste sie, warum diese Frauen im Club das freiwillig taten.
Er packte sie fester im Genick, zog sie näher an sich und sie fühlte wie ihr Körper leicht wurde. Es wurde zu viel, was er nahm, ihr wurde warm, sie wurde müder und sah plötzlich schwarze Punkte vor ihren Augen tanzen. Bevor sie sich bewusst war, das es schon zu viel war, brach ihr Kreislauf zusammen.
Ein Piepsen weckte sie, als sie die Augen aufschlug, sah sie Geräte um sich herum stehen, alles war Weis, sie brauchte einen Augenblick, bis sie merkte das sie im Krankenhaus war.
Bevor sie richtig wach war, kam eine Krankenschwester zu ihr ans Bett: „Oh hallo, endlich wach? Wie geht es ihnen?“
Lilly sah sich wohl etwas zu verwundert um, denn die Krankenschwester sagte zu ihr: „Sie sind auf der Intensivstation. Ein junger Mann hat sie hergebracht und gesagt das sie zusammengebrochen wären, es sei wohl der Kreislauf.“
Vorsichtig sah sie sich um, es war heller Tag draußen. „Der junge Mann, ist er da?“
„Nein. Er war bis jetzt immer nur abends da, er sagt er müsse tagsüber arbeiten, dafür saß er die ganze Nacht bei ihnen.“
„Was heißt bis jetzt? Wie lange bin….?“
In dem Moment kam ein Arzt ins Zimmer: „Oh hallo, wach?“
Lilly sah ihn nur an.
„Sie hat gerade gefragt was los war und wie lange sie schon hier ist. Aber da du jetzt da bist, kannst du ja alles erklären!“ sagte die Schwester zu dem Arzt und verließ das Zimmer.
Der Arzt setzte sich zu Lilly ans Bett: „Also, sie sind seit knapp einer Woche hier. Sie haben unerklärlicher Weise viel Blut verloren, etwa die Hälfte. Wir haben schon alles soweit abgeklärt, innere Blutungen haben wir mittels CT und MRT ausgeschlossen, nirgendswo haben sie eingeblutet, auch äußere Verletzungen haben wir keine gefunden. Warum sie so anämisch, also blutarm, waren, wissen wir nicht. Wir haben sie auf jeden Fall mal aufgefüllt, das heißt sie haben Blutkonserven erhalten, insgesamt fünf Stück, das müsste reichen, der Rest schafft ihr Körper alleine. Aber sie werden sich noch etwas müde fühlen, das ist aber normal.“
Er machte eine Pause: „Haben sie das soweit verstanden?“
Lilly nickte.
„Gut. Irgendwelche Krankheiten haben wir auch ausgeschlossen. Sie sind eigentlich kerngesund“
„Das heißt, ich darf bald nach Hause?“
„Nun mal langsam, sie sind gerade erst wach geworden, sie müssen schon noch etwas bleiben!“
„Aber wenn ich nichts habe kann ich doch nach Hause, da kann ich auch im Bett liegen und mich schonen!“
„Frauen! Kaum sind sie wach, wird schon diskutiert!“ er klang vergnügt: „Jetzt bleiben sie noch etwas. Haben sie zu Hause etwas um das sie sich dringend kümmern müssen?“
Außer einem wahrscheinlich Selbstmord gefährdeten Vampir, eigentlich nichts.
„Eigentlich nicht, außer meinem…“
„Wenn sie den jungen Mann meinen, der ist jede Nacht bei ihnen gewesen, dem geht es gut, außer das er sich Sorgen gemacht hat. Der wird heute Nacht..., “ er kam ein Stück näher an ihr Ohr: „zur Freude meiner Krankenschwestern, wiederkommen!“
Lilly sah ihn an, ihr Gesichtsausdruck muss mehr verraten haben, wie ihr bewusst war, denn der Arzt sagte schnell: „Also nicht das sie das jetzt falsch verstehen und er einen auf den Deckel kriegt, sie sind nur begeistert, wie höflich er ist. Die meisten die hierher kommen als Besuch, haben meist eine, wie soll ich sagen, sehr gewöhnungsbedürftige Art an sich, schon allein weil sie sich um einen Angehörigen sorgen. Ihr Freund scheint da eine Ausnahme zu sein, also nicht das er sich nicht sorgt, aber er lässt es nicht an den Schwestern aus!“
„Mmh!“
„Ich glaube ich lass sie sich jetzt ausruhen, ich werde später noch mal nach ihnen schauen!“
Damit verschwand er aus ihrem Zimmer, nun war sie alleine und die Zeit schien stehengeblieben zu sein. Es gab keine Uhr im Zimmer, so musste sie ungefähr schätzen wie spät es war und wie viel Zeit verstrich. Zum Glück hatte sie herausgefunden, dass alle viertel Stunde der Blutdruck automatisch gemessen wurde, so hatte sie wenigstens einen Anhaltspunkt. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass die Zeit nicht verging. Irgendwann schlief sie wieder ein, wurde erst wach als ihr eine Schwester das Abendessen hinstellte. Lilly sah zum Fenster, es begann dunkel zu werden.
Luke würde bald kommen, dachte sie, aber ihre Freude wurde getrübt. Das schlechte Gewissen machte sich bemerkbar, er hatte ihr gesagt das so etwas passieren würde und sie hatte ihn trotzdem ermutigt, ihn nahezu dazu gedrängt. Aber was hätte ich machen sollen, es war seine einzige Chance und außerdem hat er gesagt, dass er mich wahrscheinlich umbringen würde, hat er aber nicht, also ist doch eigentlich alles ok. Ja genau, alles ist gut, mir geht es gut, ihm wahrscheinlich auch. Das eigene Beruhigen funktionierte, zwar nicht so gut, wie wenn Luke es machen würde, aber immerhin konnte sie etwas essen.
Noch bevor die Schwestern das Abendessen abgeräumt hatten, erschien Luke in der Tür.
Sein Blick schaffte es, ihr schlechtes Gewissen wieder auf höchste Stufe zu heben.
„Es tut mir leid, ich weiß ich hätte dich nicht dazu bringen…“ weiter kam sie nicht, da saß er bereits auf ihrem Bett und küsste sie innig: „Wenn sich hier jemand entschuldigen muss dann ich!“ flüsterte er: „Es tut mir leid. Ich hätte dich fast umgebracht!“ Seine beiden Hände umfassten immer noch ihr Gesicht, hielten es dicht bei seinem.
„Aber das hast du nicht!“ flüsterte sie ebenfalls. Sie wusste nicht wie nah jemand war, nicht das sie jemand hörte.
Auf einmal fiel ihr ein warum sie das überhaupt getan hatte, vorsichtig legte sie ihre Hand auf seinen Brustkorb, strich über sein Brustbein. Sie fühlte nichts, zumindest kein Loch mehr und sie fühlte seinen Herzschlag, sah ihn überrascht an.
„Weißt du, erstens sind hier so viele Krankenschwestern und Ärzte, die dich anfassen, da wäre es fatal und zweitens, wenn da immer noch was wäre, hätte ich eindeutig Probleme.“
Lilly fing leise an zu kichern: „Stimmt, bei beiden Dingen. Hat es geholfen? Ich meine wie schnell war es ver…“ sie beendete den Satz nicht, denn in dem Moment kam die Schwester und nahm ihr Essenstablett mit.
Als sie draußen war und die Tür geschlossen hatte, sagte Luke: „Schneller als ich dachte, es hat angefangen als ich angefangen habe.“
„Was ist passiert?“
Sie flüsterten beide immer noch.
„So viel zum Thema Kontrolle. Es ist ein Unterschied ob ich mit dir schlafe oder von dir… du weißt schon. Ich hab gemerkt wie dein Herz Aussetzer hatte, konnte gerade noch aufhören und hab dich dann hierher gebracht. Ich dachte es wäre besser dich in anderes Haus zu bringen, wie da wo du arbeitest!“
Lilly lächelte ihn an, fuhr ihm über die Wange, küsste ihn sanft, seine Hände hielten sie ja immer noch.
„Ist das immer so?“ fragte sie.
„Was?“
„Das das dann so schnell heilt.“
„So schnell?“ er überlegte: „Es war bereits verheilt, als ich dich hierher gebracht habe. Nein, so schnell normalerweise nicht. Es war als ob man einem Normalbenziner Super Plus reinpumpt!“
Jetzt fing sie an zu lachen: „Super, erst bin ich Wein für dich, dann, was wars…. ach ja ne Blume und jetzt Sprit, das wird immer besser.“ Sie überlegte eine Weile: „Was meinst du damit!“
Luks sah sie an: „Nicht hier, ich erklärs dir zu Hause!“
„Das wird noch was dauern, der Doc hat gesagt er lässt mich noch nicht gehen.“
„Du hast mit dem falschen Doc gesprochen!“
„Was meinst du damit?“
„Mmh, lass den anderen herkommen, der weiß da besser Bescheid!“
„Über was?“
„Über alles, der sucht nicht noch ewig, warum du Blut verloren hast!“
„Der weiß das?“ fragte sie ungläubig. „Ist er einer von…“
„Nein, aber wir haben Verbindungen, überall hin, macht es einfacher, wenn man was vererben will, oder eigentlich tot sein sollte. Verstehst!“
Lilly nickte nur.
„Ich denke, ich werde dich spätestens morgen Abend mit nach Hause nehmen können. Obwohl ich gar nicht so sicher bin, ob ich das will!“
„Was? Warum? Ich hab doch nur….ich wollte dir doch ….es tut mir leid…du bist sauer auf mich!“
Lukes lachen erfüllte den Raum, dann flüsterte er: „Nein, das ist es alles nicht. Du riechst nur noch anders, das fremde Blut riecht merkwürdig!“
„Wieso?“
Als Antwort rückte er näher an sie, schnüffelte ihr provokant am Hals: „Bäh!“
Lilly schaute ihn entsetzte an: „Sag das nicht so angewidert!“
Wieder lachte er: „Das riechst schrecklich!“
„Luke!“ Sie zog einen Flunsch: „Du bist gemein.“
„Bin ich nicht. Es liegt ja nicht an dir. Dein Geruch wird sich wieder verstärken, wenn dein Körper das Blut aufgenommen hat, aber im Moment…!“ er flüsterte, sah aber immer noch etwas angewidert aus: „Du riechst einfach nicht nach dir!“
Noch bevor Lilly etwas erwidern konnte, kam der Arzt wieder herein: „Oh, hallo. Auch wieder da?“ fragte er an Luke gewandt. Dieser nickte nur, dann sah der Arzt Lilly an: „Wie geht es ihnen im Moment?“
„Ganz gut eigentlich. Nur müde!“
„Das ist normal, deswegen bin ich der Meinung das sie noch etwas hier bleiben sollten. Nicht auf der Intensiv aber auf Normalstation.“
„Aber ich kann doch auch zu Hause ausruhen!“
„Ja, aber hier sind sie unter Bewachung, wir sehen falls es Komplikationen geben sollte!“
„Was für Komplikationen?“ mischte Luke sich ein.
Lilly schaute ihn an, antwortete bevor der Arzt etwas sagen konnte: „Unverträglichkeiten bezüglich des fremden Blutes, obwohl das nach dieser Zeit fast ausgeschlossen werden kann, oder die Gefahr das mir wieder der Kreislauf zusammenbricht, oder irgendwo doch eine Blutung die sie nicht gefunden haben, die dafür verantwortlich ist, so was halt!“
„Stimmt!“ sagte der Arzt, sah erst Lilly dann wieder Luke an.
„Sie wird bei mir bleiben, sie ist nicht alleine!“
„Merken sie, wenn sie schläft, wie ihr Kreislauf ist?“
Lilly war sich nicht sicher, ob sie nicht in der Stimme des Arztes eine Art Sarkasmus hörte.
„Und sie meinen, dass wenn sie aus der Intensivstation draußen ist, dass die Krankenschwestern alle paar Sekunden ihren Kreislauf kontrollieren?“
Auf Grund Lukes harschem Tonfall, war sie sich sicher, das auch er den Sarkasmus gehört hatte.
Der Arzt sah ihn irritiert an, er war wohl nicht gewohnt das ihm jemand so übers Maul fuhr, wie Luke es gerade getan hatte. Unwillkürlich griente sie, sah Luke an. Dieser fixierte immer noch den Arzt, wartete förmlich darauf, dass er noch was sagen würde.
Gerade als der Arzt den Mund aufmachen wollte, wozu auch immer, ob er Luke widersprechen wollte, oder sich entschuldigen, kam ein älterer Arzt ins das Zimmer.
Er sah Luke kurz an, dann Lilly, sah auf den Monitor, griff nach ihrer Akte, blätterte sie kurz durch und sah dann seinen jüngeren Kollegen an: „Was haben wir hier?“
„Anämie unklarere Genese!“
„Gehört sie zu euch?“ fragte er Luke.
Dieser nickte nur langsam. „Nicht ganz!“
„Ich übernehme das hier!“ sagte der Ältere zu seinem jüngeren Kollegen.
Leicht angesäuert verließ dieser schließlich das Zimmer und jetzt wand sich der Arzt wieder Luke und Lilly zu: „Ihr sollt aufpassen. Ihr könnt nicht so weit gehen!“
„Ja ich weiß.“ sagte Luke fast kleinlaut.
Der Arzt kam auf sie zu, nahm ihre Hand: „Alles ok bei ihnen?“
„Nur müde!“ sagte sie wahrheitsgemäß.
„Das wird vergehen!“ er lächelte sie sanft an: „Das nächste Mal hauen sie denen eine auf die Mütze, bevor es so weit kommt!“
Lilly lächelte ihn an, nickte mit dem Kopf.
„Und wo kommt sie jetzt hin?“ fragte er wieder Luke.
„Zu mir mit nach Hause, wenn sie will. Ansonsten bleib ich bei ihr. Ich werde in ihrer Nähe bleiben!“
„Ok, aber erstmals nichts mehr von ihr!“
Luke nickte als Antwort knapp, der Arzt sah wieder erst Luke dann sie an: „Also gut, dann mach ich die Entlasspapiere, sie kann nach Hause. Ich denke es ist besser, wenn das passiert bevor die Sonne aufgeht!“ sagte er leise kichernd: „Könnte für einen von euch schmerzhaft enden!“ Damit verließ er den Raum.
Nach kurzer Zeit kam eine Schwester und begann Lilly vom Monitor abzuhängen, Luke gab ihr ihre Kleider und als sie angezogen war, kam bereits der Arzt mit einem Brief in der Hand zurück ins Zimmer. Er gab ihn ihr und sagte leise zu ihr: „Und jetzt erst mal langsam, schonen, keine schwere Arbeit, ausruhen und vor allem, Abstand zu denen!“
Dabei zeigte er mit dem Daumen über seine Schulter zu Luke, Lilly nickte, nahm ihm den Brief ab und verabschiedete sich von ihm. Bevor sie gehen konnte, sagte der Arzt: „Sie sollten in nächster Zeit Rote Beete und andere blutbildende Lebensmittel essen!“ Sie nickte als Antwort.
Luke legte ihr den Arm um die Schulter und zusammen verließen sie das Krankenhaus, sie verabschiedeten sich von den Schwestern an denen sie vorbeiliefen. Als sie den Parkplatz erreichten, schaute Lilly sich um, aber sie sah weder den BMW noch den Mercedes.
„Wie bist du hierher…?“
Er drückte sie näher an sich: „Gelaufen!“
„Und jetzt?“
„Gehen wir bis um die Ecke und dann bring ich dich heim!“
Zusammen gingen sie über den Parkplatz, Luke führte sie an einen dunklen Platz, wo sie die Hand nicht vor den Augen erkennen konnte. Lilly merkte wie Luke sie auf die Arme hob, sie konnte sich ein kichern nicht verkneifen.
„Wohin jetzt?“ fragte er.
„Wie wohin?“
„Ja, zu dir oder mir?“
Immer noch auf seinen Armen, lachte sie laut auf: „Das klingt so doof!“
Luke lachte ebenfalls auf: „Stimmt eigentlich, wenn man darüber nachdenkt. Aber trotzdem,….wohin jetzt?“
Lilly holte tief Luft: „Also gut! Zu dir!“
„Ok!“ sagte er: „Festhalten, Augen..“
„Zu, ja ich weiß!“ Sie schlang die Arme um seinen Hals, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen.
