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Kapitel 2
Das Schicksal geht eigene Wege

Ab der darauffolgenden Woche war Lilly öfter unterwegs, sie ging manchmal einfach nur spazieren, lief in der Stadt herum, ihre Wege führten sie immer wieder auf die andere Seite der Stadt.
Irgendwie muss ich dem Schicksal ja auf die Sprünge helfen, dachte sie oft, wenn sie herum lief. Sie hoffte ihn dadurch schneller wiederzusehen, jedoch wurden ihre Erwartungen immer enttäuscht. Er schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein, nirgends traf sie ihn. Egal wo sie herumlief, einmal war sie sogar bis aus der Stadt gelaufen, es hatte sie fast fünf Stunden gekostet wieder nach Hause zu kommen.
Aber sie fand ihn nicht.
Vielleicht, dachte sie nach ein paar Tagen, ist es besser so. Wer weiß, wie er wirklich ist. Es soll wohl nicht sein.
Lilly wusste nicht, dass sie jede Nacht, wenn sie schlief, von ihm beobachtet wurde. Lukas stand in ihrem Schlafzimmer, sah ihr beim Schlafen zu, verwünschte die Tatsache, dass sie ein Mensch war. Und dennoch konnte er sich ihr nicht lange entziehen, er wusste nicht das sie ihn ihrerseits suchte, obwohl er es hoffte.

Vielleicht, dachte er, als er wiedermal an einem Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, nach Hause kam, sollte ich dem Schicksal jetzt auf die Sprünge helfen. Es sind jetzt fast zwei Wochen vergangen, wenn ich länger warte, glaubt sie vielleicht nicht mehr daran, dass wir uns wiedersehen.
Er wusste, dass sie diese Woche bis halb zehn arbeiten musste und entschied sich ihr einfach auf dem Nachhauseweg über den Weg zu laufen.
Langsam stieg er die ypsilon-förmige, große Treppe im Haus nach oben, ging in sein Schlafzimmer.
Dort zog er vorsichtshalber die Vorhänge zu und ging in das angrenzende Bad.
Selbst hier hatte er dichte, dunkle Vorhänge anbringen lassen, da die Sonne direkt in das Bad schien und dann nirgends eine dunkle, schattige Ecke war, in die er sich zurückziehen konnte, wenn er mal wieder zulange unter der Dusche gestanden hatte.
Wie die meisten der Zimmer, die er öfters nutze, war auch das Bad mehrfach restauriert und umgebaut worden. Das ganze Bad war gefliest, die Waschbecken waren zwar noch original, waren aber immerhin am fließenden Wasser angeschlossen, genauso wie die Badewanne. Diese war nicht eingemauert, stand auf ihren Goldfüßen nicht mal an der Wand, er hatte sie relativ weit in der Mitte des Raumes belassen, sodass man um sie herumlaufen konnte. Die Wasseranschlüsse, sowie der Ablauf, hatten dem Installateur damals einige Nerven gekostet, aber Lukas hatte ihm unter der Hand noch eine Entschädigung gegeben und hatte damit sichergestellt, das er ihn auch noch öfter holen konnte, selbst wenn es manchmal schwieriger wurde. Die Dusche war eigentlich nur ein abgetrennter Teil des Bades, der mit einer gläsernen Schwingtür ausgestatten worden war. Damals gab es keine Duschen und er hatte sich für die einfachste Variante entschieden, als er das Bad wieder einmal hatte umbauen lassen. Die Dusche war groß genug um drei Erwachsenen Platz zu bieten, er hatte einen extra großen Duschkopf anbringen lassen, damit er, wenn er darunter stand, ganz unter dem Wasserstrahl stehen konnte. Das hatte sich bisher als nützlich erwiesen, gerade dann, wenn er mal wieder nicht schnell genug vom Garten ins Haus gekommen war und die Sonne ihn doch etwas erwischt hatte. Eine kalte Dusche linderte dann zumindest Mal die Schmerzen.
Er zog sich aus, stellte das Wasser an und blieb, wie so oft, eine ganze Weile, fast regungslos unter dem Wasser stehen. Nach fast zwei Stunden zog er sich an und sah vorsichtig nach draußen. Schon als er die Vorhänge in seinem Schlafzimmer berührt hatte, wusste er das die Sonne momentan nicht direkt schien. Als er den Vorhang zur Seite zog, stellte er fest, dass er recht gehabt hatte, die Sonne war hinter dicken Wolken verborgen.
Lukas lief die Treppe wieder herunter, ging in den hinteren Teil des Hauses und trat auf die Veranda. Von dort aus konnte er den größten Teil des Gartens überblicken. Erinnerungen daran, wie es zu seiner Kindheit hier ausgesehen hatte, liefen vor seinem inneren Auge ab, wie ein Film. Langsam ging er die steinerne Treppe hinunter und schlenderte den, mit weißen Kieseln angelegten, Weg entlang. Er erreichte das Labyrinth, das aus buchsähnlichen Sträuchern, angelegt worden war. Als Kind gingen ihm diese bis knapp an die Nasenspitze, sodass er, wenn er sich doch mal darin verlaufen hatte, gerade noch über sie schauen konnte. Seine Brüder und er waren oft durch dieses Labyrinth gestreift, jeder hatte eine kleine Sachgasse ausgemacht, in der er sich verstecken konnte, damit die jeweiligen Kindermädchen sie nicht fanden. Manchmal verbrachten sie Stunden, damit sie zu suchen. Die Mitte des Labyrinthes war über mehrere Wege zu erreichen, es gab auch mehrere Ein- und Ausgänge, die sie als Kinder erkundet hatten. Überall standen weiße Marmorstatuen und Figuren, so dass man sich eigentlich nicht verlaufen konnte, so lange man sich merkte bei welcher man wohin abgebogen war. Aber das imposanteste war der riesige Springbrunnen, der in der Mitte stand.
Die unterste der vier Schalen war so groß, dass sie selbst als Teenager darin schwimmen konnten. Jede Schale sah von außen aus wie eine Feder, verschnörkelt, fein herausgearbeitete Details und ganz oben stand ein fast mannshoher Engel, mit einem Horn in der Hand, aus welchem das Wasser herausfloß. Der ganzen Brunnen war aus weißen Marmor gehauen, aber im Laufe der Jahre hatte dieser einen grünen Schleier bekommen.
Lukas stand an einem der Eingänge und stellte fest, dass die Sträucher mittlerweile weitaus größer waren wie er. Jetzt konnte er nicht mehr darüber schauen, die Sträucher waren doppelt so hoch wie er und wenn er darüber schauen wollte, musste er ein ganzes Stück nach oben springen. Allerdings brauchte er das nie zu tun, er kannte jeden Weg, jede Sackgasse, selbst wenn die meisten der Statuen nicht mehr existierten, sie waren entweder zerstört oder geplündert worden. Den Weg zur Mitte fand er mit geschlossenen Augen, wenn es sein musste.
Er folgte einen der Wege, von dem er wusste, dass er ihn direkt zur Mitte führen würde. Er lief in der Mitte des Weges, streckte beide Arme seitlich aus, allerdings war der Weg so breit, dass er die Zweige nur mit den Fingerspitzen berühren konnte. Nach kurzer Zeit stand er dann vor dem riesigen Springbrunnen, Wasser floss momentan keines, auch der Engel war vor Jahren gestohlen worden. Es war auch das einzige, was man von dem Brunnen wegnehmen konnte, alles andere war zu schwer. Außerdem war der Engel nur daraufgestellt worden, damit man an die Wasserrohre kam um sie zu reinigen. Vor einiger Zeit hatte er von einem Steinmetz den Engel durch zwei Delphinen ersetzten lassen, die aussahen als ob sie aus dem Wasser sprangen und sich umeinander drehten, eigentlich sollte aus dem Mäulern der Delphine das Wasser kommen, aber er hatte den Wasserzufluss abgestellt. Die Jahre in denen er in der Sonne saß und dem Wasserspiel zugesehen hatte, waren eine Ewigkeit vorbei. Bevor Lukas weiter in diesen melancholischen Gedanken versinken konnte, merkte er wie die Wolkendecke aufriss und bereits vereinzelte Sonnenstrahlen über das Labyrinth schienen. Schnell drehte er sich herum, Zeit um den regulären Weg zu gehen, hatte er keine, das wusste er. Er nahm also Anlauf und sprang über die Buschreihen, um möglichst schnell ins Haus zu kommen. Fast hatte er die Verandatür erreicht, als er merkte wie die Sonne auf seinem Rücken brannte. Die Tür hatte er aus Erfahrung offen gelassen, so dass er nur hereinspringen musste und nach links in Deckung gehen konnte, um den Sonnenstrahlen auszuweichen. Von dieser Position, konnte er dann zurück in die Haupthalle des Hauses ohne das die Strahlen im gefährlich werden konnten.
Er ging in die Küche, die er ebenfalls neu restauriert hatte lassen, wenn auch nur aus Gewohnheit. Jahre hatte er schon nichts mehr gegessen, er brauchte es nicht. Angrenzend an die Küche war das Wohnzimmer, welches eines der wenigen Zimmer, außer seinem Schlafzimmer, war, was er öfters benutzte. Auch hier waren die Fenster mit schweren Vorhängen versehen, die es ihm erlaubten sich auch bei Sonnenschein frei im Haus zu bewegen. Der große offene Kamin war seit Jahrzehnten unbenutzt, er fror nicht mehr. Die zwei großen Couchen standen nur da, damit er sich ab und zu einfach darauflegen konnte um nichts zu tun, darüber nachzudenken, was wäre wenn. Sie waren ganz in Rot gehalten, hatten hohe Lehnen und waren dick aufgefüttert, so dass man lag wie auf Wolken, zumindest glaubte er das. Er legte sich auf die Couch, die dem Fenster die Rückenlehne zuwandte und begann darüber nachzudenken, was er zu ihr sagen sollte, wie er sie ansprechen sollte und vor allem was er tun sollte.
Ich kann ihr nicht sagen was ich bin, sie würde es nicht glauben, aber was soll ich ihr sagen, wieso ich sie tagsüber nicht besuchen kann. Ok, ich kann sie bei schlechtem Wetter besuchen, aber was ist wenn sie Mittags irgendwohin will, Eis essen, spazieren gehen in der Sonne. Kann ich sie jedes Mal vertrösten, ihr irgendeine Lügengeschichte erzählen. Besser eine Lügengeschichte wie die Wahrheit, entschied er. Wohl war ihm dabei nicht. Warum ausgerechnet ein Mensch, warum ich. Warum nur, ist mein Leben nicht schon kompliziert genug.
Aber ich muss es ihr sagen, muss ihr begreiflich machen, was das bedeutet. Ja, irgendwann, aber nicht heute und nicht morgen.
Er verbrachte den restlichen Tag damit, sich auszumalen wie sie reagieren würde, wie er es ihr am besten sagen sollte.

Der Tag verging schnell auf diese Weise, obwohl Zeit relativ für ihn war. Es war bereits dunkel als er aufstand und in die Garage ging. Der BMW, der dort stand, war bereits unter eine Staubschicht verborgen. Ganz in schwarz, mit stark getönten Scheiben hinten, damit er sich im Notfall dahin zurückziehen konnte, stand er zwischen einigen Dingen, die sich im Laufe der Zeit angesammelt hatten. Alte Autos, sogar eine Kutsche stand noch da.
Er suchte einen alten Lappen und wischte grob den Staub herunter, öffnete das alte Garagentor und stieg ein. Den Schlüssel ließ er immer stecken, wer kam auch schon hierher, die meisten mieden sein Grundstück. Angeblich soll es da spucken, zumindest wenn man den Gerüchten glauben schenkt. Ihm war es recht so, er musste keine ungebetene Gäste abwimmeln und die die er brauchte, Handwerker und so, ließen sich mit entsprechender Bezahlung locken. Geld war für ihn genauso relativ wie Zeit geworden.
Nachdem er aus der Garage gefahren war, schloss er das Tor und fuhr die lange Ausfahrt hinunter, die zu dem großen schmiedeeisernen Tor führte, welches zu dem Zaun gehörte, welcher das gesamte Grundstück umgab. Dieses Tor funktionierte mittlerweile per Knopfdruck, obwohl er keine Mühe hatte es von Hand zu öffnen. Aber es war glaubwürdiger für die Menschen, die zu ihm kamen. Lukas fuhr Richtung Stadt, er hatte sich entschlossen sie nicht direkt vor dem Krankenhaus abzufangen, er würde seinen Wagen irgendwo parken und ihr folgen, ihr dann wie zufällig beim Überqueren der Straße begegnen, das war weniger auffällig. Er parkte den Wagen einige Straßenzüge vom Krankenhaus entfernt und lief los.
Schon bevor sie aus der Tür kam, hatte er sie schon gewittert, ihre Stimme gehört. Sie unterhielt sich mit jemandem, wahrscheinlich mit diese Freundin aus dem Club, sagte er sich.
Sicherheitshalber zog er sich noch etwas weiter in die Dunkelheit zurück, hörte wie sie miteinander sprachen.
„Was machst du jetzt noch?“ fragte ihre Freundin.
Lukas sah wie Lilly mit den Schultern zuckte: „Ich weiß nicht, eigentlich müsste ich noch einkaufen gehen!“
„Was jetzt noch?“
„Warum nicht, die Geschäfte haben bis zehn auf!“
„Wohin musst du denn?“
„Eigentlich nur in diesen Großkomplex.“
„Soll ich dich mitnehmen? Ich fahr da eh dran vorbei!“
„Ja klar, warum nicht?“
Jetzt hatte er noch eine bessere Möglichkeit sie zufällig zu treffen, schnell und leise lief er zurück zu seinem Wagen, fuhr zu diesem Multikomplex, parkte dort und hielt Ausschau nach ihr. Keine zehn Minuten später, sah er wie sie aus dem Auto ausstieg, sich hineinbeugte, wohl um sich zu verabschieden und Richtung Eingang ging. Er folgte ihr, kramte im Vorbeigehen ein paar Sachen auf dem Arm und lief ihr hinterher. Als sie sich vor einem Regal bückte um etwas von unten zu holen, stellte er sich neben sie.
Als sie wieder aufgestanden war, sah sie ihn erstaunt an: „Oh, Hallo!“
Sie schien sehr überrascht zu sein, aber er hörte auch eine gewisse Freude in ihrer Stimme.
„Hi!“ sagte er und lächelte sie an.
„Das ist jetzt aber eine Überraschung dich hier zu treffen!“ gab sie zu.
„Ich hoffe keine böse?“
Sie lächelte ihn an: „Nein, nicht wirklich. Ich habe nur nicht damit gerechnet dich hier zu treffen. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr einkaufen gehen, aber..“
„Ich hab dir doch gesagt, das das Schicksal manchmal eigenwillige Wege geht!“
Ihr Lächeln wurde breiter: „Stimmt hast du gesagt!“
„Siehst du.“ Auch wenn ich etwas nachgeholfen habe.

Lilly konnte es kaum glauben, die ganze Zeit hatte sie versucht ihn irgendwo zu treffen und jetzt, wo sie die Hoffnung gerade aufgegeben hatte, stand er vor ihr. Einfach so, wie aus dem Nichts. Sie war wirklich froh ihn wiederzusehen und hoffte das man ihr das nicht zu deutlich ansah.
Wieder konnte sie ihn nur ansehen, merkte wie sie sich zurückhalten musste, nicht wieder in seinen Augen zu ertrinken. Wie kommt denn das an, wenn du immer, wenn du vor ihm stehst, ihn nur anschaust und nichts mehr sagt.
Lilly versuchte ihre gesamten Einkäufe irgendwie in den Händen und Armen zu balancieren, das war allerdings jetzt nicht mehr so einfach, sie hatte sich mal wieder total überladen. Das Ergebnis war, was sie befürchtet hatte, ein paar der Päckchen fielen ihr aus der Hand und landete direkt vor seinen Füßen.
„Oh, ups, mal wieder zu wenig Arm für zu viel Einkauf!“ sie lächelte ihn an, schon allein um die Peinlichkeit zu überspielen.
„Deswegen gibt es Einkaufswagen:“ sagte er freundlich zu ihr.
„Ja, so viel wollt ich ja gar nicht kaufen. Eigentlich nur was zu trinken und irgendwas für morgen, aber wie immer..“ sie zuckte mit den Schultern: „…findet man meist noch mehr, wie man eigentlich wollte. Und deswegen nehm ich gar keinen Wagen, weil ich dann irgendwann nichts mehr tragen kann.“
„Mmh, und dann fällt alles runter.“
„Ja ja, mach dir nur lustig über mich!“
„Nein, das hab ich gar nicht vor, kann ich dir tragen helfen?“
Sie sah in an, überlegte ein bisschen: „Ok? Wenn du willst?“ Sie wollte ihm gerade etwas in die Hand drücken, aber Lukas hatte ja selbst etwas in den Händen.
Er folgte ihrem Blick auf seine Arme, so wirklich gesehen was er einfach gepackt hatte, hatte er gar nicht und im Moment hoffte er, das es nichts Ungewöhnliches oder Peinliches war.
Kurz sah er nach unten und stellte fest, dass er eigentlich nur unnützes Zeug in der Hand hatte. Fast schon verlegen, räumte er alles in das nächstbeste Regal und breitete seine leeren Hände vor ihr aus.
„Brauchst du davon nichts?“
„Ähm, ne ich glaub, ..also ehrlich gesagt, nicht!“ gab er zu und kratze sich aus Verlegenheit hinter dem Ohr.
Lilly fing an zu grinsen, streckte ihm zwei kleine Päckchen, das Toastbrot und ein Pack Milch entgegen. Er nahm ihr alles ab, lächelte sie an: „Noch was?“
„Mmmh, ich glaub den Rest kann ich tragen.“
„Bis zum nächsten Regal?“ fragte er leicht zynisch.
„Willst du mich ärgern?“
„Neeiin!“ sagte er gespielt sarkastisch.
„Du bist irgendwie…“
Sie drehte sich herum und ging weiter, hörte wie er ihr folgte: „Ich bin was?“
„Sag ich dir jetzt nicht!“
„Warum?“ quengelte er.
„Weil ich dann vielleicht alles alleine tragen muss!“ sagte sie amüsiert.
„So? Also gut, dann eben nicht!“ Das klang schon fast beleidig.
„Ach komm schon, so war das nicht gemeint!“
„Wirklich?“ Seine Stimme klang wie bei einem kleinen Kind.
„Ja, wirklich!“ Sie blieb kurz stehen, drehte sich herum und stupste ihn in die Seite.
Er zuckte zusammen: „Ey, nicht. Ich kann mich nicht wehren!“
Wieder dieses Quengelige in der Stimme.
Lilly sah in an, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Was hat dieser Kerl nur an sich, dachte sie, irgendetwas ist da, was ich so anziehend finde, das es schwer ist Abstand zu ihm zu halten, obwohl ich ihn gar nicht kenne.

