Der Aufstand
In einer Werkzeugkiste aus Blech, lagen verschiedene Werkzeuge. Das waren eine Kneifzange, ein Hammer, ein Metermaß, Schraubendreher in unterschiedlichen Größen, eine Metallsäge, eine Holzsäge, Schraubenschlüssel, ein Taschenmesser, Schleifpapier, Holzschrauben, Nägel und noch vieles mehr. Und das alles gehörte einem Handwerker.
Jeden Tag nahm er seine Werkzeugkiste aus dem Schrank, welcher in seiner Werkstatt stand und durch ein starkes Vorhängeschloß gesichert war.
Der Handwerker erledigte kleinere Reparaturen in der näheren und weiteren Nachbarschaft.
Seine arbeiten erledigte der Handwerker immer Ordentlich und sauber. Aber sein Werkzeug behandelte er nicht gut.
Wenn etwas nicht so klappte, wie es sollte, dann Schmiß er schon mal das eine oder andere Werkzeug durch die Gegend, oder trat darauf herum. Und das obwohl die Werkzeuge überhaupt nichts dafür konnten. Selten lobte er seine Werkzeuge, es war für ihn einfach selbstverständlich, das sie machten was er wollte.
Eines Tages, als der Mann die Tür in einem Uralten Schrank reparieren sollte, passierte es.
Er nahm die kleine Eisenfeile zur Hand und begann an einem Scharnier einen winzigen Grat zu entfernen. Plötzlich rutschte er ab und riß sich den Finger an diesem Grat auf.
Dunkel Rotes Blut quoll hervor.
,, Aua", schrie der Mann, wohl eher erschrocken, als denn vor Schmerz.
Wütend warf er die Feile zu Boden und trat darauf.
Mit einem lauten Knacks brach sie Mitten durch.
Ein aufstöhnen ging durch die anderen Werkzeuge, welche aus ihrer Werkzeugkiste heraus alles mit angesehen hatten.
Aufgebracht rief die Wasserwaage,, He, was soll das"!
,, Die kann doch nichts dafür", polterte der Hammer.
,, So eine Gemeinheit", schluchzte das Bandmaß und versteckte sich hinter einem Päckchen mit Holzschrauben.
,, Das sollte man mit ihm auch machen", rief das Schleifpapier wütend.
Natürlich konnte der Mann das alles nicht hören und schob die zerbrochene Feile achtlos mit seinem Großen Schuh in die Ecke. ,, Ich werde euch schon noch zeigen, wer der Herr im Hause ist", murmelte er mit einem Blick auf den geöffneten Werkzeugkasten.
Wütend knallte er den Deckel vom Werkzeugkasten zu, verriegelte diesen mit dem Vorhängeschloss, trug ihn zum Auto und fuhr nach Hause. Ohne ein Wort stellte er den Werkzeugkasten in den Schrank und verließ die Werkstatt.
Nach einiger Zeit wisperte die Zange,,, ich glaube der kommt Heute nicht wieder".
,, Aber, ich traue dem Braten noch nicht ganz", flüsterte der Zollstock.
,, Papalapap", schimpfte der Hammer,,, laßt uns lieber überlegen, wie wir uns wegen der Feile an dem Mann rächen können".
,, Wie stellst du dir das denn vor", maulte einer der Schraubenschlüssel.
,, Na, einen derben Denkzettel sollten wir ihm erteilen", sagte der Hammer.
,, Du hast wohl vergessen das wir hier in dieser Blechkiste gefangen sind", stellte das Taschenmesser fest. ,, Mit einem Schloß gesichert", fügte es hinzu.
,, Das Schloß dürfte doch für die große Kneifzange kein Problem sein", kicherte das Schleifpapier.
,, Wieso ich", maulte die zurück?
,, Du hast doch immer Dicke Backe, jetzt kannst du zeigen was du drauf hast", rief ein kleiner Kreuzschraubendreher.
,, Na gut", brummte die Zange, holte tief Luft und versuchte den Deckel der Kiste aufzustemmen. Doch so oft sie auch bog und drückte, es wollte ihr nicht gelingen. Die Zange konnte den Deckel nicht öffnen und gab erschöpft auf. ,, Ich schaffe es nicht", sagte sie enttäuscht.