Wieder spürte sie einen Luftzug, aber diesmal dauerte es länger, bis Lilly merkte, das der Luftstrom aufhörte. Luke musste wohl stehen geblieben sein, zögerlich öffnete sie die Augen, sah wie sie bereits vor seiner Haustür standen. Sie sah ihn an, sah wie er sie anlächelte: „Heb dich mal richtig fest!“
„Wie richtig fest?“
„Leg die Arme fester um meinen Hals, damit ich die eine Hand von dir wegnehmen kann!“
Lilly tat was er sagte: „So?“
„Ja!“ Sie merkte wie Luke den Arm, den er an ihrem Rücken hatte von ihr nahm.
Lilly verspannte sich unwillkürlich: „Ich lass dich nicht fallen!“ sagte er leise.
Leise kicherte sie, sah wie er nach der Tür griff und sie öffnete.
„Willst du lieber laufen?“
Sie schüttelte den Kopf, lehnte ihn wieder an seine Schulter.
„Also gut.“ Sagte er leise kichernd: „Wohnzimmer oder Schlafzimmer?“
„Mmh, ich will glaub ich will noch fernseh schauen!“
„Du glaubst du willst?“
„Ja!“
Wieder kicherte er leise, als er sie ins Wohnzimmer trug. Dort legte er sie langsam auf die Couch, deckte sie zu: „Mal schauen wie lange du wach bleibst.“ flüsterte er.
„Wieso?“
„Nur so! Ich bin mir sicher, das du nicht so lange wach bleibst wie du denkst!“
„Mmh!“
„Hunger?“
„Nein! Ich hab doch im Krankenhaus gegessen!“
„Ja, ich hab gesehen wie viel!“
„Das reicht!“ quengelte sie.
„Sicher?“
„Jaha!“
„Also gut!“ Luke blieb neben ihr stehen.
„Mach das nicht!“ sagte sie, während sie den Fernseher anschaltete.
„Was denn!“
„Setzt dich bitte hin!“
„Warum?“
„Weil mich das irritiert, wenn du da stehst!“
„Ich weiß!“ sagte er vergnügt.
„Ach man, Luke sitzt!“
Er lachte auf, setzte sich langsam neben sie. Sofort drängte sie sich an ihn. Luke rutschte nach hinten, lehnte sich an und Lilly legte ihren Kopf auf seine Oberschenkel.
So langsam schien sich ihr Geruch wieder zu normalisieren, oder es lag daran, dass hier schon alles nach ihr roch.
Da er nicht mit redete, hielt sie keine halbe Stunde durch, bevor sie einschlief. Luke hatte damit gerechnet, daher hatte er sie nur festgehalten und geschwiegen. Jetzt wo sie schlief, drängte er sich an sie, roch an ihr.
Immer noch roch er das fremde Blut in ihr, aber er roch auch ihres! Das verwirrte ihn, vor allem, da er ihr Blut merkwürdiger weise intensiver roch. Lilly drehte sich ihm Schlaf an ihn, richtete sich plötzlich auf und sah ihn an: „Warum schlägt dein Herz?“
„Ich weiß nicht!“ gestand er: „Ich muss es nicht mehr beeinflussen.“
„Und deine Atmung?“
Er schüttelte den Kopf: „Auch nicht!“ Lilly merkte, wie dies ihn irritierte.
„Warum?“ fragte sie leise.
„Ich denke es liegt an deinem Blut. Ich sagte doch, es ist intensiver, oder so was, aber es ist anders, wie bei anderem Blut!“
„Wirklich?“
„Ja!“
„Und jetzt?“
Er zuckte mit den Schultern: „Ich weiß nicht.“ sagte er leise: „Schlaf weiter. Du sollst dich ausruhen!“
„Ausruhen heißt aber nicht schlafen!“
Jetzt lachte er: „Stimmt, aber es ist spät!“
Lilly holte tief Luft, sagte resigniert: „Also gut.“ Dann drückte sie sich wieder an ihn und nach einer kurzen Zeit, schlief sie wieder ein.
„So viel zu Thema fernseh schauen.“ Flüsterte er, lachte leise und wieder roch er ihr Blut so intensiv.
Erst nach einiger Zeit realisierte er dass er ihr Blut in sich roch. Luke hielt sein Handgelenk an seine Nase, holte tief Luft. Sofort spürte er seine Gier aufwallen, er zog seine Hand von seinem Gesicht. Sah sie wieder an und schob sie schließlich etwas von sich, stand auf und ließ sie alleine auf der Couch.
Der Geruch ihres Blutes machte ihn unruhig, nahezu nervös. Er entschied nach draußen zu gehen, ging in das alte Wohnzimmer und auf die Terrasse. Nachdem er eine Weile dort gestanden hatte, ging er langsam zum Labyrinth. Von ihm unbewusst erreichte er, nachdem er hindurch gegangen war, den kleinen See mit der alten Trauerweide. Als er näher kam, hörte er das Eichhörnchen vom dem Lilly ihm erzählt hatte. Es krabbelte wieder an dem Stamm entlang. Luke blieb in der Nähe der Weide stehen, er hörte den Herzschlag dieses kleinen Wesens. Es macht ihn verrückt, er rannte auf die Weide zu und fauchte das Eichhörnchen an. Dieses sah ihn völlig verdutzt an und verschwand dann in seiner Höhle. Zu Lukes Verwunderung, wurde aber der Herzschlag nicht schneller, was er eigentlich müsste, so wie er das Ding erschreckt hatte.
Nur langsam wurde ihm bewusst, dass es sein eigener, von ihm unkontrollierter Herzschlag war, der ihm in den Ohren dröhnte. Luke ging zu dem kleinen Holzsteg, setzte sich ganz am Ende hin und sah sein eigenes Spiegelbild im Wasser an. Er versuchte sich zu konzentrieren, versuchte verzweifelt sein Herz zum Stoppen zu bringen, er war es nicht mehr gewöhnt und es machte ihn wahnsinnig. Aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte weder seinen Herzschlag stoppen noch seine Atmung. Es schien völlig autonom zu funktionieren.
Warum, fragte er stumm sein Spiegelbild, was soll das? Wieso kann ich das nicht kontrollieren? Das kann nicht sein!
Aber sein Spiegelbild gab ihm keine Antwort, er verzehrte sich nur immer wieder, wenn der Wind die Zweige der Weide im Wasser bewegte.
Nachdem er eine Zeitlang im Schneidersitz am Ende des Steges gesessen hatte, fragte er wieder: „Was passiert hier? Was geschieht mit mir? Was soll das?“
Er sah wieder auf die Wasseroberfläche, nur diesmal zeigte sich ein anderes Bild. Das Wasser war klar, er sah wie etwas Weißes darauf herum schwamm. Erst nach einer Weile erkannte er die Schwäne, er erinnerte sich, dass früher hier immer ein Paar gewesen war, welches ihre Jungen ausgebrüteten.
„Gemeinheit!“ hörte er eine kindliche Stimme sagen.
„Was denn mein Schatz?“ Luke erkannte die Stimme seiner Mutter. Der Spiegel des Wassers zeigte ihm einen kleinen blonden Jungen der auf dem Steg saß, die Beine nach unten hängen ließ. Allerdings war er zu klein als das seine Beine das Wasser berührten. Jetzt sah Luke wie sich eine Gestalt von hinten näherte. Seine Mutter stellte sich hinter den Jungen, kniete sich langsam hin. Ihr Kleid hatte gerade noch Platz auf dem Steg, so ausladend war es. Sie legte dem Jungen ihre behandschuhten Hände auf die Schultern.
„Die lassen mich nicht!“ ertönte wieder die Stimme des Kindes.
„Was denn?“
„Anfassen!“
„Wen?“
„Die Babys! Die sehen so weich aus, aber ….aber immer wenn ich eins packen will…dann…dann kommen die Großen und wollen mich beißen! Dabei will ich doch nur streicheln!“ Tränen schwangen in der Stimme des Kindes mit.
„Ach Lukas, du kannst die nicht einfach streicheln.“ Tadelte die Mutter.
„Warum denn nicht! Ich mach doch nichts!“ Immer noch hörte er die Tränen in der Stimme.
„Aber das weiß doch die Schwanenmama nicht! Die denkt du willst ihren Babys was machen!“ beschwichtigte seine Mutter.
Der Junge verschränkte frustriert die Arme vor der Brust: „Das ist nicht nett! Was soll das! Unser See!“
Jetzt lachte die Mutter auf: „Weißt du, Mamas beschützen ihre Kinder und die weiß nicht, das du nicht vorhast ihnen etwas zu tun. Die denkt du willst sie mitnehmen!“
„Hab ich nicht vor! Hast du das vernommen Schwanenmama, will nur streicheln!“ Luke hörte in der Stimme, wie der Junge so langsam bockig wurde.
„So ist das aber, Mütter geben Acht auf ihre Kinder. Was denkst du was ich mit einem machen würde, der dich einfach mitnehmen will!“
Der Junge zuckte mit den Achseln: „Weiß nicht!“
„Den würd ich auch beißen!“
Jetzt lachte der Junge auf: „Trotzdem nicht nett!“
„Was denn?“
„Das ich nicht so darf wie ich will!“
„Weißt du, meistens bekommt man nicht das was man will. Das Leben gibt dir einfach etwas, aber es nimmt dir auch etwas und das ohne dich um Erlaubnis zu fragen. Dinge sind wie sie sind und es ist nicht immer möglich etwas zu ändern, also muss man das Beste aus dem machen, was man bekommen hat!“
Die Stimme seiner Mutter wurde immer leiser und noch bevor der Junge antworten konnte, verschwand diese Szenerie vor Lukes Augen. Nun sah er nur noch sein Spiegelbild in dem grünen, veralgten Wasser.
„Ja!“ sagte er laut: „In dem Punkt hatte sie recht. Man bekommt selten das was man will! Wenn man wenigstens wüsste was man will!“
Er saß noch eine Weile auf dem Steg, hörte dem Wasser zu, seinem eigenen Herzschlag und fragte sich immer wieder, was nun passieren würde.
Eine Antwort bekam er nicht, sein Spiegelbild schwieg. Luke spürte das er wieder zum Haus zurückkehren sollte, die Sonne würde bald aufgehen.
Nach kurzer Zeit erreichte er es, die ersten Sonnenstrahlen waren schon zu sehen. Luke merkte ihre Wärme am Rücken. Als er die Tür erreicht hatte, schloss er sie hinter sich und wurde sofort von Lillys Geruch umgeben. Er merkte nichts davon, dass die Sonne ihn gestreift hatte. Daher ging er langsam und leise zurück ins Wohnzimmer, sah zu seiner Überraschung das Lilly nicht mehr auf der Couch lag. Er ging zurück ins Foyer, fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und bereute es in dem Moment. Wieder roch er ihr Blut das durch seine Adern floss.
Was ist wenn…er überlegte, entschied das es einen Versuch wert war. Er fuhr seine Zähne aus, packte sich selbst am Handgelenk und biss zu. In dem Augenblick als seine Zähne durch seine Haut drangen, hörte sein Herz auf zu schlagen, das Blut zog sich aus dem Arm zurück, sammelte sich in der Mitte seines Körpers. „Verflucht!“ Zuerst hoffte er das sich das ändern würde, aber das tat es nicht. Auch der Versuch das Blut anzusaugen misslang. Er ließ sein Handgelenk wieder los und sah wie schnell die Bisswunde verheilte und auch in diesem Moment setzte sein Herzschlag wieder ein, pumpte ihr Blut durch seinen Körper. Das wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein, dachte er. Wenn das funktionieren würde, könnte er sich selbst ernähren. Ihr Blut immer wieder neu verbrauchen. Er konnte ja nicht an Blutmangel sterben, er könnte ihr Blut aus sich saugen und somit einen Art Recycling-Kreis aufbauen.
Während er nachdachte war er langsam auf die Treppe zugegangen, jetzt stand er an der untersten Stufe. Wieder hörte und fühlte er seinen Herzschlag und wieder machte ihn der Geruch ihres Blutes wahnsinnig. Das muss doch gehen, dachte er.
Also nahm er wieder sein Handgelenk, biss zu und sofort blieb sein Herz wieder stehen, Luke ließ ab, sah wie die Wunde heilte und merkte wie sein Herz wieder anfing zu schlagen. Schon fast verzweifelt biss er wieder zu, aber es geschah dasselbe. Daher nahm er das andere Handgelenk, biss auch hier zu aber das Ergebnis war das gleiche. Fast schon in Rage biss er immer wieder in seine Handgelenke und seine Unterarme. Das muss gehen, dachte er.
Auf einmal fühlte er Schockiertheit, Angst, Sorge. Luke sah die Treppe nach oben, sah wie Lilly an der obersten Stufe stand und ihn ansah.
Er ließ von sich ab, sah sie entschuldigend an.
„Spinnst du! Was machst du da?“ platze es aus ihr heraus.
„Wieso geht das nicht?“ fragte er verzweifelt, kniete sich auf die unterste Stufe und ließ die Arme seitlich hängen.
„Was geht nicht?“
„Das!“ fauchte er.
Lilly stand immer noch auf der obersten Stufe, kam jetzt zögerlich nach unten. Schließlich setzte sie sich auf die Stufe über der Stufe auf der Luke kniete. Sie sah die Bissspuren an seine Armen, die verheilten: „Was soll das?“
„Ich dachte…“ Luke ließ den Kopf hängen: „Ich dachte ich hätte eine Lösung gefunden… aber…aber es geht nicht!“
„Was geht nicht? Luke was ist los?“
„Dein Blut macht mich wahnsinnig!“ sagte er eine Spur zu scharf.
Lilly wich etwas vor ihm zurück, Luke spürte ihre Sorge: „Ich dachte es riecht noch gar nicht nach mir?“
Seine Stimme war sanfter als er ihr antwortete: „Nicht das, was durch deine Adern fließt, sondern das, was durch meine fließt. Ich riech es, so intensiv…so verlockend, aber ich komm nicht dran. Ich dachte es gäbe eine Möglichkeit, aber das funktioniert nicht!“
„Was, das du dich selbst beißt!“
Luke nickte langsam: „Dann wäre es….dann hätte ich…“
Jetzt sah er sie an, sah ihr in die Augen, sanft strich sie ihm über die Wangen, beugte sich etwas zu ihm: „Lilly ich muss weg!“
Sie sah ihn an.
„Nicht das es mir nicht reicht, aber ich muss weg. Ich muss irgendwie dein Blut verdünnen... mit anderem Blut mischen, sonst…sonst werd ich irre!“
„Aber wieso erst jetzt, wieso nicht schon von Anfang an?“
„Ich weiß es nicht.“ flüsterte er: „Vielleicht weil du mir jetzt so nah bist, ich auch noch deinen Geruch habe!“
„Aber du saßt doch im Krankenhaus auch neben mir!“
„Da war zu viel drum herum, zu viele andere Gerüche, aber hier, zusammen mit deiner Anwesenheit, macht es mich wahnsinnig, verstehst du. Ich muss!“
Lilly zog die Hände von ihm zurück, nickte kurz: „Ich halt dich nicht auf, aber es ist hell draußen. Du kannst jetzt nicht gehen!“
Erst jetzt erinnerte er sich wieder, dass die Sonne ihn beim Betreten des Hauses gestreift hatte. Er sah sie an, lief an ihr vorbei zu den großen Fenstern am Plateau der Treppe und zog vorsichtig den Vorhang zur Seite. Luke hörte wie Lilly scharf die Luft einsog: „Luke was ..“ Zu mehr kam sie nicht, ein Sonnenstrahl fiel auf das Plateau, Luke sah Lilly an und hob seine Hand in den Strahl.
„Luke!“
Aber zu ihrer Verwunderung geschah nichts, sie sah wie Luke die Hand in der Sonne drehte. „Siehst du das? Mein Herz schlägt autonom, meine Atmung macht es genauso. Dein Blut macht mich menschlicher wie ich es seit Jahrzehnten nicht mehr war!“
Lilly sah fassungslos auf seine Hand und sah plötzlich wie Rauch aufstieg. Luke merkte es auch, zog die Hand zurück und ließ den Vorhang zufallen. Allerdings war er zu langsam gewesen, Lilly sah wie sich die ersten Brandblasen auf seinem Handrücken abzeichneten. Zögerlich ging sie die Stufen hinauf, blieb direkt vor ihm stehen, nahm dann sanft seine Hand in ihre und sah, wie schnell die Verbrennungen verheilten.