Lukas schaute sie an, fragte sich immer wieder, ob es wirklich gut war, sich mit ihr zu treffen. Ob sie es verstehen würde, wenn Lukas es ihr sagen würde, ob es nicht zu gefährlich wird für sie. Einer von seinen Leuten kann sich wehren, zumindest besser wie ein Mensch, natürlich würde er sie beschützen, aber er konnte nicht immer bei ihr sein.
„…träumst du!“ Sie wedelte mit ihrer Hand vor seinem Gesicht.
„Was? Tschuldigung, ja ich war grad in Gedanken!“
„So? Was hast denn gedacht?“
Lukas grinste: „Da könnt ja jeder kommen und mich fragen, was ich denke!“
„Ach, komm schon, bin ich jeder?“
Sein Lächeln versetzte ihr fast wieder einen Schlag: „Nein jeder bist du nicht, ich kenn dich zwar noch nicht so gut, aber ich glaube du bist anders, wie die meisten die ich kenne!“
In dem Punkt hatte er recht, obwohl die anderen wohl anders waren wie sie.
Die Röte stieg ihr ins Gesicht.
„Oh, es tut mir leid, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, das geht aber schnell bei dir!“
„Normalerweise nicht, aber irgendwie bist du daran Schuld!“ Sie wunderte sich über sich selbst, warum sagte sie ihm so was einfach.
Er zeigt mit dem Finger auf sich: „Warum bin ich daran Schuld, das du rot wirst?“
„Mh, ach, ich weiß nicht, aber du schaffst es einfach mich in Verlegenheit zu bringen. Ich weiß nicht wie, aber du kannst es!“
„Das will aber gar nicht, es ist doch schlimm, wenn es einer schafft das man immer verlegen ist, da kann man sich doch eigentlich in dessen Nähe nicht wohl fühlen, oder?“
„Es kommt darauf an, ob es derjenige mit Absicht macht, um einen verlegen zu machen, oder ob es einfach so ist.“
„Heißt das, ich red am besten nicht mehr mit dir?“ fragte er vorsichtig.
Sie waren mittlerweile fast an der Kasse angekommen, als sie antwortete: „Nicht mehr nicht mit mir reden, aber na ja ich weiß nicht.“
„Du bist irgendwie süß!“
Lilly holte tief Luft, hob, nachdem, sie alles aufs Kassenband gelegt hatte, warnend den Zeigefinger: „Siehst du, so was mein ich damit! Warum sagst du so was?“ Jetzt klang sie wie ein quengelndes Kind.
„Weils stimmt! Darf ich nicht die Wahrheit sagen?“
„Das hoff ich doch, das du die Wahrheit sagst, aber muss das sein!“
Die Kassiererin zog das letzte Päckchen über den Scanner, sah sie an und lächelte, sie hatte wohl das letzte gehört: „Das macht dann zwölf-fünfundsiebzig!“
Lilly kramte das Geld aus ihrer Hosentasche, packte alles in eine Plastiktüte und ging, nachdem sie das Wechselgeld eingesteckt hatte, Richtung Ausgang. Lukas ließ sie einfach stehen.
„Hey, lauf nicht weg?“
Sie hörte die Kassiererin lachen und merkte wie Lukas aufschloss.
„Soll ich dich heimfahren?“
„Was?“
„Ich hab gefragt ob ich dich…“
„Ich hab dich schon verstanden!“
„Warum frägst du dann was?“
„Weil ich mir nicht sicher war, ob ich dich richtig verstanden hab!“
„Aber grad hast du gesagt, du hast mich verstanden! Oh Gott du irritierst mich so dermaßen, das ist zum Wahnsinnig werden!“
Lilly fing an zu lachen, drehte sich zu ihm herum: „Das war nicht aufs akustische bezogen. Ich fand es nur merkwürdig, das du mich das gefragt hast!“
„Was ist daran merkwürdig, wenn ich nicht zusehen kann, wie du um die Uhrzeit, mit ner Plastiktüte bepackt, alleine durch die Gegend läufst und ich mein Auto hier habe. Da wäre es doch unhöflich, dich laufen zu lassen, oder?“
Lillys Lachen wurde lauter.
„Wieder dieses Lachen!“
„Lass das!“ sagte sie gespielt warnend.
„Warum?“ fragte er ganz unschuldig.
„Weil du mich wieder in Verlegenheit bringst!“!
„Ist doch keine Absicht von mir.“ sagte er wieder unschuldig. „Kann ich dich jetzt nach Hause fahren, oder willst du laufen?“
Langsam wiegte sie den Kopf von links nach rechts: „Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Ob das so eine gute Idee wäre, dir noch Aufwind zu geben!“
„Warum denn? Glaubst du, nur weil ich dich jetzt nicht nach Hause fahren dürfte, das ich deswegen gleich aufgebe?“
„Nein?“
„Bestimmt nicht!“
„Hach, also gut. Wo ist dein Auto?“
Lukas fing laut an zu lachen: „Komm, drei Reihen weiter rechts!“
Er lief voraus, sie folgte ihm, während des Laufens nahm er ihr die Tasche ab, hielt ihr den Arm hin damit sie sich bei ihm einhaken konnte und gemeinsam gingen sie zu seinem Auto.
Als er das Auto mittels Zentralverriegelung öffnete, blieb sie neben ihn stehen.
„Das ist dein Auto?“
„Ja, warum?“
„Zuhälterkarre!“
„Was? Was hast du grad gesagt?“
„Zuhälterkarre!.. Hallo? Ne neue BMW Limousine, schwarz, mit komplett getönten Scheiben hinten, eh was soll ich sonst denken?“
„Also eins bist du, verdammt ehrlich!“
„Ja, warum nicht? Sag bist du einer?“
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ fragte er lachend.
„Man weiß ja nie?“
„Versprochen, ich bin keiner!“
„Also gut, glaub ich dir mal!“
„Da bin ich aber froh!“
Er griff an ihr vorbei, öffnete die Beifahrertür und hielt sie ihr auf: „Bitte schön, oder hast du Angst, dass ich dir was tu!“
„Wieso, hast du vor mir was zu tun?“
„Eigentlich nicht! Ich wollt dich wirklich nur nach Hause fahren, damit dir keiner was tut! Deswegen will ich dich ja nach Hause bringen! Nichts anderes! Versprochen!“
Warum trau ich ihm, dachte sie, als sie einstieg. Ich weiß es nicht.
Lilly sah ihm nach, wie er die hintere Tür aufmachte, die Tüte reinstellte und um das Auto herumlief, zu ihr einstieg und es anließ.
„So, jetzt muss ich nur noch wissen, wo du wohnst!“
„Mmh, ob ich das wirklich sagen soll?“
Er kicherte: „Ok, dann wird die Sache etwas kompliziert?“
„Warum?“
„Mmh, wo soll ich denn dann hinfahren, weil wenn ich nicht weiß wo du wohnst, fahr ich halt zu mir nach Hause!“
„Wie zu dir? Willst du mich ärgern?“
„Nö, nur wenn du mir nicht sagst, wo du wohnst, kann ich ja nichts anderes machen, oder?“ fragte er leise kichernd.
Lilly holte wieder tief Luft: „Also gut,“ sagte sie gespielt resigniert: „dann fahr da vorne erst nach rechts und dann bei der dritten links!“
Lukas griente, er wusste schon lange wo sie wohnte, aber das konnte er ja nicht sagen.
„Du machst mich wahnsinnig!“
„Warum? Weil ich dir nicht sagen wollte wo ich wohn?“
Er lachte wieder auf. „Ja, so ungefähr!“
Sie schielte ihn von der Seite her an: „So? Weißt du, du bist manchmal so fies!“
„Bin ich nicht, aber es ist wahr. Du machst mich mehr wie nur Wahnsinnig, natürlich auf eine angenehme Art!“
„Aber grad noch die Kurve gekriegt, mein Lieber!“
Ein Blick zu ihr, sagte ihm, dass das nur Spaß war.
Wieder kicherte er: „Du bist wirklich süß!“
„Du machst es schon wieder!“
„Was?“
„Mich in Verlegenheit bringen und diesmal war das pure Absicht!“
„Nein! Keine Absicht, nur Wahrheit. Wirklich!“
„Du musst da vorne nach links, das hab ich dir gesagt!“
„Ja, ich weiß. Ich kann reden und fahren, gleichzeitig!“
„Ein multitaskt veranlagter Mann!“
„Was soll das jetzt heißen?“
„Ach komm, die meisten Männer können nicht zwei Sachen gleichzeitig!“
„Hey, ich schon, …. theoretisch!“
„Aha, da fängt es schon an.“
„Aber gleichzeitig fahren und reden geht!“
„So?“
„Ja!“ Er bog nach links ab, fuhr ein Stück und wollte gerade schon nach rechts abbiegen, als ihm einfiel das sie ihm das nicht gesagt hatte.
„Langsam, hier nach rechts!“
Lukas bremste ab, aber er musste nicht viel bremsen, er wusste ja, wo sie wohnte, hatte damit gerechnet. Er bog ab, fuhr keine 50 Meter weit, wurde wieder langsamer.
Sie schien nicht zu merken das er langsamer wurde, den sie sagte zu ihm. „Da vorne kannst du anhalten, mich rauslassen!“
Der BMW hielt direkt vor ihrem Haus, sie stieg aus, wollte gerade die hintere Tür aufmachen, um ihre Tüte zu holen, aber irgendwie war Lukas schneller. Er hatte die Tüte bereits in der Hand, kam ums Auto herum und gab sie ihr.
„Oder soll ich sie dir noch hoch tragen?“
Lilly sah ihn schon fast schockiert an: „Was? Nein, das mach ich selber!“
„Es war nur ein Angebot!“
„Das muss ich ablehnen!“
Lukas hob abwehrend die Hände: „Ok! Wie gesagt, war nur ein Angebot!“
„Danke fürs heimfahren, aber ich geh lieber allein nach oben!“
„Gut, also dann bis zum nächsten Mal?“
Ich hoffe, sie sagt jetzt noch irgendwas, da ich sie anrufen kann, oder das sie mir sagte, wann ich sie vielleicht abholen kann.

Lilly sah ihn. Wenn ich ihn jetzt mit hoch nehme, weiß ich nicht was passiert. Aber vielleicht frägt er mich ja jetzt nach meiner Nummer oder nach einer Verabredung.

Lukas sah ihr in die Augen, wusste nicht, was er jetzt tun sollte, er wollte nicht aufdringlich werden, zu groß war seiner Meinung nach die Gefahr, das er sie überrumpelte. Das wollte er nicht riskieren, er konnte nicht riskieren, sie zu verlieren, also wartete er. Wartete darauf, dass sie etwas sagte.
Lilly wiederum hoffte von ihm zu erfahren, wann sie sich wiedersehen würden.
Plötzlich sagte beide gleichzeitig: „Wann können wir ….“ beide hielten wieder gleichzeitig den Mund.
„Du zuerst!“ sagte Lukas zu ihr.
Erst holte sie tief Luft, bevor sie sagte: „Wann sehen wir uns wieder?“
Sofort wurde sie wieder Rot, sah verlegen nach unten. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Jederzeit, wenn du möchtest, sag mir wann ich dich holen soll, oder wo wir uns treffen sollen. Ich will nicht unbedingt wieder warten, bis ich dich zufällig irgendwo treffe!“
Obwohl das, wenn er ehrlich war, nicht unbedingt zufällig war, aber das wusste sie ja nicht.
„So einfach ist das nicht!“, sagte sie immer noch nach unten sehend: „Ich schaff Schicht, diese Woche komm ich vor halb zehn nicht raus und vorher kann ich nicht!“
„Ich kann dich auch erst nach zehn holen, wenn du willst! Ich hab damit kein Problem!“
Jetzt erst hob sie den Kopf, sah ihm in die Augen: „Ist das dein Ernst?“
„Natürlich! Wenn du sagst, das ich dich holen darf, mach ich es!“
„Ähm, ok morgen, also wenn du möchtest,….“
„Gern, ich kann dich morgen abholen, von hier oder von der Arbeit, kein Problem“
„Ok, aber lieber von hier, dann können wir überlegen, was wir tun.“
„Gerne! Kein Problem, wann?“
„Ähm… ich denke so Zehn rum müsst ich hier sein.“
„In Ordnung!“, er nahm ihre Hand in seine, führte sie zum Mund und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Handrücken: „Dann sehen wir uns morgen!“
Zu sehr irritiert von dem, was er getan hatte, konnte sie nur nicken. Dann zog sie ihre Hand zurück, kramte ihren Schlüssel aus der Hosentasche, ging eilig zur Haustür, schloss diese auf und ging, nachdem sie ihm zum Abschied gewunken hatte, schnell die Treppen nach oben. In ihrer Wohnung räumte sie ihren Einkauf auf, ging ins Schlafzimmer, ließ sich aufs Bett fallen und begann zu überlegen, was sie gerade im Begriff war zu tun.

Wieso war er eigentlich in dem Laden, er hat doch alles wieder weggelegt, er hatte gar nichts gekauft. War er mir gefolgt, verfolgt er mich.
Lilly nahm ihre Bettdecke, drehte sich in sie ein und begann weiter darüber zu grübeln, was eigentlich los war.
Vielleicht ist er eine Art Stoker, dachte sie und fühlte sich irgendwie beobachtet.
Langsam kroch sie unter ihrer Bettdecke hervor, zog sich schnell um, ging noch mal zurück ins Wohnzimmer, schloss die Wohnungstür zu, ließ ihren Schlüssel stecken, verriegelte dann noch die Balkontür und ging zurück in ihr Schlafzimmer. Dort zog sie die Vorhänge zu und legte sich wieder unter ihre Bettdecke.
Du spinnst, vielleicht war er schon einkaufen und hat dich gesehen als er am Auto war. Wahrscheinlich kam er einfach wieder zurück und damit es so aussieht als ob, hat er einfach irgendwas genommen.
Aber was ist wenn er sie doch verfolgt, ein Schaudern durchlief ihren Körper, sie war sich plötzlich sicher, dass jemand in ihrem Schlafzimmer stand, aber sie hatte zu viel Angst nachzuschauen. Daher verkroch sie sich nur noch weiter unter ihre Decke, das Gefühl wurde so langsam zur Panik.
Hier ist niemand, sagte sie zu sich selbst, du warst grad auf, hast abgeschlossen und da war niemand und da ist jetzt auch niemand. Nachdem sie sich selbst genug Mut zugesprochen hatte, schaltete sie ihre Nachttischlampe an, schob die Decke von sich und sah sich um. Siehst du, da ist niemand.
Vorsichthalber stand sie auf, schloss auch noch ihre Schlafzimmertür ab und legte sich wieder ins Bett, entschied aber das Licht anzulassen. So konnte sie alles sehen und nach einer Weile schlief sie mit eingeschaltetem Licht ein.

Lukas beobachtet sie wirklich, allerdings saß er auf dem Dach des Nachbarhauses, von hier aus konnte er direkt in ihr Schlafzimmer sehen, zumindest bis sie die Vorhänge zugemacht hatte. Ihre Angst hatte er nicht nur wegen ihres schnellen Herzschlages gehört, er hatte sie auch gerochen, obwohl er auf der gegenüberliegenden Straßenseite war. Da sie noch nicht schlief, riskierte er es nicht näher zu ihr zu gehen, aber ganz weg von ihr konnte er auch nicht.

Auf einmal hörte er etwas neben sich an dem Dachfenster, ein kleiner Junge schaute hinaus, sah ihn mit großen Augen an: „Was machst du hier?“ fragte er ganz leise. „Wie kommst du hier hoch?“
Lukas ließ sich ganz aufs Dach sinken, verschränke die Hände hinter dem Kopf und sah den Jungen an: „Wie alt bist du? Solltest du nicht schon längst schlafen?“
Der kleine Junge hielt sich den Zeigfinger vor den Mund: „Psssst! Nichts verraten!“
Lukas konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, machte die gleiche Geste wie der Junge und sagte flüsternd: „Wenn du nichts sagst, sag ich auch nichts, ok?“
Ein wildes Nicken war die Antwort, danach legte der Junge seine Arme auf den Fenstersims, legte seinen Kopf darauf und sah in den Sternenhimmel: „Ich bin schon fast sieben.“ Beantwortet er Lukas´ Frage nach einer Weile.
„Und was machst du?“
„Sterne gucken!“
Lukas rutsche näher zu ihm: „Sag mal so groß bist du doch gar nicht, wie kannst du rausgucken?“
Ein leises Kichern: „Ich steh auf meiner Spielzeugtruhe!“
„Aha!“
Der Blick des Jungen war immer noch gebannt nach oben gerichtet, Lukas rutschte noch näher zu ihm, folgte seinem Blick.
„Siehst du die vier Sterne die ein Rechteck bilden, mit den Sternen dahinter?“ Lukas zeigte nach oben, der Junge folgte mit seinen Augen Lukas´ Finger.
„Mmh.“ sagte er nickend.
„Das ist der großen Wagen!“
Der Junge sah ihn mit großen Augen an: „Woher weißt du das?“
„Sieht doch aus wie einer! Oder nicht?“
Wieder nickte der Junge.
„Und die drei hellen, da nebeneinander…“ Jetzt zeigt er fast senkrecht nach oben: „Nennt man den Gürtel des Orion!“
Die Augen des Kleinen wurden immer größer: „Woher weißt du das?“ fragte er wieder.
„Weißt du, wenn man so viele Nächte den Sternenhimmel beobachtet, fängt man an sich dafür zu interessieren!“
Der Kleine nickte wieder: „Ich guck auch gerne!“
Kinder, dachte Lukas, so herrlich unschuldig. Niemals würde er eines von ihnen anfassen, selbst wenn er am Verhungern wäre. So rein, so unschuldig, manchen war genau das der Reiz, aber für ihn wäre es eine Schande. Erwachsene Menschen können sich schon nicht wehren, aber ein Kind, nein, das letzte was er dazu missbrauchen würde. Jedes Tier wäre ihm recht, aber niemals ein Kind und daran hatte er sich bis jetzt gehalten. Heutzutage war es noch leichter sich daran zu halten, die Menschen gaben ja freiwillig, zumindest manche und die reichten.
Er hörte etwas in der Wohnung von Lilly, sah nach drüben und merkte, das sie ein Licht angemacht hatte, aber ihr Herzschlag und ihre Atmung verrieten ihm, dass sie schlief. Wahrscheinlich hatte sie es vergessen auszumachen.
Aber er hörte noch etwas anderes, es kam aus der Wohnung des Jungen.
„Jetzt aber ab ins Bett, da kommt jemand um nach dir zu schauen!“ flüstere er ihm zu.
Der Junge sah ihn erstaunt an, verschwand aber vom Fenster, Lukas hörte wie er ins Bett stieg, hörte wie kurze Zeit später die Tür aufging und jemand leise murmelte: „Da hab ich mich wohl getäuscht!“ Und dir Tür wieder schloss.
Wieder hörte er wie das Bett knarrte und das Gesicht des Jungen erschien wieder am Fenster: „Boah, hast du gute Ohren!“
Lukas lächelte, stupste ihn sanft auf die Nasenspitze und sagte zu ihm: „Jetzt aber wirklich ins Bett bevor sie dich erwischt!“
Der Kleine nickte, verschwand und wieder hörte man das Bett, als er sich reinlegte, leise hörte er ein Flüstern: „Gute Nacht!“
Er flüsterte zurück: „Schlaf gut:“ und hörte wie der Herzschlag des Jungen langsamer wurde, als dieser einschlief.
In ihrem Fenster war immer noch Licht, aber er wusste das sie schlief. Heute nicht mehr, entschied er, du siehst sie morgen.
Dann trat er an die Dachkante, sah nach unten um sicher zu gehen, dass ihn niemand sah und sprang die sieben Stockwerke nach unten. Völlig geräuschlos landete er in der kleinen Gasse, lief zurück zu seinem Wagen, den er vier Blocks weiter geparkt hatte und fuhr nach Hause.

Als Lilly am nächsten Morgen von ihrem Wecker aus dem Schlaf geholt wurde, konnte sie sich immer noch nicht entscheiden, was sie glauben sollte.
War es wirklich Schicksal, dass sie ihm wiederbegegnet war oder von ihm geplant.
Woher sollte sie das erfahren, sollte sie ihm einfach glauben.
Ja, warum nicht?, fragte sie sich selbst. Weil es vielleicht zu gefährlich ist, kam die Antwort.
Blödsinn, es ist nicht gefährlich, du triffst dich doch nur mit ihm.
Ja, aber genau das ist es, was gefährlich werden könnte.
Eine Weile drehte sie sich noch in ihrem Bett herum, überlegte ob sie ihm absagen sollte. Allerdings gab es da ein Problem, sie wusste nicht wie sie das tun sollte, sie hatte ja schließlich immer noch weder seinen Nachnamen, noch eine Telefonnummer.
Also bleibt dir nichts anderes übrig, als ihn zumindest kurz wiederzusehen, entschied sie, irgendwie froh darüber, ihm nicht absagen zu können.
Langsam stand sie auf, sie musste ja schließlich noch arbeiten gehen, ging kurz duschen, zog sich an, frühstückte, obwohl es schon weit nach Zwölf Uhr war und packte dann ihre Sachen um zum Krankenhaus zu gehen.

Für einen Donnerstag, war bis zum Abendessen sehr ruhig auf ihrer Station, die Patienten waren zufrieden, es gab keine ungeplanten Zwischenfälle und so hatte sie Zeit um weiter ihren Gedanken nachzuhängen, ob es wirklich eine gute Idee war, sich mit ihm zu treffen.
„Und hast alles gekriegt?“ fragte Vicky sie und unterbrach ihren Gedankenfluss.
„Was?“ Lilly hatte nicht wirklich zugehört, sie wusste nicht einmal wir lange Vicky ihr schon etwas erzählte.
„Ich hab gefragt ob du alles bekommen hast?“
„Wo?“
Vicky schlug ihr sanft mit der flachen Hand auf die Stirn: „Gestern, beim Einkaufen!“
„Aua,… ach so gestern, ja, ja, alles bekommen.“
„Was ist los mit dir, du bist irgendwie Geistesabwesend heute, alles ok bei dir?“
Lilly lachte: „Ja, warum? Ich …Mir spuckt nur gerade ein bisschen viel im Kopf rum!“
„Und was, wenn ich fragen darf?“
Als ob ich dir das auf die Nase binden würde.
„Alles Mögliche, nichts konkretes. Ist egal!“
„Mmh oh, ok.“ Vicky war davon nicht begeistert nichts zu erfahren, das hörte man ihr deutlich an.
Nach einer Weile fragte sie: „Und was machst heute Abend?“
Lilly zuckte mit den Schultern: „Ich weiß nicht. Nix wahrscheinlich!“
„Ist ja langweilig! Ich treff mich mit jemandem, den ich in den Club, weißt du, wo wir vor zwei Wochen waren, kennengelernt habe. Ist voll süß, und ganz pflegeleicht!“
„Pflegeleicht? Findest du den Ausdruck nicht etwas merkwürdig?“
„Nö, der ist es. Ok vielleicht ein bisschen jung, aber noch gut zu erziehen. Ich sag an und er macht ohne zu murren und zu meckern!“
„Ich trau mich gar nicht zu fragen, aber was meinst du mit ein bisschen jung?“
Vicky grinste, zog die eine Augenbraue hoch: „Grad mal 18 Jahre alt!“
Lilly konnte nicht verhindern, dass ihr der Mund offen stehen blieb: „Du bist 32, bist du irre?“
„Ach komm, das sind nur ein paar Jährchen, stört doch keinen, nur weil du nichts Jüngeres willst. Ich steh halt auf jung und knackig!“ dabei leckte sie sich genüsslich über die Lippen.
„Och, Vicky! Du bist manchmal echt…..bäh… ich will gar nichts weiter wissen, von deinen neusten Eskapaden!“
„Ach du immer, man lebt nur einmal. Du bist 26 und was hast du schon erlebt, die Hälfte deines Lebens ist vorbei. Du wirst nicht jünger!“
Lilly schlug die Hände vors Gesicht, dadurch klang ihre Stimme gedämpfter, als sie sagte: „Manchmal redest du einen Schwachsinn daher. Dein Leben ist zur Hälfte vorbei!“ Sie versuchte Vicky nachzuäffen, bekam diesen Tonfall nicht annähernd so gut hin.
Vicky fing an zu lachen: „So kling ich aber nicht!“
„Do-och, genauso, wie eine alte Lehrerin die den Schülern ne Standpauke hält.“
„So?“ fragte Vicky leicht angesäuert: „Wenn das so ist, dann mach doch was du willst!“ Eingeschnappt verschränkte sie die Arme vor ihrer Brust, drehte Lilly den Rücken zu: „Dich nehm ich nicht mehr mit, wenn du so denkst, dann sterb halt einsam und alleine!“
Bevor Lilly noch etwas sagen konnte, stand Vicky auf und verließ den Pausenraum.
Die kriegt sich schon wieder, dachte Lilly und begann von neuem zu überlegen, ob sie das Richtige tat.
Ich kanns eigentlich riskieren, was kann ich schon verlieren? Also gut, mal schauen was sich daraus ergibt.

Die Stunden bis zum Feierabend zogen sich eine halbe Ewigkeit, zumindest kam ihr das so vor, da Vicky immer noch eingeschnappt war und nicht viel mit ihr sprach. Auch gut, dachte sie, löchert sie mich wenigstens nicht mehr.
Doch dann passierte doch noch etwas, ein neuer Patient wurde eingeliefert, der, kaum hatte sie ihn ins Bett gelegt, sein Essen wieder zum Vorschein brachte. Ihre Arbeitskleidung war sofort durchweicht, da ie nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte. Lilly legte den Patienten wieder richtig hin und rief Vicky im Vorbeigehen zu: „Du ich muss hoch mich umziehen gehen, bin gleich wieder da!“
Allerdings hatte sie keine Zeit zum Duschen, also wischte sie sich nur kurz ab, nachdem sie die Kleidung ausgezogen hatte und zog sich schnell etwas Frisches über. Es dauerte ja nicht mehr lang bis der Nachtdienst kam, dann konnte sie zu Hause in aller Ruhe ausgiebigst Duschen.
Als dann der Nachtdienst zur ablöse kam, war sie heilfroh endlich bald nach Hause zu kommen, aber irgendwie schien sich ihr Magen immer weiter zusammenzuziehen, je näher der Feierabend kam. Auf dem Nachhauseweg wurde es sogar noch schlimmer.
Was ist denn jetzt los, fragte sie sich, hat der irgendetwas Ansteckendes. Oder rebellierte mein Magen einfach nur auf Grund der Widerlichkeit angekotzt worden zu sein. War aber nicht das erste Mal.

