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Schon lange saß er dort, Hoch Oben, im gut versteckten Nest, zwischen dichtem Efeu.
Mit langem Hals schaute er immer wieder über den Rand hinaus, denn bis auf den Rand hatte er sich noch nicht getraut.
Ja, er war ein Vogel, aber er konnte noch nicht fliegen.
Alle seine Geschwister flogen schon eifrig durch die Gegend und versuchten sich im fangen von Insekten.
Seine Eltern und Geschwister hatten ihm gut zugeredet und Mut gemacht, aber er traute sich einfach nicht.
Wie elegant sich die anderen in der Luft bewegten, als hätten sie schon immer fliegen können. Nur er nicht, aber er war doch auch ein Vogel und wollte fliegen, ganz einfach fliegen.
Aber immer wenn er über den Nestrand sah, wurde ihm schon fast schwindelig. Dort Unten war alles so klein und für den kleinen Vogel noch immer unerreichbar.
Erst gestern war in der Nachbarschaft, bei seinem ersten Flugversuch, ein junger Vogel abgestürzt und das Opfer einer Katze geworden.
So wollte er nicht enden.
Wenn es doch nur nicht so hoch wäre, ob die Federn stark genug sind und halten, habe ich auch genug Kraft. Solche und ähnliche Gedanken gingen dem kleinen Vogel durch den Kopf.
Dort hinten kam sein Vater angeflogen. Wie elegant der zwischen den Zweigen hindurch manövrierte. Er landete auf dem Nestrand und legte einen dicken Käfer ins Nest.
„ Hier mein Junge, zur Stärkung, und Kopf hoch, das wird schon, Du musst es nur ganz fest wollen“, sagte sein Vater und flog davon.
Nach einander kamen seine Mutter und Geschwister zum Nest. Jeder hatte einen kleinen Leckerbissen für ihn.
Ich muss es jetzt endlich schaffen, dachte der kleine Vogel. Ich komme mir vor wie ein Baby, welches gefüttert werden muss.
Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und kletterte auf den Nestrand. Er sah hinunter, schloss sofort die Augen und stieß sich ab.
Wie ein Stein fiel er in die Tiefe.
„ Ich muss mit den Flügeln schlagen“, rief er laut. Aber er war wie gelähmt.
Immer noch fiel er in die Tiefe.
Ich werde auf dem Boden aufschlagen und sterben, dachte er.
Und plötzlich, ehe er aufschlug, bewegten sich seine Flügel, erst langsam, dann immer schneller.
Er öffnete die Augen und schaute unter sich.
Alles war noch weiter entfernt als vom Nestrand aus gesehen. Er hatte so tüchtig mit seinen Flügeln geschlagen und war höher als die Häuser und Bäume gestiegen.
Langsam ließ seine Angst nach und er begann seine Flügel kontrolliert zu bewegen.
Und siehe da, der kleine Vogel konnte fliegen, zwar noch nicht so elegant wie die anderen, aber er stürzte nicht zu Boden.
Als er sich immer sicherer fühlte, begann er sogar Insekten zu verfolgen und schnappte sich den einen oder anderen Leckerbissen.
Als die Sonne untergehen wollte, flog der kleine Vogel zum Nest zurück und landete sicher auf dem Rand.
Er kletterte ins Nest und kuschelte sich zufrieden neben seine Geschwister, die schon längst schliefen.


ENDE


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Tag der Veröffentlichung: 18.10.2009

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