„Ich sagte doch Super Plus für einen Benziner. Mein Körper heilt schneller wie je zuvor, dein Blut scheint sich langsamer zu zersetzten. Es fühlt sich an, als ob es keine Stunden her ist, seit ich dich…!“
Lilly stand direkt vor ihm, hatte immer noch seine Hand in ihren liegen.
„Was wenn das Blut der anderen nichts mehr bringt?“ fragte er kleinlaut und Lilly merkte wie groß seine Sorge, seine Angst wurde: „Was, wenn mein Körper nur noch deines verträgt, nur noch deines will?“
Als Antwort zuckte sie mit den Schultern, schüttelte gleichzeitig den Kopf.
„Du hättest das nicht zulassen dürfen. Ich hätte das nicht tun dürfen. Keiner von uns kannte die Konsequenzen und ich befürchte wir kennen immer noch nicht alle!“
Sie ging einen Schritt von ihm zurück, ließ seine Hand los. „Hätte ich dich sterben lassen sollen?“ fragte sie leise.
„Besser ich wie du.“ flüsterte er.
„Ich bin nicht gestorben!“ sagte sie lauter.
Jetzt sah er ihr in die Augen: „Noch nicht! Aber was wenn ich recht habe. Ein Mensch allein kann einen von uns nicht ernähren, nicht ohne dabei zu sterben!“
Sie stupste ihn mit ihrem Zeigefinger auf die Brust: „Du hattest nie recht, bei dem was du befürchtet hast! Also warum gerade jetzt!“
„Weil das Schicksal manchmal grausam sein kann!“
Anstatt einer Antwort kam sie wieder auf ihn zu, legte ihre Arme um seine Taille und drückte sich fest an ihn. Luke schlang seine Arme um ihren Oberkörper, drückte sein Gesicht in ihre Haare: „Was mach ich nur? Was soll ich tun!“ fragte er flüsternd: „Ich kann nicht riskieren dich zu verlieren!“
Auch darauf sagte sie nichts.
Sie blieben einfach nur auf dem Plateau stehen, engumschlungen, hörten dem Herzschlag des anderen zu.
Je länger sie dort standen, umso verzweifelter wurde Luke und Lilly spürte es. Es schien als ob sie momentan seine Gefühle intensiver wahrnahm wie zuvor, zumindest glaubte sie das, oder er war einfach emotionaler wie sonst. Sie spürte seine Sorge, seine Angst, seine Verzweiflung, selbst Wut und Zorn glaubte sie zu spüren. Aber er wusste es doch nicht, wie konnte er sich wieder so sicher sein. Bisher hatte er sich immer geirrt, nie war ihr etwas Schlimmes zugestoßen.
„Geh heut Abend, dann wissen wir es!“
„Was?“
„Ob du dich wieder irrst!“
Immer noch hielt er sie nah bei sich: „Ich hoffe es! Und wenn nicht?“
„Wieso machst du dir jetzt darüber Gedanken, reicht es nicht sich Gedanken zu machen, wenn wir wissen, das du diesmal recht hast!“
„Dann ist es vielleicht zu spät!“
Lilly schüttelte den Kopf: „Nein, ist es nicht!“
„Wie kannst du dir da so sicher sein?“
„Bis jetzt hatte ich doch immer Recht, oder nicht?“
Luke lachte, aber es klang nicht fröhlich und auch seine Gefühle verrieten ihr das er alles andere war wie glücklich. Sanft rempelte sie ihn an: „Ach komm schon, können wir nicht morgen überlegen was wir machen sollen?“
Er lockerte seine Umarmung etwas, sah sie an, küsste sie dann sanft auf die Stirn: „Ich wünschte ich könnte deine Zuversicht teilen!“ sagte er leise.
„Für jemanden wie dich, bist du sehr pessimistisch!“
„Wie für jemanden wie mich?“
„Jemand der nichts mehr zu befürchten hat, weil ihm keine Gefahr droht!“
Jetzt packte er sie an den Oberarmen, zog sie nah an sich: „Weißt heißt hier, nichts zu befürchten!“ flüsterte er energisch: „Die größte Gefahr, die größte Bedrohung ist es dich zu verlieren!“
Lilly lächelte ihn an, rückte näher zu ihm und küsste ihn schnell auf den Mund: „Pessimist!“
„Besser wie zu optimistisch und dann zu merken das es schief geht!“ sanft fuhr er ihr mit den Fingerknöcheln über die Wange: „Und bei dir wäre es verheerend, zu spät zu merken das es schief geht!“
Lilly stupste ihn mit ihrer Nasenspitze an: „Ach Luke…mach das nicht!“
Als Antwort holte er tief Luft, drückte sein Gesicht an ihres.
Nach kurzer Zeit begann ihr Magen zu knurren, Luke lachte leise, immer noch sein Gesicht an ihres gedrückt: „Hat da jemand Hunger?“
Lilly kicherte: „Etwas!“ quengelte sie.
„Mmh, ob ich noch was hab?“
Jetzt lachte sie lauter, lehnte sich etwas nach hinten und sah ihn an: „Irgendwas wird ma scho finden! Ich bin genügsam!“
Sanft küsste er sie auf die Nasenspitze, hob sie hoch und bevor sie sie auch nur einen Laut von sich geben konnte, stellte sie Luke in der Küche wieder auf die Füße.
„Man bist du schnell!“
Luke lachte laut auf: „Als ob du das nicht wüsstest!“
Sie stupste ihn sacht in die Flanke, schob ihn dann beiseite: „Geh mal weg, will gucken was da ist!“
Nachdem sie den Kühlschrank aufgemacht hatte, fing sie an darin rumzuräumen.
„Suchst du was Bestimmtes?“ fragte Luke nach einer Weile.
„Ich weiß ich hab Rote Beete gekauft. Bin mir ganz sicher!“
„Sicher das die im Kühlschrank steht?“
„Mmh, ich dachte schon. Hast du die woanders hin….ach ne hier ist sie!“
Lilly holte ein Glas heraus, stellte es auf die Arbeitsplatte und versuchte es zu öffnen.
„Zum Frühstück?“
„Ja, warum nicht! …Lu-uke…“
„Ja?“
„Machst du mir Rühreier?“ fragte sie quengelnd.
„Soll ich?“
„Ja-ha…bitte!“
„Also gut, weil du es bist.“
Daraufhin fing Lilly an zu lachen. Zu ihrer Verwunderung blieb Luke jedoch neben ihr stehen und sah ihr mit verschränkten Armen zu. Nach einer Weile, legte er sich die eine Hand über seinen Mund, sah ihr immer noch schweigend zu, wie sie versuchte das Glas zu öffnen.
„Kann ich dir helfen?“
„Machst du auf?“ Sie reichte ihm das Glas. Liese kichernd nahm Luke ihr das Glas ab, drehte kurz am Deckel und Lilly hörte das Knacksen, als das Glas aufging. Er drehte den Deckel ganz ab, schaute ins Glas und gab es ihr schließlich.
„Was schaust du so?“
„Das riecht irgendwie so erdig! Schmeckt das?“
„Ja, magst probieren?“
„Mmh, ich glaube nicht!“ sagte er und verzog leicht angewidert das Gesicht: „Aber die Farbe könnte erklären, warum das blutbildend sein soll!“
„Das soll es nicht sein, dass ist so. Allerdings …“
„Allerdings, was?“
Sie griente ihn an, als sie das offene Glas auf die Arbeitsplatte stellte: „Ohne Rühreier schmeckt das nicht!
Luke hob abwehrend die Hände: „Alles klar, habs verstanden. Ich mach dir!“
Er ging an ihr vorbei, holte die Pfanne aus dem Schrank, nahm die Eier aus dem Kühlschrank, stellte alles auf die Arbeitsplatte. Lilly sah ihm zu, setze sich in die Ecke auf die Arbeitsplatte.
„Und jetzt schaust du mir zu…?“
Lilly nickte: „Ja!“
Er lachte, stellte die Pfanne auf den Herd, nahm eine Schüssel und eine Gabel und begann geschickt die Eier am Schüsselrand zuöffnen und verquirlte sie mit der Gabel. Streute Salz hinein und schüttete es in die Pfanne.
„Wieso kannst du das?“
„Was?“
Sie zeigte auf die Schüssel: „Das da!“
„Oft genug zugesehen. Menschen sind faszinierend, vor allem dann wenn sie denken unbeobachtet zu sein!“
„Du weißt wie man das nennt?“
„Was?“
„Was du machst. Menschen beobachten ohne das sie es wissen!“
„Du kannst nur gut beobachten, wenn derjenige es nicht weiß!“
„Spanner!“ sagte sie vergnügt kichernd.
„Hey, Spanner haben andere Hintergründe! Ich mach es, um wieder zu lernen!“
„Was lernen?“
„Wie Menschen sich verhalten! Nicht so einfach wie man denkt, wenn man es nicht mehr muss!“
„Du meinst, wie sie sich verhalten?“
„Ja! Wenn man sich nicht bewegt oder verhält wie sie, werden sie misstrauisch.“
„Nicht gut, oder?“
„Zumindest früher nicht! Heutzutage geht es!“
„Brauchst du kein Vertrauen mehr?“
„Doch…!“ sagte er, rührte in der Pfanne: „…aber früher war es anders.“
„Inwiefern?“
„So wie du gesagt hast, Frauen waren früher anders. Nicht so vertrauensselig, nicht so einfach, ja… abgeschleppt, klingt merkwürdig, aber ranzukommen. Heute gibt es diese Clubs, oder du kommst einfacher an sie ran. Sie gehen ehern mit!“
„Wohin?“
„In dunkle Ecken!“ flüsterte er beschwörend, kam näher zu ihr und küsste ihr sanft auf die Stirn.
„So, in dunkle Ecken?“
„Ja, aber früher war das komplizierter.“
„Frauen gingen nicht so einfach mit einem mit?“
„Nein, man wurde entweder verheiratet, Mädchen hatten ihre Gouvernanten, und später, wo die Frauen selbstständiger sein durften, waren sie so erzogen, dass man ihnen nach Monaten den Hof machen, mit Erlaubnis des Vaters, nur einen Handkuss geben durfte. Geschweige denn mit einem fremden Mann irgendwohin gehen. Heute gehen Frauen sehr schnell und bereitwillig mit einem mit.“
„Gut für dich und deinesgleichen!“
„Nicht unbedingt!“
„Wieso?“
Bevor er antwortete, nahm er einen Teller, machte ihr etwas von den Rühreiern darauf und hielt ihr den Teller hin. Lilly sah ihn an: „Rote Beete.“ Wieder dieser quengelnde Unterton.
Er stellte den Teller wieder ab, nahm das Glas mit der Roten Beete und sah sie an: „Mit dieser Soße oder ohne?“
„Gabel nehmen, rauslöffeln!“ sie griente ihn an.
„Mit der Gabel löffeln?“
Lilly lachte auf: „Du weißt was ich mein.“
„Weiß ich das?“
„Luki!“
Jetzt lachte er schallend: „Das wird ja immer besser hier.“
Er nahm die Gabel und holte ein paar der roten Scheiben heraus, legte sie vorsichtig auf den Teller, dann hielt er ihn ihr wieder vor die Nase.
Lilly sprang von der Arbeitsplatte, nahm ihm den Teller ab: „Danke!“ Damit ging sie ins Wohnzimmer, blieb vor der Couch stehen und sah ihn an: „Was ist denn?“
„Kann ich mich auf die Couch setzten?“
„Warum nicht?“
„Wenn mir was runterfällt macht das Flecken, die nie mehr rausgehen!“
Bevor er ihr antwortete, stand er vor ihr und stellte ihr das Tablett mit den Beinen vor die Couchen: „Da kannst du es draufstellen, das Tablett kann man abwaschen!“
„Ok!“
Sie setzte sich und begann zu essen, Luke begann die Pfanne abzuwaschen, wollte gerade das Glas Rote Beete zumachen, als ihm ein Teil des Saftes auf der Arbeitsplatte auffiel. Er hatte wohl beim Rausholen etwas verschüttet. Fast schon gebannt sah er auf den roten Saft der langsam auf der Arbeitsplatte trocknete.
Die Ähnlichkeit zu dem, was es bilden soll, war unwahrscheinlich intensiv. Wenn es auch noch danach schmeckte und den gleichen Zweck erfüllen würde, würde er sich das Zeug Literweise einflößen. Aber selbst am Geruch merkte er, dass das nur Wunschdenken war. Luke nahm einen Lappen und wischte es weg. Den Teil der schon angetrocknet war, musste er etwas fester putzen. Er schraubte das Glas zu und stellte es in den Kühlschrank.
Dann kam er zu ihr zur Couch, setzte sich langsam darauf und sah ihr zu. Nach einer Weile sah sie ihn an, sagte kauend: „Willscht du auch wasch. Ach vergisch esch.“
„Du weißt doch, dass ich das nicht brauche!“
„Aber du kannst!“
„Warum sollte ich, wenn ich nicht muss. Tust du Dinge die du nicht musst?“
„Ich tue viel, was ich nicht muss!“
„So, was denn?“
„Bei dir sein, zum Beispiel!“
„So, musst du nicht?“
„Nein!“
„Da hast du es besser wie ich!“
„Wieso?“ fragte Lilly und schob sich eine weitere Gabel voll Essen in den Mund
„Weil ich bei dir sein muss!“
„Ach du musst, mmh und ich dachte du magst mich!“ sagte sie gespielt jammernd.
„Lilly! Du weißt wie ich das meine. Ach komm schon, mein Schatz.“
Sie rempelte ihn sanft an: „So und jetzt schleimen!“
„Lilliana, lass das!“ sagte er zärtlich.
Sie griente ihn nur an, steckte sich die nächste Gabel in den Mund, schielte ihn an und kicherte dann leise.
Luke wedelte mit seinem Zeigefinger vor ihrer Nase: „Ganz schön frech, die Kleine!“
Spielerisch versuchte sie ihm wieder in den Finger zu beißen.
„Hey! Nicht beißen!“
Lilly sah ihn an, konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
„Schon kapiert, ich merks mir!“
Lilly merkte wie seine Schuldgefühle aufwallten. Diesmal stieß sie ihn mit ihrem gesamten Körper an: „Ach komm schon, war so nicht gemeint!“
„Mmh.“ machte Luke nur.
Wieder stieß sie ihn an.
„Shit!“ fluchte sie.
„Was denn!“
„Jetzt hab ich mich verkleckert!“
Luke sah zu ihr herüber, sah wie sie sich mit den Fingern auf Brusthöhe über ihr T-Shirt rieb.
„Gibt Flecken!“ sagte er vergnügt zu ihr.
„Ja ich weiß!“ Luke sah sie genauer an, ein kleiner Tropfen des Rote Beetes Saftes lief ihr an der Kehle entlang. Allein das zu sehen, jagte ihm ein Schaudern durch den Körper.
Und zusammen mit dem Geruch ihres Blutes in seinem Körper, wurde es fast zu viel.
Lilly merkte wie er neben ihr hochschreckte, aufstand und in die Küche ging. Obwohl es nach ihrem Empfinden mehr nach Flucht aussah. Verwirrt sah sie ihm hinterher, merkte das sich an seinen Gefühlen etwas verändert hatte.
„Was ist los?“ fragte sie während sie sich über den Hals fuhr und die rote Beete wegwischte.
„Nichts! Alles ok.“
„Wirklich?“ Luke fühlte ihre Unsicherheit.
„Ja, versprochen! Alles ok!“
„Warum bist du weg?“ Lilly stellte das Tablett etwas weg, stand auf und ging langsam zu ihm in die Küche.
Sofort merkte sie, wie er zurückwich. Seine Sorge wurde mehr: „Luke was ist denn?“
Jetzt machte sie sich ebenfalls Sorgen, sollte sie vielleicht von ihm wegbleiben?