Erst als sie um die letzte Ecke herumlief, fiel ihr wieder ein, was los war. Allerdings erst, als sie den schwarzen BMW vor ihrer Haustür sah.
Lukas hatte sie bereits bemerkt, als sie noch gar nicht um die Ecke gekommen war, jetzt, wo er sie sah, stieg er langsam aus, lehnte sich an den Kotflügel des Autos und wartete bis sie nah genug bei ihm war. Umso näher sie kam, umso stärker beschlich ihn das Gefühl, das sie nicht froh war ihn zu sehen.
„Hi, und wie geht’s?“ fragte er, als sie keine zwei Meter mehr von ihm entfernt war. Ihr Herz schlug schnell und irgendwie roch sie merkwürdig: „Alles ok?“ hakte er nach.
„Ja, eigentlich schon. Ich will nur duschen!“
Lukas streckte ihr die Hand entgegen, aber als sie nicht darauf regierte, ließ er sie sinken: „Was ist, du siehst nicht gerade glücklich aus und klingen tust du auch nicht so!“
Jetzt konnte sich Lilly ein grienen nicht verkneifen: „Weißt du, wie würdest du dich fühlen, wenn einer lang an dir runter gekotzt hätte?“
Lukas fing an zu lachen: „Wahrscheinlich nicht wirklich glücklich!“ gestand er ein.
„Siehste!“ Sie ging an ihm vorbei, schloss die Haustür auf und sah ihn an, als er keinen Anstalten machte ihr zu folgen.
„Ich kann auch hier unten warten, wenn es dir lieber ist!“
Lilly sah ihn an, lächelte ihm zu. „Ich kann dir nicht sagen, wie lange ich vorhabe unter der Dusche stehen zu bleiben!“
Bat sie ihn gerade wirklich in ihre Wohnung, dazu noch während sie nackt unter der Dusche stand. Logischerweise nackt, sagte sie zu sich selbst. Aber aus irgendeinem Grund machte ihr der Gedanke nicht wirklich etwas aus.
„Das ist ein, wohlgemerkt begründetes, Argument!“ Trotzdem blieb er an der gleichen Stelle stehen.
In dem sie mit dem Kopf in Richtung Eingang nickte, zeigt sie ihm, dass er ihr folgen sollte.
„Kommst du? Oder willst du wirklich hier unten warten?“
„Was? Nein, ich… meine.. nur ..wenn.. es dir nichts.. aus. .macht?“
„Wenn es mir was ausmachen würde, hätte ich es nicht vorgeschlagen, oder?“
Er wiegte abschätzend den Kopf hin und her: „Stimmt auch wieder!“
Langsam folgte er ihr, lief hinter ihr die Treppen nach oben und wartet hinter ihr, bis sie ihre Wohnungstür aufgeschlossen hatte.
„Bitte, komm rein.“ Forderte sie ihn auf, während sie die Tür offen hielt.

Er war schon so oft hiergewesen, aber irgendwie schien sich ihr Geruch verstärkt zu haben. Zumindest hatte er das Gefühl, er versuchte nicht so sehr zu atmen, denn es schien das Feuer in ihm immer mehr anzufachen. Vorsichthalber blieb er in der Nähe ihrer Küchenzeile stehen, sah ihr nach wie sie ins Schlafzimmer ging.
„Setzt dich!“ hörte er sie rufen: „Ich beeil mich!“
„Brauchst du nicht! Nur keinen Hektik!“ Solange wie sie duscht, konnte er ohne Bedenken in ihrer Wohnung bleiben, dieses Mal sogar, mit ihrem Wissen. Vielleicht war es das, was ihm dieses Gefühl gab, ihr Geruch hätte sich verstärkt. Die Tatsache, dass sie ihn bewusst ihn ihre Wohnung gelassen hatte.
Er setzte sich auf ihre beigefarbene Couch, sie passt gut zu dem dunklem Holz der Wohnwand, in der ihr Fernseher und andere elektronischen Geräte standen, dachte er.
Auch ihre Küche hatte dieses dunkle Holz als Arbeitsplatte. Die Fronten ihrer Küche waren allerdings dunkelrot, was auch nicht schlecht aussah. Er hätte allerdings dann auch eine rote Couch genommen.
Ein Grienen huschte über sein Gesicht, hatte er das jetzt wirklich gedacht. Überlegte er gerade wie er ihre Wohnung eingerichtet hätte. Nicht, das er sich bei sich nicht hatte austoben können, er dachte wirklich darüber nach, was wie zusammen passte.
Seine Gedanken wurden abgelenkt, als er hörte wie die Dusche anging, ein fast schon unkontrollierbarer Drang machte sich in seinem Inneren breit leise in ihr Bad zu schleichen und ihr zuzusehen.
Spinnst du, wenn die dich erwischt, dann ist die Hölle los, dann kannst du gleich gehen.
Aber nur kurz, sie erwischt mich schon nicht. Ich bin ganz leise.
Nein, vergiss es. Lass es! Verstanden!
Toll, er stritt mit sich selbst, aber wen sollte er gewinnen lassen, den Drang oder die Vernunft.
Als der Geruch ihres Duschmittels durch den Raum zog, schloss er die Augen und sog mit tiefen Atemzügen diesen Geruch auf. Es war nicht derselbe, den sie hatte, aber durch die Wärme des Wassers, verstärkte sich auch ihr Eigengeruch und diesen filterte er heraus.
Er hätte stundenlang so dasitzen können, völlig regungslos, nur ihren Geruch aufsaugend. Er schien ihn zu durchdringen, sich in ihm anzusammeln. Nicht ihr Duschmittel, ihr Geruch und er wusste sofort als sie aus dem Bad ins Schlafzimmer kam. Er hörte zwar auch, wie sie die Dusche abstellte, wie ihr Herzschlag näher kam, aber noch mehr spürte er es an ihrem intensiver werdenden Geruch. Ihre feuchte Haut, ihre nassen Haare, verstärkten das, was ihn eh schon fast wahnsinnig machte. Er musste sich mehr denn je zurückhalten nicht zu ihr zu gehen.

Lilly stand unter der Dusche, überlegt was er wohl gerade tat, ob es wirklich eine gute Idee war ihn mit nach oben zu nehmen, ob sie nicht zu weit damit ging. Was würde passieren, wenn sie aus der Dusche käme, sie konnte sich ja wohl schlecht einfach neben ihn setzten. Warum denn nicht, fragte eine Stimme in ihrem Kopf. Was wäre das schlimmste was passieren könnte.
Allein schon der Gedanke, was passieren könnte, ließ ihr Herz schneller schlagen.
Nein, nein, nein, das geht nicht. Du kennst ihn nicht.
Na und, andere haben One night-stands, die kennen den auch nicht.
Aber wenn du ihn wiedersehen willst, wäre das vielleicht keine gute Idee.
Wieso nicht, wenn er nur das eine will, hat er es bekommen und ich weiß Bescheid und wenn er mich wiedersehen will, wird ihn das wohl nicht davon abhalten.
Aber was ist wenn doch, was ist wenn er nicht so ist, wenn es ihm nicht nur darum geht, vergraulst du ihn dann vielleicht damit.
Was soll ich jetzt tun, wieso hat dieser Kerl so eine Anziehungskraft auf mich.
Sie stellte die Dusche ab, wickelte sich ein Handtuch um und ging ins Schlafzimmer.
So was jetzt, willst du noch weggehen, dann musst du dich richtig anziehen, oder bleiben wir hier, dann kann ich eigentlich T-Shirt und Jeans anziehen.

Als sie die Schlafzimmertür öffnete, flutete augenblicklich ihr Geruch das Wohnzimmer, Lukas musste sich dermaßen beherrschen um sie nicht an sich zu ziehen, sie festzuhalten, sie abzuschnüffeln. Er konnte kaum mehr klar denken.
„Was hast du heut noch vor?“ fragte sie ihn.
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, ich dachte… "er machte den Fehler und drehte sich herum, sah sie nur mit einem Handtuch bekleidet im Türrahmen stehen und konnte sich ein leises aufkeuchen nicht verkneifen: „ ich…..ich.. dachte das…du..viell…vielleicht was.. weißt!“
Lilly sah an sich runter, erst jetzt wurde ihr wirklich bewusst, dass sie nur mit einem Handtuch vor einem ihr eigentlich fremden Mann stand.
„Ähm, ich..ich weiß nicht, wenn….wenn ich ehrlich bin…hab ich irgendwie fast vergessen, das wir uns…heute treffen…wollten!“ Sie zog das Handtuch fester um ihren Körper, spürte wie die Röte ihr ins Gesicht stieg und war kurz davor zurück ins Schlafzimmer zu flüchten.
Sein Blick entging ihr nicht, die Art wie er sie ansah, war merkwürdig, sie konnte es nicht zuordnen, aber es brachte sie noch mehr in Verlegenheit.
Selbst wenn sie hätte gehen wollen, sie konnte sich seinem Blick nicht entziehen. Daher stand sie wie festgenagelt da, sah ihm zu wie er sie ansah.
Lukas musste sich zwingen sich herum zudrehen, sie nicht mehr anzustarren: „Es.. es tut… mir… ich.. hätte…nicht…!“ Er war nicht in der Lage etwas zu sagen ohne zu stottern, er setzte sich wieder richtig auf die Couch, versuchte einen Punkt im Raum zu fixieren um sich nicht mehr herumzudrehen. Dennoch roch er sie und es machte ihn wahnsinnig. Ihr Geruch, ihr Herzschlag, alles durchströmte seinen Körper.

Lilly stand immer noch im Türrahmen, konnte sich erst wieder bewegen, als er sich herumgedreht hatte.
„Nein, ich..hab ..hab nicht nachgedacht!“
„Es ist ja nicht so das es mir etwas ausmachen würde, aber ich habe nicht damit gerechnet! Ich wollte dich nicht so anstarren!“
„Bin ja selber Schuld, ich hätte mir…“ sie sah an sich herunter: „was anziehen sollen!“
„Na ja, zumindest mehr wie nur ein Handtuch.“ gab er zu bedenken.
Obwohl diese Angelegenheit alles andere wie komisch war, fingen beide an zu Lachen.
Wie viel davon allerdings aus Schamgefühl bestand, wusste keiner von beiden.
„Wenn du angezogen bist, sag mir Bescheid!“
„Dazu müsste ich wissen, was ich anziehen soll!“
„Woher soll ich wissen, was du anziehen willst?“
„Deswegen hab ich dich ja gefragt, ob du was Bestimmtes vorhast?“
Lukas merkte, dass sie während des Redens, wieder ins Schlafzimmer gegangen war, er drehte sich vorsichtig herum. Die Tür war offen und er hörte sie fragen: „Also, was ist jetzt?“
Eigentlich wollte er gar nicht wirklich irgendwohin, sie könnten auch einfach hierbleiben, aber ob er ihr das vorschlagen sollte, wusste er nicht.
„Wenn du nicht mehr weg willst, können wir auch hierbleiben!“ sagte er schnell, bevor er es sich anders überlegen konnte.
Lilly war sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte, wollte er einfach hier bei ihr bleiben. Ok, man kann sich vielleicht besser unterhalten, wie irgendwo anders, aber war es vernünftig das zu tun. Ihr Verstand sagte nein, aber irgendetwas in ihr wollte sogar das er blieb.
„Ich weiß nicht, meinst du das ist eine gute Idee?“ fragte sie zögerlich.
Sie hörte wie er tief Luft holte: „Ich glaube, das wir alt genug sind, zu entscheiden was eine gute Idee ist und was nicht, was wir lassen sollten!“
Lilly zog sich schnell an, suchte eine alte Jeans und ein verwaschenes T-Shirt, räumte das Handtuch ins Bad und kam zu ihm zurück ins Wohnzimmer.
Als sie hinter der Couch stand, merkte sie wie Lukas zusammenzuckte, er blieb ruhig sitzen und fixierte weiter einen Punkt.
„Ich bin richtig angezogen!“
„Ja? Ok, wenn dus sagst.“
Lilly fing an zu lachen, setzte sich neben ihn auf die Couch und sah ihn an.
Erst nach ein paar Sekunden, löste er seinen Blick von dem Punkt, den er angestarrt hatte und wandte sich zu ihr.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht: „Das heißt wohl, wir bleiben hier?“
Lilly zuckte mit den Schultern: „Wenn es dir wirklich nichts ausmacht?“
„Nein! Gar nicht!“ sagte er kopfschüttelnd: „Es macht mir nichts.“
Langsam veränderte er seine Sitzposition, er drehte sich weiter zu ihr herum, zog ein Bein an, so dass es mit dem Knie auf der Kante der Couch lag und sah ihr wieder ins Gesicht.
Ihre Haare waren noch nass, kleine Tropfen liefen an ihnen herab, fielen auf das T-Shirt und hinterließen kleine runde Flecken. Sie setzte sich mit dem Rücken an eine der Seitenlehnen und zog ihre Beine nach oben, verschränkte sie zum Schneidersitz und ließ den Kopf nach vorne sinken. Ihre Haare fielen ihr über die Schultern, reichten bis an ihre Beine und hinterließen auch hier kleine Wasserflecken auf der Jeans. Lilly fühlte wie er sie ansah, schaute nach oben und wurde fast augenblicklich von dem Blau seiner Augen gefangen genommen.
Lukas griff langsam in ihre Richtung, strich ihr eine der nassen Strähnen hinter das Ohr und legte seine Hand wieder auf sein hochgelegtes Knie: „Meinst du das das gut ist?“
„Was?“ fragte sie fast flüsternd.
Seine Stimme wurde ebenfalls leiser, bekam wieder diesen schnurrenden Unterton:
„Hier mit nassen Haaren sitzen, nicht das du krank wirst!“
Leises Kichern bekam er als Antwort.
„Warum lachst du?“ fragte er sie hörbar irritiert.
„Das hat schon lang keiner mehr zu mir gesagt!“
„Ist das so schlimm, das ich das sage?“
Langsam schüttelte sie den Kopf: „Nein! Es ist nur ungewohnt!“
Immer noch waren ihre Stimmen nur ein Flüstern, sie saßen keinen Meter voneinander entfernt. Lukas hatte sich mittlerweile auch ganz herumgedreht, hatte aber im Gegensatz zu ihr, die Füße noch am Boden stehen.
„Was ist daran ungewohnt? Nur weil ich dir sage, das ich befürchte das du krank wirst, wenn du so hier sitzt?“
„Ja, aber ich bin das gewohnt. Es ist nicht kalt hier und solange ich nicht im Zug sitze, passiert nichts!“
„Bist du dir sicher?“
„Ja! Jahrelange Erfahrung!“ Wieder ein leises Kichern.
„Wenn du meinst? Es war nur gut gemeint!“
Lilly sah ihn nur an, griente nur.
Nach einer Weile fiel ihr etwas ein: „Willst du was trinken?“
Lukas zuckte unwillkürlich zusammen, aber sie hatte es nicht gemerkt. Trinken war verlockend, wenn sie wüsste wie sehr, wie ihr Herzschlag ihn verführte, der Geruch ihres Blutes, jetzt wo sie ihm so nahe war.
„Nein, danke.“
„Sicher nicht?“
„Ja, sicher! Trotzdem danke! Aber ich…mmh vergiss es!“
„Nein, jetzt sag. Willst du irgendwas?“
Er fing an zu lächeln, schüttelte den Kopf. Nicht das was du mir geben könntest. Zumindest nicht freiwillig.
„Ganz sicher?“
„Lilly!“ sagte er gespielt warnend. „Nein! Danke. Ich möchte wirklich nichts, aber das heißt nicht, das du deswegen nichts…also du weißt was mein!“
„Keine Sorge ich bediene mich, wenn ich was will!“
Lukas´ Blick schien mehr zu sagen, wie er dachte, denn sie sagte schnell: „Also an meinen Getränken und Nahrungsmitteln!“
Jetzt fing er an zu lachen: „Ich habs auch so verstanden!“
„Ja? Wirklich?“
„Ja!“
Lilly grinste, sah schon fast verlegen nach unten. Sie spürte wieder Lukas´ Hand an ihrer Wange, merkte wie er ihr sanft darüber strich. Zuerst wollte sie zurückweichen, schloss aber anstatt dessen die Augen und ließ ihn gewähren.

Was tue ich hier, wieso lass ich mich von ihm anfassen und wieso stört es mich nicht. Seine Berührung war angenehm, gefiel ihr geradezu, obwohl sie nicht verstand wieso, normalerweise ließ sie niemanden so schnell an sich heran. War auf Abstand bemüht, wieso bei ihm nicht. Was hatte er, was sie so anzog, sie so unvorsichtig machte. Niemals hatte sie jemanden so schnell in ihre Wohnung, in ihre Nähe gelassen. Aber bei ihm war es anders, es macht sie irrsinnig, so leicht von ihm um den Finger gewickelt zu werden. Egal was er tat, sie ließ es zu und das machte ihr ehrlich gesagt Angst.

Lukas strich ihr wiederholt über die Wange, spürte ihre weiche Haut. So lange war er nachts neben ihr gestanden, hatte sich gefragt, wie sich ihre Haut wohl anfühlte. Wie sehr hatte er sich gewünscht, sie berühren zu können, ihr so nahe zu sein. Nie hatte er es gewagt aus Angst sie zu wecken und jetzt war er ihr so nahe, konnte sie endlich berühren. Aber sie würde nie verstehen, was es für ihn bedeutete. Jetzt, wo er sie berühren konnte, war er sich sicher das sie es wirklich war. Sie war es, nichts konnte ihn davon überzeugen, dass er sich täuschte. Nicht einmal seine eigenen Zweifel, keine Selbstüberzeugungversuche konnte ihn überreden, das er sich irrte.

„Alles ok?“ fragte er sie jetzt lauter, aber immer noch mit diesem Schnurren in der Stimme. Sie nickte, dabei rieb sie ihre Wange an seiner Hand: „Ja, aber …?“
„Was ist?“ langsam zog er seine Hand zurück, hob ihr dabei sanft das Kinn an und sah ihr wieder in die Augen.
Lilly fühlte wie sie rot wurde, konnte sich aber seinem Blick nicht entziehen.
„Ich wollte dich nicht schon wieder in Verlegenheit bringen!“
„Tust du aber, also irgendwie, ich…ich weiß nicht wie, …wieso du das so einfach hinkriegst.“
„Ich mach das wirklich nicht mit Absicht. Ich schwöre.“ Seine Stimme wurde wieder leiser, fast schon beschwörend.
Sie glaubte es ihm, sie wusste nicht wieso, aber sie tat es.
„Das will ich dir auch raten!“ sagte sie gespielt drohend. Warum trau ich dir?
„Niemals würde ich dir mit Absicht etwas tun!“
„Was meinst du damit?“
„Das was ich gesagt habe. Es klingt jetzt vielleicht etwas abgenutzt, aber ich werde dir nie etwas tun. Ich werde dich vor allem beschützten.“
Lilly sah an: „Was meinst du damit, vor was schützten?“ Er irritierte sie immer mehr.
„Vor allem und vor jedem!“
Irgendetwas in seiner Stimme, sie wusste nicht was, aber es verursachte in ihr das Gefühl, nicht mehr weiter nachfragen zu wollen und vor allem, ihm zu glauben, aber dennoch fühlte sie sich wohl in seiner Nähe. Sehr wohl sogar und das obwohl sie ihn nicht wirklich kannte. Es war als ob ihr Verstand aussetzte, ihre Gefühle hatten die Oberhand gewonnen.

Plötzlich stand Lukas abrupt auf, stellte sich vor sie hin: „Es ist spät! Ich sollte nach Hause gehen. Und du musst morgen bestimmt arbeiten, oder?“
Lilly nickte: „Ja, schon, aber das heißt nicht das du..“
Er unterbrach sie: „Doch, es ist besser, wenn ich jetzt gehe!“
Langsam ging er Richtung Wohnungstür, sie stand auf, folgte ihm und öffnete ihm die Tür.
„Wenn du,…ich kann dich nicht auf….!“
Lukas stand bereits in der Tür, nahm ihre Hand, führte sie an seinen Mund und küsste sie sanft auf ihre Fingerknöchel.
„Es ist besser, wenn ich jetzt gehe! Aber wenn du willst, komme ich dich morgen Abend wieder besuchen.“ Sanft ließ er ihre Hand sinken, fuhr ihr nochmals über die Wange.
„Ich hab morgen wieder erst ab zehn Zeit!“
„Ich habs dir gestern gesagt, jederzeit, wenn du möchtest. Du sagst mir wann ich vorbei kommen soll und ich bin da!“
„Luke, ich würde mich freuen, wenn du morgen wieder vorbeikommen würdest!“
Lukas´ Lächeln wurde breiter: „Gerne“ er nahm seine Hand von ihrem Gesicht: „Wenn du willst bin ich morgen um zehn wieder hier!“
Lilly nickte.
Er ging ins Treppenhaus, schaltete das Licht ein und sah sie wieder an: „Gute Nacht, Lilly!“
„Gute Nacht, Luke. Fahr langsam, hast du gehört!“
Wieder lächelte er sie an: „Das habe ich schon lange nicht mehr gehört!“
„Ist das schlimm, wenn ich da sage?“
„Nein, nur ungewohnt!“ Sein Lächeln wurde weicher, er drehte sich herum und ging los.
Die erste Stufe war er bereits unten, als sie ihm nachging: „Luke! Warte!“
Er blieb stehen, drehte sich zu ihr herum.
Langsam, fast zögerlich, legte sie ihm ihre Hände auf seine Schultern, hielt ihn fest und küsste ihn sanft auf die Wange.
„Ich komm morgen Abend wieder!“ Er sah ihr wieder in die Augen.
Lilly hatte immer noch dir Hände auf seinen Schultern: „Ok.“
Er entzog sich ihr sanft, ließ ihre Hände von seinen Schultern rutschen. Jetzt drehte er sich wieder um und ging die Treppen nach unten.