,, Darf ich mal"? ertönte eine helle Stimme in die betretene Stille. Alle Werkzeuge schauten nach ganz Unten, zum Boden der Werkzeugkiste, wo sich ein langes, schlankes aber recht stabil aussehendes Nageleisen den Weg nach Oben bahnte.
,, So, dann will ich es mal versuchen", sagte das Nageleisen und steckte seinen schmalen Kopf in die Fuge des Deckels. Mit seinem Hinterteil fing es jetzt an zu wippen, erst ganz sacht, dann immer stärker.
Plötzlich, mit lautem Knall, flog der Deckel auf. Das Nageleisen konnte sich gerade noch am Rand der Kiste festhalten.
,, Na also, rief es erfreut, war doch gar nicht so schwer", und schaute strahlend in die Runde.
Lauter Beifall setzte ein und Hoch Rufe erschollen.
Das Nageleisen hob die Arme und rief ,, Leute, ich habe da eine Idee".
Die Werkzeuge verstummten, drängten sich um das Nageleisen und steckten die Köpfe zusammen.
Nach einiger Zeit rief das Schmirgelpapier ,, Prima Idee".
,, Ja genauso machen wir das", stimmte der Hammer zu.
,, Der wird sich noch wundern", sagte der Winkel.
,, So jetzt aber schnell, ehe er wiederkommt", forderte das Nageleisen die anderen auf. ,, Und denkt daran, was ich euch gesagt habe, erst auf mein Kommando".
In Windeseile kletterten alle Werkzeuge aus der Kiste und versteckten sich in der Werkstatt.
Doch gerade hatten alle ein Versteck gefunden, als die Werkstatt Tür geöffnet wurde und der Mann eintrat. Er ging geradewegs auf den Schrank zu und wollte den Werkzeugkasten greifen, als er innehielt. Er kratzte sich am Kinn und murmelte ,,Und ich habe doch das Schloss zugemacht".
Kopfschüttelnd sah er wieder in den Schrank, in welchem die Werkzeugkiste mit offenem Deckel stand. Kein einziges Werkzeug war zu sehen.
Gerade wollte der Mann ,Diebe, Diebe rufen, doch kein Wort kam aus seinem Mund.
Mit weit offenem Mund sah er wie aus allen Ecken seine Werkzeuge auf ihn zu kamen. Jetzt war er von ihnen eingekreist.
,, Was, was wollt ihr", fragte er?
,, Du hast uns immer nur schlecht behandelt", rief das Taschenmesser.
,, Und nun bekommst du die Quittung dafür", sagte der Hammer.
Der Mann konnte plötzlich jedes Wort verstehen.
,, Auf ihn mit Gebrüll", schrie das Bandmaß und stürmte als erstes los. Jetzt schrien alle Werkzeuge und stürzten sich auf den Mann. Der war vor Schreck wie gelähmt und zu keiner Gegenwehr fähig.
Wie der Blitz schlitzte das Messer seine Kleider auf. Das Schmirgelpapier zerkratzte ihm Hände und Gesicht. Die Kneifzange kniff ihn in die Finger und der Hammer schlug auf seine Füße. Kräftige Schläge auf den Allerwertesten bekam er von der Wasserwaage.
Vor Schmerz fing der Mann an zu jammern und wollte davonlaufen.
Doch ehe er sich versah, drehten die Schraubendreher eine Schraube nach der anderen durch seine in Fetzen hängende Kleidung und schraubten ihn regelrecht an die Werkbank. Es gab kein entkommen.
Nun nagelte der Hammer auch noch seine Schuhe am Holzfussboden fest.
,, Hört bitte auf", flehte der Mann schließlich. ,, ich verspreche, euch in Zukunft Ordentlich zu behandeln, aber bitte hört auf".
,,Kein Wort glauben wir dir", sagte das Nageleisen.,, Kommt Leute wir gehen", forderte es die anderen auf.
Lachend verließen die Werkzeuge die Werkstatt, um einen anderen Handwerker zu suchen.
Tag der Veröffentlichung: 22.06.2008
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