Lilly blieb stehen: „Alles ok, wirklich?“
Zu ihrer Verwunderung kam Luke näher zu ihr, legte beide Arme um sie, drückte sie sich an die Brust und küsste sie zärtlich: „Versprochen! Es ist alles ok!“
„Aber du musst weg!“
„Ich glaube es wäre besser, wenn ich heut Abend gehe, wie gesagt nur zur Vorsicht!“
„Um meinen Geruch loszuwerden!“
„Nur dein Blut vermischen!“
Lilly lehnte sich etwas von ihm zurück: „Wann kommst du zurück?“
„Ich bin nicht solange weg, ein paar Stunden, mehr nicht!“
Als Antwort nickte sie nur, sah wieder an sich herab: „Ich geh mich umziehen und vielleicht Duschen, ok?“
„Da musst du nicht fragen, das weißt du doch!“
Als Antwort zuckte sie zuerst mit den Schultern, sagte dann: „Bin halt gut erzogen!“
Luke lachte, streichelte ihr wieder über die Wangen: „Das heißt, du frägst mich jedes Mal wenn du hier was tun willst?....Wird schwierig, vor allem dann wenn ich nicht da bin!“
Zögerlich küsste sie ihn: „Gut, bin weg!“
„Duschen, hoff doch, oder hast du vor weiter…“
Wieder küsste sie ihn: „Mmh, vielleicht?“
Leise kichernd machte sie sich von ihm los, ging aus dem Zimmer. Luke roch wie sie sich etwas von ihm entfernte.
Lilly lief die Treppe nach oben, erreichte das Schlafzimmer, zog sich aus und tapste barfüßig ins Bad. Dort machte sie den Vorhang auf, sah dass die Sonne hinter dicken Wolken verborgen war. Dann stellte sie sich unter die Dusche, drehte das Wasser auf und blieb eine Weile einfach darunter stehen. Schließlich begann sie sich einzuseifen, hielt plötzlich inne. Irgendwie hatte sie das Gefühl, das sie jemand beobachtet, sie hörte auf, machte die Glastür auf, ging einen Schritt nach draußen und sah sich um. Wieder beschlich sie ein merkwürdiges Gefühl, auf einmal hörte sie etwas. Angst durchströmte sie: „Luke, bist du das?“ Als sie keine Antwort bekam, zog sie sich unter den Wasserstrahl zurück. Sie war sich sicher, dass Luke bemerken würde, wenn sich jemand Unbefugtes in dem Haus aufhielt und das würde er nicht dulden.
Plötzlich merkte sie wie die Badezimmertür aufgestoßen wurde, Luke stand auf einmal vor der Duschkabine: „Alles ok?“
Sie merkte, das er besorgt war: „Ja!“ Lilly fragte sich, ob sie wohl so unsicher klang wie sie sich fühlte.
„Lilly?“
Ihr fiel ein, das sie nicht unsicher klingen musste, er fühlte es ja.
„Was ist?“
Sie drehte das Wasser ab, nahm das Handtuch, umwickelte sich damit und trat unter der Dusche hervor. Als sie vor ihm stand, legte er beide Arme um sie: „Sag mir endlich was los ist!“
„Ich dachte nur das…ich hatte das Gefühl…das ..das mich jemand beobachtet, das ich…irgendwas…gehört habe. Ich…ich dachte du warst das!“
„Nein ich war unten. Ich bin nur hierher, weil ich deine Angst gemerkt habe!“
Zögerlich schüttelte sie den Kopf: „Vielleicht hab ich mich getäuscht.“
„Sicher? Nur getäuscht?“
„Du würdest doch merken, wenn hier jemand gewesen ist oder gewesen wäre, oder?“
„Eigentlich schon!“
„Eigentlich?“
„Ich würde es merken!“
„Also, war hier jemand?“
Sie merkte wie Luke die Luft einsog: „Außer dir, war hier niemand!“
„Also, doch getäuscht!“
Luke sah an ihr vorbei zum Fenster: „Tu das bitte nicht!“
„Was?“
„Mach niemals tagsüber die Vorhänge auf!“
„Aber…?“
„Was wenn wirklich was wäre, wenn die Sonne scheinen würde, könnte ich dir nicht helfen, lass bitte die Vorhänge zu!“
„Aber es scheint keine Sonne, es ist bewölkt!“
„Das kann sich ändern, was wenn die Wolkendecke aufreißt und hier alles mit Sonne geflutet ist, Lilly bitte!“
„Aber du würdest denjenigen doch merken, bevor er hier hoch kommen würde!“
Er drückte sie näher an sich, flüsterte: „Bitte lass sie zu!“
Bevor sie antwortet holte sie tief Luft: „Aber dann muss ich das Licht anmachen und das ist unnötig, wenn es hell draußen ist!“
„Unnötig ist es, wenn dir was passieren würde!“
„Wieso hab ich das Gefühl du weißt mehr wie du mir sagst!“
Sanft lächelte er sie an: „Es ist alles ok, aber lass die …“
„Vorhänge zu!“ sagte sie resigniert.
„Ich weiß es gefällt dir nicht, aber bitte hör auf mich!“ zärtlich strich er ihr über die Wangen, dann über die Oberarme: „Ich will dich doch schützen!“
„Ja!“ sagte sie widerstandslos.
„Oh bitte, kling nicht so ergeben! Wenn man dich hört könnte man denken…“
„Was?“
„Du hast hier nichts zu sagen, oder bist mir unterwürfig, das ist furchtbar!“
Lilly lachte, lehnte sich an ihn: „Ja, ich weiß! Aber es….“
„Was?“
„Vergiss es!“
„Nein! Was?“ Er klang aufgebracht.
„Ich bin dir unterlegen!“
„Unterlegen ja, unterwürfig nein! Das ist ein großer Unterschied!“
„Ja ich weiß!“
„Also..?“
„Also was?“
„Bitte hör auf mich, ja!“
Als Antwort grinste sie ihn an, sie nickte: „Ok.“
„Schon wieder so unterwürfig!“
„Ich hör auf dich, wie soll ich das denn anders sagen!“ Diesmal klang sie leicht, ja schon fast aufsässig.
„So wie grad!“ sagte er und Lilly merkte wie er darüber irgendwie glücklicher wirkte. „Sonst hast du auch immer ne große Klappe!“
Lilly riss die Augen auf, stieß ihn ein Stück weg und sagte wieder mit dieser kindlichen Stimme: „Stimmt doch gar nicht.“ Dann zog sie einen Flunsch, verschränkte die Arme vor der Brust und ging an ihm vorbei ins Schlafzimmer.
Sie stand in der Mitte des Raumes, als sie Lukes Lachen hörte: „Genau das mein ich!“
„Lalalalala…ich hör dich gar nicht!“ sagte Lilly immer noch mit der quäkigen Stimme.
Noch bevor sie realisierte was geschah, lag sie schon rücklings auf dem Bett, Luke auf den Armen abgestützte über ihr.
Mit beiden Händen schlug sie ihm auf die Brust: „Boah, bist du gemein, einfach von hinten über mich herfallen.“ Obwohl sie versuchte ernst zu klingen, konnte Luke weder ihr kichernd in der Stimme überhören, noch ihre Gefühle ignorieren.
„Jetzt tu noch so, als ob du was dagegen hättest!“ sagte er kichernd.
„Jaaa! Hab ich was!“
„Stimmt doch gar nicht!“
Jetzt lachte Lilly laut auf: „Ach manno, lass das. Jetzt will ich dir mal absichtlich ein schlechtes Gewissen machen und nun klappt das nicht mal!“
„Du machst mir immer mit Absicht ein schlechtes Gewissen!“ konterte er.
„Nein! Mach ich nicht! Das ist dein schlechtes Gewissen, nicht meins!“
Anstatt einer Antwort küsste er sie innig. Nach einer Weile versuchte sie ihn etwas wegzudrücken, kaum merkte er es, ließ er sich es zu. Ihre Lippen hatten sich kaum getrennt, als sie nach Luft schnappte. Erst jetzt merkte auch er, wie ihm selbst die Luft fehlte. Er hatte fast vergessen, dass er auch atmete. Auch wenn er sich sicher war, das er es nicht brauchte. Aber es lief immer noch autonom.
Lilly fing an zu kichern: „Was ist?“
„Wieso?“
„Du schaust zu merkwürdig!“
„Es ist einfach nur ungewohnt, dass ich atmen muss!“
„Wieso muss!“
„Ich sagte doch, es läuft autonom!“
„Aber wieso musst du, du brauchst nicht atmen!“
„Aber ich habe das Gefühl ich muss!“
„Heißt das du kannst nichts steuern?“
Luke merkte wie sich etwas in ihren Gefühlen änderte, er fühlte wie sie sich amüsierte, sich förmlich freute.
„Was?“ fragte er hörbar irritiert.
„Du kannst nichts Körperliches steuern?“ fragte sie und Luke sah wie sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht bemerkbar machte. Noch bevor er wirklich realisierte, was sie damit meinte, zog sie ihm das Hemd aus der Hose.
Luke schnappte nach Luft, zog sich von ihr zurück, kniete auf dem Bett vor ihr: „Nein nein nein nein, lass das schön bleiben!“ sagte er amüsiert.
Lilly grinste noch breiter: „Als ob du was dagegen machen könntest!“ Dabei richtete sie sich auf, griff nach ihm und begann sein Hemd aufzuknöpfen.
Diesmal wich er ihr nicht aus, als sie ihm über den nackten Brustkorb strich, sie fühlte wie seine Gefühle vollkommen durcheinander gerieten. Gier, Erregung, gemischt mit Sorge und Angst, aber auch Vergnügen merkte sie. Sie fing an zu kichern, rutschte noch näher zu ihm. Schließlich saß sie direkt vor ihm, Luke kniete zwischen ihren Oberschenkeln, sie legte ihre Arme um ihn, ihre Hände in sein Genick und flüsterte kichernd: „Du kannst nichts dagegen machen!“
„Ich könnte einfach weg!“ raunte er leise.
„Dann geh doch!“ flüsterte sie immer noch.
Luke schnappte nach Luft, sagte amüsiert: „Als ob du nicht wüsstest, dass ich das nicht kann!“
Jetzt lachte Lilly auf: „Ich weiß!“
„Du bist grausam!“ Wieder strich sie ihm über die Brust, über seinen Bauch, sie sah wie sich seine Bauchmuskeln zusammenzogen.
„Hab dich!“ kicherte sie wieder. Luke legte die Hände vor sein Gesicht, legte den Kopf in den Nacken: „Oh bitte!“ Lilly fühlte wie hin und her gerissen er war, aber sie fühlte wie seine Erregung langsam intensiver und seine Sorge weniger wurde.
„Worüber machst du dir Sorgen?“ fragte sie.
„Wie du gesagt hast, keine Kontrolle und ich bin dir überlegen, ich habe mehr Kraft wie du und …!“
„Du hast mir die letzten Male auch nichts getan, warum sollte es heute so sein?“
„Mehr Kontrolle!“
Lilly lachte, packte ihm am Kragen und zog ihn zu sich, drückte ihn seitlich auf das Bett. Schließlich drehte sie Luke auf den Rücken und setzte sich auf seine Hüfte. Wieder nahm sie seine Hände, drückte sie über seinem Kopf auf das Bett. Erst jetzt viel ihr auf, das kein Loch mehr in der Matratze war: „Mmh, neu?“
„Was?“
„Die Matratze!“
„Ja!“
„Ok!“
„Warum, willst du sie kaputt machen?“
„Ich hab überhaupt nichts kaputt gemacht, sondern du!“ Sagte sie amüsiert, drückte ihm die Hände fester auf die Matratze.
„Wenn ich sage, die bleiben da, bleiben die dann auch da?“
Luke sah sie an: „Ich weiß nicht!“ gestand er.
„Mmh!“ Lilly setzte sich wieder aufrecht hin, sah sich um. Schließlich öffnete sie seinen Gürtel, zog ihn aus den Schlaufen und spannte ihn.
„Ich glaube nicht das das reicht!“ sagte er kichernd.
„Woher willst du wissen, was ich damit vorhabe!“
„Irgendwie kann ich es mir denken!“
„Und du meinst das reicht nicht, der ist aus Leder?“
„Der reicht bestimmt nicht! Ich hab mehr Kraft wie du dir vorstellen kannst!“
Lilly kicherte, nahm den Gürtel doppelt und ließ ihn laut schnalzen, als sie ihn mit Ruck auseinanderzog.
Zu ihrer Überraschung zuckte Luke erst zusammen und fing dann an zu lachen: „Ey mach das nicht!“
„Warum denn?“
Anstatt einer Antwort lachte er wieder nur.
Sie ließ den Gürtel seitlich vom Bett fallen, beugte sich über ihn und küsste ihn erneut. Es dauerte nicht lange, bis er beide Arme um sie legte und fest an sich zog. Lilly drückte sich mit den Händen von seinem Brustkorb ab: „Hey! Wo sollen die Hände hin?“
Luke kicherte, legte die Hände über seinem Kopf auf die Matratze: „Das wird so nicht funktionieren!“
„Wieso?“ fragte sie scheinheilig.
„Du weißt genau wieso, frag doch nicht!“
Lautes Gekicher war ihre Antwort, bevor sie sagte: „Achso! Ich weiß das?“
„Ja!“ Wieder griff er ihr an die Taille und zog sie näher zu sich herab. Nur halbherzig versuchte sie sich zu wehren, aber schließlich beugte sie sich herab und drückte sich an ihn. Wieder küssten sie sich, Lilly merkte wie seine Gefühle sie fluteten und wie nicht anders zu erwarten war, verstärkten sich ihre Gefühle gegenseitig ins nahezu Unermessliche und ins Unkontrollierbare.
Als Lilly wach wurde, räkelte sie sich langsam. Sie drehte sich herum und bemerkte, dass sie alleine war. Sie zog die Decke beiseite, sah an sich herab. Nirgends sah sie blaue Flecke oder andere Verletzungen. Sie holte probeweise tief Luft, kein Stechen an den Rippen, er schien auch nicht angeknackst oder gar gebrochen zu haben. Langsam stand sie auf, ging zum Fenster und zog langsam die Vorhänge beiseite, es war stockdunkel. Deswegen war er nicht da. Sie sah eine Weile nach draußen und wieder mal beschlich sie das Gefühl, das sie jemand beobachtet. Schnell zog sie den Vorhang wieder zu, legte sich ins Bett und deckte sich bis zur Nasenspitze zu. Ein Gefühl der Angst beschlich sie, aber sie schaffte es zu regulieren. Lilly wollte nicht das Luke es merkte, vielleicht sogar ehern zurückkommen und eventuell nicht genug bekommen würde. Daher versuchte sie sich abzulenken, sie ließ die vergangenen Stunden Revue passieren. Sie hoffte dadurch ihre Gefühle zu steuern und es schien ihr zu gelingen. Die Gefühle, selbst wenn es seine gewesen waren, durchfluteten sie.
Trotzdem konnte sie nicht anders, als intensiv zu lauschen. Sie hörte das Ächzen und Knarren des Hauses, ein Aufheulen und leises Wimmern, sie verkroch sie etwas weiter unter der Decke, irgendwie machte ihr das Haus Angst, vor allem da sie sich sicher war, alleine zu sein.
Auf einmal hörte sie etwas knallen, sie zog die Decke etwas nach unten, suchte den Lichtschalter der Nachttischlampe und machte sie an. Wieder lauschte sie und wieder vernahm sie den Knall der irgendwie vom Inneren des Hauses kommen musste. Ihre Angst wurde etwas größer, trotzdem schlug sie die Decke beiseite, stand zögerlich auf, zog sich ein Hemd von ihm an und ging im Zimmer umher um etwas zu suchen, das sie als Waffe verwenden konnte. Schließlich entdeckte sie neben der Kommode, die zwischen der Badezimmertür und seinem begehbaren Kleiderschrank stand, ein Kaminbesteck. Sie ging darauf zu und nahm den über hüfthohen Schürhaken. Als sie ihn in der Hand hatte, merkte sie wie schwer dieses Ding war. Sie griff fester zu, schwang ihn wie einen Baseballschläger und schlich dann leise, den Schürhaken erhoben, zur Tür. Leise öffnete sie diese, schlich in den dunklen Flur. Wieder hörte sie es knallen. Durchsuchte da jemand was? Sie ging die Treppe nach unten, auf der anderen Seite wieder nach oben, immer noch hatte sie den Schürhaken in der Hand. Sie stand in dem anderen Flur. Hier war sie noch nie gewesen, hier waren die Zimmer von seiner Familie und eigentlich wollte sie sich fernhalten, aber wieder hörte sie dieses Knallen. Wenn da wirklich jemand ist, dann kann der was erleben, schwor sie sich. Auch wenn es nur darum ging ihre Angst in Wut zu wandeln und sie hatte Angst. Sie ging auf Zehenspitzen weiter, ging den Flur entlang. Wieder der Knall, er kam eindeutig aus dem vierten Raum. Leise schlich sie weiter, hob den Schürhaken weiter an, erhob ihn über ihre Kopf und ging weiter. Als sie vor der Tür stand, hörte sie wieder diesen Knall, obwohl er jetzt leiser schien. Lilly blieb vor der Tür stehen, lauschte. Plötzlich schwang die Tür auf, Lilly sprang ein Stück zurück, schlug mit dem Schürhaken zu und traf nur Luft.