Sie schloss dir Tür ab, ging in ihr Schlafzimmer, zog sich um, legte sich ins Bett und hatte ein merkwürdiges Gefühl, sie wusste dass er das irgendwie ausgelöst hatte, aber wie, konnte sie sich nicht erklären. Auch dieses merkwürdige Gefühl konnte sie nicht wirklich begreifen oder gar definieren, aber es wurde durch ihn ausgelöst.
Ist das der Grund, warum ich ihm vertraue, dieses Gefühl, das ich habe, was im Moment so unerklärlich ist. Ich vertraue ihm, ohne ihn zu kennen, ohne zu wissen wer er ist. Ich glaube ihm, ich weiß nicht warum, aber ich tue es.
Dieses Gefühl blieb, solange bis sie eingeschlafen war.

Lukas fuhr nach Hause, stellte das Auto in die Garage, ging ins Haus, legte sich in seinem Schlafzimmer aufs Bett und begann darüber nachzudenken, was da gerade bei ihr passiert war.
Wieso so schnell, er wusste, das er bei Menschen, wenn er wollte sofortiges Vertrauen bewirken konnte, aber bei ihr war nichts davon nötig gewesen. Sie wusste es, irgendwie wusste sie, dass sie zueinander gehörten. Woher sie das wusste, oder ahnte, war im schleierhaft. Aber er war sich sicher, das sie es auch gespürt hatte.
Und dennoch wusste er nicht, wie er sich weiterhin gegenüber ihr verhalten sollte. Er wusste nur, dass sie zu ihm gehörte und das er sie wiedersehen wollte und das ihn nichts davon abhalten konnte, ob es sein eigener freier Wille war oder nicht. Aber morgen Abend würde er wieder bei ihr sein, würde sie besuchen, diesmal würde er bis morgens bleiben, aber heute war es besser, ehern gegangen zu sein. Es wäre zu weit gegangen, er hatte ihr bereits zu viel gesagt und dennoch hatte sie nicht weiter nachgefragt. Aber trotzdem schien sie ihm zu glauben, schien es ihm abgenommen zu haben, was er ihr versprochen hatte.
Die gesamte restliche Nacht, kreisten seine Gedanken um sie.

Lilly ging am nächsten Mittag zur Arbeit, versorgte ihre Patienten, aber sie war mit ihren Gedanken und vor allem mit ihren Gefühlen längst nach Feierabend und bei ihm, vielmehr er war dann bei ihr. Die Zeit verging schnell, merkwürdig schnell und sie war verwundert, als sie ihre Kollegin sah, die sie ablösen sollte. Aber sie war froh, als der Nachtdienst kam, noch nie war sie so schnell nach Hause gegangen, normalerwiese blieb sie manchmal etwas länger um mit den Kolleginnen zu reden, aber heute wollte sie nur nach Hause.
Sie lief schneller wie sonst. Gott was ist los mit mir, schlimmer wie ein Junkie auf Entzug. Allein die Vorfreude ihn wiederzusehen, trieb sie an. Das gibt es nicht, sagte sie zu sich selbst, so was kenn ich nicht von mir, normalerweise bin ich rational und nicht so emotional.

Schon als sie um die letzte Ecke herumkam, sah sie den schwarzen BMW, der direkt vor ihrer Haustür parkte. Lukas stand bereits wieder an sein Auto gelehnt, sah ihr entgegen. Es schien so als ob er fast schon wusste, wann sie ankam. Oder er stand schon eine ganze Weile da und wartete.
Kaum war sie nahe genug, dass sie ihn hören konnte, sagte er: „Hallo Lilly. Na wie geht’s dir?“
„Eigentlich ganz gut!“ gab sie zu.
Lukas lächelte sie wieder an: „Freut mich. Und was jetzt?“
„Mmh?“
Lukas sah auf seine Armbanduhr: „Es ist schon spät, willst du noch weg?“
„Eigentlich nicht, ich bin froh wenn ich die Beine ausstrecken kann.“
Sein Lachen war so angenehm wie immer, sie ging an ihm vorbei, schloss die Haustür auf und ging nach oben. Diesmal folgt er ihr ohne weitere Aufforderung.
Als sie in der Wohnung waren, setzte er sich wieder auf die Couch, sie zog ihre Schuhe aus, dann setzte sie sich im Schneidersitz neben ihn und sah ihn wieder an. Es war auf einmal die gleiche Vertrautheit, wie am Abend zuvor. Die gleichen Gefühle, wie gestern Abend.
„Wie war dein Tag?“
„Mmh, es ging, hab schon mal ruhigere Tage gehabt? Und was hast du gemacht?“
„Wars stressig?“
„Es hat gereicht, Patient entlassen, neuen Patient aufgenommen. Bei uns wird kein Bett kalt!“ Sie lächelte ihn an, lehnte sich nach hinten an die Armlehne und ihren Kopf an die Rückenlehne.
„Müde?“
„Ein bisschen.“
„Wenn du anfängst nur noch einsilbig zu antworten oder nur noch Laute von dir gibst, geh ich!“
„Das hab ich so nicht gemeint, Luke.“
„So?“ Er griente sie an: „Wie dann?“
Sie streckte ihm als Antwort die Zunge raus, stand auf, ging zur Küchenzeile und holte eine Flasche aus dem Kühlschrank: „Luke? Willst du was?“
„Nein, danke!“
Er sah wie sie zwei Gläser aus einem der Hängeschränke nahm, sich die Flasche unter den Arm klemmte und zu ihm zurückkam. Sie stellte alles auf den Glascouchtisch und sah ihn an: „Trinken ist wichtig!“
„Ich weiß.“ Und wie ich das weiß.
Lilly nahm die Flasche, drehte am Verschluss eine Weile herum und sah ihn dann schon fast verzweifelt an: „Kannst du mal aufmachen?“ Sie streckte ihm die Flasche hin: „Bitte!"
Lukas nahm ihr die Flasche ab, drehte kurz am Verschluss und gab sie ihr geöffnet zurück.
„Bitte schön!“
„Danke!“ Sie griente, schenkte sich und ihm ein und setzte sich wieder im Schneidersitz auf die Couch, lehnte sich wieder an und nahm ein Glas in die Hand.
„Das andere Glas ist für dich!“
„Danke!“ sagte er leicht resigniert.
„Ja, gestern hab ich dich auch gefragt und du wolltest nichts und jetzt geb ich dir einfach was.“
„Stures Etwas!“
„Du bist stur! Du willst doch nichts!“
Jetzt wurde Lukas´ Lächeln breiter: „Und deswegen krieg ich jetzt einfach was?“
„Yeap!“
Lukas veränderte seine Sitzposition etwas, drehte seinen Oberkörper weiter zu ihr.
„Du kannst dich ruhig bequem hinsetzten!“
„Wer sagt denn, dass das jetzt nicht bequem ist?“
Lilly kicherte, sie merkte das sie müde wurde, wollte ihn aber nicht wegschicken.
„Lilly? Du bist hundemüde, nicht war?“
„Wie kommst du darauf?“
Weil ich höre wie dein Herz langsamer schlägt, deine Atmung ist ruhiger: „Du siehst einfach nur müde aus! Das ist alles.“
„Bin ich gar nicht, sieht nur so aus!“
„So?“
„Luke? Wieso bist du so versessen darauf, dass ich müde bin. Willst du nach Hause?“
„Nein, ich bleib auch die ganze Nacht bei dir, auch wenn du schläfst:“
„Dann schaust du mir beim Schlafen zu?“
Wäre nicht das erste Mal, das ich das tue.
„Hab ich kein Problem damit, wenn es dir nichts ausmacht, mich bei dir in der Wohnung zu haben, obwohl du schläfst, schau ich dir auch zu.“
Lilly fing an zu kichern: „Das glaub ich dir auch noch!“
„Echt? Einfach so?“
Nur ein Nicken als Antwort.
„Oha, jetzt fängst an, sie gibt nicht mal mehr Geräusche von sich!“
„Luke! Gemein du bist!“
Lukas fing an zu lachen, streckte ihr die Hand entgegen, nahm ihr das Glas ab, stellte es auf den Tisch zurück und fuhr ihr mit den Fingerspitzen über die Wange. Lilly konnte dem Impuls nicht wiederstehen und schloss ihre Augen.
„Wenn du einschläfst, bin ich spätestens morgen früh weg!“
„So? Was machst du dann die ganze Nacht!“ fragte sie schläfrig.
„Dir zuschauen!“
„Das würdest du machen?“
„Ja! Warum nicht.“ Immer noch streichelte er sanft ihre Wange: „Du kannst ruhig einschlafen.“
„Ich kann doch nicht einschlafen, das ist doch unhöflich, und außerdem…“
„…außerdem kennst du mich noch nicht lange genug um mir zu trauen!“
„Darum geht es nicht!“ Ihre Stimme wurde monoton.
„Nicht? Du würdest wirklich einschlafen?“
Lilly war zu müde um noch wirklich mit ihm zu diskutieren: „Ich lass dich in meine Wohnung, ob ich schlafe oder wach bin, ist doch kein Unterschied, oder?“
„Stimmt auch wieder. Und außerdem weißt du, das ich dir nichts tue, oder?“
„Mmh.“ War alles was von ihr kam.
Sie war wirklich kurz vorm Einschlafen.
Du darfst nicht einschlafen, das kannst du nicht machen, bleib wach. Ihre Gedanken hatten aber keinen Einfluss mehr auf ihren Körper. Sie merkte, wie sie langsam gegen ihren Willen einschlief.
„Lilly?“ hörte sie in noch leise fragen: „Schlaf Kleine!“
Sie wollte sich gerade noch beschweren, das sie nicht klein war, konnte es aber nicht mehr.

Lukas sah sie an, merkte wie ihr Körper in den Schlaf glitt und war froh darüber.
Wenn sie in seiner Gegenwart einschlief, hieß das, dass sie ihm wirklich vertraute, vielleicht war sie aber einfach nur so müde, das es ihr wirklich egal war, aber dann hätte sie ihn doch einfach nach Hause geschickt. Sie schien ihm wirklich zu vertrauen und selbst wenn sie ihm nicht ganz vertraute, dann immerhin soweit, dass sie einschlief, obwohl er bei ihr war.
Er schaute sie an, merkte wie sie schon fast ganz eingeschlafen war und griff vorsichtig nach ihr.
Langsam zog er sie zu sich, kein Widerstand ging von ihr aus. Erst als er sie fast ganz in liegender Position hatte und langsam von ihr wegrutschte, gab sie leises murren von sich.
„Pssst, ist ja gut. Komm, leg dich richtig hin.“
Lukas stand ganz von der Couch auf, legte ihr ein Kissen unter und schob ihre Beine richtig auf die Couch. Sie ließ es zu, ließ sie von ihm hinlegen. Sein Blick durchstreifte das Zimmer, irgendwo müsste sie doch eine Decke haben. Auf einem kleinen Hocker, der unter dem Tisch stand, fand er schließlich eine Wolldecke, nahm diese und deckte sie vorsichtig zu. Immer noch hatte er die Befürchtung, dass sie vielleicht aufwachte und ihm einen Vortrag hielt, dass es besser wäre, wenn er gehen würde. Aber sie schlief jetzt schon tief genug, stellte er erleichtert fest. Leise begann er die Gläser und die Flasche wegzuräumen, setzte sich dann neben die Couch auf den Boden und konnte ihr zum ersten Mal so nahe sein, wie er es sich schon am ersten Abend gewünscht hatte und das sogar mit ihrem Einverständnis. Ok, dachte er, wirklich was dagegen sagen, kann man nicht, wenn man schläft. Aber sie hätte mich ja vorher bitten können zu gehen, hat sie aber nicht.
Vorsichtig strich er ihr über die dunklen Haare, ließ seine Finger sanft über ihr Gesicht gleiten. Die Versuchung war zu groß, daher rutschte er noch näher an sie heran, legte sein Kinn auf die Vorderkante des Sofas, so nahe das sich ihre Gesichter beinahe berührten. Er merkte jeden ihrer Atemzüge auf seinem Gesicht, schloss die Augen und ließ sich von ihrem Geruch förmlich benebeln. Wie lange er so saß, vermochte er nicht zu sagen, aber irgendwann begann Lilly sich im Schlaf zu bewegen, dabei streifte ihr Gesicht seines und für einen kurzen Moment, lief ein Gefühl durch seinen Körper, als ob er brennen würde. So nahe war er ihrem Hals noch nicht gewesen und er fühlte ihre Puls so nahe. Zwingen musste er sich, um ein Stück von ihr zurückzuweichen. Aber ganz von ihr konnte er nicht, wieder sah er sie an. Ein paar Strähnen waren ihr ins Gesicht gerutscht, als sie sich gedreht hatte, vorsichtig strich er sie hinter ihr Ohr, ließ seine Fingerspitzen an ihrem Hals entlang fahren und fühlte ihren Herzschlag. Lilly zog die Schulter hoch, schob ihren Kopf zu Seite: „ Nicht.“ sagte sie im Schlaf. Wiederwillig zog er seine Hand zurück, aber er legte seinen Kopf wieder nah an ihrem Gesicht auf die Couch. Ließ sich von ihrem Geruch berauschen, der durch die Decke und ihre Körperwärme noch intensiver wurde. Wieder verharrte er in dieser Position und wurde erst gestört, als Lilly sich abermals bewegte. Aber diesmal drehte sie sich nicht nur einmal, sie schien keine bequeme Lage zu finden. Als sie kurz auf dem Rücken lag, stand Lukas auf, schob einen Arm unter ihre Schulterblätter, den anderen unter ihre Knie und hob sie langsam hoch. Sie hatte kein Gewicht für ihn, vorsichtig drückte er sie fester an sich. Wecken wollte er sie nicht, ihr wehtun schon gar nicht. Er trug sie in ihr Schlafzimmer, legte sie vorsichtig auf ihr Bett, nahm ihr die Wolldecke weg und deckte sie mit ihrer Zudecke zu. Leises Murmeln, war das einzige was sie von sich gab. Lukas faltete die Wolldecke zusammen, legte sie im Wohnzimmer wieder an denselben Platz und ging zurück in ihr Schlafzimmer. Lilly lag auf der Seite, hatte die Beine angezogen, die Arme vor ihre Brust verschränkt.
Konnte er es wagen sich zu ihr zu legen. Wäre das eine gute Idee oder würde sie wütend werden, wenn sie wach werden würde. Wieder sah er sie an, wie sie schlief und konnte trotz Zweifel, dem Drang nicht widerstehen. Er setzte sich vorsichtig neben sie aufs Bett, streifte die Schuhe ab, zog die Beine nach oben. Behutsam legte er sich zu ihr, streckte seinen Körper neben ihr aus. Sie anzufassen, oder sich an sie heranzulegen, wagte er nicht. Brauchte er auch gar nicht.
Lilly drehte sich abermals im Schlaf, stieß an ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust, ihren Arm über seinen Bauch und schlief weiter. Lukas musste sich zwingen zu atmen, sein Herz schlagen zu lassen. Die Nähe ihres Körpers wurde zur Bewährungsprobe für ihn. Konnte er ihr widerstehen, konnte er den Drang in seinem Inneren kontrollieren.
Dem Drang die Arme um sie zu legen konnte er nicht widerstehen, sanft zog er sie fester an sich, vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und hoffte dadurch soweit Befriedigung zu bekommen, dass es zum Aushalten war.
Die Zeit verging zu schnell, er sah auf ihren Wecker, es war kurz vor Sechs, die Sonne würde bald aufgehen, er musste, auch wenn sich alles in ihm sträubte, los. Musste nach Hause, musste sie alleine lassen.
Behutsam versuchte er sich von ihr zu lösen, sie hatte sich nicht mehr viel bewegt und er befürchtete, dass er sie wecken würde, wenn er zu schnell machen würde. Fast war er unter ihr weggerutscht, als sie die Augen aufschlug, ihn schockiert ansah.
Oh, oh, dachte er, war doch keine gute Idee.
Eine Weile sah sie ihn an, schien zu überlegen was sie tun oder sagen sollte.
Unvermittelt setzte sie sich auf, fuhr sich übers Gesicht: „Tschuldigung! Ich bin wirklich eingeschlafen?“
„Wenn man müde ist, kann man das nicht verhindern.“
Sie drehte sich zu ihm herum, sah ihn wieder an. Drehte sich dann herum und sah auf die Uhr: „Oh, schon so spät? Oder besser früh?“
Wieder drehte sie sich zu ihm, diesmal war ihr Blick wacher: „Du warst die ganze Zeit hier?“ fragte sie hörbar irritiert.
Lukas lächelte sie an, nickte vorsichtig.

Wieso macht dir das nichts aus, fragte sie sich, ein fremder Mann, liegt bei dir im Bett, lag wahrscheinlich die ganze Nacht bei dir und es bringt dich nicht dazu panisch zu werden.
Kurioser Weise nicht, es ist mir ehrlich gesagt egal. Sollte mich das beunruhigen, eigentlich schon. Aber immerhin, stellte sie fest, nachdem sie erst an sich und dann an Lukas herunter geschaut hatte, sind wir immer noch beide angezogen.

„Ich glaube ich geh jetzt besser!“ unterbrach Lukas ihre Gedanken.
„Eigentlich könntest du jetzt hier auch gleich Frühstücken!“ Hab ich das jetzt wirklich gesagt?
Lukas fing an zu Lachen: „Nein ich glaub es ist besser, wenn ich nach Hause gehe!“
Er rutschte noch ein Stück von ihr weg, sah wie sie die Beine anzog, ihre Arme um die Knie legte: „Hör zu es tut mir leid, ich hätte nicht bei dir ….“
Lilly winkte ab: „Weißt du es ist mir merkwürdiger Weise egal, das du hier warst. Aber warum bist du nicht einfach gegangen, nachdem ich eingeschlafen war?“
„Ich hab dir doch gesagt, dass es mich nicht stört“
„Das heißt, du hast mich beobachtet?“
Wie so oft in den letzten Nächten. „Nein, also nicht die ganze Nacht.“ log er.
„Ich wollte ja eigentlich auch gehen, nachdem ich dich ins Schlafzimmer getragen hatte, aber….“
„Was aber?“
Er zuckte mit den Schultern. Wie sollte er ihr dieses Aber erklären, er konnte es nicht.

Lilly sah, wie er aufstand, in seine Schuhe schlupfte: „Es….ich muss mich entschuldigen….es.. es war falsch von mir hier zu bleiben. Ich geh jetzt wirklich besser!“
Langsam ging er zur Tür, verließ das Schlafzimmer.
Ich muss gehen, sonst wird die Sache problematisch. Außerdem ist es ihr sicher lieber.
Er war nicht ganz an der Haustür, als er merkte, dass sie ihm gefolgt war.
„Luke, wart mal kurz!“ Warum tu ich das?
Die Türklinke schon in der Hand, drehte er sich zu ihr herum, sah sie an.
„Ich…ich…ach ich weiß auch nicht!“ gab sie zu, kam näher und lehnte ihr Gesicht an seinen Brustkorb. Vorsichtig legte er beide Arme um ihre Taille, zog sie etwas näher zu sich und hielt sie fest.
Sie wusste genauso wenig wie er, was noch richtig oder falsch war.
Lukas wusste, dass sie zu ihm gehörte, war sich aber nicht sicher, ob die Sache nicht zu schnell voranging. Ja, er hatte Jahre auf sie gewartet, aber Menschen brauchen normaler weise länger. Befürchtungen, wie das er sie in die Enge trieb, oder sie eventuell zu mehr brachte, wie sie gewillt war zu geben, ließen ihn zögern, diese Umarmung zu genießen.
Lilly traute sich selbst nicht mehr, ihr Verstand schien außer Lage das zu verstehen, ihre Gefühle waren so durcheinander, dass sie nicht mehr wusste ob sie ihnen trauen konnte. Irgendetwas, für sie unbekanntes, löste Luke in ihr aus. Das war keine Verliebtheit oder Verknalltheit, sie vertraute ihm wirklich ohne ihn zu kennen und das machte ihr große Angst. Wie weit würde sie gehen, wie schnell würde was passieren und vor allem war sie in der Lage, das in diesem Moment auch richtig einschätzen zu können. Sie hätte ihn nicht bei sich gelassen, schon aus Sorge wie weit das gehen würde. Aber es war nicht geschehen und sie war froh, dass er bei ihr geblieben war. Noch ein Punkt um den sie sich eigentlich Sorgen machen sollte, aber sie tat es nicht. Im Gegenteil, sie wollte gar nicht das er ging, jetzt nicht und ehrlich gesagt gar nicht mehr.
Stopp, sagte sie zu sich selbst, Lilly es reicht jetzt. Merkst du eigentlich was mit dir los ist, wie kannst du so was denken, du weißt nichts von ihm. Manchmal muss man nicht viel von jemandem wissen.

Sie merkte wie Luke vorsichtig die Umarmung löste, sie etwas von sich weg schob.
„Ich glaube es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Ich ..es tut mir leid, ich“ er holte tief Luft, sah ihr in die Augen: „ich wollte….ich will dich nicht…also ich…ach.. Ich will nicht das du etwas falsches denkst. Das du das Gefühl hast von mir irgendwie gedrängt zu werden. Verstehst du. Ich bin gerne bei dir, in deiner Nähe, aber…“
„Was aber?“ fragte sie heiser. Will er mir eine Abfuhr erteilen, dachte sie schon fast gekränkt.
„Aber ich will das nicht gegen deinen Willen. Nichts liegt mir ferner, als dich so zwingen, mich dir aufzudrängen!“
„Das tust du nicht! Wirklich nicht, sonst hätte ich dich ja wohl kaum in meine Wohnung gelassen, oder?“
„Ja, schon, aber…Lilly vertraust du mir?“
Schockiert sah sie ihn an, was sollte sie sagen, konnte sie es zugeben oder war er nur darauf aus, wäre es richtig ihm die Wahrheit zu sagen. Bevor sie antworten konnte, sagte er: „Und wenn ja, warum? Weißt du warum, oder ist es einfach so.“
„Ich weiß es nicht, irgendwie vertrau ich dir, aber warum..“ Sie zuckte mit den Schultern: „Das weiß ich nicht!“ gestand sie und war überrascht wie leicht das gewesen war.
Sanft legte er ihr die Hände auf die Wangen, fuhr mit seinen Daumen darüber: „Sag mir, glaubst du an Bestimmung, Vorherbestimmung, glaubst du das Zwei füreinander, ja bestimmt sind?“
Lange sah sie ihn an, bevor sie antwortete: „Du meinst so was, wie jeder Topf hat einen Deckel?“ fragte sie fast ungläubig.
„Ja, so was in der Art, aber mehr nach dem Prinzip, nicht erst andere Deckel auszuprobieren, sondern zu wissen, das es nur einen gibt und das der passt.“

Ging er zu weit, war es klug sie so etwas zu fragen, aber vielleicht konnte er es so einfacher machen. Einfacher für sie zu begreifen, warum sie sich so schnell so intensiv zueinander hingezogen fühlten.

Lilly sah ihn wieder an, schwieg eine Zeit, bis sie antwortete: „Glaubt, oder vielmehr hofft das nicht jeder! Das der erste Deckel, den man findet, passt. Also für immer!“
„Nicht so, es ist nicht so gemeint, das man einen Deckel ausprobiert um herauszufinden, ob es gut geht. Sondern zu wissen, das es genau dieser Deckel ist, den man gesucht und gefunden hat, ohne nur das geringste Bedürfnis gehabt zu haben, einen anderen Deckel auszuprobieren.“
Lilly überlegte kurz, legte dabei ihre Hände an seine Hüfte, sah ihn an: „Was, so nach dem Prinzip, man trifft jemanden und nach drei Wochen wird geheiratet?“
Langsam wiegte er seinen Kopf hin und her: „Nicht heiraten, nicht drei Wochen. Man begegnet jemanden und weiß ab dem Moment, das es nur diesen einen gibt. Nur diesen für den Rest seines Lebens, ohne ein Wort mit ihm gesprochen zu haben, ohne ihn wirklich zu kennen, aber man fühlt, das man ohne diesen nicht mehr existieren kann und will.“
Wieder sah er sie an, sah wie ein Lächeln ihre Lippen umspielte.
„So was gibt es, glaub ich, nur in Märchen…und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage!“
Aber wieso fühlte sie genau das bei ihm, ja sie kannte ihn nicht, die Worte die sie miteinander gewechselt hatten, waren kaum der Rede wert, aber sie vertraute ihm. Gab es so etwas vielleicht wirklich. Es könnte erklären, warum sie bis zu dem Tag, wo sie ihm begegnet war, von Männern eigentlich nichts wissen wollte. Warum sie so intensiv auf ihn reagierte.
„Glaubst du daran, Luke?“
Als Antwort, zog er sie näher zu sich, küsste sie sanft, legte dabei seine Arme um ihren Körper und drückte sie so fest an sich, das sie für einen Moment Angst bekam, keine Luft mehr zu bekommen.
Dann ließ es sie plötzlich los, ging einen Schritt zurück, sah ihr in die Augen: „Vielleicht. Es soll schon merkwürdigere Dinge gegeben haben!“
Luke sah aus dem Fenster, stellte mit Erschrecken fest, das der Morgen bereits graute, sah Lilly wieder an: „Ich muss gehen!“
„Warum?“
„Weil ich muss! Versteh bitte, ich…ich komm heut Abend wieder. Aber nur wenn du willst!“ Zuerst zögerte sie, warum will er so schnell weg, wieso diese Eile.
Sie sah ihn irritiert an: „Was ist? Warum …?“
Luke unterbrach sie: „Versteh doch ich muss..!“ Das letzte Wort betonte er so stark und doch klang es fast widerwillig.
„Ich komm heut Abend wieder, wirklich!“
„Wann?“
„Sobald wie möglich.“ Sobald die Sonne untergegangen ist, fügte er in Gedanken hinzu.
Lilly zog jetzt ganz ihre Hände von ihm zurück, wieso sie ihn einfach gehen ließ, wusste sie nicht, aber sie glaubte ihm. Irgendwie war sie sich sicher, dass er wiederkommen würde, warum er aber so schnell weg wollte, darauf konnte sie sich keinen Reim machen. Aber sie wollte auch gar nicht weiter nachbohren, es musste einen Grund geben, warum er ihr den nicht sagen wollte, war ihr merkwürdiger Weise egal, sie vertraute ihm.

Langsam fuhr Luke ihr wieder mit den Fingerspitzen über die Wangen, kam einen Schritt näher und küsste sie sanft auf die Stirn.
„Sobald ich kann!“ flüsterte er, immer noch seine Lippen an ihrer Stirn. Lilly merkte wie er seinen Kopf zum Fenster drehte. „Was ist?“ fragte sie ihn, schaute ihn dabei an.
Sein Blick war irgendwie beunruhigt, er schien nervös zu werden.
„Luke?“
„Ich muss los!“ sagte er immer noch zum Fenster schauend.
Lilly folgte seinen Blick, sie sah nichts. Nur wie es draußen heller wurde. Das gibt einen schönen, sonnigen Tag, dachte sie.
Wieder drehte sie sich zu ihm, sah ihm abermals ins Gesicht, Luke merkte es, schaute sie erneut an: „Lilly, ich muss!“
Irgendetwas macht ihn wirklich nervös, dachte sie. Aber was, wieso ist er so unruhig, nur weil es hell wird.
„Was verbirgst du vor mir?“
Luke sah sie an, fing leise an zu lachen, allerdings klang selbst das sehr nervös: „Nichts…nicht was du vielleicht befürchtest!“
„So! Was befürchte ich denn?“
Luke ging wieder einen Schritt zurück, stand mittlerweile fast mit dem Rücken an ihrer Haustür: „Können wir das heute Abend bereden, bitte!“
Lilly stemmte ihre Hände in die Hüften, legte ihren Kopf schief und sah ihn intensiv an: „Heut Abend?“
Wieder dieser nervöse Blick Richtung Fenster: „Ja, wirklich heute Abend, versprochen!“
Immer noch sah sie ihn an: „Mmh.“
„Ach…Lilly…bitte!“ Er schien immer unruhiger zu werden.
Lilly holte tief Luft, lächelte ihn an: „Ich weiß zwar nicht was los ist, aber geh!“
Langsam griff sie an ihm vorbei, drückte die Türklinke runter und zog die Haustür auf.
Verwirrt sah Luke sie an: „Bist du sauer?“
Sie lachte auf, schüttelte den Kopf: „Nein, bin ich nicht. Ich weiß wirklich nicht wieso du so schnell die Flucht ergreifen willst aber du wirst schon deinen Grund haben. Also, geh“
Mittlerweile hatte sie die Tür ganz aufgezogen und sah ihn an, legte ihm die Hand auf die Brust und schob ihn langsam aus der Tür: „Bis heut Abend!“
Luke war jetzt wirklich irritiert: „Ähm...ok! Das nennt man wohl Rausschmiss.“
„Du wolltest doch unbedingt sofort gehen!“
„Von wollen ist keine Rede, ich muss!“
Wieder legte sie den Kopf schief: „So?“
„Ja wirklich!“ Wieder sah sie wie Luke nervös zum Fenster schaute.
„Komm, geh! Bevor du hier noch anfängst durch die Gegend zu tigern!“
Luke sah sie an, wirkte immer noch unruhig, bevor er noch etwas sagen konnte, sagte Lilly: „Luke, komm. Das ist mein Ernst, geh!“ Erneut lächelte sie ihn an.
„Wirklich nicht sauer?“ fragte er nochmals nach, während er bereits im Flur stand. Lillys Lachen wurde lauter: „Nein! Wirklich nicht! Bis…“
„Heut Abend, versprochen!“ Langsam drehte er sich herum, lief die Treppen herunter und rief, als er bereits auf der nächsten Etage war: „Tschüss!“
Abermals erklang ihr Lachen: „Tschüss, Luke!“ Sie drehte sich herum und ging zurück in ihre Wohnung, schloss die Tür und legte sich wieder auf ihr Bett.
Sie konnte immer noch nicht wirklich begreifen was das alles zu bedeuten hatte.
Wieso vertrau ich ihm so schnell, ging es ihr wieder durch den Kopf, ich kenn ihn nicht, glaubt er wirklich das, was er über die Bestimmtheit zwischen zwei Menschen dachte, was er gesagt hatte und vor allem glaube ich ihm das es so was gibt. Denkt er das das zwischen uns so ist. Vor allem, glaub ich das. Aber wenn es nicht so wäre, warum lass ich ihn dann so schnell so nah an mich, wieso stört es mich nicht, das er jetzt schon bei mir schläft. Obwohl ich das nicht einmal gemerkt habe das er bei mir geblieben ist und trotzdem stört es mich nicht.
Sie sah auf die Uhr, es war schon fast Sieben. Was mach ich jetzt mit dem angefangenen Samstag, dachte sie. Und warum musste er so schnell weg. Es ging ihr immer noch nicht aus dem Kopf was gestern und vor allem heute Morgen passiert war. Irgendwie irritierte sie es, aber merkwürdiger weise löste es trotzdem ein sehr angenehmes Gefühl in ihr aus.
Vielleicht, ist es wirklich so. Was ist wenn er Recht hat, was ist wenn alles stimmt was er gesagt hatte.
Ihre Gedanken kreisten immer wieder um die vergangenen Stunden, sein Kuss hatte sie, obwohl er so sanft war, doch irritiert. Wieso hatte sie das zugelassen, wenn das jemand vorher zu ihr gesagt hätte, dass sie sich so schnell von jemanden küssen ließ, hätte sie demjenigen gesagt das derjenige eine schallende Ohrfeige als Antwort auf den Kuss bekommen würde. Und bei ihm? Sie konnte sich immer noch nicht erklären, wieso sie das so schnell zugelassen hatte. Aber es fühlte sich richtig an, sie wusste nicht wieso.
Aus irgendeinem Grund wusste sie das sie ihn mehr wie nur gut leiden konnte, das sie ihn mochte, ja das sie ihn wirklich liebte. Und das obwohl sie ihn nicht wirklich kannte, aber trotzdem, seine Anziehungskraft auf sie war ungewöhnlich. So intensiv hatte sie das noch nie erlebt. Eigentlich müsste es ihr Sorge bereiten, wie stark er sie in seinen Bann zog.
Schluss mit der Grübelei, sagte sie zu sich selbst, du kannst nichts dagegen machen, warum auch immer. Lass dich doch darauf ein, was kann schon schlimmstenfalls passieren.

Lilly schwang die Beine aus dem Bett, stand auf und tapste barfuß ins Bad.
Sie stellte sich unter die Dusche und blieb eine Weile darunter stehen, normalerweise duschte sie immer nur kurz, sie wollte ja schließlich ihre Wasserrechnung nicht in die Höhe treiben, aber im Moment tat das warme Wasser einfach gut. Schließlich drehte sie es ab, trocknete sich ab und zog sich an. Die schweren, roten Samtvorhänge in ihrem Schlafzimmer waren noch zugezogen, schnell zog sie sie auf und sah wie die Sonne ihr strahlend ins Gesicht schien. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, sie hatte Recht gehabt, es war ein schöner Tag.
Sie überlegte eine Weile, schnappte sich ihre Strickjacke und ging hinunter. Die Wärme strömte durch die Haustür und Lilly überlegte, ob sie nicht vielleicht die Jacke in ihrer Wohnung hätte lassen sollen. Sie entschied das sie sie doch mitnehmen sollte, vielleicht würde es nur mit T-Shirt doch etwas zu frisch werden. Also band sie die Jacke um die Hüfte und lief los. Wohin, wusste sie nicht, irgendwie hatte sie Hoffnung Luke irgendwo zu sehen. Daher lief sie ohne Plan umher, dachte darüber nach, sie hatte ja schon zuvor versucht ihn zu treffen und es war ihr nicht gelungen. Ob es ihr heute gelang, bezweifelte sie irgendwie aber sie hoffte es. Als sie an einem kleinen Eisladen vorbei kam, kramte sie in ihrer Hosentasche herum. Meist hatte sie in den Jeanshosen Kleingeld in den Taschen, sie steckte aus Gewohnheit ihr Wechselgeld ein, da sie selten einen Geldbeutel dabei hatte. Sie fand noch Kleingeld und entschied sich ein Eis zu kaufen. Sie stand gerade an, als sie im Glasfenster des Ladens jemanden sah, der Luke sehr ähnlich sah. Lilly sah in der Spiegelung, wie Luke eine junge Frau umarmte. Unwillkürlich zog sich ihr Herz zusammen, musste er deswegen so schnell weg. Lilly drehte sich herum, fixierte den jungen Mann und merkte, als Beide näher kamen, dass sie sich wohl geirrt hatte. Er sah Luke wirklich sehr ähnlich aber jetzt wo er näher kam, sah sie das es nicht Luke war. Das Gesicht des Fremden war weitaus weniger fein geschnitten. Jetzt, wo die Beiden direkt neben ihr standen, konnte sie dem jungen Mann kurz in die Augen schauen. Sie waren zwar auch blau, aber längst nicht so hypnotisch wie Lukes.
Die Frau, die hinter dem Tresen stand, sah sie an. Lilly hatte gar nicht gemerkt, das sie dran war. Sie kaufte sich drei Kugeln Eis und sah immer noch dem jungen Paar zu, als sie bereits davon lief. Wieso hatte sie so darauf reagiert, als sie dachte das es Luke war. Warum war sie eifersüchtig? Fragte sie sich selbst. Wie kann ich jetzt schon eifersüchtig sein, wir sind kein Paar, oder doch? Nein, aber wieso empfind ich das so schlimm, was wenn er es wirklich gewesen wäre? Was hätte ich dann gemacht? Dann hätt er was zu hören bekommen. Erst quatscht er was von Vorherbestimmtheit von Menschen und dann das. Aber er hat nie gesagt, dass er glaubt das ihr füreinander bestimmt seid, räumte sie selbst ein. Als du ihn gefragt hast ob er daran glaubt, hat er dich nur geküsst, sonst nichts und dann war er die ganze Zeit darum bemüht endlich gehen zu dürfen. Was hat er zu verheimlichen, was will er mir nicht sagen. Aber er weiß ja auch nicht alles von mir, vielleicht erzählt er mir ja später mehr.
Mittlerweile hatte sie einen kleinen Park erreicht, sie suchte sich einen schattigen Platz unter einem der großen Eichenbäume und setzte sich darunter. Ihr Eis war fast verschmolzen, vor lauter nachdenken, hatte sie ganz vergessen ihr Eis zu schlecken. Schnell schleckte sie es, obwohl man mehr trinken dazu sagen konnte, aber das störe sie nicht weiter.
Lilly saß fast drei Stunden unter dieser Eiche, grübelte weiter darüber nach was sie davon halten sollte, was sie von ihren intensiven Gefühlen für ihn halten sollte. Sie merkte erst wie lange sie schon da saß, als sie begann zu frösteln. Ihre Jacke, die sie immer noch um die Hüften gewickelt hatte, band sie ab und zog sie sich über. Doch froh darüber sich entschieden zu haben sie mitzunehmen, schlenderte sie langsam zurück nach Hause. Als sie an einer Kirche vorbeikam, bemerkte sie das sie wohl irgendwo falsch abgebogen war, denn normalerweise war in der Nähe ihrer Wohnung keine Kirche. Die Kirchturmuhr zeigte bereits halb Vier und sie musste ernsthaft überlegen wo sie war und vor allem wie sie am besten nach Hause kam. Zu allem Überfluss sah sie wie sich der Himmel zuzog. Das wird doch jetzt aber nicht noch anfangen zu regnen, dachte sie, nachdem sie herausgefunden hatte wie sie nach Hause kam. Lilly war sich sicher, dass sie mindestens eine Stunde, wenn nicht gar noch länger brauchen würde. Also beschleunigte sie ihre Schritte, sah öfters nach oben und sah das es immer dunkler wurde. Dicke schwarze Wolken zogen sich zusammen, man hörte von weitem schon ein dumpfes Grollen.
Na toll, das fängt an zu Gewittern und ich renn hier draußen rum.
Zumal sie eine gewisse Angst vor Gewittern hatte, den Blitzen sah sie gerne zu, solange sie in ihrer Wohnung war, aber die eigentlich harmlosen Donnerschläge machte ihr Angst. Und sie hasste es nass zu werden, zumal Jeanshosen schwer wurden und ihre wollene Strickjacke das Wasser mit Sicherheit auch aufsaugen würde. Ihre Schritte beschleunigten sich noch mehr als sie hörte wie der Donner immer näher kam. Die ersten großen Regentropfen fielen bereits und sie verfluchte sich in ihrer Gedankenlosigkeit so weit gelaufen zu sein.
Der Regen wurde stärker, sie zog sich ihre Jacke über den Kopf und versuchte zu rennen, dadurch schlug ihr der Regen nur noch mehr ins Gesicht. Also entschied sie etwas langsamer zu laufen. Allerdings machte ihr das immer näher kommende Gewitter genug Angst um ihr Herz schneller schlagen zu lassen. Gerade wollte sie über die nächste Straße rennen, als ein dunkles Auto dicht neben ihr anhielt. Sie erschrak im ersten Moment, sie hatte das Auto nicht gehört, nicht mal gesehen, es stand plötzlich neben ihr. Die Beifahrertür wurde aufgestoßen: „Hey, willste mit?“
Erst jetzt merkte sie wer da neben ihr gehalten hatte. Lukes Stimme hatte wieder diesen schnurrenden Unterton, der ihr eine Gänsehaut über den gesamten Körper laufen ließ.
Lilly schaute in den Wagen, griente: „Hi, ja warum nicht.“
Langsam setzte sie sich auf den Beifahrersitz, überlegte kurz und entschied sich ihre nasse Jacke auszuziehen. Luke sah sie an, lächelte sie an: „Leg sie auf die Rückbank.“ Sagte er immer noch mit diesem Schnurren.
„Was machst du eigentlich hier?“ fragte sie ihn irritiert.
„Ich war nur hier, hab noch was erledigt und war auf dem Weg zu dir!“
Sie sah auf die Uhr seines Armaturenbretts: „Es ist doch erst nach Vier? Hast du nicht gesagt abends?“
Luke lachte leise: „Ich kann dich auch stehen lassen und später vorbei kommen!“
„Nein! So war das nicht gemeint! Ich hab mich nur gewundert.“
Lilly drehte sich herum, legte ihre Jacke auf den Rücksitz, streifte dabei mit ihrem Arm seinen und merkte wie sie zusammenzuckte.
„Alles ok?“ fragte er sie.
„Mmh!“
„Was ist?“ fragte er sie kichernd.
„Nichts! Wirklich. Aber ich find’s nur merkwürdig das du gerade hier warst, wohnst du nicht auf der anderen Seite der Stadt?“
„Ich hab doch gesagt ich hab hier was zu tun gehabt.“
Lilly hob abwehrend die Hände: „Ich hab nur gefragt!“
„Hey, das war so nicht gemeint.“ sagte er schnell.
Lilly fing jetzt an zu kichern: „Bist du leicht zickig?“
„Ich?“ Er zeigt mit dem Finger auf sich: „Zickig kenn ich nicht.“ sagte er gespielt Ernst.
„Ach komm Luke! War doch nur Spaß!“
„So?“ fragte er leicht beleidigt.
„Doch Zicke?“ Lilly konnte den Sarkasmus nicht unterdrücken.
Jetzt lachte Luke laut, schüttelte den Kopf: „Was du mir alles andichtest!“
Auf einmal merkte sie wie er anhielt, es regnete immer noch in Strömen, sie konnte nicht wirklich erkennen wo sie war, aber irgendwie... „Warum hältst du an?“
„Willst du nicht nach Hause?“
Lilly sah aus dem Seitenfenster, waren sie wirklich schon bei ihr?
Sie sah wie etwas vor ihrem Gesicht wedelte, sah ihn an, zu gleichen Zeit, zog er seinen Hand zurück: „Träumst du?“
„Was? Nein, ich hab jetzt nur nicht damit gerechnet schon zu Hause zu sein!“
Lukes Lächeln wurde breiter: „Also so langsam fahr ich jetzt auch nicht.“
„Aber man sieht doch kaum was?“
Luke kicherte: „Also kaum was ist übertrieben. Ich besitze Scheibenwischer!“ stellte er amüsiert fest.
Plötzlich knallte ein Donnerschlag, Lilly zuckte unwillkürlich zusammen, sah aus dem Fenster. Sie sah wie sich ein riesiger Blitz quer über den Himmel zog, wieder zuckte sie zusammen als kurz darauf wieder ein Donnerschlag dröhnte.
Luke sah sie an: „Alles ok?“
„Ja..., nein..., also ich mag kein Gewitter!“
„Magst keines oder hast Angst davor?“
„Mmh!“ Lilly wiegte den Kopf: „Das Zweite triffst wohl eher! Ich mag den Donner nicht!" sagte sie immer noch aus dem Seitenfenster sehend.
„Obwohl die Blitze ja das ist, was gefährlich ist!“
„Schon, aber der Donner macht den Krach!“
„Blitze machen auch Krach!“
„Aber nicht immer.“
Luke lachte wieder: „Und was ist? Sollen wir jetzt im Auto sitzen bleiben, oder das weniger gefährliche Haus nehmen?“
„Wieso weniger gefährlich?“
„Ein Auto zieht ab und zu Blitze an:“
„Willst du mir Angst machen?“
„Nein! Es war nur ein Vorschlag!“ Ich hab dich nicht umsonst gesucht, außerdem wird das Auto auf die Dauer unbequem. Aber ich kann ja schlecht sagen das ich zu dir in die Wohnung will.
Lilly sah ihn an, versuchte herauszufinden was ihm gerade durch den Kopf ging.
Er merkte ihren Blick: „Was ist denn?“
„Ich überlege was du denkst!“
„Und wie weit kommst du?“
„Nicht so weit wie ich es gerne hätte!“
Luke lachte wieder: „Also? Was mach ma jetzt?“
Mit einem Blick aus dem Seitenfenster sagte sie: „Es regnet immer noch, aber ich denke es wird nicht weniger.“
Jetzt sah Luke aus dem Fenster. „Eigentlich könnten wir auch hoch zu dir?“, fragte er vorsichtig.
Lilly kicherte: „Mmh, warum nicht!“
Luke stieg aus, lief ums Auto herum und öffnete ihr die Tür: „Komm!“ Er zog sich sein Jackett aus und hielt es ihr hin.
Langsam kramte sie ihre Jacke von der Rückbank, stieg aus und Luke spannte ihr das Jackett wieder wie einen Regenschirm über den Kopf. Lilly drückte sich näher an Luke und lief mit ihm zusammen zur Haustür.
Schnell kramte sie in ihrer Hosentasche nach dem Schlüssel, dabei fiel ihr fast die Jacke aus der Hand. Luke fing sie auf bevor sie ihr ganz vom Arm gerutscht war: „Wow, gute Reaktion und ich bin nicht mal nass geworden!“
Als sie den Schlüssel gefunden hatte, schloss sie auf, drückte die Tür auf und ließ ihn zuerst ins Haus. Er schlüpfte vor ihr hinein, zog sie schnell hinter sich rein und schüttelte sein Jackett aus. Er legte es sich zusammen mit ihrer Strickjacke über den Arm.
Lilly lief vor ihm die Treppen nach oben, leise folgte er ihr, glitt fast lautlos hinter ihr in ihre Wohnung und stieß kurz mit ihr zusammen, als sie unvermittelt stehen blieb.
„Oh!“ sagte sie: „ich hab gar nicht gemerkt wie nah du hinter mir stehst! Bist du leise!“
Luke kicherte: „Ich kann ja schlecht Krach machen wie wunder was, oder?“
„Das hab ich nicht gemeint.“ sagte sie leise. Immer noch stand er dicht hinter ihr, langsam schob er sie weiter in das Wohnzimmer, damit er die Wohnungstür schließen konnte.
„Setzt dich!“ sagte sie schnell: „Ich will mir kurz was Trockenes anziehen!“
Luke gab ihr ihre Jacke und sah sie an: „Wo kann ich das nasse Ding hinhängen?“ Er hob dabei seinen Arm, wo immer noch sein Jackett darüber hing.
Lilly sah ihn an, streckte ihre Hand ihm entgegen: „Gib her. Ich häng se auf nen Kleiderbügel ins Bad, weil auf den Balkon regnet es drauf.“
Er gab ihr das Jackett und setzte sich auf die Couch, schon mit einer Selbstverständlichkeit, als ob er, weiß Gott wie lange, bei ihr ein und aus ging, dachte sie als sie ins Schlafzimmer ging.
Sie hängte sein Jackett und ihre nassen Sachen im Bad auf und zog sich was Trockenes an. Mit einer alten ausgewaschenen Jeans und einem ebenso ausgewaschenem T-Shirt kam sie zurück ins Wohnzimmer: „Durst?“ fragte sie, als sie hinter der Couch zu der Küchenzeile ging.
„Nein danke!“
Er hörte wie sie tief Luft holte: „Warum frag ich dich überhaupt, du sagst doch eh nein. Willst du wirklich nichts. Ich hab einiges, du musst nur sagen was?“
„Nein, wirklich nicht.“
„Ok, mehr wie fragen kann ich nicht!“ Luke hörte wie sie den Kühlschrank öffnete und irgendetwas aufmachte, sie kam zu ihm und setzte sich neben ihn auf die Couch.
Luke sah wie Lilly einen Flasche in der Hand hatte: „Bier?“ fragte er hörbar irritiert.
Sie kicherte: „Nein, Malzbier. Da ist kein Alkohol drin!“
„Ach so!“ Sagte er hörbar erleichtert.
Lilly lachte auf: „Glaubst du ich geb mir die Kante während du da bist?“
„Nicht das ich das ausnützen würde!“
Jetzt fing Lilly noch lauter an zu lachen: „Etwas anderes würde ich jetzt auch nicht sagen!“
„Ach komm schon!“ seine Stimme wurde etwas höher, er legte seine Hände auf seinen Brustkorb: „So was würde ich nie tun.“
Lilly hob das Kinn höher, sah in schräg von der Seite her an: „So?“
Langsam drehte sie sich auf der Couch, zog wieder ihre Beine an und verschränkte sie zum Schneidersitz, lehnte sich mit dem Rücken an die Armlehne und hielt mit beiden Händen die Flasche fest, die sie zwischen ihre Beine auf die Couch gestellt hatte.
„Ach komm schon!“ sagte Luke wieder: „Wieso sollte ich dir was tun. Gestern hab ich dich ganz brav ins Bett gelegt, nachdem du eingeschlagen warst, oder nicht?“
„Aber du bist da geblieben!“
„Aber ich hab nichts gemacht, oder?“ Er hob die Hände, sah sie an und lächelte. Wieder sah Lilly ihn nur an.
Ihren Blick konnte er nicht deuten: „Was? Komm schon spuck es aus!“
Lilly lächelte ihn an: „Warum bist du da dageblieben?“
Langsam schlupfte er aus seinen Schuhen, zog die Beine an und setzte sich genauso wie sie auf die Couch. Ihre Knie streiften sich und wieder merkte sie wie ein leichter Stromschlag durch ihren Körper fuhr. Sie zuckte kurz zusammen, Luke merkte es und versuchte noch etwas weiter zurück zu rutschen, aber die Armlehne erlaubte ihm nicht mehr wie ein paar Zentimeter.
„Warum willst du das wissen?“
„Ok, du willst es mir nicht sagen! Aber warum musstest du heut Morgen so schnell gehen?“
Er sah sie an: „Hey du hast gesagt heute Abend erklärst du es mir, also?“
Luke holte tief Luft. Verflucht, was soll ich ihr sagen, wie soll ich es ihr erklären?