Da war niemand in dem Zimmer, sie blieb in der offenen Tür stehen, sah in den dunklen Raum: Das Fenster war offen, der Vorhang schwang immer wieder auf, streifte eine Standpuppe, aber ohne Kopf, ohne Arme und nur der Oberkörper war abgebildet, eine Art Schaufensterpuppe oder ähnliches, die in der Ecke neben dem Fenster stand. Durch den Vorhang wurde die Standpuppe immer wieder leicht zur Seite gedrückt und wenn der Vorhang wieder zurückschwang, stellte sie die mannshohe Puppe wieder auf ihren hölzernen Standfuß. Das, so merkte sie, verursachte den immer wiederkehrenden Knall, den sie gehört hatte. Erleichtert stellte sie den Schürhaken an den Türrahmen. Sie stand immer noch in der Tür, sah sie im trüben Licht des Mondes weiter um: Ein großen Bett, dem seinem ähnlich, stand rechst von ihr an der Wand des Zimmers. Es war aus dunklem Holz, hatte einen hohen Himmel, der im Gegensatz zu seinem mit dunklem Stoff behängt war. An der, von ihrer Position, linken Wand, stand eine Kommode mit einem Spiegel darauf, sie war ganz weiß und sie sah die feinen Verschnörkelungen. Auf der Kommode lag eine große Bürste, als sie genauer hinsah, bemerkte sie das die Bürste aus Silber war, dichte dunkle Borsten, daneben lag ein ebenfalls silberner Handspiegel. Lilly wich sofort zurück, sie wusste das es nur das Zimmer seiner Mutter sein konnte, sie wollte nicht, dass sich ihr Geruch in diesem Zimmer ausbreitete. Sie wollte gerade die Tür wieder schließen, als sie im Augenwinkel sah, wie der Vorhang weiter aufschwang und etwas von der Kommode warf. Ohne zu überlegen rannte sie darauf und fing es gerade noch ab, bevor es auf den Boden fallen konnte. Wie angewurzelt blieb sie stehen, oh Gott ich bin in dem Zimmer, dachte sie erschrocken. Mein Geruch wird sich verteilen, ihren überdecken. Eigentlich wollte sie schnell hinaus, aber irgendwie hielt sie das, was sie in der Hand hatte, davon ab. Es bannte sie förmlich, sie sah es sich genauer an, eine Art Ei, rot mit Gold verziert. Vorsichtig wog sie es ab, merkte wie schwer es war.
„Ein Faberge´ Ei!“
Lilly schrie auf, ließ schockiert das Ei fallen und schlug ihre Hände vor den Mund: „Oh Gott! Luke hast du mich erschreckt!“
Jetzt sah sie nach unten, entsetzt sah sie wie das Ei in der Mitte herum eine Riss hatte: „Oh nein!“ Sie war den Tränen nahe: „Ich habs kaputt gemacht!“
Luke bückte sich, hob es hoch, drehte es in der Hand: „Alles ok?“ fragte er sanft.
„Ich habs kaputt gemacht und ich …ich sollte nicht hier rein, aber sonst wäre es herunter gefallen und dann kaputt gegangen!“ immer noch schwangen Tränen in ihrer Stimme mit: „Und jetzt, ist es doch kaputt!“
Wieder sah er das Ei an, drehte es nochmals: „Nein, ist es nicht!“
„Aber…aber..!“ Lilly sah sich um, merkte das sie immer noch im Zimmer stand, schnell ging sie an ihm vorbei, lief bis zur Treppe, als ihn seine Stimme anhalten ließ: „Was hattest du damit vor?“
Lilly drehte sich herum, sah wie er den Schürhaken in der Hand abwog.
„Ich dachte da wäre jemand und dem wollte ich…“
„Das Ding über die Rübe ziehen?“ Dabei hielt er ihr den Schürhaken mit der Spitze an die Nase.
Lilly nickte zögerlich, dann schneller: „Ja!“
Als Antwort lachte er laut auf: „Das Ding kann einem dem Schädel spalten, wenn du richtig zuschlägst und triffst!“
„Hier hat auch niemand was zu suchen!“
„Revierverteidigung?“ fragte er kichernd.
„Vielleicht?“
„Wo hast du den her?“
„Aus dem Schlafzimmer!“
„Bewaffnet vom ersten Augenblick!“
„Ja, und was ist jetzt damit?“ Sie zeigte auf das Ei, welches immer noch in seiner Hand lag.
„Nichts! Warum was soll damit sein?“
„Es ist kaputt!“
„Nein! Hier halt mal, ich bring das hier zurück!“ Dabei hielt er den Schürhaken hoch. In dem Moment als sie ihm das Faberge´ Ei abnahm, merkte sie einen Luftstrom und bevor sie richtig wusste, das es Luke war, stand dieser bereits wieder vor ihr, streckte seine Hand nach dem Schmuckei aus. Vorsichtig legte sie es ihm in die Hand und sah wieder den Spalt der sich um die Waagrechte des Eies lief, augenblicklich flutete ihr schlechtes Gewissen sie.
„Hey, das musst du nicht!“
„Was denn?“
„Ein schlechtes Gewissen haben!“
Sie lächelte verlegen: „Ist es nicht kaputt?“
„Nein! Komm mit ich zeig dir was!“
Luke reichte ihr die andere Hand, führte sie ins Wohnzimmer. Dort führte er sie zur Couch, setze sich vor sie auf den Boden und Lilly sah, wie er das Ei auf den Tisch legte. Luke nahm den Ständer des Eies, drehte ihn in der Mitte auseinander und hatte jetzt zwei identisch aussehende Teile. Ein Metallstab an dessen Ende eine flache, runde Platte war.
Ein Teil stellte er mit der Metallplatte wieder auf den Tisch, steckte das Ei darauf und schob es ein Stück auf den Stab. Lilly sah, wie der Spalt des Eies größer wurde, sich die untere Hälfte von der oberen ganz löste und sich einige Zentimeter Abstand zeigte. Lilly erkannte eine Art Karussell, kleine Pferdchen an Stäben, ca. 10 cm hoch. Luke drehte es herum, es sah so aus, als ob er etwas suchte. Dann hatte er es wohl gefunden, er nahm die andere Hälfte des Ständers, Lilly sah wie er die runde Metallplatte zusammenklappte, so dass es ein Halbkreis wurde. Es sah aus wie eine Art Schlüssel, Luke steckte den Schlüssel zwischen zwei der Karussellpferdchen, drehte ihn ein paar Mal. Dann hörte er auf, zog den Schlüssel heraus, klappte den Halbkreis wieder auf und steckte die Metallspitze in die obere Spitze und schob es ganz hinein, so tief, dass die Metallplatte auf dem Ei auflag. Sofort sah Lilly wie sich die Pferdchen anfingen zu drehen, eine schöne aber irgendwie traurige Musik erklang. Luke sah wie gebannt auf diese Spieluhr, schaute fasziniert dem Drehen der kleinen Pferde zu. Sofort merkte sie widersprüchliche Gefühle von ihm: Trauer aber auch Freude. Und auch Lilly konnte sich weder der hellen Musik, noch dem Drehen der Pferde entziehen.
„Das klingt traurig!“ sagte sie.
„Kommt darauf an.“
„Auf was?“
„Wie du dich fühlst!“
„Was meinst du damit?“
Luke sah sie an, zuckte mit den Schultern, Lilly konnte nicht wiederstehen, rutschte neben ihn auf den Boden, lehnte sich an ihn.
„Mein Vater hat es meiner Mutter aus Russland herbringen lassen. Diese Eier wurden vom letzten Zar seiner Frau geschenkt. Umso verzierter umso teurer umso besser, als Zeichen seiner Liebe. Mein Vater hat es meiner Mutter zur Verlobung geschenkt. Manchmal, wenn mein Vater nicht da war, saß meine Mutter manchmal stundenlang vor dieser Spieluhr. Man konnte im ganzen Haus diese Musik hören, teilweise die ganze Nacht. Manchmal wurde ich davon wach, ging zu ihr in das Wohnzimmer und legte mich an ihre Füße auf den Recamier, sah ihr und der Spieluhr zu, bis ich wieder einschlief!“
Lilly drückte sich näher an ihn, sie merkte das Vermissen, was ihn durchströmte.
„Ich habe schon vergessen gehabt, dass es nicht nur zum Anschauen ist, sondern sich mehr dahinter verbirgt! Ich hätte mich wahrscheinlich gar nicht mehr erinnert, wenn es dir nicht herunter gefallen wäre!“ Er drehte sein Gesicht zu ihr, küsste sie sanft auf die Haare.
„So traurig.“ Stellte sie fest.
„Nur wenn du es schon bist!“
„Mmh, was meinst du damit?“
„Es ist eine Musik, die je nachdem was du fühlst, diese Gefühl verstärkt. Bist du traurig, macht es dich trauriger, bist du aber fröhlich, glücklich ist diese Musik schön, sie macht dich..“
„Glücklicher?“
„Ja!“
„Nur das?“
„Warum?“
„Nur so?“
„Ich weiß nicht mehr, ich kann mir nur an intensive Gefühle erinnern!“
„Mmh!“
Wieder hatte Lilly das Gefühl beobachtet zu werden, sie drehte sich herum, sah sich um, konnte aber wieder nichts ausmachen.
„Was ist?“ Luke drehte seinen Kopf und sah in dieselbe Richtung wie sie.
„Wieder dieses Gefühl als ob…!“
„Da ist niemand, Lilly, wirklich nicht!“
„Aber ich bin mir sicher!“
„Jetzt bist du dir sicher?“
Sie nickte, sah nach vorne und sah wie die Spieluhr fertig war, sie stand still. Luke stand auf, ging im Raum umher, sah aus den Fenstern: „Da ist nichts! Außer dir und mir ist hier nichts!“
„Doch!“ diesmal war sie sich sicher, sie hatte es gemerkt: „Ich merk das doch!“
Wütend stand sie auf: „Du glaubst mir nicht!“ fuhr sie ihn an.
Sie lief aus dem Raum: „Lilly!“ hörte sie ihn rufen.
„Lass mich!“ fauchte sie zurück. Noch bevor sie die Schlafzimmertür erreicht hatte, merkte sie wie sich zwei Arme um sie schlossen: „Du glaubst mir nicht!“
Sie riss sich los, stürmte hinein und bremst abrupt vor dem Bett stehen, die Vorhänge waren noch offen und wieder war sie sich sicher das da jemand war.
„Schau!“ blaffte sie und zeigte auf das Fenster.
„Da ist niemand, das war eine Spiegelung im Glas!“
„Nein!“ fauchte sie, setzte sich auf die Bettkante.
Luke kam näher, kniete sich vor sie hin, legte ihr seine Hände auf die Knie: „Lilly, so war das nicht gemeint!“
„Doch, du …du glaubst mir nicht. Hier ist jemand, irgendwer, irgendwas beobachtet mich!“
„Lilly.“ sagte er sanft.
„Nein! Hier ist was, vielleicht,…vielleicht, ach ich weiß es nicht, aber ich weiß das ich nicht irre bin!“ Lilly schaffte es sich in Rage zu reden: „Ich ..ich muss hier ständig aufpassen, dass mir nichts herunterfällt, das nichts kaputt geht, oder ich was mache was ich nicht soll. Ich...ich sollte nicht in diese Zimmer und trotzdem..“ Luke wollte sie unterbrechen, aber sie redete einfach weiter: „Ja ich weiß, du hast gesagt ich kann, aber ich bin der Meinung das ich da….da nichts zu suchen habe, und dann merk ich das hier jemand ist und will nachschauen und dann…dann fällt mir dieses Ei runter. Was wenn ich es doch kaputt gemacht hätte, was dann?“ Wieder wollte Luke sie unterbrechen und abermals ließ sie es nicht zu, sie ignorierte es einfach, redete weiter: „Verstehst du nicht ich ….ich habe …Angst. Angst was kaputt zu machen, Angst was falsch zu machen und außerdem hab ich das Gefühl, dass dieses Haus mich…beobachtet….ich weiß nicht wie ich dir das erklären soll. Ich weiß nur was ich merke und das wird immer mehr und stärker. Und wenn du nicht da bist ist es stärker, dieses Gefühl, als ob…ich weiß nicht mal genau was…Ich habe Angst hier alleine. Diese Haus ist zu groß für mich, verstehst du, mir...mir ist es lieber, das wenn ich in der Schlafzimmertür stehe, ich den Rest der Wohnung sehen kann. Das ich mich vergewissern kann, dass alles ok ist, ohne großartig rumzulaufen, zumal noch im Dunkeln. Luke ich will heim, ich will nach Hause.“ Kaum hatte sie es ausgesprochen, da bereute sie es. Sie sah, mit Tränen in den Augen, Luke an, merkte wie er seine Gefühle augenblicklich von ihr abschottete. Er stand auf, ging Richtung Tür: „Also gut, ich bring dich heim!“ sagte er monoton.
Damit verschwand er aus der Tür, sie wusste das sie ihm mit Sicherheit wehgetan hatte, sie hatte das nicht gewollt, aber es war so. Sie hatte das jetzt mehr wie einmal dieses Gefühl gehabt und sie war sich jetzt sicher, das es so war. Aber wieso merkte er das nicht, wieso realisierte er das nicht. Das machte ihr noch mehr Angst, wenn es wirklich gefährlich war und er nicht merkte.
Sie zog sich an, ging langsam nach draußen und ging langsam die Treppe nach unten.
Dort stand Luke an der untersten Stufe der Treppe, sah sie kurz an, als sie nach unten kam. Er schwieg, drehte sich zur Tür. Erst als sie neben ihm stand, schaute er sie wieder an: „Fertig?“
„Ja!“ sagte sie leise.
„Komm!“ Er streckte ihr die Arme entgegen.
Langsam lehnte sie sich an ihn, er hob sie an und sie merkte am Luftstrom, das er losgelaufen war.
Es schien schneller zu gehen, wie beim letzten Mal, oder Lilly empfand es nur so, aber schneller wie gedacht, stellte er sie vor ihrer Haustür auf die Straße. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich herum und ging. Als Lilly das sah, schnürte sich ihr Herz zusammen, sie hatte nicht vor gehabt ihm wehzutun oder ihn wütend zu machen und im Moment fühlte sie nichts von ihm, keinerlei Gefühlsregung ging von ihm aus, vielleicht, dachte sie war er auch schon zu weit weg um etwas zu fühlen. Langsam setzte sie sich auf die Stufe, zog die Beine an und legte ihre Arme und ihren Kopf auf ihre Knie. Verhindern dass ihr heiße Tränen über die Wangen liefen, konnte sie nicht. Sie wollte doch nicht das er ging, sie wollte nur nicht alleine in dem Haus sein und jetzt? Was sollte sie jetzt tun?
Luke war nicht weit gekommen, als ihre Gefühle ihn überschwemmten: Schuld, Angst, Unsicherheit gingen von ihr aus. Zögerlich ging er zurück, blieb an der gegenüberliegenden Straßenecke im Dunklen stehen und sah wie sie immer noch vor der Haustür war. Allerdings saß sie jetzt davor, hatte ihr Gesicht in ihren Händen verborgen. Er musste nicht fühlen, das sie weinte, er hörte ihr schluchzen, roch ihre Tränen.
Du bist doch selbst schuld, sagte er zu sich. Du hast ihr doch erzählt das alle glauben, das es in dem alten Herrenhaus spuckt. Du willst doch das sie vorsichtig ist.
Vorsichtig ja, aber nicht verängstigt. Und sie hat selbst gesagt, dass ich derjenige bin der darin herumspuckt.
Aber wenn sie Angst hat kannst du dagegen nicht viel machen, sie will halt nicht alleine sein.
Da ist nichts, ich würde es doch merken, wenn da irgendeine Gefahr wäre.
Wieder sah er zu ihr, sah wie sie immer noch dasaß. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er vielleicht gehen sollte, aber er brachte es nicht fertig. Also ging er langsam über die Straße, kniete sich neben sie auf den Boden und legte zögerlich beide Arme um sie: „Komm, es wird kalt, du solltest hoch. Du kannst hier nicht einfach sitzen!“
Da sie keine Anstalten machte aufzustehen, griff er unter sie, hob sie hoch und trug sie langsam die Treppe nach oben. Vor ihrer Wohnungstür setzte er sie ab, Lilly kramte ihren Schlüssel hervor und schloss auf. Langsam ging sie hinein, Luke zögerte, er war sich nicht sicher, ob sie das wollte, dass er ihr folgte. Lilly verschwand im Schlafzimmer und Luke hörte wie sie sich hinlegte. Immer noch unsicher, ob er das richtige tat, folgte er ihr, setzte sich auf die Bettkante. Er sah wie Lilly mitten im Bett saß, die Beine angezogen, ihre Arme um ihre Knie gelegt.
„Warum hast du nicht gesagt, das du Angst hast?“ fragte er schließlich leise.
„Merkst du das nicht?“
„Schon, aber nicht wovor. Wenn ich…“
„Was?“ fragte sie und Luke hörte immer noch die Tränen in ihrer Stimme.
„Du musst mir sagen, wenn was nicht stimmt, wenn was ist!“
„Mach ich doch, aber du glaubst mir ja nicht!“ fuhr sie ihn an: „Irgendwas beobachtet mich!“
„Irgendwas?“
„Ja, denn wenn es irgendwer wäre, müsstest du es merken!“
„Lilly, in ungewohnten Umgebungen, dazu noch im Dunkeln kann es sein, dass…“
„Das was?“ fauchte sie.
Luke rutsche weiter ins Bett, näher zu ihr, legte ihr vorsichtig eine Hand auf ihren Arm: „Früher war das eine Foltermethode. Menschen haben Angst im Dunklen, dazu kommen merkwürdige Geräusche die du nicht kennst, die ich wahrscheinlich gar nicht mehr richtig höre oder sie schon gewohnt bin. Zeig einem Menschen eine kleine Raum, sagen wir Drei auf Drei Meter, zeige ihm im Hellen, dass in diesem Raum nichts ist, dann sperre ihn dahinein, ohne Licht, ohne irgendwas. Er wird Dinge hören, Dinge fühlen die nicht da sind. Früher gab es eine Art eiserne Lady, ein Metallgehäuse, gerade so groß das ein Mensch hineinpasst. Dieses wurde dann verschlossen, ohne Licht aber derjenige merkte das Metall am ganzen Körper, er wusste das da nichts außer ihm drinnen war. Nach ein paar Tagen wurde sie halb wahnsinnig vor Angst dort hinausgelassen. Diese Menschen gestanden alles, aber auch alles um nicht wieder dahinein gesperrt zu werden. Verstehst du, manchmal gaukeln einem die Sinne etwas vor, was gar nicht da ist!“
„Mir gaukeln meine Sinne nichts vor, denkst du ich bin irre!“ fauchte sie ihn an.
Luke merkte ihre Wut fast selbst körperlich.
„Da ist, vielleicht, …ja vielleicht deine Familie die mich da nicht haben will. Sie sind alle im Haus gestorben, vielleicht sind sie noch da!“
„Was ruhelose Seelen, die umherirren? Lilly es gibt keine Gespenster!“
„Es gibt auch keine Vampire!“ schnauzte sie ihn an: „Irgendwelche seelenlose Dinger, die sich von Lebenden ernähren müssen um ihre abartige Existenz weiterführen zu können!“ Lillys Wut traf ihn fast wie ein körperlicher Schlag, selbst wenn er nicht wütend sein wollte, vermischten sich ihre Gefühle so stark miteinander, dass Lillys Wut seine herauf beschwörte.
Unwillkürlich rutschte er von ihr weg, vom Bett herab und stand nun am Fußende. Lilly liefen immer noch Tränen über das Gesicht, aber Luke fühlte das es diesmal Tränen der Wut waren.
„Wenn das so ist, ist es wohl besser wenn ich gehe!“ stieß er zornig hervor, drehte sich herum und ging zur Tür.
Lilly schluchzte wieder laut, er konnte es nicht, seine Wut verrauchte sofort.
„Lilly ich wollte nie das du dich unsicher oder gar unglücklich fühlst. Ich wusste nicht das dir das alleine sein so viel ausmacht. Ich bin alleine gegangen weil du geschlafen hast, ich kann dich doch nicht immer mitnehmen. Was, wenn du arbeiten musst, dann kann ich dich nicht die ganze Nacht mit ins Zero schleppen!“
„Du glaubst mir nicht! Du denkst ich bild mir das nur ein!“ Ihre Wut war im Gegensatz zu seiner nicht ganz verraucht.
„Das hab ich so nicht gesagt!“
„Doch! Genauso! Geh!“ Sie zeigte zur Tür. Luke sah sie an, war das ihr ernst, fragte er sich.
„Geh! Mir egal ob aus dem Fenster, vom Balkon oder durch die Tür!“ Sie klang etwas milder, aber immer noch bestimmend genug, dass Luke wirklich ging. Wütend war er nicht auf sie, aber er entschied das es vielleicht besser wäre, das zu tun, was sie im Moment wollte.
In dem Moment als sie die Tür ins Schloss fallen hörte, wurde ihr wieder bewusst, was sie gerade getan hatte. Schnell stand sie auf, rannte zur Tür, riss diese auf und sah in den Hausflur nach unten. Aber sie erkannte nichts und hörte auch nichts, sofort rannte sie zu ihrer Balkontür riss auch diese auf und sah nach unten, auch hier war keine Spur von Luke. Wütend über sich selbst schlug sie erst die Balkontür und dann ihre Wohnungstür ins Schloss, lief danach ins Schlafzimmer zurück und warf sich aufs Bett. „Warum hast du nicht einfach die Klappe gehalten?“ fragte sie sich: „Du wolltest doch nicht das er geht und dann schmeißt du ihn raus. Oh Gott was ist nur los mit mir, werd ich vielleicht wirklich so langsam irre? Warum hab ich das gemacht?“
„Mmh, den biste los!“ antwortete sie sich selbst.
„Da haben wir den Beweis, ich red und antworte mir selbst, ich bin irre!“
Wieder brannten Tränen in ihren Augen, sie nahm sich ihr Kopfkissen, drehte sich auf den Rücken und drückte es sich auf ihr Gesicht. Sauer auf sich selbst strampelte sie wütend mit den Beinen. Irgendwann wurde sie vom Weinen und Strampeln müde genug, dass sie einschlief.
Als Luke zu Hause ankam, ging er in das Wohnzimmer, sah die Spieluhr auf dem Tisch stehen. Zögerlich nahm er sie und stellte sie auf den Boden, legte sich bäuchlings davor und zog sie erneut auf. Während die Musik spielte, begann er zu überlegen, in wie weit Lilly vielleicht recht hatte. Wenn sie wirklich hier waren, sie waren alle unter diesem Dach gestorben, was wenn etwas von ihnen hier geblieben war. Er versuchte sich zu konzentrieren, versuchte irgendetwas zu merken, zu fühlen, zu spüren. Aber da war nichts. Was, wenn er sie nicht fühlen konnte, wenn man dagebliebene Seelen nur spüren konnte, wenn man selbst eine besaß. Was das der Grund, warum Lilly sich hier beobachtet fühlte und er nicht. Er hatte seine Seele verloren, oder besser gesagt aufgegeben um nicht sterben zu müssen, aber er war gestorben. Er hatte, wovor er Angst gehabt hatte, durchgemacht, er war nur nicht totgeblieben. Was wenn seine Familie wirklich noch hier war, aber er sie wegen seinem Pakt mit wem auch immer, nicht wahrnehmen konnte.
Die Musik der Spieluhr war verklungen, aber Luke lag immer noch still auf dem Boden, wartete endlich etwas zu merken. Das einzige was er fühlte war, das sein Herzschlag so langsam Aussetzer hatte. Er hatte Lillys Blut verdünnt, damit hatte er auch dessen intensive Wirkung auf ihn gemildert. So menschlich ihn ihr Blut auch gemacht hatte, jetzt wurde er wieder das was er war. Keine Atmung, keinen Herzschlag, keine Seele, dachte er.
Betrübt stand er auf, ging hinaus in die Vorhalle, die Treppe hinauf und blieb vor dem Bild stehen.
„Hat sie recht?“ fragte er das Bild, bekam aber keine Antwort: „Seid ihr es, die sie so beunruhigen?“ Wieder nur Schweigen.
Nachdem er eine ganze Weile auf eine Antwort gewartet hatte, trottete er die Stufen wieder nach unten. Als er wieder im Foyer stand, sah er auf eine Tür, die wenn man das Haus betrat, gleich rechts war. Sein Magen zog sich zusammen, er hasste diesen Raum, er hatte ihn vor Jahrzehnten als Mensch betreten und war als etwas anderes herausgekommen, er hatte ihn verschlossen und war nie wieder darin gewesen. Aber jetzt hatte er diesen unbändigen Drang dort hinein zugehen. Langsam ging er auf die Tür zu, holte den Schlüssel aus der Vase, die auf einem kleinen Tischchen neben der Tür stand. Als er aufschloss, umfing ihn sofort wieder der von ihm so verhasste Geruch. Dennoch betrat er den Raum, er war vollkommen leer, keine Möbel, nichts war in ihm. Er ging bis in die Mitte des Raumes, blieb stehen und sah sich um: Die Vorhänge waren zugezogen, immer noch von innen mit Brettern vernagelt. Sein Blick richtete sich auf den alten Kamin. Davor war er damals gelegen, nur auf einer Matratze, mit ein paar alten Decken zugedeckt. Luke bildete sich ein, immer noch sich zu riechen. Der Geruch von Blut, Schweiß und Eiter hing in der Luft, aber auch der des Todes. Von ihm unbemerkt, ging die Tür zu, nur mit einem leisen Klatsch fiel sie ins Schloss, das jedoch hörte er. Zögerlich drehte er sich herum, sah die tiefen Kratzer in dem Holz der Tür, die er damals in Verzweiflung, Angst und Wut in diese gezogen hatte. Luke ging zurück zur Tür, legte seine Hände auf die Kratzer, jeder seiner Fingernägel hatte tiefe Wunden in dem Holz hinterlassen. Auch die Wände hatten einiges abbekommen, Luke sah immer noch die tiefen Löcher, die er in die Wände geschlagen hatte. Zögerlich ging er wieder in Richtung des Kamins, direkt davor war eine Stelle, wo der Boden Flecken aufwies, Luke wusste woher sie kamen. Das Holz hatte jegliche Körperflüssigkeit aufgesogen, die damals von ihm abgesondert wurden. Und da er sich ab einem gewissen Stadium nicht mehr wirklich viel bewegt hatte, schien es, als ob sich ein Abdruck von ihm in das Holz gefressen hatte. Einem inneren Drang folgend, kniete Luke sich hin, legte sich dann auf diese Stelle, sah an die Decke und schloss nach einer Weile die Augen. Es dauerte nicht lange, bis er den harten Boden nicht mehr merkte, er spürte die Hitze des Feuers, welches im Kamin gebrannt hatte um ihn zu wärmen, er fühlte die Decken, spürte den Schmerz, der seinen Körper in festen Griff hatte. Er roch das geronnene Blut, den Eiter, der aus seinen Wunden lief.
Und jetzt sah er wieder diese grünen Augen, die roten Haare die sich über ihn beugten. Hörte ihre Stimme, die ihn umnebelte: „Es ist so schade um dich.“
Luke hörte sein schwache, klägliche Stimme, die von Tränen geschwängert war: „Ich will nicht sterben.“
Dann wieder ihre Stimme, süß, lockend: „Ich kann dir helfen! Du musst nicht sterben, ich werde dir helfen, wenn du willst.“
Und wieder sein schwache Stimme: „Hilf mir. Ich will nicht…“
Nein, dachte Luke diesmal nicht: „Scher dich zum Teufel, verschwinde, lass mich in Ruhe!“ schrie er sie an: „Lieber sterbe ich, als das zu werde was du bist!“
Aber es änderte sich nichts. „Ich werde dir helfen, alles wird gut.“ flüsterte sie ihm ins Ohr. Und wieder fühlte er wie sie mit ihren Lippen über seinen Hals fuhr, die beste Stelle suchend, wo sie zubeißen konnte. Als er diesmal ihre Zähne spürte, riss er die Augen auf, fuhr in die Höhe.
Luke sah sich um, er saß immer noch in dem dunklen Raum auf dem Boden. Tränen liefen ungehindert über sein Gesicht, er konnte nicht ändern was geschehen war. Man kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Er war was war, ein totes Etwas, was wider jeder Norm dennoch lebte. Langsam zog er die Beine an, legte seine Arme darum, seinen Kopf auf seine Knie und immer noch liefen ihm die Tränen über die Wangen.
Warum hab das getan, warum hab ich das zugelassen? Nichts ist gut geworden, alles ist schlimmer geworden. Er ist gestorben, sein Herz hatte aufgehört zu schlagen, Schmerzen hatte er durchgemacht. Er hatte an diesem Tag alles verloren, nur nicht sein Leben, das hatte er wieder bekommen, wenn auch nur als, ja, wie hatte Lilly es genannt, seelenlose Dinger, die sich von Lebenden ernähren müssen um ihre abartige Existenz weiterführen zu können. Und jetzt hatte er auch sie verloren, weil er, gerade er, ihr absprach das sie etwas wahrnahm, was nicht existieren konnte. Nur weil er es nicht merkte.
„Lukas! Luki wo bist du?“
Luke hob verwirrt den Kopf, er kannte die Stimme, es war nicht Lillys, es war die seiner Mutter. Drehte er jetzt durch. Schnell stand er auf, rannte zurück in die Vorhalle und blieb abrupt stehen: Die Vorhänge waren offen, alles war neu, hell und vor allem belebt. Er sah seine Mutter auf dem Treppenabsatz stehen. Sie trug eines dieser ausladenden Kleider, ganz in Rot: „Luki! Was machst du hier!“
Er konnte nur den Mund auf und zu machen, kein Laut kam über seine Lippen. Auf einmal hörte er eine Kinderstimme: „Verstecken!“
„Du sollst Elisaveta nicht immer ärgern, die sucht dich überall!“
„Aber...aber das ist doch der Sinn am Verstecken, das man gesucht wird!“
Luke fühlte wie sein Herz schneller schlug, sich dann schmerzhaft zusammen zog. Wieder nur eine Illusion, dachte er traurig. Was hast du erwartet, das sich alles ändert, jetzt auf einmal?
In letzter Zeit hatte er diese öfters wie je zuvor, aber auch diesmal wollte er mehr davon. Es schien als ob seine Erinnerungen lebendig wurden, vor ihm abliefen wie ein Film, in dem er zwar war, aber nicht beachtet wurde.
„Elisaveta, er ist hier!“
Luke sah sein Kindermädchen völlig überfordert die linke Treppenseite nach unten rennen: „Junger Mann, hab ich dir nicht gesagt, du sollst in deinem Zimmer bleiben!“
Jetzt sah Luke sich selbst, kaum sechs Jahre alt, schaute er hilfesuchend seine Mutter an.
Bevor aber mehr gesagt werden konnte, sah seine Mutter direkt in seine Richtung: „Da sind sie ja!“ sagte sie fröhlich. Luke drehte sich herum und sah zwei ältere Herren auf sich zukommen. Obwohl er sicher war, das er ihnen nicht im Weg stand, trat er beiseite. Seine Mutter lief an ihm vorbei, zu gerne hätte er nach ihr gegriffen, aber er wagte es nicht. Die Herren nahmen nacheinander ihre Hand, gaben ihr eine Kuss darauf: „Mylady, schön sie wiederzusehen. Ich habe was sie wollten!“ sagte der eine. „Wir haben sogar zwei Exemplare gefunden, die ihnen bestimmt gefallen werden!“ sagte der andere.