„Mmh, wie soll ich dir das er klären? Das ist nicht so einfach!“ gestand er.
„Luke“ sagte sie gespielt warnend: „Du hast gesagt du sagst es mir. Du hast es versprochen!“
„Nein, ich hab nur versprochen heute Abend wiederzukommen!“
Lilly verschränkte ihre Arme vor der Brust: „Also?“
„Bist du immer so stur?“
„Nur wenn ich was wissen will! Was verheimlichst du mir?“
Unwillkürlich sah sie das Bild von heute Mittag, den jungen Mann, der ihm so ähnlich gesehen hatte, war es das was er verbarg?
Luke sah sie an, legte seine beiden Hände auf ihre Oberschenkel und kam ein Stück näher: „Was ist, wenn ich es dir nicht sagen kann!“
Die Wärme seiner Hände spürte sie durch den Stoff der Jeans, es war ihr nicht unangenehm, obwohl sie sich sagte das es eigentlich so sein müsste. Seine Stimme war leiser geworden, fast beschwörend, hatte wieder dieses schnurrende.
„Nicht können, oder nicht wollen?“
Unbewusst war sie ihm ebenfalls näher gekommen, hatte ihre Hände auf seinen Knien liegen.
„Nicht können und nicht dürfen, wollen schon, aber…!“
Übertreib es nicht, ermahnte er sich.
Lilly drückte sich etwas auf seinen Knien ab, sodass sie etwas größer war wie er, musste ihm dabei aber noch näher kommen. Ihre Gesichter trennte nicht mehr viel: „So langsam wirst du mir unheimlich.“ Sie legte den Kopf schief, sah ihm in die Augen: „Was verbirgst du, was ist dein Geheimnis?“
Luke fing leise an zu lachen und anstatt ihr zu antworten, drückte er seine Lippen auf ihre. Für einen Moment dachte sie daran zurückzuweichen, aber irgendetwas hinderte sie daran. Im Gegenteil, sie erwiderte seinen Kuss, intensiver wie sie es wollte. Lilly fühlte wie Luke eine Hand von ihrem Oberschenkel zog und sie ihr sanft ins Genick legte. Jetzt wurde sein Kuss ebenfalls intensiver, dadurch das sie nicht zurückweichen konnte, da er sie im Genick hielt, hätte sie eigentlich anfangen sollen sich dagegen zu wehren. Zumindest sagte ihr Verstand das, aber es war zu angenehm, zu gut, um es abzubrechen. Seine Anziehungskraft war so unbeschreiblich, so unglaublich intensiv für sie. Ihre Hände begannen von seinen Knien zu seinen Oberschenkel hinauf zu fahren, dadurch drückte sie sich nur noch stärker an ihn. Seine Hand in ihrem Genick hielt sie fester, zog sie näher zu ihm. Seine andere Hand lag inzwischen auf ihrer Hüfte und sie merkte wie er sich langsam nach hinten sinken ließ, sie mit sich ziehend. Schnell legte sie ihm ihre beiden Hände auf die Schultern, eigentlich wollte sie ihn von sich wegdrücken, aber ihre Hände schienen ihren eigenen Kopf zu haben. Anstatt ihn wegzudrücken, fuhren sie ihm ins Genick, griffen ihm in die Haare und zogen ihn noch näher zu ihr. Inzwischen hatte er sie so fest an sich gezogen, dass sie seinen Brustkorb an sich fühlte, sie kniete bereits zwischen seinen Beinen, die er unbemerkt von ihr ausgestreckt hatte.
Immer weiter ließ er sich nach hinten sinken und sie folgte ihm ohne Widerstand, ihre Hände zerzausten immer noch seine Haare.
Sie lagen fast auf der Couch, als ihr Verstand wieder Herr der Lage wurde.
Hör auf, meckerte sie sich in Gedanken selbst an, spinnst du, was soll das.
Als ob sie eine kalte Dusche bekommen hätte, ließ sie ihn los, drückte sich von ihm weg und rutschte, soweit es die Couch zuließ, von ihm zurück.
Hörbar rang sie nach Atem.
Luke setzte sich seinerseits auf, sah sie an: „Es…es tut mir leid! Ich hätte…hätte das nicht tun dürfen!“
Er schien im Gegensatz zu ihr keinerlei Atemprobleme zu haben.
Lilly hob abwehrend die Hände: „Ich bin selbst Schuld. Ich hätte mir so was denken können!“ Dabei stand sie auf, ging Richtung Küche. Luke war sich sicher, dass sie ihn Bitten würde zu gehen.
Zu schnell, zu weit, ermahnte er sich. Das bringt jetzt auch nichts mehr.
Er sah ihr immer noch hinterher: „Lilly ich…!“
Inzwischen stand sie an ihrem Spülbecken, hatte die Hände auf der Arbeitsplatte liegen, ihren Rücken ihm zugedreht und schaute in die Spüle.
Schnell stand er auf, trat hinter sie.
„Vielleicht ist es besser, wenn du …“
„Gehst?“ beendete er ihren Satz.
Nein, bitte nicht, dachte er.
Lilly nickte nur.
Vorsichtig legte Luke ihr seinen Hände an die Hüfte, drehte sie langsam herum: „Es tut mir leid! Ich hätte dich nicht küssen dürfen. Es war falsch von mir, ich…!“ Er wusste nicht ob er so verzweifelt klang, wie er sich fühlte. Fast schon ängstlich nahm er ihre Hände in seine, küsste sanft ihre Handrücken: „Ich werde dich nicht mehr anfassen, wenn du es nicht willst!“
Lilly sah auf ihre Hände, welche immer noch von seinen gehalten wurden. Dieser Blick entging ihm nicht, schnell ließ er sie los, trat einen Schritt zurück.
„Es …ach ich kann nichts dafür, es ist einfach… es… ich kann dagegen nichts machen!“ Er fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht, dann mit den Fingern durch die Haare.
Dann ließ er den Kopf ins Genick fallen und sah an die Decke, seine Hände im Genick verschränkt.
Nach einer Weile sah er wieder nach vorne, ihre Blicke trafen sich.
So abstrafen kann ich ihn nicht, ich hab ja schließlich mitgemacht, dachte sie. Aber warum lasse ich das zu, warum habe ich ihn nicht schon ehern abgeblockt. Ich bin eigentlich grad selbst Schuld, aber wenn ich ihn jetzt hier bleiben lasse, was passiert dann. Wird er beim nächsten Mal dasselbe wieder tun und vor allem lasse ich das dann auch wieder zu. Ach, es ist furchtbar, was ist los mit mir. So bin ich nicht, er weicht meinen Fragen aus und dafür küss ich ihn, obwohl ich misstrauisch sein sollte.
Obwohl er sie schon fast bemitleidenswert ansah, war sie immerhin in der Lage klar zu denken. Sofern das in seiner Nähe möglich war.
„Gegen was?“ fragte sie leise.
„Was?“
„Gegen was kannst du nichts machen?“
Luke holte tief Luft. Was sag ich ihr, die Wahrheit, wird sie mir glauben oder flieg ich dann wirklich raus?
„Gegen diesen Drang dir nahe sein zu wollen, zu müssen. Dieses Gefühl dich anfassen zu müssen, dich zu berühren. Ich…ich weiß das klingt irre oder weiß der Teufel was. Ich weiß wir kennen uns kaum und trotzdem…es ist wie ein Muss. Ich weiß nicht wie ich dir das erklären soll, es dir begreiflich machen kann, es ist so..“ wieder fuhr er sich mit den Händen übers Gesicht, bevor er ihr wieder in die Augen sah: „..so kompliziert. Ich versteh es selbst nicht!“
In gewisser Weise war das keine Lüge, er wusste zwar wieso aber verstehen und erklären konnte er es ihr nicht. Nicht ohne zu offenbaren was er war.

Trotzdem verstand Lilly ihn, irgendwie. Es ging ihr, wenn sie ehrlich war nicht anders. Der Drang ihm nahe zu sein, ihn bei sich haben zu wollen war so ungeheuer intensiv, das sie es selbst nicht erklären konnte. Sie wollte gar nicht das er ging und eigentlich, wenn sie ehrlich mit sich war, hätte sie ihn auch nicht unbedingt abbremsen wollen. Was sollte sie tun?

„Was geschieht, wenn ich dich hierbleiben lasse?“ fragte sie gerade hinaus.
Luke sah sie an, schüttelte den Kopf: „Nichts, was du nicht willst!“
„Und was ist, wenn ich das selbst nicht weiß?“
Als Antwort zuckte er mit den Schultern.
Luke kam auf sie zu, sie stand immer noch mit der Hüfte an den Schränken der Küche, konnte nicht zurückweichen, selbst wenn sie es gewollt hätte.
Seine blauen Augen hielten sie wieder gebannt, als er näher kam. „Was machst du mit mir?“ fragte er sie leise.
„Ich mit dir?“ Ihre Stimme war nur ein flüstern: „Was tust du mit mir. So was kenn ich nicht von mir!“
Jetzt stand er dicht vor ihr, sie musste den Kopf heben um ihm weiter in die Augen schauen zu können, obwohl er keine zehn Zentimeter größer war wie sie.
Seine Stimme war nur ein flüstern, wieder diese beschwörende, schnurrende: „Weißt du noch? Zu wissen das es passt, ohne zu wissen warum? Einen kaum zu kennen und doch zu wissen das es nur denjenigen für einen gibt!“
„So was gibt es nicht!“ versuchte sie zu protestieren, aber trotzdem lass ich es zu, was er tut. Jeder andere wäre ohne zu zögern mit ner schallenden Ohrfeige hier rausgeflogen. Warum er nicht. Wieso lass ich ihm das durchgehen. Sie wusste darauf keine Antwort.
War es wirklich so, gab es so was? Und wenn ja, warum sollte gerade mir so was passieren?
Wieder sah sie ihn an, wusste nicht was sie von alle dem halten sollte. Aber aus irgendeinem Grund glaubte sie ihm, irgendetwas in seinen Augen verriet ihr das er die Wahrheit sagte.
Sie standen nur voreinander, Lukes Arme hingen seitlich herab und obwohl er so nahe stand, berührte er sie nicht.
Lilly dachte schon verzweifelt darüber nach, was sie tun sollte, als Luke sich langsam von ihr zurückzog. Er ging weiter nach hinten, bis er an die Rückenlehne der Couch stieß: „Es wäre besser, wenn ich gehen würde, das weiß ich, aber ich kann nicht, will nicht. Ich kann dir es nicht wirklich erklären. Ich kann nur hoffen, dass du…“
Langsam holte sie tief Luft: „Das ich was?“
„Es vielleicht verstehst, annähernd das gleiche empfindest!“
Ihre Blicke trafen sich erneut, dieses Blau machte sie wahnsinnig, konnte sie sich in ihn verliebt haben, ohne ihn zu kennen. Und ist das nicht meist so, das man sich erst verliebt und dann denjenigen kennenlernen will. Aber wieso so verdammt intensiv. Wieso wollte sie ihn nicht gehen lassen, wieso störte es sie plötzlich nicht mehr, was sich zugetragen hatte. Lilly verstand sich selbst nicht mehr.
„Was nun?“ fragte sie mit flüsternder Stimme.
„Ich weiß es nicht!“ gestand er. „Aber ich will nicht weg von dir!“
Wieder dieses Schnurren in der Stimme und wieder fühlte sie wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Es machte sie wahnsinnig, nicht Herr über sich zu sein und im Moment hatte sie keine Kontrolle über ihre Gefühle.
Lilly legte sich die Hände vors Gesicht, versuchte zu überlegen was sie tun sollte.
„Lilly ...ich ..es..!“ Bevor er überhaupt richtig wusste, was er sagen wollte, ging sie an ihm vorbei, setzte sich auf die Couch.
„Was mach ich nur?“ fragte sie laut, aber Luke war sich sicher, das sie sich die Frage selbst gestellt hatte.
Er merkte Bewegung auf der Couch, drehte sich herum und sah wie sie auf der Couch kniete, ihre Arme auf der Rückenlehne liegen hatte und ihn ansah.
„Ich weiß es nicht!“ sagte sie wieder laut. „Sag du es mir!“
„Das kann ich nicht! Es wäre nicht richtig!“ Vergiss was geschehen ist, oder werte es ab, aber lass mich bei dir bleiben, lass mich bitte in deiner Nähe sein, sagte er in Gedanken zu ihr.
Luke ging vor der Rückenlehne auf die Knie, legte seine Arme darauf ab und stütze seinen Kopf auf seinen Händen ab. Lilly konnte dieser Versuchung nicht wiederstehen, griff sanft nach ihm und fuhr ihm mit ihrer Hand wieder durch die Haare. Langsam fuhr sie ihm über die Wange, zog dann schnell ihre Hand zurück, als ob sie sich verbrannt hätte: „Das ist nicht gut.“ sagte sie leise zu ihm.
„Warum?“
„Weil es….weil ich.. ach es ist einfach so…“
„kompliziert?“
„Ja, mehr wie das. Ich weiß nicht was ich…“ Lilly zuckte mit den Schultern.
Sachte fuhr Luke seinerseits mit einer Hand über ihre Wange: „ Es ist nicht ganz so kompliziert, wenn du…“
„Wenn ich was?“
„Wenn du dich darauf einlässt. Es geschehen lässt!“ Ihr Blick schien mehr zu sagen wie sie glaubte, denn schnell sagte er: „Nicht das was du befürchtest. Ich will dich nicht ins Be.. du weißt was ich meine.“
„Was dann? Luke was soll ich geschehen lassen?“
„Das Unvermeidliche!“
Lilly fing an zu lachen, obwohl ihr eigentlich nicht danach war: „Einfach so? Einfach alles laufen lassen? Woher weiß ich, dass ich mir damit nicht schade?“
Luke überlegte, zog seinen Hand zurück: „Ich kann dir nur versprechen, das du von mir keinen Schaden nehmen wirst, weder körperlich, geschweige denn seelisch. Ich werde dir nichts tun. Auch wenn ich vorhin zu weit gegangen bin, das wird nicht mehr vorkommen. Ich kann nur hoffen, dass du mir glaubst.“
Wieder holte Lilly tief Luft, schüttelte langsam den Kopf: „Ich trau mir selbst nicht mehr, wie soll ich dir dann glauben?“
„Was kann ich tun, was soll ich tun?“ Sag bitte nicht ich soll gehen.
„Bleib hier!“ Spinnst du, das ist wahnsinnig, wie kannst du ihm das anbieten, wie kannst du nur daran denken. Was zum Teufel soll das.
Luke sah sie eine Weile an, er freute sich über ihr Angebot, aber irgendetwas war merkwürdig. Er konnte es nicht richtig erfassen, aber wieso bat sie ihn darum. Eigentlich genau das Gegenteil, womit er gerechnet hatte. „Ich weiß nicht!“ gestand er.
„Warum? Du hast gesagt es wird nichts passieren. Du hast gesagt ich soll dir glauben! Also?“
„Ok!“ sagte er während er langsam aufstand: „Wenn du das wirklich willst bleib ich! Die ganze Nacht, oder noch länger!“
„Oder noch länger.“ Wiederholte sie leise seine Worte.
Langsam stand sie auf, ging um die Couch herum Richtung Schlafzimmer. Sie fühlte sich müde, völlig ausgelaugt. Ihr Verstand wollte nicht mehr arbeiten, sie wollte sich nur hinlegen, ausruhen. Irgendwie war plötzlich alles zu viel für sie. Weder ihre Gefühle, noch ihre Gedanken verstand sie momentan. So nahe hatte sie sich noch nie jemandem gefühlt, es machte ihr irgendwie Angst, aber dennoch war es schon auf perfide Weise angenehm.
Als sie ihre Schlafzimmertür erreicht hatte, öffnete sie diese, drehte sich nochmals zu Luke um, der immer noch an der Couch stand und ihr irritiert hinterher sah. Schließlich ging sie hinein. Müde näherte sie sich ihrem Bett, ließ sich einfach darauf fallen und schaute an ihre Zimmerdecke. Ihre Gedanken waren weg, ihr Verstand schien zu streiken. Sie wollte auch gar nicht mehr denken. Es war ihr egal was Luke machte, ob er blieb, ob er ging, wo er blieb wenn er blieb.
Ihre Lider wurden schwer, sie kroch richtig in ihr Bett, deckte sich zu, drehte sich auf die Seite. Es war ihr egal ob sie angezogen war. Vielleicht, hoffte sie, wird sich morgen von selbst alles aufgeschlüsselt haben und ich weiß was ich wie und wann tun soll.
Auf einmal hörte sie wie die Schlafzimmertür zugezogen wurde oder war es der Wind, war es Luke, weil er ging oder war er zu ihr gekommen. Es war ihr egal, sie wollte nur Ruhe haben. Warum es ihr plötzlich so ging, wusste sie nicht.
Aber sie war sicher, das sie nicht mehr alleine im Zimmer war, wieso sie sich so sicher war, war ihr schleierhaft, sie ahnte es, oder hoffte sie es?
Lilly merkte wie die Matratze nachgab, als sich jemand neben sie setze.
„Alles Ok?“ fragte Luke hörbar irritiert.
Als Antwort zuckte sie nur mit der Schulter, sie wusste es selbst nicht so genau.
Die Matratze verriet, das er seine Position änderte, jetzt merkte sie seine Hand auf ihrer Schulter: „Hey, was ist los?“ Seine Stimme war leise, sanft, vertraut. Es klang als ob er sich wirklich Sorgen machte.
Wieder zuckte sie nur mit der Schulter.
Nun spürte sie, wie er sich hinter sie auf Bett legte, seinen Arm um ihre Taille legte. Lilly fühlte wie sein gesamter Körper an ihrem lag, fühlte die Wärme, obwohl sie zugedeckt war. Sie merkte wie er sich ganz eng an sie schmiegte und es störte sie nicht. Jeden seiner Atemzüge merkte sie in ihrem Genick, merkte wie er sein Gesicht an ihre Haare drückte.
„Was ist?“ fragte er wieder, seine Stimme gedämpft durch ihre Haare.
„Ich weiß nicht!“ gab sie zu. Ihre Stimme war leiser wie sie gedacht hatte, wirkte fast zerbrechlich, als ob sie jeden Moment in Tränen ausbrechen würde. Luke musste das genauso empfunden haben, denn sie merkte wie er seinen Arm fester um sie zog. Sie fühlte sich wohl bei ihm, sie wusste nicht warum, was das auslöste, aber es war ihr egal, zumindest im Moment.
„Was jetzt?“ fragte sie, immer noch mit dieser merkwürdigen Stimmlage.
„Nichts!“ flüsterte er.
„Einfach nur…“
„Ja, einfach nur liegen bleiben.“
Lilly griff nach seiner Hand, die auf ihrer Taille lag, umschloss sie mit ihren beiden Händen und zog sie nach oben, bis sie vor ihrem Gesicht lagen, dadurch zog sie ihn noch näher zu sich, aber es störte sie nicht. Sie war zu müde um darüber nachzudenken, was er wohl dachte. Zu müde um ihre Augen zu öffnen, sie schlief ein.

Luke lag so dicht bei ihr, das er ihren Herzschlag spürte, ihrer Geruch so intensiv wahrnahm, das er sich überlegte, ob es wirklich einen gute Idee gewesen war bei ihr zu bleiben. Aber er merkte das etwas nicht stimmte, ihre Reaktion verunsicherte ihn. Er verstand nicht was plötzlich los war mit ihr, wieso sie sich so verhielt. Nicht das er böse aufgrund dessen war, aber es machte ihn nervös. Wieso hatte sie sich so schnell um fast 180 Grad gedreht. Wieso zog sie ihn noch näher zu sich, keinerlei Protest als er sich zu ihr gelegt hatte.
Er verstand es nicht und im Moment wollte er darüber nicht nachdenken, ihre Nähe war viel zu schön um sich mit Denken abzulenken, beschloss er.
Nachdem sie eingeschlafen war hörte er ihren Atemzügen zu, ihrem ruhigen Herzschlag. So wie so oft. Aber es schien sich irgendetwas verändert zu haben.

Da sie die Vorhänge nicht zugezogen hatte, sah Luke zu seinem Bedauern, wie es heller wurde. Er wusste, spürte förmlich wie die Sonne begann aufzugehen. Und er wusste das er gehen musste.
Wenn es heute genauso schön wird wie gestern, sitz ich hier in der Falle, wie soll ich ihr erklären, dass ich nicht in die Sonne darf, überlegte er.
Es muss sein, ich muss gehen, beschloss er schwermütig.
Immer noch hatte sie seine Hand in ihren Händen, sie hatte sich nicht viel bewegt, wahrscheinlich weil er die ganze Zeit still hinter ihr gelegen war. Luke sah sie an, zog vorsichtig seine Hand zurück, er wollte sie nicht wecken. Aber als er, nachdem er ihr sanft über die Wange gestreichelt hatte, sich von ihr wegschob, merkte er, wie sie wach wurde.
Sie drehte sich langsam um, öffnete die Augen und blinzelte verschlafen und sah ihn irritiert an.
„Hey.“ Sagte sie verschlafen.
Luke schob sich noch weiter von ihr weg: „Schlaf weiter!“
„Was.. warum..“
„Schlaf weiter:“ sagte er nochmals leise zu ihr: „Ich muss los!“
„Warum?“ Sie war immer noch nicht ganz wach.
Er lächelte sie an, fuhr ihr wieder sanft über die Wange: „Du weißt doch, ich kanns dir nicht sagen.“
„Mmh.“ Machte sie.
„Wann kommst du…?“
„Heute Abend. Aber ich weiß noch nicht wann genau.“
„Mmh“
„Schlaf noch, es ist nicht einmal hell.“
„Luke.“ Sie klang immer noch verschlafen, er war sich nicht mal sicher, ob sie überhaupt mitbekam, dass sie mit ihm sprach.
„Ja?“
„Was ist eigentlich los?“ Erst jetzt sah er das sie die Augen nicht mehr offen hatte.
„Was meinst du damit?“
„Ich weiß nicht!“ gab sie zu.
Luke sah aus dem Fenster, es wurde schnell heller und er hatte das Auto dabei, das bedeutete, dass er länger brauchen würde, er musste los.
Vorsichtig beugte er sich zu ihr, küsste sie sanft auf die Wange: „Ich muss los.“ flüsterte er. „Heut Abend sehen wir weiter, ok?“
Sie nickte nur.
Luke stand auf, ging ins Wohnzimmer, zog seine Schuhe wieder an und ging.

Lilly wurde wach, als ihr die Sonne ins Gesicht schien. Sie räkelte sich eine Weile im Bett, drehte sich herum und war sich nicht mehr sicher, wie viel von dem was sie glaubte zu wissen, wirklich passiert ist. Sie wusste das Luke bei ihr geblieben war, das er bei ihr geschlafen hatte. Aber hatte sie heute Morgen mit ihm gesprochen?
Sicher war sie sich nicht, aber sie glaubte es. Hatte er nicht gesagt er würde abends wieder vorbeikommen? Was würde sie dann tun? Was würde sie sagen? Wie würde sie handeln?
Eigentlich wollte sie einfach liegen bleiben, den ganzen Sonntag im Bett, aber sie musste auf Toilette. Also kramte sie die Bettdecke weg, stand auf und merkte das sie immer noch komplett angezogen war. Sie ging ins Badezimmer, zog sich aus und sah, als sie auf der Toilette saß, sein Jackett. Also musste er zwangsläufig wieder kommen, dachte sie mit einer Mischung aus Sorge und Glück. Immer noch war ihr nicht klar was los mit ihr war, wie sie weiter reagieren sollte.
Sie schlurfte zurück ins Schlafzimmer, ließ sich nackt aufs Bett fallen, wickelte sich in ihre Zudecke und sah aus dem Fenster. Lilly fühlte sich immer noch wie gerädert, wusste nicht warum. Vielleicht wusste er es, aber woher? Wenn nicht ich es einmal weiß!
Bevor sie eine zufriedenstellende Antwort wusste, schlief sie erneut ein.

Lilly verschlief wirklich den ganzen Tag, sie wurde erst wach, als es an ihrer Haustür läutet.
Sie erschrak im ersten Moment, dann war sie sich nicht mal sicher ob es wirklich geläutet hatte. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihr das es schon dunkel draußen war. Ihr Wecker zeigte an, das es fast halb zwölf war. Man oh man, dachte sie, solange hab ich schon lang nicht mehr geschlafen. Jetzt klingelte es erneut, sie hatte sich doch nicht geirrt. Als sie aufstand, lief sie kurz ins Bad, zog sich einen Bademantel über und ging zur Haustür.
Sie wusste eigentlich wer es war, dennoch nahm sie den Hörer der Gegensprechanlage ab.
„Ja!“
„Hi, du klingst immer noch so verschlafen.“
Lilly drückte auf den Türöffner, ließ ihre Haustür angelehnt und ging in die Küche um sich einen Kakao zu machen, bevor die Mikrowelle piepste, hörte sie wie die Haustür geschlossen wurde. Luke stand schneller hinter ihr wie sie dachte. Sanft legte er ihr seine Arme um die Hüften, schmiegte sich nah an sie, legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Er rieb sein Kinn sanft an ihrem Hals.
„Ausgeschlafen?“
„Ich bin durch dein Klingeln aufgewacht!“
„Hab ich dich geweckt, also hast du schon geschlafen?“
„Nicht schon, immer noch!“ gab sie zu, schmiegte ihr Gesicht an seine Haare.
„Wirklich?“ das klang schon amüsiert.
„Jaha!“
Sie standen immer noch an ihrer Küchenzeile, jetzt nahm sie ihre Tasse mit dem warmen
Kakao aus der Mikrowelle.
„Willst du auch… ach vergiss es!“
Luke fing leise an zu kichern.
„Oder? Du willst doch eh nichts!“
„Nein, ich hab erst..“
Lilly drehte ihren Kopf um Luke anzusehen.
„Was jetzt?“ fragte sie ihn.
„Ich weiß nicht! Ich weiß es wirklich nicht. Es wäre wesentlich einfacher wenn..“
„Wenn was?“ Lilly drehte sich in seinen Armen ganz herum, er hielt sie immer noch an der Hüfte fest, zog sie sogar noch näher zu sich.
„Wenn du verstehen würdest!“
„Was verstehen?“
„Alles!“
Sie lehnte ihren Kopf zurück um ihm in die Augen zuschauen: „Wenn du dich nur ein bisschen klarer ausdrücken könntest.“ Sagte sie amüsiert.
Er zog sie noch fester an sich, dabei öffnete sich ihr Bademantel etwas. Unwillkürlich zuckte sie zusammen, als sie es bemerkte, sie griff sich schnell an den Kragen des Mantels, damit sich der Gürtel nicht weiter öffnete und er ganz aufging. Luke schien es nicht bemerkt zu haben, zumindest sah er ihr immer noch in die Augen.
„Ich wünschte ich könnte!“ sagte er und es klang wirklich aufrichtig.
Wieder sah sie ihn an, die Hand fest um in den Stoff des Mantels gekrallt: „Warum nicht? Was hast du für Geheimnisse?“
Er schüttelte langsam den Kopf, drückte ihr sanft seine Lippen auf die Stirn: „Ich weiß es ist schwer! Aber bitte vertrau mir einfach!“
So langsam wurde die Tasse in ihre Hand zu heiß, sie wollte sie in die andere Hand nehmen, konnte aber nicht, das sie mit dieser ihren Mantel zuhielt.
Luke realisierte es, nahm ihr die Tasse ab.
„Vorsicht heiß!“
Luke lachte leise: „Ich hab schon heißere Sachen in der Hand gehabt!“
Lilly riss entsetzt die Augen auf.
„Oh Gott, nicht das was du jetzt denkst!“ sagte er schnell.
„So was denk ich denn?“
„Bestimmt nichts, zumindest befürchte ich das, wobei ich bessere Karten bei dir bekomme!“ Jetzt fing Lilly an zu lachen, ließ den Kopf an seinen Brustkorb sinken.

Nach einer Weile entzog sie sich ihm und ging Richtung Couch.
Luke folgte ihr, immer noch mit der Tasse in der Hand, setzte sich neben sie, hielt ihr die Tasse hin.
Sie zog ihren Mantel wieder zusammen und machte den Gürtel fester, nahm dann die Tasse in beide Hände.
Sie überschlug die Beine und sah Luke von der Seite her an.
Abermals sah er ihr in die Augen, fixierte sie förmlich, Lilly merkte wie sie rot wurde, griff unwillkürlich an ihre Mantel, da sie sich sicher war, dass er aufgegangen war. Das er sie deswegen so fixierte, aber warum sah er ihr dann in die Augen? Anstand?
Aber ihr Mantel war zu, warum dann?
„Warum schaust du mich so an?“
„Warum wirst du rot?“
„Weil du mich so anschaust!“
„Weil du,.. weil ich ..nicht anders kann!“
Jetzt wurde sie noch röter, falls das noch ging.
„Aber …?“
„Ich kanns nicht erklären! Lilly ich kanns nicht! Es ist wie ein…“
Lilly holte tief Luft: „Was?“
Luke schüttelte langsam den Kopf, sah sie aber immer noch an.
„Lass das!“ Dabei drehte sie den Kopf wieder nach vorne, sah in ihre Tasse.
„Warum? Stört es dich wirklich so sehr, wenn ich dich ansehe?“
„Du bringst mich damit in Verlegenheit!“
„Das will ich aber nicht! Ist es dir so unangenehm?“
Lilly wiegte den Kopf von links nach rechts.
„Also ja!“
„Ich weiß es nicht wirklich.“ Gab sie zu.
Vorsichtig griff er zu ihr hinüber, strich mit seinen Fingerspitzen über ihre Wange. Anstatt von ihm wegzurutschen, wie er es erwartet hatte, schmiegte sie ihr Gesicht näher an seine Hand.
„Warum stört es dich weniger, wenn ich dich berühre wie wenn ich dich ansehe?“
Lilly zuckte mit den Schultern, sah ihn wieder an: „Ich weiß nicht?“
Er begann sanft mit den Fingerspitzen über ihren Hals zu streicheln, fuhr zärtlich unter ihren Mantel und streichelte sanft über ihr Schlüsselbein. Dabei ging der Morgenmantel etwas auf, sie wollte ihn wieder zuhalten, ließ es aber. Aus, für sie unerfindlichen Gründen, ließ sie ihn gewähren. Befürchtungen, das er zu weit ging, hatte sie keine mehr, sie vertraute ihm, wusste das er ihr nichts tat. Nichts was sie nicht wollte, obwohl sie sich nicht sicher war, was sie eigentlich wollte.
Die Tasse in ihrer Hand begann zu kippen, kurz bevor der Kakao überschwappte, griff er danach, fing sie ab, bevor sie sich den heißen Kakao über den Schoß schüttete.
Mit der anderen Hand streichelte er weiterhin ihr Schlüsselbein. Zeichnete kleine Kreise mit seinem Zeigefinger darauf. Lilly merkte wie ein Schaudern durch ihren Körper lief.
„Zu viel?“ fragte er leise.
Sie drehte ihren Kopf zu ihm herum, diesmal sah sie ihn an: „Es kommt darauf an?“ Ihre Stimme war nur ein Flüstern.
Seine Antwort war auch nicht lauter: „Auf was?“
„Wie weit du vor hast zu gehen?“
„Nicht weiter wie du es willst, wie du es zulässt!“ Seine Stimme hatte etwas Verführerisches.
„Und woher weiß ich wie weit.., was ich will?“
„Das musst du alleine wissen, das musst du selbst entscheiden. Das kann ich nicht für dich!“ Immer noch diese sanfte, hypnotische Stimme und immer noch zeichnete er kleine Kreise.
Lilly fühlte wie sich die Gänsehaut über ihren gesamten Körper zog, nicht nur durch seine Berührung, auch durch seine Stimme.
Er merkte es, fühlte es: „Kalt?“ Fragte er, obwohl er genau wusste was diese Reaktion hervorgerufen hatte.
Lilly kicherte, es klang schon kindlich-albern: „Nein, nicht wirklich!“
Sein Lächeln war weich, schon fast zärtlich: „Niemals würde ich etwas gegen deinen Willen tun.“
Sie nickte: „Ich weiß!“
„Wirklich?“
Ihr Kichern wurde lauter: „Ich hoffe es zumindest!“
Jetzt lachte Luke: „Versprochen!“
Er zog seine Hand zurück.
Leise protestierte sie.
„Was?“ fragte er.
„Wieso hörst du auf?“
„Soll ich nicht?“
Ein Schulterzucken war die Antwort.
Er stellte die Tasse auf den Tisch, griff sanft an den Kragen ihres Mantels und zog sie zu sich. Zuerst dachte er, sie würde sich wehren, aber sie tat nichts. Ließ sich einfach zu ihm ziehen, so lange bis ihre Gesichter sich fast berührten. So hielt er sie, ganz nah bei sich. Sie merkten die jeweils anderen Atemzüge in ihren Gesichtern. Diesmal war es Lilly, die die letzten Zentimeter überbrückte. Sie drückte ihm sanft die Lippen auf seine. Aber jetzt war es Luke der diesen Kontakt abbrach. Schneller wie sie es je getan hatte.
„Aber.. warum?“ flüsterte sie, da sie immer noch sehr nahe bei ihm war.
„Nicht gut!“
„Warum?“ Sie rückte wieder näher zu ihm, streifte mit ihren seine Lippen. Luke hielt sie immer noch am Kragen fest.

Oh Gott, warum tust du das, dachte er. Aber du willst es doch. Schon, aber ist es richtig. Weiß sie wirklich was sie tut oder liegt es daran, das ich diese Ausstrahlung, diese Anziehungskraft habe und das bei jedem weiblichen Wesen. Woher soll ich wissen, dass es nicht daran liegt. Woher soll ich wissen ob sie es meinetwegen tut.
Wieso mach ich mir Gedanken darüber, ist sollte doch froh sein, das sie diese Nähe sucht. Sie ist was sie ist und es ist richtig. Denke ich, hoffe ich. Oder vielleicht nicht?

Lilly sah ihn irritiert an: „Was ist?“ fragte sie wieder.
Luke schüttelte nur den Kopf: „Nichts! Denke ich, hoffe ich.“
Langsam ließ er sie los, zog sich etwas zurück. Für Lilly wurde sein Verhalten immer merkwürdiger. Sie verstand nicht, was das sollte, wieso er plötzlich so reagierte. Erst dieser beinahe Überfall gestern Abend und jetzt… Was ist los mit ihm?

Luke sah ihr an, das etwas nicht stimmte, wagte es aber nicht nachzufragen. Zu sehr fürchtete er eine Antwort die ihm nicht gefiel.
Lange sah er sie schweigend an, sah wie sie nach der Tasse griff und trank, bevor sie sich wieder zu ihm wandte und ihn ihrerseits ansah. Zu gerne wäre er ihr näher, zu groß der Drang ihr alles zu erklären, warum sie so reagierte, warum er sich so verhielt. Aber er wusste das es nicht gut wäre es ihr zu sagen. Sie würde es nicht verstehen und das alleine schon brachte ihn an den Rand der Verzweiflung. Würde sie es je verstehen, konnte sie begreifen was los war, fragte er sich wieder.

„Und jetzt?“ unterbrach sie seine Gedanken: „Schweigen wir uns jetzt an, für den Rest der Nacht?“
Luke lächelte, wie gut er das hinbekam wusste er nicht, aber er versuchte es: „Nicht unbedingt! Zu fragen was du heute gemacht hast, brauch ich ja nicht!“
„Stimmt! Ok, was hast du gemacht?“
„Nun, ehrlich gesagt nicht viel! Sag mal wieso hast du eigentlich frei?“
„Weil Wochenende ist! Was heißt nicht viel?“
„Aber müssen Krankenschwestern nicht auch am Wochenende arbeiten?“
Lilly sah ihn an, hatte sie ihm erzählt das sie Krankenschwester war, fragte sie sich. Sie wusste s nicht mehr: „Schon, aber nicht unbedingt jedes! Manchmal hab ich da auch frei. Also was hast du gemacht?“
„Wie manchmal? Schaffst du dann durch?“
„Nein! Ich hab unter der Woche dann ein oder zwei Tage frei! Könntest du mir vielleicht endlich antworten!“
„Ach so! Und wie ist das geregelt, also gibt es da einen Rhythmus, oder?“
„Dienstpläne und dann darf man theoretisch nur zwölf Tage am Stück arbeiten und muss dann einen frei haben!“ Er weicht immer noch aus, nein er weicht nicht aus, er ignoriert es einfach, dachte sie.
„Als dann Woche für Woche oder wer legt das fest? Ich meine auch die Dienstzeiten?“
„Nein, immer einen Monat und das können wir in gewisser Weise aussuchen aber den endgültigen Plan macht dann die Chefin! Was meinst du mit nicht viel?“ versuchte sie es nochmals.
Luke sah sie irritiert an: „Was.. wieso nicht viel?“
„Was du heute gemacht hast!“
„Ach so! Uninteressant! Das heißt du weist heute schon wann du wieder wie schaffen musst?“
Lilly nickte, sah ihm in die Augen: „Was heißt uninteressant?“
„Na ja uninteressant halt!“
„Und wenn ich es trotzdem wissen will?“
Luke lächelte: „Ich würde dich zu Tode langweilen!“
„Woher willst du das wissen?“
„Glaub mir! Also wann hast du dann wieder frei?“
War die Frage nachdem was er getan hatte damit für ihn abgeschlossen, fragte sie sich.
„Wenn du mir nicht antwortest, sag ich dir auch nichts mehr!“ Lilly zog eine Schnute, stellte die inzwischen leere Tasse auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
Luke fing an zu lachen: „Dann find ich halt alles selber raus!“
„So, wie denn?“
„In dem ich einfach jeden Abend bei dir vorbeikomme und schaue ob du da bist!“
„Hach und wenn ich dir nicht aufmache?“
„Erstens sehe ich ja ob Licht brennt und wenn du mir ne Weile nicht aufmachst, steig ich halt ein!“
„Wie denn? In den sechsten Stock?“ Fragte sie herausfordernd.
Wenn du wüsstest, dachte Luke. „ Ja! Wenns sein muss auch in den sechsten Stock!“
„Und wie willst du das anstellen?“ Immer noch klang sie herausfordernd.
„Ha, über den Balkon!“ Gab er zu.
„Das will ich sehen!“
Bevor Lilly realisierte was er vorhatte, packte er sie wieder am Kragen und zog sie zu sich herüber.
„Ah!“ Entfuhr es ihr, irgendwie war er schneller und hatte mehr Kraft wie sie gedacht hatte.
„Freches Ding!“ sagte er gespielt ernst.
Sie versuchte sich von ihm weg zu lehnen, schaffte es aber nicht: „Hey!“ Wieder zog sie eine Schnute.
Lukes lächeln wurde breiter: „Einen Kuss!“
War das Frage oder Festellung, ging es ihr durch den Kopf. Er hielt sie wieder nah an seinem Gesicht, hatte aber noch etwas Abstand.
Da er sie immer noch nicht geküsst hatte, entschied sie das es eine Frage war.
„Und wenn ich nein sage?“
Luke zog die Augenbrauen zusammen, schürzte die Lippen: „Einen Kuss will ich dir rauben!“
Lilly fing an zu lachen, ließ den Kopf nach hinten fallen: „Also so was hab ich auch noch nie gehört. Klingt wie aus irgendeinem Shakespeare Stück,…oh holde Maid wie soll ich es ertragen fort zu gehen ohne euch..“ Zu mehr kam sie nicht. Luke hatte sich weiter zu ihr gebeugt und drückte ihr zärtlich einen Kuss auf die Lippen.
Sie zog den Kopf zurück: „Hey, ich hab nein gesagt!“
„Du hast gefragte was wäre wenn du nein sagen würdest!“
„So? Und dann holst du dir einfach was du willst?“
Luke griente sie an: „Es ist meist so, dass wenn man etwas raubt, derjenige dem es geraubt wurde, nicht einverstanden damit ist!“
„Du bist ein.. ein..!“
„Ein was?“
„Mir fällt das Wort nicht ein!“
Luke fing an zu lachen: „Das ist schlecht, wenn man eine beschimpfen will und einem nicht einfällt wie!“
„Wer sagt, dass ich dich beschimpfen will?“
„Was dann, was bin ich dann?“
„Ich weiß nicht mehr, wie nennt man jemanden der immer alles so wörtlich nimmt und es auch immer wörtlich wiedergibt?“
„Dafür gibt es einen Ausdruck?“
„Jaha! Aber frag jetzt ja nicht was für einen!“ Warnte sie ihn.
Luke lachte wieder auf: „Schon klar, sonst werd ich hier noch geschlagen!“
Lilly legte beide Hände auf ihre Brust: „So was würde ich nie tun!“
Langsam ließ Luke sie wieder los, sie blieb nah bei ihm sitzen, konnte nicht wirklich wiederstehen ihn zu berühren. Sanft fuhr sie ihm über die Wange, fuhr ihm ins Genick und zog ihn näher zu sich.
Wieder berührten sich ihre Gesichter beinahe, als Luke leise sagte: „So, gibst du ihn mir jetzt freiwillig.“
„Wen?“ fragte Lilly flüsternd.
„Den geraubten Kuss.“
„Den hast du dir ja wohl schon selbst geholt!“
Sein Lächeln verschlug ihr wieder fast den Atem. Zärtlich griff er ihr ins Genick, zog sie so nah, dass sich ihre Lippen berührten.
Fast schon sinnlich streifte Luke mit seine Lippen über ihre. Es war kein Kuss in dem Sinne, es war einfach nur ein Streifen ihrer Lippen aneinander. Lilly gefiel es zwar aber sie wollte mehr, sie fühlte wie ihr Körper schauderte. Niemals zuvor war sie jemandem so nahe gekommen, auf solche Weise. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass eine solche, kaum spürbare Berührung solche Gefühle hervorrufen konnte. Sie drückte ihm ihre Lippen fest auf seine und er erwiderte ihren Kuss. Zuerst sanft, dann wurde es intensiver. Es störte sie nicht, im Gegenteil, sie griff fester in sein Genick zog ihn nahe zu sich. Fühlte wie Wärme durch ihren Körper jagte, wie ihr Herz schneller schlug.