„Mama? Was haben die gefunden? Mich?“ Der Junge stand immer noch auf dem Plateau der Treppen, seine Mutter stand so nah bei Luke, das er sie fast riechen konnte. Sie drehte sich herum, dabei streifte ihr Kleid Lukes Beine, wie ein elektrischer Schlag lief es durch seinen Körper.
„Nein mein Schatz, nicht dich. Ich möchte etwas das Wohnzimmer umgestalten und habe eine wunderschöne Couch gesehen!“
„Warum umge…umgestal.. warum?“ fragte der Junge. Mittlerweile war er die Treppe nach unten gekommen und stand ebenfalls in der Vorhalle.
„Damit es gemütlicher, wohnlicher aussieht.“
„Was ist wohnlich?“ jetzt stand er direkt vor seiner Mutter, hielt sich am Kleid fest.
„Wohnlich heißt…..das man sich wohlfühlt, das es einem gefällt, das man gerne da ist!“
„Bist du nicht gerne da?“
„Doch, mein Schatz! Aber manchmal sehe ich andere Dinge, die mir gefallen und die bestimmt schön bei uns aussehen würden!“
„Und dann nimmst du dir das?“
„Nein, mein Schatz dann lass ich nach etwas ähnlichem suchen und manchmal findet man auch etwas!“
„Und dann?“
„Dann schau ich mir das an und wenn es mir gefällt, dann kauf ich es!“
„Einfach so?“
„Ja einfach so. Ich möchte doch das sich hier alle wohlfühlen!“
Der Junge nickte: „Und was hast du jetzt gefunden?“
„Zwei neue Couchen für das Wohnzimmer.“
„Gleich Zwei?“
„Ja, aber wir werden nur eine kaufen!“
„Warum dann zwei?“
„Damit ich mir aussuchen kann!“
„Oh….darf ich auch schauen?“
„Aber ja doch, komm wir schauen mal was sie dabei haben, ja?“
Wieder nickte der Junge, nahm die Hand, die seine Mutter ihm hingestreckt hatte und ging zusammen mit ihr an Luke vorbei nach draußen. Luke sah wie die große Eingangstür von einem ihrer Angestellten geöffnet wurde und konnte nicht verhindern seiner Mutter und seinem jüngeren Ich zu folgen. Draußen schien die Sonne, ein großer Pferdewagen stand in ihrer Einfahrt und es waren gerade mehrere Arbeiter dabei zwei monströs aussehende Couchen abzuladen. Luke sah wie die Sonne ihn traf, fühlte aber nichts, kein Brennen, kein Schmerz aber auch nicht die Wärme der Strahlen. Er blieb auf den großen Stufen stehen und sah zu, wie der Junge immer von einer Couch zur anderen lief, sich mal auf die setzte, dann auf die andere. Nach einer Weile kam er zurück, zupfte seiner Mutter am Rock.
„Was ist?“
„Die Linke ist besser!“
„So, meinst du?“
Energisch nickte er: „Ja, weicher!“
„Also gut, wir schauen mal ob du recht hast!“
Luke sah wie seine Mutter sich erst auf die eine dann auf die andere setzte, eine Weile auf der jeweiligen sitzen blieb und sich dann schließlich zu den zwei Herren wand: „Mein Sohn hat recht, die Linke ist bequemer. Lasst sie hinein bringen, dann sehen wir, ob sie auch hineinpasst!“
Die beiden Herren nickten und fuchtelten ihren Arbeitern zu, Luke sah wie der Junge wieder die Hand der Mutter ergriff und mit ihr zusammen wieder ins Haus ging. Gemeinsam durchquerten sie das Foyer und erreichten das Wohnzimmer. Luke folgt ihnen, hoffte das diese Erinnerung nicht so schnell wieder abriss. Als er das Wohnzimmer betrat, sah er sich um. Er hatte längst vergessen, wie das hier ausgesehen hatte. Selbst der dunkle Boden und die dunkle Holzwandvertäfelung, konnten nicht verhindern wie hell der Raum war. Die großen Fenster und Türen, die auf die Terrasse führten, ließen zu das das Licht den Raum förmlich flutete. Luke sah wie seine Mutter einigen ihre Angestellten erklärte, wohin sie die Sessel und den Recamier stellen sollten. Als dann die Couch in den Raum getragen wurde, konnte Luke sie sich genauer ansehen. Er bemerkte, dass es eine der Couchen war, die in dem andern Wohnzimmer standen. Wieder etwas, was er bereits vergessen hatte. Die Couch wurde ein paar Mal im Raum herumgeschoben, bis seine Mutter zufrieden war, wo sie stand. Der Junge rannte an ihm vorbei, setzte sich auf die Couch und sah seine Mutter an: „Und jetzt?“
„Jetzt, mein Schatz räumen wir alles um, bevor dein Herr Vater mit deinen Brüdern nach Hause kommt!“
„Warum bevor? Sie können doch helfen?“
„Nein, wenn wir zu viele sind dann wird das nichts! Wir machen das alleine, ja?“
Der Junge nickte wieder und Luke realisierte, dass der Raum dunkler wurde, die Gestalten verblassten und die Geräusche leiser wurden. Er verlor sie wieder, verzweifelt lief er weiter in den Raum, hatte die Hoffnung alles noch etwas länger behalten zu können. Doch bevor er seine Mutter erreichen konnte, war sie fast ganz verblasst, er hörte nur noch ihre Stimme als sie sagte: „Was glaubst du was das für eine Überraschung wird! Wir machen hier alles schöner!“
Jetzt stand Luke wieder alleine in dem angedunkelten Wohnzimmer, sah sich um: Alle Möbel waren abgedeckt, der Boden und die Wände immer noch mit dem dunklen Holz versehen, wobei es noch dunkler aussah wie in seiner Erinnerung: „Alles zu dunkel, alles zu düster!“ sagte er laut. Er begann die abgedeckten Möbel aus den zwei Türen in Richtung des Foyers zu schieben. Nachdem alles leer war, sah er sich wieder um. Den Boden müsste man nur abschleifen, dachte er, als er sich hinkniete und mit der Hand darüber fuhr. Dann sah er an die Wände, ging darauf zu und fuhr auch hier mit der Hand über das alte Holz. Aber das muss alles raus, entschied er und begann mit bloßen Händen die Vertäfelung von der Wand zu reißen. Als er an die Wand kam, in die die Fenster eingelassen waren, sah er die Vorhänge an. Auch zu dunkel, es gibt bestimmt helle, die auch keine Sonne durchlassen, dachte er und zog sie auf. Dem Impuls sie einfach abzureißen widerstand er in letzte Sekunde. Nun sah er raus, sah die Terrasse, die schon einen leicht grünlichen Schimmer hatte. Und dafür gibt es bestimmt auch was, entschied er.
In den darauffolgenden Tagen und vor allem Nächten, unterbrochen von kurzen Besuchen im Zero, riss er die ganze Vertäfelung ab, schleifte den Boden, verputze die Wände und die Decke neu. Wobei ihm das am meisten Nerven kostete, da er erstens keine Ahnung davon hatte und zweitens so viele Anläufe brauchte, dass er nun zumindest Erfahrung darin hatte, wie es nicht geht. Nun strich er die Wand weiß, sollte Lilly eine andere Farbe bevorzugen, konnte man schnell darüber streichen. Dann täfelte er den gesamten Raum ungefähr hüfthoch mit hellem Holz, lasierte den abgeschliffenen Boden ebenfalls heller und begann abends in diversen Geschäften zu schauen, ob es eine hellere Variante seiner Vorhänge gab. Es lenkte ihn ab, natürlich konnte es sein das Lilly wirklich die Schnauze voll von ihm hatte, aber sie war was sie war und deswegen wusste er, dass sie nicht ganz von ihm konnte. Im Stillen hoffte er, dass er nicht zu optimistisch war. Aber wenn sie zurück käme und dessen war er sich sicher, hätte sie zumindest einen Raum für sich. Daher empfand er es nicht so schlimm, das er bis dahin, zwar helle Vorhänge massenhaft gefunden hatte, aber keiner von denen auch nur etwas für seine Zwecke von Nutzen waren. Nach über einer Woche war das alte Wohnzimmer komplett renoviert, heller Boden und halbhohe, helle Vertäfelungen, die Möbel standen an ihrem alten Platz, waren geputzt, abgesaugt und sahen fast aus wie neu. Nur Vorhänge hatte er immer noch keine. Aber daran störte er sich nicht, bis jetzt hatte er die Alten wieder aufgehängt, nachdem er sich gewaschen hatte. Nun begann er, sobald die Sonne nicht mehr schien, die Terrasse, mit einem Spezialreiniger, auf Händen und Knien mit einer Wurzelbürste zu scheuern. Jede Fliese einzeln, jede Säule des Handlaufes, jede Treppenstufe. Immer wieder wunderte er sich, wie viel Dreck auf scheinbar weißen Steinfliesen sein konnte. Dafür brauchte er auch über eine Woche. Selbst wenn er es schneller hätte machen können, so wären sie bestimmt nicht so sauber geworden. Da er noch von dem Mittel übrig hatte, scheuerte er auch noch die vordere Treppe und die zwei kleinen Balkone an Front- und Rückseite des Hauses. Er war gerade dabei den hinteren Balkon zu scheuern, als ihm bei dem letzten Drittel das Mittel ausging. Soll ich jetzt nochmal welches kaufen? Fragte er sich. Aber was mach ich dann mit dem Rest? Als er aufstand und sich streckte, fiel sein Blick auf den Springbrunnen. Selbst von hier aus konnte er sehen, wie Grün der Stein an manchen Stellen war. Dafür, dachte er, werde ich mehr wie nur einen Rest brauchen. Ich werde dann doch noch eine größere Flasche kaufen.
Luke sah sich um, überlegte, ob es ihm reichen würde jetzt noch in die Stadt zu gehen um das Mittel zu kaufen. Nach kurzer Zeit entschied er, das es ihm reichen würde. Also schnappte er sich seinen Geldbeutel und lief los.
Kurz vor Sonnenaufgang kam er zurück, stellte das Mittel auf die Terrasse und hätte zu gerne bereits angefangen, aber es war zu früh. Er würde nicht mal richtig anfangen können, da müsste er aufhören. Daher entschied er, es gleich zu belassen und erst abends weiter zu machen. Aber was sollte er nun machen? Zurück im Schlafzimmer, hörte er wieder das schon vertraute Knarren und Heulen des Hauses. Er überlegte eine Weile und stellte fest, dass er noch einiges im Haus erledigen müsste. Also begann er, nach und nach auch die restlichen Zimmer wieder einmal umzuräumen. Er verschob Möbel, räumte auf, hier und da musste er Fenster abdichten, oder reparieren. So vergingen die Tage im Haus und sobald es dunkel wurde, war er wieder draußen, befreite den Marmor vom Grün. Am meisten hielt ihn, wie nicht anders zu erwarten der Springbrunnen auf, er konnte nicht einfach darüberschrubben. Jede der Verschnörkelungen musste richtig sauber sein, vor allem die der größten Schale. Er musste eine kleinere Bürste nehmen und schließlich nahm er eine Zahnbürste. Damit dauerte es scheinbar ewig, bis er so viel geputzt hatte, dass es einem auffiel, aber der Brunnen wurde sauber, Stück für Stück. Manchmal war es so monoton, das ihm die Gedanken abschweiften: Sollte er zu ihr gehen? Es war schon eine ganze Zeit her, dass sie ihn rausgeschmissen hatte, aber was wenn sie noch sauer war. Würde er das nicht fühlen? Und dann, einfach wieder gehen? Nein, sie sollte sich melden, entschied er. Sie hatte ihn rausgeschmissen, also war es an ihr ihn wieder zurückzuholen. Blödsinn, dachte er, wenn ich darauf warte, dauert es noch länger. Eigentlich war jeder weitere Tag ein verlorener Tag und du hast nicht so viele mit ihr! Wenn ich hier fertig bin, dann werde ich zu ihr gehen, entschied er. Ich habe das meiste im Haus aufgeräumt, habe eigentlich nahezu alles auf Vordermann gebracht. Vielleicht wird ihre Angst hier weniger, wenn sie wirklich mal in allen Zimmern war, gesehen hat, was darin ist. Menschen haben Angst vor unbekannten Dingen. Außerdem hatte sie jetzt ein eigenes Zimmer, was sehr zu seinem Unmut, immer noch keine anderen Vorhänge hatte. Vielleicht, dachte er, ist es gar nicht so schlimm, wenn sie ein Zimmer hatte in das er, zumindest tagsüber, nicht einfach gehen konnte. Einen Rückzug, aber was wenn ihr da etwas passiert, nein, zu gefährlich, er musste in dieses Zimmer jederzeit kommen können.
Es war früh morgens, als er fertig war, den Springbrunnen zu reinigen. Er drehte den kleinen Wasserhahn, der unter der ersten Reihe der Büsche verborgen war auf, aber es kam kein Wasser. Kurz überlegte er, erinnerte sich daran, das er einen weiteren Hahn, unterhalb der Terrasse aufdrehen musste, damit Wasser vom Haus zum Springbrunnen lief. Also lief er zurück, drehte auch diesen Hahn auf und sah, als er zurück am Brunnen war, das immer noch kein Wasser floss. Er hörte auch keines in den Rohren fliesen, daher legte er sich am Sockel des Brunnens auf den Boden und öffnete eine kleine Tür. Dahinter saß die kleine Pumpe, die eigentlich das Wasser zum fliesen bringen sollte, er entdeckte, dass diese wohl nichts mehr zum fliesen bringen würde. Sie war Schrott, er brauchte eine Neue. Also ging er zurück zum Haus, drehte den Wasserhahn zu und suchte, als er wieder im neuen Wohnzimmer war, mittels Laptop einen Installateur. Er musste einige anrufen, da sich wohl nicht jeder mit solchen alten Springbrunnen auskannte, aber letztlich fand er jemanden, der ihm versprach noch an diesem Tag vorbeizukommen.
Die Uhr zeigt gerade halb Neun, als es klingelte. Luke sah aus dem Fenster, er sah das es zum Glück bewölkt war, es nieselte sogar. Luke ging zur Haustür und öffnete das Tor, noch bevor er das Auto sah, hörte er den alten Dieselmotor des Transporters. Der weiße Kastenwagen hielt vor der Haustür, als Luke auf die Stufen trat. Ein älterer, untersetzter Mann stieg aus und Luke konnte nicht überhören, wie die Stoßdämpfer quietschten.
„Guten Morgen! So ein ekliges Wetter heute!“
Luke lächelte ihn an: „Ja, aber es hält sich in Grenzen. Könnte schlimmer sein. Es nieselt nur leicht!“
„Trotzdem, das zieht bis unter die Klamotten!“ Er schüttelte sich, als Luke endlich den Zweiten sah, den er schon gerochen hatte. Ein junger, schlaksiger Mann kam hinter dem Wagen hervor. Irgendwie hatte dieser eine merkwürdige Ausstrahlung.
„Meister, wohin, was brauchen wir?“
Der Ältere drehte sich herum: „Bin ich Hellseher? Ich weiß ja noch gar nicht was ansteht!“
„Oh ja ach so!“ sagte Luke: „Hinten im Garten, da steht ein alter Springbrunnen! Kommen sie ich bring sie hin!“
„Oh, wenn der hinten steht, werden wir den schon sehen!“
Luke konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Ok! Einmal ums Haus herum, wenn sie was brauchen, sagen sie Bescheid!“
Der Ältere nickte dem Jungen kurz zu und zusammen gingen sie los. Luke lief zurück ins Haus, ging zum Wohnzimmer und sah durch das Fenster nach draußen. Die beiden Männer kamen gerade um die Ecke, blieben wie angewurzelt stehen und sahen sich suchend um.
„Man oh man ist das riesig?“ stellte der Jüngere fest: „Und wo ist jetzt der Brunnen?“
Der Ältere drehte sich um die eigene Achse, zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung! So viel zum Thema wir werden ihn schon sehen!“
„Und jetzt?“
„Ich schätze wir müssen jetzt doch fragen!“
Luke machte gerade die Terrassentür auf, als der Ältere wieder nach vorne wollte: „Suchen sie was?“ fragte er leicht zynisch.
„Ja!“ gestand der Ältere, wenn auch leicht zerknirscht: „Den Brunnen, ehrlich gesagt!“
Der Jüngere konnte sich ein kichern nicht verkneifen, Luke griente nur, lief an ihnen vorbei: „Kommen sie, ich bring sie hin!“
Langsam ging er voraus, merkte wie die Zwei ihm folgten. Sie erreichten den Eingang des Labyrinths, als der Ältere fragte: „Und was stimmt nicht mit dem Brunnen?“
Erst als Luke sich herumgedreht hatte, antwortete er: „Die Pumpe ist defekt, denk ich mal, es kommt kein Wasser!“
„Wo steht der denn?“
„In der Mitte des Labyrinthes!“
„Oh, finden wir da auch raus!“ fragte der Jüngere.
„Natürlich!“ harschte ihn der Ältere an.
Schon fast verzweifelt sah der Jüngere Luke an, zog die Augenbraue nach oben.
„Oh ich hab was vergessen.“ Sagte der Jüngere und lief zurück.
Luke dachte sich, dass er bestimmt irgendeine Schnur oder ähnliches holen würde, damit sie mit Sicherheit wieder rausfinden.
Nach einer Weile fing der Ältere an zu meckern: „Man was hat der schon wieder vergessen, kann der sich mal beeilen!“
Bevor Luke antworten konnte, sah er den Jungen wieder um die Ecke kommen. Er beschleunigte seine Schritte, als er den Blick seines Meisters sah. Luke erkannte eine kleine Rolle in der Hand des Jungen, als dieser das bemerkte, griente er ihn etwas verlegen an.
Luke nickte ihm zu: „Gut, weiter geht’s!“
Der Jüngere band, unbemerkt von seinem Meister, die Schnur an eine der kleinen Säulen, die in der Nähe des Eingangs stand.
Zusammen gingen sie durch das Labyrinth, als sie den Brunnen erreichten, hörte Luke wie einer der beiden scharf die Luft einsog.
„Oh man, ist das ein Teil!“ keuchte der Jüngere.
„Wow, wie alt ist der denn?“ fragte der Ältere.
„Ich denke der ist so alt wie dieses Haus!“ antwortet Luke.
„Also…“ sagte der Ältere: „..dann schauen wir mal was da kaputt ist!“ Damit kniete er sich hin und kroch unter den Brunnen. Luke hörte wie er etwas machte, leise fluchte und meckerte.
Ein Grinsen konnte sich Luke nicht verkneifen und auch der Jüngere, der immer noch neben Luke stand, lachte leise.
„Meister?“ fragte er vergnügt: „Brauchen sie Hilfe?“
„Nein!“ fauchte dieser.
Luke sah erst den einen dann den anderen an, sagte dann: „Ich bin im Haus, hab noch was zu erledigen, wenn sie etwas brauchen, sagen sie Bescheid!“
Bevor er gehen konnte, fragte der Ältere: „Wo ist denn der Wasserzulauf?“
„Einer da, bei der ersten Reihe von den Büschen, der zweite Hahn ist unter der Treppe der Veranda!“
„Sind die auf?“
„Der hier ist offen, aber den am Haus hab ich wieder abgedreht!“
„Wenn sie zurück zum Haus gehen, könnten sie den dort aufdrehen, dann dreh ich diesen hier ab!“
„Ok!“ damit verschwand Luke, es nieselte zwar jetzt stärker, aber ganz traute er dem Wetter doch nicht.
Als Luke das Haus erreichte, stellte er den Hahn an und ging ins Haus. Selbst hier konnte er immer noch den Meister fluchen hören, da er scheinbar irgendeine Muffe nicht aufgedreht bekam. Unwillkürlich griente er, wenn der wüsste, wie alt diese Rohren und die Verbindungsstücke waren und wie lange da niemand mehr dranherum geschraubt hatte.
Es war fast Nachmittag, als Luke hörte wie die Zwei wieder ans Haus zurückkamen. Noch bevor sie die Treppe erreicht hatten, war Luke auf die Veranda getreten: „Benötigen sie etwas?“
„Nein, nein!“ sagte der Ältere.
„Wir wollten nur den Hahn wieder abdrehen. Wir haben keine passenden Ersatzteile dabei!“ gestand der Jüngere.
„Und nun?“ fragte Luke.
„Wir haben das zuführende Rohr mit einem Blindschluss versehen, ich werde versuchen, ob ich für diese Pumpe überhaupt noch Teile bekomme, aber ich kann es ihnen nicht versprechen!“ gab der Ältere leicht zerknirscht zu.
„Ok, und wann wissen sie genaueres?“ fragte Luke.
„Morgen, denke ich.“
„Aber ich glaube es würde billiger, wenn sie gleich ne neue Pumpe kaufen!“ Dieser Satz brachte den Jüngeren einen bitterbösen Blick des Meisters ein. Luke hatte die Befürchtung das er sich auf dem Weg einiges anhören muss. Einen Kunden das Billigere vorzuschlagen ist nicht im Sinne eines Meisters.
„Jetzt schauen wir mal, ob wir Ersatzteile finden, weil der Ausbau und Einbau einer Pumpe ist nicht ganz so einfach! Vor allem bei so einem alten Brunnen!“
Ein Lächeln huschte über Lukes Gesicht: „Natürlich, also sie schauen ob sie passende Teile finden und falls nicht muss ich mir halt eine neue Pumpe kaufen. Ich bin mir sicher, dass sie bestimmt eine Auswahl haben.“
Der Ältere nickte als Antwort, schien sichtbar beruhigter.
Luke ging zusammen mit ihnen um das Haus herum, nach vorne zu ihrem Transporter.
Nachdem sie fortgefahren waren, lief Luke zurück zum Brunnen, sah sich an, was die beiden gemacht hatten. Obwohl er keine Ahnung davon hatte, sah es weitaus, weniger verheerend aus, wie er es sich vorgestellt hatte. Irgendwie war er der Meinung gewesen, sie hätten großartig umgegraben, um an die Rohre zu kommen. Aber sie hatten nur die hellen Steinchen beiseitegeschoben und ungefähr zwanzig Zentimeter, vom Sockel des Brunnens an den Rohren entlang, freigegraben.
Als sich Luke erneut umsah, stellte er fest, das die gezogene Orientierungsschnur immer noch da war. Ob sie sie wohl gebraucht haben, fragte er sich.
Nach einer Weile entschied er wieder hinein zugehen, er hatte drinnen noch einiges zu tun. Noch waren nicht alle Räume aufgeräumt.
Die ganze Nacht räumte er um, reparierte hier und da etwas. Vielleicht schaffte er es ja, dass sich Lilly weniger unwohl fühlte, keine Angst mehr hatte, wenn sie alleine hier war. Er konnte nicht immer bei ihr sein, er musste sie manchmal alleine lassen. Wenn sie arbeiten musste, musste sie schließlich nachts schlafen.
Die Haustürklingel holte ihn aus seinen Gedanken, er sah im Vorbeigehen auf die Uhr. Es war bereits halb acht morgens. Die Kamera der Gegensprechanlage zeigte ihm, dass es wieder die Klempner waren. Nachdem er sie eingelassen hatte, ging er vor die Haustür und wartete bis der Transporter auf dem Vorplatz anhielt.
„Guten Morgen!“ sagte der Ältere als er ausstieg.
„Morgen!“ sagte Luke knapp.
Der Jüngere stieg aus, grinste Luke fröhlich an: „Ich glaub sie brauchen ne neue Pumpe!“ fiel er mit der Tür ins Haus.
Luke konnte sich ein grienen nicht verkneifen: „Keine Ersatzteile!“
„Nein!“ sagte der Ältere leicht zerknirscht: „Sie brauchen wirklich eine Neue!“
„Haben sie welche?“
„Ja, aber nur eine, die passen könnte!“
„Haben sie die schon dabei?“
„Ja, ja haben wir. Ich hoffe nur das sie passt!“
„Also gut, sie wissen wohin!“
„Ja!“
Der Jüngere holte einen kleinen Karton und nahm die Werkzeugkiste, schließlich gingen die Zwei ums Haus herum zum Brunnen.
Luke lief zurück ins Haus und räumte weiter um.
Immer wieder sah Luke kurz nach draußen um die beiden Klempner zu beobachten. Mehr aus Neugier wie aus Kontrolle, er konnte es nicht lassen Menschen zu beobachten, vor allem in ihrer Interaktion.
Es war bereits später Nachmittag als Luke hörte wie die Installateure wieder nach vorne liefen, er öffnete gerade die Haustür, als der Jünger um den Transporter herumlief.
„Fertig?“ fragte Luke.
„Ja, eigentlich schon. Ich wollte sie gerade holen…die Pumpe läuft, es hat gepasst. Es dauert etwas bis die Schalen vollgelaufen sind, aber dann…“ Der Meister hatte sich wieder herumgedreht und ging langsam wieder in Richtung Garten. Luke folgte ihm, sah zu seiner Überraschung das die zwei Delfine bereits Wasser spien, er hatte es gar nicht gehört.
Als sie den Brunnen erreicht hatten, sagte der Meister wieder: „Also sie sehen es läuft, etwas schmutzig das Wasser aber das legt sich.“
„Die Rohre sind auch nicht mehr die neusten!“ gab Luke zu bedenken.
„Nicht mehr die neusten ist untertrieben, aber wie gesagt es passt. Wenn die Schalen voll sind, können sie den Wasserzulauf wieder abstellen, dann wälzt die Pumpe das Wasser von unten nach oben.“
„Ok!“ Damit wanden sich beide wieder dem Haus zu und liefen in das Labyrinth zurück, Luke bemerkte dass der Junge die Schnur bereits weggemacht hatte.
Zurück am Transporter sah Luke wie der Jüngere gerade vom Rasen, der vor dem Haus war, herunterkam.
„Oh wow, da ist ne Sonnenuhr! Wissen sie das?“ sagte er zu Luke.
Dieser konnte sich schwach daran erinnern, dass hier vorne mal so etwas gewesen war, aber wozu sollte er eine Sonnenuhr haben.
„Wirklich?“ fragte er gespielt erstaunt: „Ist mir noch gar nicht aufgefallen!“
„Doch doch!“ sagte der Junge beinahe euphorisch: „Da waren bestimmt mal Blumen, die die Stunden angezeigt haben und irgendwo muss auch noch ein alter Zeiger sein, da können sie wieder Blumen setzten, einfach den Zeiger wieder anmontieren und dann an einer vollen Stunde beginnen und alle Fünf Minuten eine andere Blume setzten, dann haben sie den ungefähren Abstand und können dann überall Blumen und Stauden und so was setzten! Das muss man sich mal vorstellen, alles voller Blumen, hach... das sieht bestimmt hinreißend aus!“ Der Junge sah so aus, als ob er am liebsten selbst anfangen wollte, er stand vor Luke mit gläsernen Augen und klatsche in die Hände. Er sah aus wie ein kleines Kind, was gerade eine riesige Überraschung entdeckt hatte.
„Komm schon!“ fuhr sein Meister ihn an: „Lass das!“ Dann wand er sich wieder Luke zu: „Die Rechnung kommt mit der Post!“
Luke nickte, gab beiden die Hand und sah immer noch die Aufregung in dem Gesicht des Jüngeren. Schließlich stiegen beide ein und als sie los fuhren, hörte Luke trotz des Dröhnen des altersschwachen Transporters, wie der Meister sagte: „Selbst wenn er vorher nicht gemerkt hat, dass du schwul bist, spätestens nach dem Auftritt weiß er es!“
„Na und, ist doch egal!“ kam die leicht trotzige Antwort.
Luke ging zurück ins Haus, öffnete das alte Tor und schloss es wieder, als er sich sicher war, das der Transporter durchgefahren war. Dann ging er wieder auf den Vorplatz, schlenderte über die Wiese und entdeckte schließlich die Überreste der alten Sonnenuhr. Luke fiel wieder ein, dass er den Zeiger irgendwo in der Garage haben musste, dass die Uhr Metallziffern gehabt hatte, die mit Sicherheit unter dem Rasen waren und das der Gärtner hier wirklich ein großes, rundes Blumenbeet angelegt hatte. Daher kniete er sich auf den Boden und begann mit den Fingern durch den Boden zu pflügen. Nach ein paar Sekunden berührte er bereits Metall. Er grub die Zahl vorsichtig aus, machte das Loch wieder mit Erde zu und stellte die Zahl, die vier Metallspieße hatte, damit die Blumen auch darunter wachsen konnten, wieder auf den Boden. Sacht drückte er die Spieße etwas in den Boden, damit die Zahl richtig fest war. Dann suchte er die anderen Zahlen, führte dieselbe Prozedur durch und als er fertig war, sprang er auf den vorderen, kleinen Balkon und sah sich die Sache von oben an. Das mit den Blumen, entschied er, überlass ich Lilly.
Mittlerweile war es dunkel geworden und Luke hatte auf einmal das Gefühl beobachtet zu werden. Er sah sich um, schnüffelte. Bemerken konnte er nichts, aber dennoch hatte er dieses Gefühl. Wieder sah er sich um, sein Blick blieb an den Bäumen hängen, die zu dem Wald gehörten und sich mittlerweile fast bis zur Allee ausgebreitet hatten. Jetzt war er sich plötzlich ziemlich sicher, etwas entdeckt zu haben. Schnell sprang er auf den Boden und lief Richtung Wald. Als er ihn erreicht hatte, sah er sich nochmals um. Wieder sah, noch roch er irgendwas. Luke lief weiter, rannte bis er schließlich den Zaun erreichte, er sprang an ihm hoch, hielt sich oben an den Spitzen fest. Da war etwas gewesen, dessen war er sich sicher, und was immer es war, es war schnell. Schnell genug um vor ihm davon zulaufen und zu entkommen.
Besorgt lief er zurück zum Haus.
Lilly hatte recht gehabt, dachte er, da ist etwas. Etwas was ich aber nicht realisiere und das heißt nichts Gutes. Ich muss zu ihr, was auch immer es ist, beobachtet uns und weiß jetzt, das Lilly alleine ist.
Luke rannte los, er musste ehern bei ihr sein, wie der oder das andere. Es schien ewig zu dauern, bis er die Stadt erreicht hatte, nie war er sich so langsam vorgekommen. Fast schon verrückt vor Sorge, kam er an ihrer Wohnung an. Er merkte das sie nicht da war, das machte ihm erst recht Angst. War er zu spät gekommen. Aber dann roch er eine fast frische Spur von ihr. Langsam folgte er dieser, er wollte sie nicht verlieren. Nach ein paar Straßenzügen, wusste er wohin ihn diese Spur führen würde: ins Krankenhaus.
Klar, dachte er erleichtert, sie muss bestimmt arbeiten. Also lief er schnell zum Krankenhaus. Sprang, dort angekommen, wieder auf die Tanne und sah wie Lilly im Stationszimmer herumwuselte. Erleichtert stieß er die Luft aus, entschied heute Nacht bei ihr zu bleiben, nur zur Vorsicht. Aber nach kurzer Zeit hatte er wieder dieses merkwürdige Gefühl. Diesmal sah er sich genauer um, riechen konnte er denjenigen eh nicht, was für ihn bedeutete, dass es einer von seinesgleichen sein musste. Aber wenn das stimmte, dann….
Jetzt sah er wie sich unterhalb von ihm etwas bewegte, plötzlich davonlief. Luke sprang von der Tanne, rannte demjenigen nach. Aber an der nächsten Straßenecke hatte er ihn verloren. Eine Sackgasse war direkt vor Luke und er fragte sich wohin der andere verschwunden sein konnte. Plötzlich hörte er etwas hinter sich, aber bevor er sich herumdrehen konnte wurde er von zwei Händen an den Schultern gepackt. Noch bevor Luke sich ansatzweise wehren konnte, legten sich die zwei Hände an seine Hals. Er hörte wie es krachte, knackte und knirschte, als ihm sein Angreifer das Genick brach. Es wurde schwarz um ihn, Luke merkte nicht einmal wie er auf dem Asphalt aufschlug.
Tag der Veröffentlichung: 26.11.2011
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