Luke fühlte ihren rasenden Puls, nicht nur seiner Hand, die sie immer noch im Genick hielt, auch an seinen Lippen. Fast schmerzhaft wurde die Sehnsucht in ihm ihr näher kommen zu wollen, sie zu schmecken, zu kosten. Sein Verstand setzte aus. Etwas was er so noch nie erlebt hatte.

Lilly fühlte wie Luke vorsichtig mit seiner Zunge an ihrem Lippen stieß, sie wusste nicht, ob sie das zulassen sollte. Wollen ja, dessen war sie sich sicher, aber ob es eine gute Idee wäre es zuzulassen, das dieser Kuss so weit ging, wusste sie nicht.
Luke nahm ihr in gewisser Hinsicht diese Entscheidung ab, sie fühlte wie er sanft mit der Zunge über ihre Unterlippe fuhr und schließlich vorsichtig begann an ihr zu saugen.
Stromschläge jagten durch ihren Körper, sie hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Eigentlich wollte sie weg von ihm, Abstand zwischen sie bringen, schon allein um atmen zu können, aber sie konnte nicht. Zu gut war das, was er tat. Zu intensiv die Gefühle die durch ihren Körper liefen.
Oh Gott, dachte sie, wenn das allein ein Kuss auslöst, wie fühlt es sich dann erst an, wenn ich mit ihm schlafen. Wegen ihrer eigenen Gedanken zuckte sie merklich zusammen, wie weit war sie jetzt schon bereit zu gehen, wie weit war jetzt schon ihre Phantasie.

Luke hatte bemerkt, wie sie zusammen gezuckt war. Sofort löste er sich von ihr. Sorge machte sich in ihm breit. Warum war sie zusammen gezuckt? Hatte er ihr wehgetan, hatte er sie schlimmstenfalls sogar gebissen. Nein, sagte er zu sich selbst, kein Blut. Hätte ich nur einen Tropfen ihres Blutes geschmeckt, hätte ich die Kontrolle verloren, selbst wenn ich heute schon genug hatte.
Jetzt erst sah er sie an, ihr Gesicht war gerötet, ihre Lippen noch mehr. Die Pupillen waren geweitet, sie schnappte nach Luft.
„Es tut mir lei..!“ er war verwundert wie leise und rau seinen Stimme war, sein Herz schlug, weil er es wollte, aber im Moment jagte es so schnell wie schon seit Jahren, seit Jahrzehnten nicht mehr.
„Nein, muss es nicht!“ sagte sie, ebenfalls so heiser klingend wie er. „Es war…es ist..“ Luke sah wie sie sich sanft mit zwei Fingerspitzen über die Lippen fuhr.
Er tat es ihr nach, ließ zärtlich seinen Zeigefinger über ihre Lippen fahren, zog ihre Konturen nach und wieder durchströmte ihn der Drang sie zu küssen.
Vielleicht sollte ich Abstand zwischen uns bringen, sagte er in Gedanken zu sich selbst.
Nein, keinen Abstand, näher nur noch mehr Nähe, körperlich ganz nah sein, das ist das was ich will, musste er sich eingestehen und war darüber fast schon schockiert.

Lilly unterbrach seine Gedanken indem sie ihn sanft anstupste, ihre eine Hand war, genauso wie seine immer noch im Genick und er fühlte wie sie ihn sanft kraulte. Unwillkürlich schloss er die Augen, genoss jede ihre Berührung, wenn er nicht daran gewöhnt wäre das sein Herz nicht mehr schlug, hätte er wahrscheinlich Panik bekommen, so oft setzten die Schläge aus.
„Müde?“ fragte sie ihn leise, da er immer noch die Augen geschlossen hatte.
Wenn ich jetzt ja sage, schickt sie mich dann nach Hause, oder gehen wir beide ins Bett? Oder geht sie ins Bett und lässt mich auf der Couch liegen?
Luke wusste nicht was er antworten sollte, wenn sie sich zusammen ins Bett legten, hätte er zumindest diese direkte Nähe zu ihr, aber wenn nicht, war er weiter von ihr entfernt wie er wollte.
Er riskierte es, nickte langsam.
Lilly wusste nicht wieso, es schien als ob sie nicht mehr Herr ihrer selbst war, aber sie ließ ihn los, stand auf und streckte ihm die Hand hin: „Komm!“ sagte sie leise.
Sachte griff er nach ihrer Hand, ließ sich von ihr hochziehen und folgte ihr ins Schlafzimmer.

Nachdem sie hinter ihm die Tür zugemacht hatte, machte sie sich los, ging zum Fenster, öffnete es und zog die Vorhänge zu, dann erst wandte sie sich zu ihm. Luke stand immer noch dort wo sie ihn stehen gelassen hatte.
Lilly sah an sich herab: „Ich will mir nur kurz was anziehen!“ Mit diesen Worten ging sie an ihm vorbei ins Bad. Er hörte wie sie sich anzog, hörte Wasser laufen. Als sie zurück ins Schlafzimmer kam, hatte sie ein T-Shirt an, ob und was sie darunter trug vermochte er nicht zu sagen. Es war warm in dieser Nacht, daher vermutete er dass sie nichts außer dem T-Shirt anhatte. Augenblicklich merkte er wie sein Herz, ohne sein Zutun schneller schlug. Sie ging an ihm vorbei, legte sich auf die linke Seite, die dem Fenster näher war, des Bettes und deckte sich zu. Es war als ob sie ihn gar nicht mehr realisierte. Behutsam ging er näher zum Bett, setzte sich auf die Bettkante, sah sie an und überlegt wie er sich verhalten sollte. Bevor er einen Antwort hatte, sagte Lilly: „Du willst aber nicht mit Jeanshose und allem ins Bett, oder?“
Luke sah an sich herunter, die letzten Nächte hatte er sich auch so zu ihr gelegt, aber das hatte sie vielleicht gar nicht so wirklich mitbekommen. Er zupfte unsicher an seinem T-Shirt: „Aber? Stört es dich nicht, wenn ich…also ich hab ja hier keine anderen Klamotten!“
Lilly drehte sich zu ihm herum: „Ich denke mal Unterwäsche wirst du ja anhaben, oder?“ Luke grient, nickte. „Also, aber immer noch besser wie in voller Klamotte!“
Das ließ er sich kein zweites Mal sagen, sofort stand er auf, zog sich bis auf die Unterhose aus und schlüpfte zu ihr ins Bett. Zuerst lag er unter einer und sie unter einer anderen Bettdecke, aber es dauerte nicht lange bis sie so nahe bei einander lagen, dass Luke dem Drang nicht mehr widerstehen konnte. Er hob bedachtsam ihre Decke etwas an und kroch zu ihr. Er spürte das sie noch nicht ganz schlief, aber sie rutschte nicht von ihm weg. Immer näher kroch er zu ihr, bis er ihren Körper an seinem fühlte. Ihre nackten Beine an seinen, ihren Rücken an seiner Brust, nur getrennt von so wenig Stoff. Nie war er ihr je näher gewesen. Zuerst zögerte er, aber nach einer Weile, legte er seinen Arm um ihre Taille, drückte sich näher an sie heran.
Sie schläft immer noch nicht, vielleicht kann sie nicht, weil ich ihr so nahe bin, vielleicht überlegt sie wie sie aus dieser Situation herauskommt.

Auf einmal spürte er Bewegung, zuerst befürchtete er, sie würde von ihm wegrutschen, aber sie drehte sich herum, kuschelte sich noch näher an ihn. Sie legte einen Arm auf seine Taille, lehnte ihren Kopf an seine Brust und zog ein Bein an um es ihm über die Oberschenkel zu legen. Stromschläge jagten durch seinen Körper, ausgehend von jedem Punkt an dem sich ihre Körper berührten und das waren sehr viele. So viel Haut an Haut kannte er nicht, hatte er noch nie erlebt. Die Wärme ihrer nackten Oberschenkel an seinen, ihr Arm an seinem Oberkörper, ihr Gesicht an seiner Brust. Auf eine Art war es fast zu viel für ihn, zu viel für seine Selbstbeherrschung. Ihr Geruch verstärkte sich für ihn, er fühlte ihren Herzschlag mit seinem ganzen Körper. Aber andererseits wollte er mehr, mehr Berührungspunkte, obwohl ihn das jetzt schon aus der Bahn warf, aber er konnte nicht anders. Behutsam strich er mit seinen Fingerspitzen über ihre Taille, ließ seine Hand immer weiter zu dem Saum ihres T-Shirts wandern, bis er ihn erreicht hatte. Er fuhr sanft darunter, spürte ihre weiche Haut, die fast wie Feuer unter seinen Fingern brannte. Er ließ seine Hand weiter nach oben rutschen, über ihre Hüfte, ihre Taille, so weit bis sie auf ihrem Bauch lag. Luke fühlte ihre ruhigen Atemzüge unter seiner Hand, sie schlief, dessen war er sich sicher. Seine Fingerspitzen streichelten immer noch ihren Bauch, er wollte gar nicht mehr, wollte ihren Körper gar nicht weiter erkunden, es reichte ihm ihr so nahe zu sein. Außerdem wollte er nicht, dass wenn sie aufwachte etwas falsches dachte. Sie war ihm bereits näher wie je zuvor, schneller hatte sie ihn an sich heran gelassen, wie er es zu hoffen gewagt hatte. Vor allem, wenn er die letzten Male Revue passieren ließ. Und dennoch wusste er, dass er es noch nicht annähern geschafft hatte. Es war noch ein weiter Weg, bis sie ihm wirklich vertraute, bis er ihr alles sagen konnte.
Aber im Moment genoss er nur ihre Nähe, ihren Körper, ihre Wärme, die Vertrautheit zwischen ihnen. Luke wusste, dass diese Nacht schneller vorbei sein würde, wie er wollte und das er dann wieder von ihr getrennt sein würde. Wie lange konnte er nicht sagen und ob sie ihn beim nächsten Mal auch wieder so nahe an sich ließe wusste er nicht. Er hoffte es, hoffte es von ganzem Herzen. Aber irgendwie befürchtet er, dass das nicht so sein würde.
Daher entschied er nicht mehr darüber nach zudenken, was beim nächsten Mal geschehen wird und was nicht. Luke zog Lilly näher zu sich, am liebsten wäre er ihr unter die Haut gekrochen und genoss es einfach, so lange es ihm vergönnt war.

Der Morgen kraute bereits, als Luke aufstand und sich anzog. So leise wie möglich versuchte er sich zu verhalten, er wollte sie nicht wecken. Angezogen hatte er bereits die Schlafzimmertür erreicht, als er merkte wie Lilly sich im Bett aufsetzte.
„Gehst du wieder?“ fragte sie mit schläfriger Stimme.
„Ja, ich muss los!“
„Warum?“
„Du weißt doch, ich kann…“
„Ja, ich weiß, du kannst es mir nicht sagen!“
Er drehte sich herum, sah sie an. Lilly fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht, dabei rutschte ihr die Bettdecke nach unten, entblößte mehr, wie sie sich vielleicht bewusst war.
Widerstehen konnte Luke dieser Versuchung nicht, er sah zu wie die Decke rutschte, merkte das ihr T-Shirt bis zu ihrer Taille nach oben geschoben war. Lilly bemerkte seinen Blick, sah an sich herab und zerrte das T-Shirt wieder nach unten, zog sich die Bettdecke über die nackten Beine.
Luke hob abwehrend die Hände, konnte aber dennoch nicht den Blick von ihr lösen.
Ihr Herz begann schneller zu schlagen, das hörte er und als er ihr wieder ins Gesicht sah, wurde ihm klar wie unangenehm ihr es war. Ihr Gesicht war rot, glühte fast vor Scham.
„Ich…“ was sollte er sagen, das er es nicht so wollte, das stimmte aber nicht. So lange hatte er sie bereits nachts beobachtet, egal wie viel sie angehabt hatte, egal wie viel er gesehen hatte. Aber jetzt wo er es bewusst machen konnte, sie es wusste, merkte er wie unpassend sein Verhalten war. Auch wenn er es wollte, ihn nicht störte aber sie brachte es deutlich in Verlegenheit.
Er sah sie immer noch an, ging dann zum Bett, setzte sich zu ihr an die Bettkante und fuhr ihr sanft mit der Hand über die Wange.
Seine Stimme war nur ein flüstern, als er zu ihr sagte: „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Nicht schon wieder. Es war unschicklich von mir dich so anzustarren!“
„Unschicklich?“ flüsterte sie: „ Manchmal benutzt du merkwürdige Wörter!“
Luke lachte leise: „Ja ich weiß! Manchmal…!“ Was sollte er ihr sagen, das es seine Erziehung war, das man zu seiner Zeit einfach so gesprochen hat. Das würde sie ihm nie glauben.
„Lilly, ich muss los.“ drängte er wieder, sah auf ihren Wecker.
Zwar waren ihre Vorhänge noch zu, aber sein Instinkt sagte ihm das es sehr bald zu hell für ihn werden würde.
„Ich halt dich doch nicht!“
Irgendwie schon, dachte er.
Sanft zog er sie näher, küsste sie. Lilly erwiderte seinen Kuss, fuhr im dann zärtlich durch die Haare: „Ich hoffe du wirst mir irgendwann sagen, was eigentlich los ist!“
„Irgendwann!“ versprach er ihr: „Aber nicht heute!“
„Wann kommst du wieder?“
„Heute Abend?“
„Geht nicht!“
„Warum?“ Er klang irritiert.
„Weil ich ab heute Nachtdienst hab!“
„Und wann kommst du heim?“
„Morgens, so gehen halb sieben, sieben rum!“
Zu der Zeit war es bereits hell, da konnte er nicht mehr zu ihr, oder doch? Er müsste halt versuchen, bis sie zu Hause war, irgendwo hinzukommen wo keine Sonne hinkam. Aber wo, er konnte ja schlecht bei ihr warten oder im Hausflur rumhocken.
Als er nichts sagte, fragte Lilly: „Ich schätze mal, zu der Zeit musst du wieder irgendwo sein, aus welchen Gründen auch immer, was du mir eh nicht erklären kannst?“
Als Antwort lächelte er sie nur an, küsste sie auf die Wange: „Stimmt! Höchstens ich besuche dich im Krankenhaus?“
„Das geht nicht!“ wehrte sie ab: „Erstens muss ich schaffen und hab keine Zeit für dich und zweitens darf ich das gar nicht!“
Luke stand auf, zog die Vorhänge etwas zurück, sah sie wieder an.
„Ja, ich weiß du musst los!“
„Es tut mir leid.“ Damit drehte er sich Richtung Tür, gab ihr im Vorbeigehen noch einen Kuss auf die Stirn und ging aus ihrem Schlafzimmer. Lilly hörte schwermütig, wie er die Haustür öffnete und hinter sich zuzog.
Wieder allein, stellte sie fest und merkte was für ein merkwürdiges Gefühl das bei ihr hinterließ. Sie sah auf ihren Wecker, es war halb sechs. Warum muss er immer vor Sonnenaufgang weg, hat er Angst von jemanden gesehen zu werden, oder muss er irgendwo sein bevor jemand merkt das er weg war. So sehr wünschte sie sich, dass er bei ihr bleiben könnte und das beunruhigte sie. Wieder war sie nicht in der Lage ihr gestriges Verhalten zu begreifen und auch ihre momentanen Gefühle verstand sie nicht wirklich. Luke schaffte es sie ins emotionale und rationale Chaos zu stürzen, aber solange er bei ihr war störte es sie nicht, nur wenn er ging wurde es ihr fast schon schmerzhaft bewusst.
Sie ließ sich zurück aufs Bett fallen, strampelte die Bettdecke von sich weg und kramte das Kopfkissen auf dem er gelegen hatte zu sich. Sie zog es nah an sich, legte beide Arme darum und rieb ihr Gesicht daran. So schlief sie ein.

Das erbarmungslose Klingeln ihres Weckers, riss sie aus dem Schlaf. Sie fühlte sich gerädert, hatte die kuriosesten Träume von Luke gehabt. So richtig konnte sie sich an keinen erinnern, aber es waren wohl Versuche ihres Verstandes eine Erklärung für Lukes Verhalten zu finden. Es war bereits Zwanzig Uhr, sie musste sich beeilen. Es war heiß draußen gewesen und sie war nass geschwitzt. Das bedeutete sie müsste noch duschen, bevor sie auf Arbeit ging. Schnell ging Lilly ins Bad, duschte sich, machte sich fertig und sah, dass sie ein bisschen zu spät dran war. Sie würde rennen müssen um noch pünktlich zu Dienstbeginn im Krankenhaus zu sein.

Ihre Kollegen sahen sie erstaunt an, als sie noch in Zivil ins Dienstzimmer gestürmt kam.
„Nur mal langsam mit den jungen Pferdchen!“ bekam sie kichernd zu hören.
„Kei Zeit!“ sagte sie, warf ihre Tasche auf die Eckbank in ihrem Pausenraum und rief, als sie bereits wieder auf dem Flur war: „Fünf Minuten!“
Lilly rannte die Treppen hinauf. Wieso muss die Umkleide auch unter dem Dach sein, fragte sie sich, als sie ein Satz neuer Dienstkleidung aus dem Regal kramte. Schnell zog sie sich um. Ausziehen, anziehen, ausziehen, anziehen, dachte sie, eigentlich wäre es logischer gleich mit dem Schlafsach herzukommen, würde man sich einmal umziehen sparen.
Immer noch in Gedanken rannte sie die Treppen der vier Etagen nach unten, wäre dabei fast mit einem Arzt zusammen gestoßen: „Spät dran?“ rief er ihr hinterher.
„Yeap! Hast du Nacht?“
„Ja!“
„Gut dann sehen wir uns!“
„Hoffentlich nicht!“
Sie lachte auf, bremste etwas ihre Geschwindigkeit und ging, schneller wie normal, zurück ins Dienstzimmer. Sie kannte die Patienten noch alle, daher war die Übergabe in knapp einer viertel Stunde fertig. Ihre Kolleginnen verabschiedeten sich und wünschten ihr eine ruhige Nacht.

Lilly machte ihren ersten Rundgang, die meisten schliefen bereits und die anderen sahen noch fern. Jedem wachen Patienten sagte sie, dass sie heute Nacht zuständig sei und das sie klingeln sollten, wenn etwas wäre. Danach ging sie zurück ins Dienstzimmer und begann die Aufgaben zu erledigen, die jede Nacht anfielen: Aufräumen, auffüllen der Schränke, Kontrolle der Geräte, sowie hin und wieder etwas putzen. Sie hatte sich zur Angewohnheit gemacht, alles was irgendwie Krach machen könnte möglichst vor Mitternacht zu erledigen, damit sie niemanden weckte. Also war es meist bis Mitternacht am stressigsten. Kurz nach Mitternacht machte sie dann ihren zweiten Rundgang. Jetzt schliefen nahezu alle, in manchen Zimmer machte sie Lichter und Fernseher aus. Andere Patienten winkten ihr nochmals zu.
Das würde eine relativ ruhige Nacht werden, entschied sie.
Es war bereits kurz vor Zwei, als sie den nächsten Rundgang beginnen wollte, als eine älterer Dame ihr klingelte. Die Dame lag direkt im Zimmer neben dem Dienstzimmer, war alleine und Lilly wunderte sich, was sie denn wohl wollte. Sie ist doch selbstständig, vielleicht hat sie sich nur verdrückt.
Als Lilly die Tür öffnete, saß die ältere Frau mit erschrockenem Gesicht auf ihrem Bett.
„Was ist? Brauchen Sie was?“
Die Frau sah sie an: „Da war jemand auf dem Balkon!“
Lilly sah sie an. Wir sind im vierten Stock, wer sollte da auf dem Balkon sein. Er ist doch nur vom Dienstzimmer aus begehbar.
Lilly ging ans Fenster, zog die Vorhänge zur Seite, sah nach draußen: „Da ist nichts! Sie haben sich getäuscht.“
„Nein!“ behauptete die Frau: „da war jemand!“
Erneut sah Lilly aus dem Fenster: „Vielleicht hat sich der Baum bewegt. Vor ihrem Fenster steht eine alte Tanne, wenn da der Mond auf die Zweige scheint, kann es schon sein das sie einen Schatten gesehen haben!“
Lilly sah immer noch aus dem Fenster, Sie konnte ja nicht wissen, dass sie wirklich beobachtet wurde.

Luke war, nachdem er gemerkt hatte das die alte Dame ihn gesehen hatte, auf die Tanne herüber gesprungen. Die fast zehn Meter waren kein Hindernis für ihn, jetzt stand er auf einem der dickeren Äste, drückte sich an den Stamm um im Schatten zu sein und sah wie Lilly aus dem Fenster schaute. Zweimal hatte sie bereits direkt in seine Richtung geschaut. Er war sich sicher, dass sie ihn gesehen hatte, aber wahrscheinlich dachte sie nicht daran, fast fünfzehn Meter über dem Boden, wirklich jemanden zu entdecken. Er hörte wie sie der Frau erklärte, dass sie wohl nur einen Schatten gesehen hatte.
Sie zog die Vorhänge wieder zu, wünschte der Frau noch eine gute Nacht und verließ das Zimmer.


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Tag der Veröffentlichung: 13.06.2011

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